1. Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Denn ein Neuwagenkäufer darf erwarten, dass das Fahrzeug die einschlägigen Emissionsgrenzwerte (hier: die Euro-5-Emissionsgrenzwerte) tatsächlich einhält. Diese Erwartung wird enttäuscht, wenn die Grenzwerte nur während eines Emissionstests eingehalten werden, weil eine Software die Testsituation erkennt und einen speziellen Betriebsmodus aktiviert, in dem der Stickoxidausstoß geringer ist als beim regulären Betrieb des Fahrzeugs im Straßenverkehr.
  2. Darüber hinaus ist ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen deshalb i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil er zur Herstellung seiner Vorschriftsmäßigkeit eines Softwareupdates bedarf. Wenn aber die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs erst hergestellt werden muss, ist das Fahrzeug ohne das Softwareupdate nicht vorschriftsmäßig und folglich mangelhaft.
  3. Ein im Juni 2014 als Neuwagen ausgelieferter, vom VW-Abgasskandal betroffener Audi A1 kann schon deshalb im Wege der Nacherfüllung durch ein ähnliches Fahrzeug aus der aktuellen Serie ersetzt werden, weil eine Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) sogar bei einem Stückkauf nicht von vorneherein unmöglich ist. Vielmehr kommt es bei einem Stückkauf darauf an, ob die Kaufsache nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss im Falle ihrer Mangelhaftigkeit durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann. Unter denselben Voraussetzungen kann der Verkäufer bei einem Gattungskauf verpflichtet sein, mit einem nicht derselben Gattung wie die Kaufsache angehörenden Gegenstand nachzuerfüllen, wenn die gesamte Gattung untergegangen oder mangelhaft ist.
  4. Der Verkäufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – mangelhaften – Neuwagens darf die Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs (§ 439 I Fall 2 BGB) selbst dann nicht gemäß § 439 III BGB verweigern, wenn eine Nachbesserung durch Installation eines Softwareupdates (§ 439 I Fall 1 BGB) nur Kosten von rund 100 € verursacht. Denn auf eine Nachbesserung kann schon deshalb nicht ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden, weil derzeit noch ungewiss ist, ob das Softwareupdate negative Folgen haben wird. Diese Unsicherheit kann den Wiederverkaufswert des Fahrzeugs auch dann negativ beeinträchtigen, wenn sie aus technischer Sicht unbegründet ist.

LG Osnabrück, Urteil vom 31.05.2017 – 5 O 2218/16

Sachverhalt: Der Kläger kaufte von der Beklagten mit Vertrag vom 18.03.2014 einen Audi A1 Sportback Ambition 1.6 TDI als Neuwagen zum Preis von 20.587 €. Das Fahrzeug wurde ihm am 13.06.2014 übergeben.

Es ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet und deshalb vom VW-Abgasskandal betroffen: Eine Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem technischen Prüfstand einen Emissionstest absolviert („Modus 1“) oder ob es im regulären Straßenverkehr betrieben wird („Modus 0“). Im „Modus 1“ ist der Stickoxid(NOX)-Ausstoß niedriger als im „Modus 0“ und wird der einschlägige Euro-5-Emissionsgrenzwert eingehalten.

Mit Bescheid vom 15.1 0.2015 ordnete das das Kraftfahrt-Bundesamt den Rückruf aller vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge mit dem Aggregat EA189 (EU 5) an. Es gab der Volkswagen AG auf, die den Schadstoffausstoß manipulierende Software, bei der es sich aus Sicht des Kraftfahrt-Bundesamtes um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, aus den Fahrzeugen zu entfernen. Die Volkswagen AG erklärte am 16.12.2015 öffentlich, dass die betroffenen Fahrzeuge beginnend im 3. Quartal 2016 sukzessive zurückgerufen würden. Sie würden ein Softwareupdate erhalten; zusätzlich werde direkt vor dem Luftmassenmesser ein sogenannter Strömungsgleichrichter befestigt. Beides zusammen werde weniger als eine Stunde Arbeitszeit in Anspruch nehmen.

Das erforderliche Softwareupdate musste vom Kraftfahrt-Bundesamt auf der Grundlage eines zwischen diesem und der Volkswagen AG abgestimmten Zeit-und Maßnahmenplans freigegeben werden. Die Freigabe war für Fahrzeuge mit der streitgegenständlichen Motorkonfiguration noch nicht erteilt worden, als der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 17.05.2016 von der Beklagten verlangte, ihm bis zum 28.06.2016 Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Audi A1 einen mangelfreien Neuwagen aus der aktuellen Serie zu liefern (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB).

Der Kläger hält sein Fahrzeug für mangelhaft, weil ihm eine i. S. des § 434 I 1 BGB vereinbarte Beschaffenheit fehle. Denn entgegen einer zwischen ihm – dem Kläger – und der Beklagten getroffenen Vereinbarung halte der Pkw die Euro-5-Emissionsgrenzwerte wegen eines zu hohen Stickoxidausstoßes tatsächlich nicht ein. Die Installation eines Softwareupdates – so meint der Kläger – sei ihm nicht zumutbar, weil sich dieses Update nachteilig unter anderem auf die Motorleistung, den Kraftstoffverbrauch und den Schadstoffausstoß auswirken werde. Darüber hinaus bliebe trotz des Updates der Wiederverkaufswert des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemindert, zumal die bisher zum Einsatz kommende Software bereits Schäden am Dieselpartikelfilter und dem gesamten Abgassystem verursacht habe und deshalb die Lebensdauer des Fahrzeugs vermindert sei.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die von ihm begehrte Ersatzlieferung nicht gemäß § 275 I BGB wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen sei. Vielmehr biete die AUDI AG derzeit einen dem streitgegenständlichen Audi A1 nahezu identischen Audi A1 an; einzig der Motor sei durch ein neues, den Anforderungen der Euro-6-Abgasnorm entsprechendes Aggregat ersetzt worden.

Die Beklagte dürfe die Ersatzlieferung auch nicht gemäß § 439 III BGB verweigern, weil sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei. Denn anders als die Beklagte behaupte sei eine Ersatzlieferung für sie (nahezu) kostenfrei, während eine Nachbesserung unter Berücksichtigung der Entwicklungskosten für das Softwareupdate 4.000 €–5.000 € je Fahrzeug koste. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass das Softwareupdate einen erhöhten CO2-Ausstoß zur Folge habe, sodass es keine taugliche Nachbesserungsmaßnahme sei und er – der Kläger – es nicht akzeptieren müsse.

Die Klage hatte weit überwiegend Erfolg.

Aus den Gründen: I. Soweit der Kläger nicht nur festgestellt haben will, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs, sondern darüber hinaus im (Schuldner-)Verzug mit der von ihm begehrten Nachlieferung befindet, ist die Klage unzulässig.

Gemäß § 256 I ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden. Keine Rechtsverhältnisse sind abstrakte Rechtsfragen wie etwa der Verzug des Schuldners. Der Schuldnerverzug ist ein Unterfall der Verletzung der Leistungspflicht, nämlich die rechtswidrige Verzögerung der geschuldeten Leistung aus einem vom Schuldner zu vertretenden Grund, und zugleich eine gesetzlich definierte Voraussetzung unterschiedlicher Rechtsfolgen, also lediglich „Vorfrage“ für die Beurteilung dieser Rechtsfolgen. Ein gegenüber dem ursprünglichen Schuldverhältnis eigenständiges „Verzugsverhältnis“ kennt das Gesetz nicht (BGH, Urt. v. 19.04.2000 – XII ZR 332/97, NJW 2000, 2280 [2281]). Soweit in Fällen, in denen eine Verurteilung zu einer Zug um Zug zu erbringenden Leistung begehrt wird, der Antrag des Klägers, den Annahmeverzug des Schuldners hinsichtlich der ihm gebührenden Leistung festzustellen, mit Rücksicht auf §§ 756, 765 ZPO aus Gründen der Prozessökonomie allgemein als zulässig angesehen wird, sind diese Überlegungen auf den Schuldnerverzug nicht übertragbar (BGH, Urt. v. 19.04.2000 – XII ZR 332/97, NJW 2000, 2280 [2281]).

Im Übrigen ist die Klage zulässig. Dies gilt aus den genannten Gründen auch für den Antrag festzustellen, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet.

II. Die Klage ist weitgehend begründet.

1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Nachlieferungsanspruch aus §§ 434 I 2 Nr. 2, 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB zu.

a) Der erworbene Audi A1 wies im Zeitpunkt des Gefahrübergangs einen Sachmangel gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB auf. Denn das Fahrzeug entsprach nicht einer solchen Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

aa) Das klägerische Fahrzeug verfügt über eine Software, die zwischen dem Betrieb des Fahrzeugs auf dem Prüfstand im Modus 1 und dem Betrieb im realen Fahrbetrieb im Modus 0 unterscheidet. Im Modus 1 kommt es zu einer höheren Abgasrückführungsrate. Zwar kann und muss der Prüfstandmodus nicht den realen Fahrbetrieb exakt widerspiegeln; allerdings kann nur bei im Wesentlichen identischer Funktion der Motorsteuerung gewährleistet werden, dass die Abgas- und Verbrauchswerte in einer gewissen Korrelation zueinander stehen. Nur dann lässt die Simulation auch eine Aussage über den realen Fahrbetrieb sowie den Vergleich zu anderen Fahrzeugen zu: Niedrige Werte im Prüfstandmodus lassen auch niedrige Werte im realen Fahrbetrieb erwarten und umgekehrt (LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16, juris Rn. 25). Bei einem die Prüfstandswerte nicht manipulierenden Fahrzeug besteht die Gewähr dafür, dass schädliche Emissionen im Straßenverkehr mit derselben Effektivität wie auf dem Prüfstand vermieden werden (LG Paderborn, Urt. v. 09.06.2016 – 3 O 23/16, juris Rn. 27). Das streitgegenständliche Fahrzeug täuscht dagegen durch den Wechsel zwischen den verschiedenen Modi auf dem Prüfstand einen anderen, niedrigeren Stickoxidausstoß vor und nimmt damit den Simulationswerten die Aussagekraft. Eine derartige Umschaltlogik entspricht nicht den berechtigten Erwartungen eines Käufers an die übliche Beschaffenheit vergleichbarer Fahrzeuge. Der Käufer eines Fahrzeugs der Emissionsklasse „Euro 5“ darf vielmehr davon ausgehen, dass das Fahrzeug die vorgegebenen Grenzwerte im Rahmen des für die Einstufung maßgeblichen Prüfungsverfahrens auch tatsächlich einhält. Diese Erwartung wird enttäuscht durch den Umstand, dass das Ergebnis im Prüfstand nur aufgrund einer speziellen in dem Fahrzeug verbauten Software erzielt wird, die den künstlichen Fahrzyklus erkennt und in einen Betriebsmodus schaltet, der den Stickoxidausstoß reduziert (LG Paderborn, Urt. v. 09.06.2016 – 3 O 23/16, juris Rn. 27).

bb) Darüber hinaus ist das Fahrzeug auch deswegen mangelhaft, weil es selbst nach dem Vorbringen der Beklagten einem Softwareupdate unterzogen werden muss, um den entsprechenden Auflagen des Kraftfahrt-Bundesamtes zu genügen und nicht den Verlust der Allgemeinen Betriebserlaubnis zu riskieren (LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15; LG Oldenburg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16; LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16; jeweils in juris). In dem Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 03.11.2016 ist insoweit ausgeführt, dass die von der Volkswagen AG dem Kraftfahrt-Bundesamt vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen. Wenn also ausweislich dieses Schreibens die Vorschriftsmäßigkeit erst hergestellt werden muss, mithin das Fahrzeug ohne das Softwareupdate nicht vorschriftsmäßig ist, dann kann hieraus auf die derzeitige Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs geschlossen werden. Denn ein nicht den Vorschriften genügendes Fahrzeug entspricht nicht der Beschaffenheit, die ein Käufer bei dem Erwerb eines Neuwagens erwartet.

b) Der Mangel des Fahrzeuges gibt dem Kläger gemäß § 437 Nr. 1 BGB das Recht, Nacherfüllung zu verlangen, wobei er grundsätzlich frei wählen kann, ob er die Beseitigung des Mangels oder – wie hier – die Lieferung einer mangelfreien Sache wünscht.

aa) Die begehrte Neulieferung eines Audi A1 ist nicht gemäß § 275 I BGB wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen.

Vorliegend traf die Beklagte eine Gattungsschuld. Eine Ersatzlieferung wird bei dieser erst dann unmöglich, wenn die gesamte Gattung untergegangen bzw. mangelhaft ist (Palandt/Weidenkaff, BGB, 76. Aufl., § 439 Rn. 15). Im Streitfall ist zwar davon auszugehen, dass alle Fahrzeuge des Typs Audi A1 aus der Baureihe, dem das streitgegenständliche Fahrzeug angehört, mit dem Dieselmotor EA189 mangelbehaftet sind. Die Nachlieferung ist aber durch Überlassung eines Fahrzeugs der aktuellen Baureihe des Audi A1 möglich. Entgegen der Auffassung der Beklagten gehören Neufahrzeuge des Typs Audi A1 aus der aktuellen Serienproduktion mit vergleichbarer Ausstattung auch dann derselben Gattung wie das streitgegenständliche Fahrzeug an, wenn sie eine andere Motorleistung oder sonstige technische Verbesserungen aufweisen und dabei insbesondere den Anforderungen der Euro-6-Norm entsprechen.

Eine Gattung bilden alle Gegenstände, die durch gemeinschaftliche Merkmale (Typ, Sorte etc.) gekennzeichnet sind und sich dadurch von anderen Gegenständen abheben. Über die Abgrenzung entscheidet der Parteiwille (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 243 Rn. 2). Für dessen Ermittlung ist im vorliegenden Fall die Regelung in IV 6 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen der Beklagten, die unstreitig in den Kaufvertrag einbezogen waren, von besonderer Bedeutung. Dort heißt es unter anderem:

„Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers während der Lieferzeit bleiben vorbehalten, sofern die Änderungen oder Abweichungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind. Sofern der Verkäufer oder Hersteller zur Bezeichnung der Bestellung oder des bestellten Kaufgegenstandes Zeichen oder Nummern gebraucht, können allein daraus keine Rechte begründet werden.“

In der aktuellen Produktion des Audi A1 gibt es ein Modell, das – wie der streitgegenständliche Wagen – über einen TDI-Motor mit 90 PS verfügt. Dieser Motor hat 0,2 l Hubraum weniger als das im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Aggregat und erfüllt anstelle der Euro-Norm 5 die Euro-Norm 6. Die technische Ausstattung und das Design wurden leicht abgeändert. Diese Modifikationen sind jedoch nicht so erheblich, dass man davon ausgehen könnte, der Audi A1 aus der aktuellen Serie stelle eine eigene Gattung dar. Die Abweichungen sind insgesamt als gering zu bewerten und wären dem Kunden nach Nr. IV 6 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen zuzumuten, falls die Audi AG nach der Bestellung, aber vor der Auslieferung des Fahrzeugs an den Kläger die Produktion des Audi A1 in der alten Version ein- und auf den nunmehr aktuellen Audi A1 umgestellt hätte.

Letztlich kann aber auch dahinstehen, ob es sich bei einem ähnlichen Fahrzeug aus der aktuellen Produktion um ein Fahrzeug derselben Gattung oder um ein sogenanntes aliud handelt. Denn der Nachlieferungsanspruch kann nicht nur mit Gegenständen erfüllt werden, die derselben Gattung angehören. Das ergibt sich schon daraus, dass nach zutreffender Ansicht eine Nachlieferung auch beim Stückkauf infrage kommt, wo der Anspruch notwendig auf die Lieferung eines aliuds gerichtet ist. Ob beim Stückkauf eine Ersatzlieferung in Betracht kommt, ist nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss zu beurteilen (§§ 133, 157 BGB). Möglich ist die Ersatzlieferung nach der Vorstellung der Parteien dann, wenn die Kaufsache im Falle ihrer Mangelhaftigkeit durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, NJW 2006, 2839 Rn. 18 ff.). Unter diesen Voraussetzungen kann daher auch bei einer Gattungsschuld die Verpflichtung zur Nachlieferung auf einen nicht derselben Gattung angehörenden Gegenstand gerichtet sein. Das ist hier aus den genannten Gesichtspunkten der Fall.

Mithin scheidet die vom Kläger begehrte Nachlieferung nicht gemäß § 275 I BGB wegen Unmöglichkeit aus.

bb) Die Beklagte kann die Nachlieferung auch nicht gemäß § 439 III BGB wegen Unverhältnismäßigkeit der mit ihr verbundenen Kosten verweigern.

Die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit erfordert eine umfassende Würdigung der in § 439 III BGB genannten Umstände, also der Kosten der vom Käufer gewählten Form der Nacherfüllung, des Wertes der Sache in mangelfreiem Zustand, der Bedeutung des Mangels und der Frage, ob die andere Art der Nacherfüllung für den Käufer erhebliche Nachteile hätte.

(1) Auf welchen Zeitpunkt hierfür abzustellen ist, ist streitig. Teilweise wird in der Literatur auf den Termin der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt (Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 439 Rn. 41). Diese Ansicht überzeugt jedoch nicht.

Der BGH hat zu der ähnlich gelagerten Problematik des Ausschlusses des Rücktrittsrechts nach § 323 V 2 BGB wegen Geringfügigkeit des Mangels bereits entschieden, dass ein zum Zeitpunkt des Rücktritts erheblicher Mangel nicht zu einem geringfügigen Mangel wird, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Mangel doch mit verhältnismäßig geringem Aufwand behoben werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 15.06.2011 – VIII ZR 139/09, juris Rn. 9). Auch zu § 633 II BGB a.F. vertritt der BGH die Auffassung, dass für die Bewertung des zur Nachbesserung erforderlichen Aufwands auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem die vertragsgemäße Erfüllung geschuldet war; eine Erhöhung des Aufwands aufgrund späterer Baukostensteigerungen war daher nicht zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 23.03.1995 – VII ZR 235/93, juris Rn. 12).

Dementsprechend wird in der Literatur auch richtigerweise überwiegend vertreten, dass es nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt (vgl. MünchKomm-BGB/Westermann, 7. Aufl., § 439 Rn. 27, der auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs abstellen will, sowie Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 439 Rn. 126, die dem Gedanken des BGH aus dem Urteil vom 23.03.1995 folgen will). Dies ist auch zutreffend, denn es darf einem Verkäufer nicht zugutekommen, wenn er die vom Kläger berechtigt gewählte Form der Nacherfüllung verweigert, den Kläger in ein Gerichtsverfahren zwingt und so zeitliche Verzögerungen verursacht.

(2) Entscheidend ist demnach die Sachlage spätestens zu dem Zeitpunkt, als die Beklagte mit der Nachlieferung in Verzug geraten ist, also am 29.06.2016. Damals war die Mängelbeseitigung durch Nachbesserung in Form eines Softwareupdates unstreitig nicht möglich, da das Softwareupdate noch nicht aufgespielt werden konnte. Die Freigabe des Kraftfahrt-Bundesamtes erfolgte nämlich erst am 21.11.2016.

Mithin kann die Beklagte zur Begründung der von ihr behaupteten Unverhältnismäßigkeit der Kosten der vom Kläger gewählten Nachlieferung nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass die Nachbesserung durch das Softwareupdate Kosten von weniger als 100 € verursachen würde. Denn diese Form der Nacherfüllung war im Mai 2016 nicht alternativ möglich.

Damit aber kommt es auf die zwischen den Parteien streitige Frage, welche Kosten für das seitens der Volkswagen AG bzw. der AUDI AG geplante Softwareupdate anfallen und ob das Softwareupdate für den Kläger zumutbar wäre, nicht an.

Die vom Kläger auf den 28.06.2016 gesetzte Frist zur Nacherfüllung durch Nachlieferung war auch angemessen. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass der Kläger ihr bis zum Vorliegen des zu jenem Zeitpunkt bereits von der Volkswagen AG angekündigten Softwareupdates hätte Zeit lassen müssen. Die Bestimmung einer derart langen Frist ist für den Käufer auch unter Beachtung des Umstandes, dass keine Gebrauchseinschränkung des Fahrzeugs vorlag, unzumutbar.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der VW-Abgasskandal bereits im September 2015 bekannt geworden ist und der Kläger negative Auswirkungen auf den Marktpreis ernstlich befürchten musste. Aus dem mit der Täuschung eingegangenen unternehmerischen Risiko von Strafzahlungen, Schadensersatzklagen und einem massiven geschäftsschädigenden Imageverlust für die Volkswagen AG konnte jedenfalls Anfang 2016 nur der Schluss gezogen werden, dass es für die Ausgestaltung der Motorsoftware wichtige technische Gründe gab und eine andere Lösung technisch gar nicht oder nur mit hohen Kosten möglich sein würde (vgl. LG Hagen, Urt. v. 18.10.2016 – 3 O 66/16, juris Rn. 65). Für den Kläger war im Mai 2016 noch weniger als jetzt abschätzbar, ob und wann für sein Fahrzeug eine technische, vom Kraftfahrt-Bundesamt akzeptierte Lösung gefunden werden würde und ob und wann das über dem Fahrzeug schwebende Risiko des Verlustes der Betriebserlaubnis und des Wertverlustes abgewendet werden kann.

(3) Selbst wenn man dies alles anders sähe und die Abwägung unter Berücksichtigung der Nachbesserungskosten in Höhe von lediglich 100 € vornähme, so ergäbe sich hieraus nicht die Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung i. S. des § 439 III BGB. Denn zugunsten der vom Kläger gewählten Nachlieferung spricht, dass der in Rede stehende Mangel von erheblicher Bedeutung ist. Selbst wenn man davon ausgeht, dass derzeit keine Verwendungseinschränkung besteht, droht im Fall einer unterbliebenen oder gescheiterten Nachbesserung der Entzug der Zulassung des Fahrzeugs. Auf dieses Risiko musste und muss sich der Kläger nicht einlassen (so auch LG Regensburg, Urt. v. 04.01.2017 – 7 O 967/16, juris).

Vor allem aber ist die Nachbesserung im Vergleich zur Nachlieferung im konkreten Fall für den Kläger erheblich nachteilhafter. Dies ergibt sich schon daraus, dass derzeit noch ungewiss ist, ob das von der Beklagten angebotene Softwareupdate negative Folgen haben wird. Bereits die Unsicherheit hinsichtlich des Erfolgs einer Nachbesserung führt dazu, dass diese Form der Nacherfüllung für den Kläger als erheblich nachteilig anzusehen ist. Denn die Unsicherheit des Erfolgs der Nachbesserung kann den Weiterverkaufswert des Fahrzeugs beeinträchtigen. Negative Äußerungen in der Öffentlichkeit über mögliche Folgen des vom VW-Konzern angebotenen Softwareupdates beeinflussen den Fahrzeugwert auch dann, wenn sie sich aus technischer Sicht als unzutreffend darstellen sollten (so auch LG Regensburg, Urt. v. 04.01.2017 – 7 O 967/16, juris).

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nach einer weit verbreiteten Meinung bei mangelhafter Nachbesserung die Verjährung der Gewährleistungsrechte nur dann von Neuem beginnt, wenn aus den Umständen zu schließen ist, dass der Verkäufer den Mangel anerkennt (§ 212 I Nr. 1 BGB; vgl. auch Palandt/Weidenkaff, a. a. O., § 438 Rn. 16a). Das macht die Beklagte ausdrücklich nicht, sondern betont, dass sie das Update nur im Wege der Kulanz zur Verfügung stellt. Dadurch wird das Risiko des Scheiterns der Nachbesserung insofern auf den Käufer verlagert, als dieser seinen Anspruch auf Nachbesserung des Softwareupdates möglicherweise im Klagewege durchsetzen muss und er riskiert, dass seinem dahin gehenden Anspruch der Verjährungseinwand entgegengehalten wird (so auch LG Regensburg, Urt. v. 04.01.2017 – 7 O 967/16, juris).

c) Der Kläger hat daher einen Anspruch auf Nachlieferung eines Neufahrzeugs aus der aktuellen Serie des Audi A1 mit einem 90-PS-TDI-Motor, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung (§§ 439 IV, 348 BGB) des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

2. Nutzungsersatz nach §§ 439 IV, 346 II 1 Nr. 1 BGB schuldet der Kläger nicht, weil es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag um einen Verbrauchsgüterkauf nach § 474 I BGB handelt. Auf solche Verträge ist § 439 IV BGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass Nutzungen weder herauszugeben sind noch deren Wert zu ersetzen ist (§ 474 V 1 BGB).

3. Der Kläger hat darüber hinaus einen Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten. Der Kläger hat der Beklagten das Fahrzeug mit Schreiben vom 17.05.2016 ordnungsgemäß abholbereit angeboten. Leistungsort für die Rückgabe der mangelhaften Sache ist nach § 269 I BGB der Wohnsitz des Schuldners. Dementsprechend stellt das vorgenannte Schreiben ein gemäß § 295 BGB ausreichendes wörtliches Angebot dar. Durch die nicht erfolgte Abholung des Fahrzeugs ist die Beklagte mithin in Annahmeverzug gemäß § 293 BGB geraten.

4. Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten steht dem Kläger nicht zu.

a) Zwar können die zur Durchsetzung der Mängelansprüche erforderlichen Rechtsverfolgungskosten gemäß § 280 I BGB Gegenstand eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs sein (BGH, Urt. v. 30.04.1986 – VIII ZR 112/85, NJW 1986, 2243 [2245]), denn die Beklagte hat durch die Lieferung des mangelbehafteten Fahrzeugs ihre vertraglichen Pflichten verletzt. Sie hat dies aber nicht schuldhaft getan, da sie über den Einsatz der Software nicht informiert war und diese ebenso wenig als mangelhaft erkennen konnte. Entsprechendes behauptet auch der Kläger nicht.

b) Ein Verzug der Beklagten mit der Nacherfüllung lag zum Zeitpunkt der vorgerichtlichen Beauftragung der Klägervertreter nicht vor, womit die vorprozessual entstandenen Rechtsanwaltskosten keinen Verzugsschaden darstellen.

c) Schließlich ergibt sich ein Erstattungsanspruch auch nicht aus § 439 II BGB. Soweit ausnahmsweise auch Rechtsanwaltskosten zu den gemäß § 439 II BGB erstattungsfähigen Aufwendungen gezählt werden, geschieht dies nur dann, wenn sie zur Auffindung des zu beseitigenden Mangels notwendig sind (BGH, Urt. v. 17.02.1999 – X ZR 40/96, NJW-RR 1999, 813 [814]). Das waren sie vorliegend nicht: Der Kläger kannte die Abgasproblematik seines Fahrzeugs bereits vor Einschaltung seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten. …

Hinweis: Dieses Urteil hat mir freundlicherweise der Kollege Dr. Ralf StollDr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH – zukommen lassen, der es für die Klägerin erstritten hat.

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