Liegt der kombinierte Kraftstoffverbrauch eines Neuwagens um 11,7 % über dem vom Hersteller angegebenen Verbrauch, ist das ein zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigender Sachmangel.

LG Bochum, Urteil vom 12.04.2012 – 4 O 250/10
(nachfolgend: OLG Hamm, Urt. v. 07.02.2013 – 28 U 94/12)

Sachverhalt: Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen von ihm am 25.08.2009 bestellten Neuwagen. Die Beklagte bestätigte die Bestellung unter dem 03.09.2009. Am 22.12.2009 erfolgte die Auslieferung des Wagens gegen Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 20.260 €.

Wesentlich für die Kaufentscheidung des Klägers war ein Prospekt, der eine Produktbeschreibung des Kraftfahrzeugs enthielt. Darin unter der Überschrift „Technische Daten“ der Kraftstoffverbrauch (Super) wie folgt angegeben: „innerorts 10,3 l/100 km, außerorts 6,2 l/100 km, kombiniert 7,7 l/100 km“. Neben dem Begriff „Verbrauch“ befindet sich der Hinweis „nach 1999/100/EG, g/km kombiniert“. Ferner wird in Fußnote 6 angegeben: „Verbrauchsmessung ohne Zusatzausstattung. Mit eingeschalteter Klimaanlage erhöht sich der Verbrauch um ca. 0,2 l/100 km“.

Der Wagen des Klägers verbraucht im Normalbetrieb mehr als im Prospekt angegeben. Deswegen wandte sich der Kläger an die Beklagte und verlangte Abhilfe. Versuche der Beklagten, den Benzinverbrauch zu drosseln, scheiterten. Mit Schreiben vom 19.04.2010 teilte der Hersteller des Fahrzeugs, an den sich der Kläger gewandt hatte, dem Kläger mit, dass das Fahrzeug dem Serienstandard entspreche und der Benzinverbrauch nicht weiter gesenkt werden könne. Die Beklagte schloss sich dieser Einschätzung an. Hierauf erklärte der Kläger mit Schreiben vom 29.04.2010 den Rücktritt vom Kaufvertrag und setzte zur Erstattung des Kaufpreises eine Frist bis zum 15.05.2010.

Der Kläger ist der Ansicht, das Fahrzeug sei mangelhaft. Er behauptet, der tatsächliche Kraftstoffverbrauch liege erheblich über den Herstellerangaben. Auch bei Einhaltung der Herstellervorgaben weise sein Pkw einen Mehrverbrauch auf.

Die Klage hatte Erfolg.

Aus den Gründen: Der Kläger konnte gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 326 V BGB vom Kaufvertrag zurücktreten. Das vom Kläger gekaufte Fahrzeug weist einen so erheblichen Sachmangel i. S. von § 434 BGB auf, dass dieser zu einem Rücktritt berechtigt (vgl. § 323 V 2 BGB).

Das vom Kläger erworbene Fahrzeug weist einen Sachmangel gemäß § 434 BGB auf.

Es kann offenbleiben, ob die Parteien die Angaben des Herstellerprospekts zum Fahrzeugverbrauch als Beschaffenheit des erworbenen Fahrzeuges i. S. von § 434 I 1 BGB vereinbart haben. Die im Herstellerprospekt enthaltenen Angaben zu dem Kraftstoffverbrauch des Neufahrzeugs sind zumindest öffentliche Äußerungen i. S. des § 434 I 3 BGB mit der Folge, dass die gewöhnliche Beschaffenheit des Wagens i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB durch diese Angaben bestimmt wird.

Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten verbraucht der Wagen des Klägers mehr als im Prospekt angegeben. Hierbei ist auf die im Ergänzungsgutachten als Variante 2 („Fahrzeug nach Wartung mit Referenzkraftstoff, realer Fahrwiderstand, Gewicht nach Herstellerangabe“) abzustellen. Aus dem Prospekt ergibt sich, dass die Verbrauchswerte mittels der in der Richtlinie 1999/100/EG normierten Messmethode (also im Laborversuch) ermittelt wurden. Auf den tatsächlichen Verbrauch im „Normalbetrieb“ kommt es nicht an. Für den Kläger als Erklärungsempfänger der Angaben im Prospekt war erkennbar, dass die Herstellerangaben auf einer verobjektivierten Grundlage beruhten, und dass sich der bei individueller Fahrweise erzielte Kraftstoffverbrauch nicht mit den angegebenen Werten decken musste (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 18.06.1997 – VIII ZR 52/96, BGHZ 136, 94 = NJW 1997, 2590).

Da in der Fußnote 6 des Prospekts bei der Verbrauchsangabe aufgeführt ist „Verbrauchsmessung ohne Zusatzausstattung“, kann nicht auf das reale Gewicht des Fahrzeuges abgestellt werden, sondern es ist auf die sogenannte simulierte Schwungmasse von 1.470 kg abzustellen. Diese Masse entspricht dem Gewicht des Wagens des Klägers in der Grundausstattung. Die sogenannte Variante 1 (= Messung beim Ausgangsgutachten) scheidet damit aus. Diese geht von dem tatsächlichen Gewicht des Fahrzeugs des Klägers aus. Ferner spricht gegen diese Messung, dass keine Wartung durchgeführt wurde und Markenkraftstoff und kein Testkraftstoff verwendet wurde.

Es kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf die sogenannte Variante 3 abgestellt werden. Denn bei dieser Variante wurde nicht der tatsächliche Fahrwiderstand des Fahrzeuges des Klägers geprüft, sondern es wurde ein fiktiver Fahrwiderstand für die Messung zugrunde gelegt. Entscheidend ist aber nicht der Fahrwiderstand eines Referenzfahrzeugs bei der ursprünglichen Testung durch den Hersteller, sondern der konkrete Fahrwiderstand des Fahrzeugs des Klägers unter Laborbedingungen. So musste der Kläger die Angaben im Prospekt verstehen. Nach diesen Vorgaben hat der Sachverständige in der Variante 2 den Verbrauch berechnet. Der Sachverständige, an dessen Sachkunde das Gericht keinen Zweifel hat und dessen Ausführungen sich das Gericht nach eigener Sachprüfung anschließt, führt die Abweichungen zwischen den sogenannten Varianten 2 und 3 darauf zurück, dass das Fahrzeug des Klägers einen deutlich höheren Fahrwiderstand hat, als es vom Hersteller vorgegeben wird. Ein deutlich höherer Fahrwiderstand und daraus resultierender höherer Kraftstoffverbrauch ist ein Sachmangel. In der sogenannten Variante 2 liegt der kombinierte Kraftstoffverbrauch, auf den abzustellen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 08.05.2007 – VIII ZR 19/05, NJW 2007, 2111 zur Richtlinie 93/116/EG; Urt. v. 18.06.1997 – VIII ZR 52/96, BGHZ 136, 94 = NJW 1997, 2590 noch zum mittlerweile überholten „Euro-Mix“), um 11,7 % über den Herstellerangaben.

Dieser Sachmangel ist auch erheblich i. S. von § 323 V 2 BGB. Insoweit schließt sich das Gericht der Rechtsprechung des BGH an (BGH, Beschl. v. 08.05.2007 – VIII ZR 19/05, NJW 2007, 2111 m. Anm. Reinking = zfs 2007, 511 m. Anm. Diehl; Urt. v. 18.06.1997 – VIII ZR 52/96, BGHZ 136, 94 = NJW 1997, 2590, noch zum alten Schuldrecht). Hiernach ist ein Kraftstoffmehrverbrauch von mehr als 10 % erheblich i. S. von § 323 V 2 BGB und rechtfertigt den Rücktritt.

Der seitens des Klägers erklärte Rücktritt führt gemäß § 346 BGB zur Rückgewähr der ausgetauschten Leistungen, dem Wagen und dem Kaufpreis …

Hinweis: Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg (OLG Hamm, Urt. v. 07.02.2013 – 28 U 94/12).

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