Ein Sach­man­gel stellt ei­ne un­er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung dar, die den Käu­fer ge­mäß § 323 V 2 BGB nicht zum Rück­tritt be­rech­tigt, wenn er i. S. von § 459 I 2 BGB a.F. den Wert oder die Taug­lich­keit der Kauf­sa­che nur un­er­heb­lich min­dert. Bei ei­ner Ab­wei­chung des Kraft­stoff­ver­brauchs ei­nes ver­kauf­ten Neu­fahr­zeugs von den Her­stel­ler­an­ga­ben um we­ni­ger als 10 % ist ein Rück­tritt vom Kauf­ver­trag da­her aus­ge­schlos­sen (im An­schluss an BGH, Urt. v. 18.06.1997 – VI­II ZR 52/96, BGHZ 136, 94).

BGH, Be­schluss vom 08.05.2007 – VI­II ZR 19/05
(vor­her­ge­hend: OLG Schles­wig, Ur­teil vom 15.12.2004 – 9 U 120/03)

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt die Be­klag­te auf Rück­ab­wick­lung ei­nes Neu­wa­gen­s­kaufs we­gen er­höh­ten Kraft­stoff­ver­brauchs in An­spruch.

Auf­grund ei­nes schrift­li­chen Kauf­ver­trags vom 12.10.2002 er­warb der Klä­ger von der Be­klag­ten ei­nen Pkw zum Preis von 21.370,01 €. In der Wer­bung des Her­stel­lers im In­ter­net, im Ver­kaufs­pro­spekt, der Ge­gen­stand der Ver­kaufs­ver­hand­lun­gen war, und auch im Rah­men des münd­li­chen Ver­kaufs­ge­sprächs mit dem Klä­ger wur­de der Kraft­stoff­ver­brauch des Fahr­zeugs mit 3,0 Li­ter bis 3,2 Li­ter Die­sel auf 100 Ki­lo­me­ter nach der Richt­li­nie 93/116/EG an­ge­ge­ben.

Nach Über­ga­be des Fahr­zeugs führ­te der Klä­ger durch No­tie­ren der Fahr­stre­cke und der Tank­men­gen ei­ge­ne Ver­brauchs­mes­sun­gen durch und kam zu dem Er­geb­nis, dass sein Fahr­zeug deut­lich mehr Kraft­stoff ver­brauch­te. Mit Schrei­ben vom 11.12.2002 re­kla­mier­te er ge­gen­über der Be­klag­ten die­sen Mehr­ver­brauch. Die Be­klag­te un­ter­such­te dar­auf­hin das Fahr­zeug des Klä­gers in ih­rer Werk­statt und ver­wies den Klä­ger mit Ant­wort­schrei­ben vom 14.01.2003 dar­auf, dass zur Man­ge­la­n­er­ken­nung ei­ne wei­ter­ge­hen­de Un­ter­su­chung durch den TÜV er­for­der­lich sei, des­sen Kos­ten im Fal­le ei­nes fest­ge­stell­ten Mehr­ver­brauchs ober­halb der To­le­ranz er­stat­tet wür­den. Hier­auf ließ sich der Klä­ger nicht ein und er­klär­te mit Schrei­ben vom 16.02.2003 die Wand­lung des Kauf­ver­trags, in die Form des Rück­tritts ge­klei­det durch wei­te­res an­walt­li­ches Schrei­ben vom 27.03.2003. Da sich die Be­klag­te un­ter Hin­weis auf die Not­wen­dig­keit ei­ner TÜV-Ver­brauchs­mes­sung ei­ner Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags ver­wei­ger­te, er­hob der Klä­ger Kla­ge auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich der Ge­brauchs­vor­tei­le in Hö­he von 1.288,62 € nebst Zin­sen Zug um Zug ge­gen Über­ga­be des Pkw und auf Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zu­ges der Be­klag­ten.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung des Klä­gers und sei­ne Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de hat­ten kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: [1]    Die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de ist un­be­grün­det, weil we­der die Rechts­sa­che grund­sätz­li­che Be­deu­tung hat noch die Fort­bil­dung des Rechts oder die Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung ei­ne Ent­schei­dung des Re­vi­si­ons­ge­richts er­for­dert (§ 543 II 1 ZPO).

[2]    Das Be­ru­fungs­ge­richt hat an­ge­nom­men, ei­ne un­er­heb­li­che Min­de­rung des Wer­tes oder der Taug­lich­keit ei­ner Kauf­sa­che zu dem ge­wöhn­li­chen oder dem nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setz­ten Ge­brauch i. S. des § 459 I 2 BGB a.F. sei gleich­zu­set­zen mit ei­ner un­er­heb­li­chen Pflicht­ver­let­zung, die ge­mäß § 323 V 2 BGB nicht zum Rück­tritt be­rech­tigt. Dar­aus hat es ab­ge­lei­tet, dass der Ver­käu­fer, der ein Neu­fahr­zeug lie­fert, des­sen Kraft­stoff­ver­brauch die Her­stel­ler­an­ga­ben um we­ni­ger als 10 % im Durch­schnitt der Fahr­zy­klen nach der EG-Richt­li­nie 80/1268 EWG in der Fas­sung 1999/100/EG über­schrei­tet, nur ei­ne un­er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung be­geht, auf­grund de­rer ein Rück­tritt des Käu­fers aus­ge­schlos­sen ist. An der Rich­tig­keit die­ser Be­ur­tei­lung be­ste­hen kei­ne Zwei­fel.

[3]    Nach der Recht­spre­chung des BGH (Urt. v. 14.02.1996 – VI­II ZR 65/95, BGHZ 132, 55; Urt. v. 18.06.1997 – VI­II ZR 52/96, BGHZ 136, 94) stellt es nur ei­ne un­er­heb­li­che Min­de­rung des Fahr­zeugswerts i. S. des § 459 I 2 BGB a.F. dar, wenn der Kraft­stoff­ver­brauch ei­nes ver­kauf­ten Neu­fahr­zeugs um we­ni­ger als 10 % von den Her­stel­ler­an­ga­ben ab­weicht, wo­bei die Ab­wei­chung vom Durch­schnitts­wert maß­geb­lich ist, wenn sich die Her­stel­ler­an­ga­ben auf ver­schie­de­ne Fahr­zy­klen be­zie­hen. Aus den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en zum Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz (BT-Drs. 14/6040, S. 222 f.) er­gibt sich ein­deu­tig, dass § 323 V 2 BGB ge­ra­de in den frü­he­ren Fäl­len des § 459 I 2 BGB a.F. An­wen­dung fin­den soll. So­weit im Schrift­tum ver­tre­ten wird, die Recht­spre­chung zum er­höh­ten Kraft­stoff­ver­brauch nach al­tem Recht sei auf das neue Recht nicht über­trag­bar (Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 9. Aufl., Rn. 250 f.), gilt dies nur für die Man­gel­haf­tig­keit des Fahr­zeugs als sol­che, für die nach gel­ten­dem Recht (§ 434 BGB) an­ders als nach § 459 I 2 BGB a.F. ei­ne Er­heb­lich­keits­schwel­le nicht mehr über­schrit­ten zu sein braucht, aber nicht für die Fra­ge, wann nach § 323 V 2 BGB das Rück­tritts­recht we­gen Un­er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung aus­ge­schlos­sen ist.

[4]    Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­schwer­de­füh­rers kommt es für die Be­ur­tei­lung der Er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung nicht dar­auf an, ob die Mess­ver­fah­ren nach der EG-Richt­li­nie 80/1268 EWG in der Fas­sung 1999/100/EG rea­li­täts­nä­her sind als die frü­her maß­geb­li­chen Prüf­ver­fah­ren, die in den durch die oben ge­nann­ten Ur­tei­le des BGH ent­schie­de­nen Fäl­len an­ge­wandt wor­den sind. Die Gren­ze von 10 % ist kei­ne tech­ni­sche oder phy­si­ka­li­sche To­le­ranz­gren­ze, die sich an Mes­sun­ge­nau­ig­kei­ten oder Fer­ti­gungs­to­le­ran­zen ori­en­tiert. Ent­schei­dend sind viel­mehr – aus­ge­hend vom Maß­stab des § 459 I 2 BGB a.F. – die Aus­wir­kun­gen, die der Kraft­stoff­mehr­ver­brauch für den Käu­fer im Hin­blick auf den Wert des Fahr­zeugs hat (BGH, Urt. v. 18.06.1997 – VI­II ZR 52/96, BGHZ 136, 94 [98 f.]). Die­se sind, wie oben aus­ge­führt, auch für die Be­ant­wor­tung der Fra­ge maß­geb­lich, ob ei­ne nach­tei­li­ge Ab­wei­chung von der nach § 434 BGB ge­schul­de­ten Be­schaf­fen­heit des Fahr­zeugs ei­ne un­er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung i. S. von § 323 V 2 BGB dar­stellt. Letz­te­res hat das Be­ru­fungs­ge­richt bei dem von ihm fest­ge­stell­ten Kraft­stoff­mehr­ver­brauch von 11 % im städ­ti­schen Ver­kehr, 7 % im au­ßer­städ­ti­schen Ver­kehr und 6 % im Durch­schnitt der Fahr­zy­klen nach al­le­dem zu­tref­fend an­ge­nom­men.

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