Ein als „Vor­führ­wa­gen zum Son­der­preis mit Zu­las­sung“ ver­kauf­tes Wohn­mo­bil ist nicht schon dann man­gel­haft, wenn zwi­schen dem Da­tum der Erst­zu­las­sung und dem Zeit­punkt, zu dem das Wohn­mo­bil fer­tig­ge­stellt wur­de, ein Zeit­raum von mehr als zwei Jah­ren liegt.

OLG Karls­ru­he, Ur­teil vom 19.02.2009 – 9 U 176/08
(nach­fol­gend: BGH, Ur­teil vom 15.09.2010 – VI­II ZR 61/09)

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en strei­ten dar­um, ob der Klä­ger wirk­sam vom Kauf ei­nes als „Vor­führ­wa­gen zum Son­der­preis mit Zu­las­sung“ be­zeich­ne­ten Wohn­mo­bils zu­rück­ge­tre­ten ist. Das Land­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Die Be­ru­fung des Be­klag­ten hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … 1. Der Klä­ger hat kei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ge­mäß § 346 I BGB. Der vom Klä­ger er­klär­te Rück­tritt vom Kauf­ver­trag ist un­wirk­sam. Ein Rück­tritts­grund liegt nicht vor. Es fehlt an ei­ner (mehr als un­er­heb­li­chen) Pflicht­ver­let­zung. Ins­be­son­de­re weist das ver­kauf­te Wohn­mo­bil kei­nen Sach­man­gel auf (§ 434 BGB), der den Klä­ger zum Rück­tritt be­rech­ti­gen wür­de. Die Vor­aus­set­zun­gen der §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB sind da­her nicht er­füllt.

a) Dar­in, dass das Fahr­zeug be­reits zu ei­nem nicht nä­her be­kann­ten Zeit­punkt im Jahr 2003 her­ge­stellt wor­den ist, liegt kein Sach­man­gel.

aa) Maß­geb­lich für die Fra­ge, ob ein Sach­man­gel vor­liegt, ist zu­nächst die zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit der Sa­che (§ 434 I 1 BGB). Im Streit­fall er­warb der Klä­ger das Wohn­mo­bil aus­drück­lich als „Vor­führ­wa­gen“. Ent­schei­dend ist, was vor dem Hin­ter­grund der Um­stän­de des Streit­fal­les nach ob­jek­ti­vem Emp­fän­ger­ho­ri­zont Ver­trags­in­halt ist, wenn am 20.06.2005 ein „Vor­führ­wa­gen zum Son­der­preis mit Zu­las­sung“ ver­kauft wird, des­sen Ge­samt­fahr­leis­tung 35 km be­trägt, des­sen Erst­zu­las­sung im Mai 2005 er­folgt ist (bzw. sein soll) und zu des­sen „Zu­be­hör“ un­ter an­de­rem ein „Aus­stat­tungs­pa­ket 2005“ ge­hört (vgl. die ver­bind­li­che Be­stel­lung vom 20.06.2005).

Un­ter die­sen Um­stän­den ist ein ver­kauf­tes Wohn­mo­bil nicht schon dann man­gel­haft, wenn zwi­schen dem (be­haup­te­ten) Da­tum der Erst­zu­las­sung und dem Zeit­punkt, zu dem das Wohn­mo­bil fer­tig­ge­stellt wor­den ist, ein Zeit­raum von mehr als zwei Jah­ren liegt. Un­ter dem Be­griff „Vor­führ­wa­gen“ wer­den im All­ge­mei­nen Fahr­zeu­ge ver­stan­den, die bis­lang ge­werb­lich ge­nutzt wur­den. Ein Vor­führ­wa­gen dient ei­nem Neu­wa­gen­händ­ler im We­sent­li­chen zum Zwe­cke der Vor­füh­rung (Be­sich­ti­gung und Pro­be­fahrt). Ein be­stimm­tes Al­ter wird mit dem Be­griff „Vor­führ­wa­gen“ nicht zu­ge­si­chert. In­halt der Zu­si­che­rung ist le­dig­lich die pri­mä­re Ver­wen­dung als Vor­führ­wa­gen bei ein und dem­sel­ben Händ­ler (Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 10. Aufl., Rn. 1424). Hin­ge­gen kann ein Vor­führ­wa­ren re­gel­mä­ßig be­lie­big alt sein (Rein­king/Eg­gert, a. a. O.). Dies gilt in be­son­de­rem Maß für Wohn­mo­bi­le. Zwar mag mit der Be­zeich­nung „Vor­führ­wa­gen“ die Vor­stel­lung ein­her­ge­hen, dass es sich um ein (re­la­tiv) neu­es Fahr­zeug han­delt. Je­doch ent­hält we­der die Be­zeich­nung „Vor­führ­wa­gen“ noch die Ver­wen­dung ei­nes Fahr­zeugs als Vor­führ­wa­gen ei­ne Er­klä­rung, dass ei­ne Zeit­span­ne von we­ni­ger als 24 oder 18 Mo­na­ten zwi­schen Her­stel­lungs­da­tum und Erst­zu­las­sung liegt. Viel­mehr ist bei der Ver­wen­dung ei­nes Fahr­zeugs als „Vor­führ­wa­gen“ re­gel­mä­ßig in Rech­nung zu stel­len, dass der Händ­ler das Fahr­zeug ge­ra­de nicht zum all­ge­mei­nen Ver­kehr zu­ge­las­sen hat (und hier­zu auch nicht ver­pflich­tet war), son­dern die je­wei­li­gen Vor­führ­fahr­ten mit ro­tem Kenn­zei­chen er­folgt sind. Schon des­halb lässt sich aus dem Da­tum der Erst­zu­las­sung – an­ders als bei Neu­fahr­zeu­gen oder Ge­braucht­fahr­zeu­gen – re­gel­mä­ßig nicht auf ei­nen be­stimm­ten Her­stel­lungs­ter­min schlie­ßen. Dies gilt in be­son­de­rer Wei­se für ein Wohn­mo­bil. Hier kommt es – so­weit es als Vor­führ­fahr­zeug ge­nutzt wird – für ei­nen Käu­fer we­ni­ger auf des­sen Fahr­ei­gen­schaf­ten als in ers­ter Li­nie auf den ge­bo­te­nen Wohn­kom­fort an. Dem­ge­mäß be­steht für ei­nen Händ­ler noch we­ni­ger als bei ei­nem Pkw ein An­lass, das Wohn­mo­bil zum all­ge­mei­nen Ver­kehr zu­zu­las­sen. Es gibt da­her an­ders als bei ei­nem Pkw kei­nen fes­ten Zu­sam­men­hang zwi­schen der Nut­zung als Vor­führ­wa­gen und ei­ner ent­spre­chen­den Fahr­leis­tung. Folg­lich ge­nügt auch die im Streit­fall ge­rin­ge Lauf­leis­tung (laut Ver­trag 35 km) und die be­haup­te­te Erst­zu­las­sung im letz­ten Mo­nat vor der Be­stel­lung nicht, um ei­ne zeit­li­che Höchst­span­ne zwi­schen Her­stel­lung und Erst­zu­las­sung als ver­trag­lich ge­schul­de­te Be­schaf­fen­heit des Fahr­zeugs zu be­grün­den. Dem ste­hen die Be­son­der­hei­ten bei ei­nem Wohn­mo­bil so­wie die kla­re Be­zeich­nung des Fahr­zeugs als „Vor­führ­wa­gen“ und die Her­vor­he­bung des „Son­der­prei­ses“ ent­ge­gen. Der preis­li­che Ab­schlag im Ver­hält­nis zum Lis­ten­preis des Fahr­zeugs für 2005 (71.300 €) be­trug – oh­ne Be­rück­sich­ti­gung der Son­der­aus­stat­tung – knapp 11 %.

Die Be­zeich­nung „Aus­stat­tungs­pa­ket 2005“ ent­hält kei­ne hin­rei­chen­den An­halts­punk­te da­für, dass da­mit zu­gleich nach dem ob­jek­ti­ven Emp­fän­ger­ho­ri­zont ein be­stimm­tes Höchst­al­ter des Fahr­zeugs ver­ein­bart wor­den ist. Al­lein die Be­zeich­nung ei­nes be­stimm­ten „Aus­stat­tungs­pa­ke­tes“ ist am­bi­va­lent. Es kann sich so­wohl dar­um han­deln, dass die Ak­tua­li­tät des ver­kauf­ten Mo­dells her­vor­ge­ho­ben wird, als auch dar­um, dass ein (äl­te­res) Mo­dell mit ei­ner be­son­ders ak­tu­el­len Aus­stat­tung ver­se­hen wor­den ist. Im Streit­fall fin­det sich die­se Be­zeich­nung ge­ra­de nicht im Zu­sam­men­hang mit der Be­schrei­bung des ver­kauf­ten Wohn­mo­bils, son­dern erst un­ter der Zu­sam­men­stel­lung der als „Zu­be­hör“ mit­ver­kauf­ten Ge­gen­stän­de. In der Rech­nung vom 30.06.2005 wird in glei­cher Wei­se zwi­schen dem ver­kauf­ten Wohn­mo­bil und den ein­zel­nen Zu­be­hör­tei­len un­ter­schie­den. Mit­hin ge­nügt die Be­zeich­nung „Aus­stat­tungs­pa­ket 2005“ im Streit­fall we­der für sich ge­nom­men noch im Zu­sam­men­hang mit den üb­ri­gen Um­stän­den des Kaufs nicht, um ein Her­stel­lungs­da­tum des Fahr­zeugs ge­gen En­de des Jah­res 2003 oder so­gar erst im Jahr 2004 als ver­trag­li­che Be­schaf­fen­heit des ge­kauf­ten Wohn­mo­bils an­se­hen zu kön­nen. Die Ver­ein­ba­rung ei­nes „Aus­stat­tungs­pa­ke­tes 2005“ als be­son­de­res Zu­be­hör weckt viel­mehr Zwei­fel dar­an, dass der Vor­führ­wa­gen erst im Jahr 2005 her­ge­stellt wor­den ist.

bb) Ei­ner Be­weis­er­he­bung über den tat­säch­li­chen Zeit­punkt, zu dem das Wohn­mo­bil her­ge­stellt wor­den ist, be­darf es nicht. Fest steht im Streit­fall bis­lang nur, dass das Fahr­zeug je­den­falls nicht nach De­zem­ber 2003 her­ge­stellt wor­den ist. Auch wenn man zu Guns­ten des Klä­gers un­ter­stellt, dass das Fahr­zeug rund zwei Jah­re (al­so An­fang 2003) vor dem an­geb­li­chen Da­tum der Erst­zu­las­sung her­ge­stellt wor­den ist, än­dert dies nichts dar­an, dass dies kei­nen Sach­man­gel ei­nes als Vor­führ­wa­gen ver­kauf­ten Wohn­mo­bils be­grün­det. Maß­geb­lich ist in­so­weit die Fer­tig­stel­lung des ge­sam­ten Fahr­zeugs, so­dass es nicht dar­auf an­kommt, ob ein­zel­ne Kom­po­nen­ten des Fahr­zeugs noch vor dem De­zem­ber 2003 her­ge­stellt [wor­den sind] oder das Ba­sis­fahr­zeug so­gar schon im Au­gust 2002 fer­tig­ge­stellt wor­den [ist]. Zum Zeit­punkt des Ver­kaufs la­gen da­her zwi­schen Her­stel­lung (d. h. Fer­tig­stel­lung) des Fahr­zeugs und Ver­trags­ab­schluss rund zwei Jah­re.

Die Recht­spre­chung des BGH zum Ver­kauf von Neu­wa­gen ist nicht ein­schlä­gig, weil es sich bei ei­nem Vor­führ­wa­gen im­mer um ein Ge­braucht­fahr­zeug han­delt. Dass bei Ge­brauch­fahr­zeu­gen ei­ne Dis­kre­panz zwi­schen Pro­duk­ti­ons­da­tum und Erst­zu­las­sungs­da­tum von ein­ein­halb Jah­ren als er­heb­lich an­zu­se­hen ist, ist nicht rich­tig. Wenn schon bei Neu­fahr­zeu­gen ei­ne Dis­kre­panz von ei­nem Jahr noch zu to­le­rie­ren ist, muss die Zeit­span­ne bei Ge­braucht­fahr­zeu­gen dies deut­lich über­schrei­ten. Dies kann aber letzt­lich da­hin­ste­hen, weil für Wohn­mo­bi­le nach Auf­fas­sung des Se­nats oh­ne­hin an­de­re Kri­te­ri­en gel­ten. Hier kommt hin­zu, dass Wohn­mo­bi­le ei­ne er­heb­lich hö­he­re Lauf­leis­tung als Pkw ha­ben (rund 300.000 km), und bei Wohn­mo­bi­len an­ge­sichts der Art ih­rer Ver­wen­dung im­mer mit län­ge­ren Stand­zei­ten zu rech­nen ist. Dies gilt erst recht, wenn die Wohn­mo­bi­le als Vor­führ­fahr­zeug ver­wen­det wor­den sind. Vor die­sem Hin­ter­grund stellt ei­ne Dis­kre­panz von rund zwei Jah­ren zwi­schen Fer­tig­stel­lung des Wohn­mo­bils und Erst­zu­las­sungs­da­tum kei­nen Sach­man­gel ei­nes als Vor­führ­wa­gen zum Son­der­preis ver­kauf­ten Wohn­mo­bils dar.

b) So­weit die Ge­samt­fahr­leis­tung im Ver­trag falsch an­ge­ge­ben war, han­delt es sich um ei­ne le­dig­lich un­er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung (§ 323 V 2 BGB). Zu­ge­stan­den hat der Be­klag­te le­dig­lich ei­ne tat­säch­li­che Ge­samt­fahr­leis­tung von 114 km. Ein Rück­tritt kann hier­auf nicht ge­stützt wer­den. Kei­ne der Par­tei­en be­ruft sich in zwei­ter In­stanz noch auf die­sen Ge­sichts­punkt.

2. Aus den ent­spre­chen­den Grün­den be­stand auch kei­ne Auf­klä­rungs­pflicht des Be­klag­ten über die tat­säch­li­che Her­stel­lung des Wohn­mo­bils im Jahr 2003. Der Käu­fer ei­nes Wohn­mo­bils ist sich dar­über be­wusst, dass der Zweck ei­nes Wohn­mo­bils nicht auf das Fah­ren be­schränkt ist, son­dern die Nut­zung zum Woh­nen min­des­tens gleich­wer­tig ist. Die­ses von der Nut­zung ei­nes Pkw stark ab­wei­chen­de Nut­zungs­ver­hal­ten recht­fer­tigt auch ei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung der Stand­zei­ten. Es kommt die er­heb­li­che Lauf­leis­tung ei­nes Wohn­mo­bils hin­zu, die da­zu führt, dass die ge­sam­te Le­bens­dau­er ei­nes Wohn­mo­bils nicht mit der ei­nes Pkw ver­gleich­bar ist. Dem­ge­mäß fal­len län­ge­re Stand­zei­ten bei Wohn­mo­bi­len we­ni­ger ins Ge­wicht als bei ei­nem Pkw. Erst recht gilt dies, wenn ein Wohn­mo­bil als Vor­führ­fahr­zeug ver­kauft wird …

Hin­weis: Die Re­vi­si­on des Klä­gers ge­gen die­se Ent­schei­dung blieb oh­ne Er­folg (sie­he BGH, Urt. v. 15.09.2010 – VI­II ZR 61/09).

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