Die Angabe „unfallfrei“ ist so zu verstehen, dass das Fahrzeug keine (substanziellen) Schäden durch einen Unfall erlitten hat. Dabei liegt ein „Unfall“ auch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht nur vor, wenn das beschädigte Fahrzeug mit einem weiteren Fahrzeug kollidiert ist. Vielmehr werden auch das Fahren gegen ein unbewegliches Hindernis und der Sturz eines Objekts (z. B. eines Baums) auf ein Fahrzeug als Unfall angesehen.
OLG Brandenburg, Urteil vom 26.06.2008 – 12 U 236/07
Sachverhalt: Der Kläger nimmt den Beklagten wegen eines nicht angegebenen Unfallschadens im Wesentlichen auf Rückzahlung des Kaufpreises für ein Fahrzeug, das er mit Kaufvertrag vom 15.09.2005 erworben hat, in Anspruch. Die Parteien streiten in erster Linie über das Vorliegen eines Unfalls sowie über Erstattungsansprüche des Klägers im Hinblick auf die von ihm vorgenommenen Verwendungen auf das Fahrzeug.
Mit Urteil vom 15.11.2007 hat das Landgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von 24.453,92 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rücknahme des Kraftfahrzeugs verurteilt. Außerdem hat es festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Verzug befindet. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass die zugesicherte Unfallfreiheit des Fahrzeugs nicht gegeben sei. Der Sachverständige habe dargelegt, dass die rechte Schiebetür im hinteren Bereich des Fahrzeugs eine großflächige und tiefe Eindellung aufweise, was mit der zugesicherten Unfallfreiheit nicht in Einklang zu bringen sei. Nach dem Empfängerhorizont sei der Begriff der Unfallfreiheit dahin auszulegen, dass das Fahrzeug keine substanziellen Schäden habe. Unerheblich sei hingegen, ob die Schäden durch Fremdeinwirkung entstanden seien. Angesichts der festgestellten Reparaturkosten von 2.730,54 € brutto sei auch nicht von einem Bagatellschaden auszugehen. Der Schadensersatzanspruch umfasse neben dem gezahlten Kaufpreis die verfehlten Aufwendungen für Transport und Zulassung des Fahrzeugs, die Sachverständigenkosten sowie die vorgerichtlich entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung und die Kosten der notwendigen Verwendungen auf die Sache. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger zur Herstellung der Fahrtüchtigkeit des Fahrzeugs neue Sommerreifen zum Preis von 738,04 € netto habe erwerben müssen und Reparaturkosten wegen eines Motorschadens sowie eines Schadens am Klimakompressor in Höhe von 826,83 € bzw. 769,02 € netto gehabt habe. Die Notwendigkeit des Einbaus einer Alarmanlage zu einem Wert von 320 € netto und der Anschaffung von Winterreifen in Höhe von 381,60 € sei nicht bestritten worden. Gebrauchsvorteile müsse sich der Kläger in Höhe von 1.307,68 € anrechnen lassen.
Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg; die Anschlussberufung des Klägers war teilweise erfolgreich.
Aus den Gründen: II. … 2. … a) Die Klage ist zulässig …
b) In der Sache besteht ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises von 22.000 € Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs aus §§ 346, 437 Nr. 2, 440 BGB.
Der Kläger hat insoweit im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich klargestellt, dass er nunmehr Ansprüche aus Rücktritt vom Kaufvertrag sowie Aufwendungsersatz und Schadensersatzansprüche neben der Leistung geltend mache. Ein solcher Wechsel vom Schadensersatzanspruch zum Rücktritt ist möglich (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 67. Aufl., § 437 Rn. 27).
Das verkaufte Fahrzeug weist einen Sachmangel i. S. von § 434 I 1 BGB auf, da es das vereinbarte Kriterium der Unfallfreiheit nicht erfüllt. Zwar ist die Erklärung des Beklagten, das Fahrzeug sei unfallfrei, erst nach Gefahrübergang erfolgt, gleichwohl wirkt die Bekundung auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs zurück, da sie Angaben zu einer Eigenschaft des Fahrzeugs in diesem Zeitpunkt enthält.
Unstreitig weist das Fahrzeug Beschädigungen auf, nämlich eine Eindellung der rechten Schiebetür sowie reparierte Vorschäden an den hinteren Seitenwänden links und rechts. Dabei ist eine Sachmängelhaftung entgegen der Ansicht des Beklagten nicht deshalb ausgeschlossen, weil – nach seiner Behauptung – diese Beschädigungen durch das Umfallen eines Gegenstands in seiner Garage verursacht worden sind. Zutreffend hat das Landgericht insoweit auf das Verständnis eines objektiven Empfängers einer entsprechenden Erklärung abgestellt. Danach ist die Angabe „Unfallfreiheit“ so zu verstehen, dass das Fahrzeug keine (substanziellen) Schäden durch ein Vorereignis erlitten hat. Auch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist hingegen Voraussetzung eines Unfalls nicht, dass ein weiteres Fahrzeug mit dem beschädigten Fahrzeug kollidiert ist. So wird im allgemeinen Sprachgebrauch auch das Fahren gegen ein unbewegliches Hindernis als Unfall angesehen. Gleiches gilt für den Sturz eines Objekts – etwa eines Baums – auf ein Fahrzeug. Das Umstürzen eines Gegenstands in der heimischen Garage stellt kein qualitativ abweichendes Ereignis dar.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist eine Unfreiheit auch nicht deshalb anzunehmen, weil lediglich ein Bagatellschaden vorliegt. Dabei kann dahinstehen, ob als nicht offenbarungspflichtige Bagatellschäden nur ganz geringfügige äußere Lackschäden, nicht dagegen Blechschäden anzusehen sind, selbst wenn diese keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering war, wobei ohne Bedeutung ist, ob das Fahrzeug fachgerecht repariert worden ist (so BGH, Urt. v. 12.03.2008 – 8 ZR 253/05, juris; Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, zfs 2008, 329), oder ob auch geringfügige Blechschäden wie Kratzer, Schrammen, kleine Beulen oder Dellen lediglich als Bagatellschaden anzusehen sind (so OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.03.2001 – 3A U 2/01, DAR 2002, 167; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 1248). Nach beiden Auffassungen ist vorliegend nicht von einem Bagatellschaden auszugehen. Der Senat folgt den Angaben des Sachverständigen R, der in seinem Gutachten vom 01.03.2007 überzeugend ausgeführt hat, dass die rechte Schiebetür des verkauften Fahrzeugs erheblich deformiert worden und – durch Auftrag von Spachtelmasse – nur unsachgemäß repariert worden ist, wobei eine fachgerechte Reparatur Kosten von 2.737,54 € brutto erfordert. Diese Beeinträchtigungen sind in keiner Weise als lediglich leichte Delle einzuordnen, ohne dass es noch darauf ankommt, ob ein Blechschaden überhaupt als Bagatellschaden angesehen werden kann.
Die Gewährleistungsansprüche des Klägers sind auch nicht aufgrund vertraglicher Vereinbarung ausgeschlossen. Zwar haben die Parteien in Nr. 1 des Kaufvertrags vereinbart, dass der Verkäufer eine Sachmängelhaftung nicht übernimmt. Der Beklagte hat für die Eigenschaft der Unfallfreiheit durch das Schreiben vom 10.10.2005 jedoch eine selbstständige Garantie i. S. von § 443 I BGB übernommen, sodass er sich auf den Sachmängelausschluss nicht berufen kann (§ 444 BGB). Unschädlich ist, dass in dem Schreiben das Wort Garantie nicht verwendet worden ist. So ist eine Garantie auch dann anzunehmen, wenn eine Eigenschaft einer Sache gem. § 459 II BGB a.F. zugesichert wird (BGH, NJW 2007, 1346; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 276 Rn. 29). Eine solche Zusicherung i. S. von § 459 II BGB a.F. stellt die Erklärung des Beklagten vom 10.10.2005 dar. Gerade die isolierte Angabe der Unfallfreiheit zeigt, dass sich der Beklagte durchaus im Klaren über die Bedeutung dieser Angabe für den Kläger sein musste und sich deshalb an der Erklärung auch in dem Sinne festhalten lassen muss, dass er für deren Richtigkeit einstehen wollte.
Eine Sachmängelhaftung ist auch nicht nach § 442 I 1 BGB ausgeschlossen. So behauptet der Beklagte bereits nicht, dass der Kläger schon bei Vertragsschluss den Unfallschaden erkannt hatte. Zudem ist der Beklagte für seine – ohnehin erstmals in zweiter Instanz ohne Darlegung der Voraussetzungen des § 531 II BGB erhobene – Behauptung beweisfällig geblieben, der Kläger habe zu dem Zeitpunkt, in dem er die Garantieübernahme gefordert habe, bereits Kenntnis von den Schäden gehabt.
Auch die übrigen Voraussetzungen eines jedenfalls im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat konkludent erklärten Rücktritts sind gegeben. Einer Fristsetzung zur Nacherfüllung gem. § 440 BGB bedurfte es dabei schon deshalb nicht, weil eine Nacherfüllung nicht möglich war. Die unfallbedingte Vorschädigung steht der angegebenen Unfallfreiheit endgültig entgegen (vgl. zu diesem Fall: Palandt/Weidenkaff, a. a. O., § 440 Rn. 9).
c) Anrechnen lassen muss sich der Kläger die erlangten Gebrauchsvorteile durch Nutzung des Fahrzeugs bis zur Rückgabe. Dabei bemisst der Senat die Höhe der Gebrauchsvorteile entsprechend der Betrachtung durch das Landgericht mit 11 Cent je gefahrenen Kilometer, ausgehend von dem vereinbartem Kaufpreis von 22.000 € und einer zu erwartenden Restlaufleistung von 200.000 km (§ 287 ZPO). Angesichts des in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mitgeteilten Kilometerstands von 72.678 km und einer bei Abschluss des Kaufvertrags bereits zurückgelegten Laufleistung von 59.000 km sind Gebrauchsvorteile für 13.678 km anzurechnen, mithin ein Betrag von 1.504,58 €.
d) Der Kläger hat ferner einen Anspruch wegen der von ihm auf das Fahrzeug vorgenommenen Verwendungen aus §§ 437 Nr. 3, 284 BGB, nachdem er im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, nicht mehr Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen, sondern aus einem Rücktritt vom Vertrag vorzugehen.
Vergebliche Aufwendungen i. S. der §§ 437 Nr. 3, 284 BGB sind dabei freiwillige Vermögensopfer, die der Gläubiger im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung und den Bestand des Kaufvertrags gemacht hat. Verwendungen sind danach auch die Kosten der Überführung und Zulassung des Fahrzeugs (BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 275/04, VersR 2005, 1541). Allerdings sind bei der Berechnung des Verwendungsersatzanspruchs die Kosten der Anschaffung des Zubehörs um die Gebrauchsvorteile zu kürzen, die dem Käufer durch die Benutzung der Zubehörteile zugeflossen sind (OLG Stuttgart, Urt. v. 25.08.2004 – 3 U 78/04, DAR 2005, 35; bestätigt in BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 275/04, VersR 2005, 1541 – die vom Beklagten angeführte Entscheidung des OLG München, Urt. v. 01.06.2001 – 21 U 1608/01, MDR 2001,1407, ist durch diese neuere Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat anschließt, überholt).
Die erstinstanzlich geltend gemachten Verwendungen des Klägers sind danach in folgendem Umfang zu berücksichtigen:
Benzinkosten (Überführung) | 70,40 € |
Verpflegungsmehraufwand (Überführung) | 20,17 € |
Zulassungskosten | 66,50 € |
Winterreifen | 380,60 € |
Sommerreifen | 738,04 € |
Alarmanlage | 320,00 € |
Reparatur Motorschaden | 826,83 € |
Klimakompressor | 769,02 € |
Summe | 3.191,56 € |
Dabei folgt der Senat dem Landgericht dahin gehend, dass durch die Aussage des Zeugen B sowohl die Durchführung als auch die Erforderlichkeit der Reparatur des Motorschadens sowie der defekten Klimaanlage ebenso wie die Notwendigkeit der Anschaffung eines neuen Reifensatzes nachgewiesen ist. Der Zeuge hat in seinen umfassenden und in sich stimmigen Angaben den Vortrag des Klägers in vollem Umfang bestätigt. Anhaltspunkte für Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage oder an der Glaubwürdigkeit des Zeugen werden weder vom Beklagten aufgezeigt, noch sind sie aus anderen Umständen ersichtlich.
Weiter zu berücksichtigen sind die erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachten Verwendungen, deren tatsächliche Vornahme vom Beklagten nicht in Abrede gestellt wird, nämlich der Wechsel der Batterie, der Austausch der Windschutzscheibe infolge eines Steinschlagschadens, der Wechsel der Glühkerzen, des Öls und Ölfilters nebst Dichtungsrings, der Austausch der Bremsbeläge und der Servopumpe. Die hierfür zu veranschlagenden Kosten betragen 1.151,37 €. Der daraus resultierende Gesamtbetrag der angefallenen Kosten von 4.342,93 € ist wegen der dem Kläger selbst zugutegekommenen Nutzungen der Verwendungen angesichts der relativ geringen Laufleistung des Fahrzeugs, seitdem es im Besitz des Klägers ist (13.678 km in knapp 2 ½ Jahren) um lediglich 10 % zu kürzen, wobei der Senat insoweit ein Mittel zwischen den Verwendungen gebildet hat, die dem Fahrzeug – voraussichtlich – dauerhaft zugutekommen, und den Positionen, die Verbrauchsteile betreffen, die in regelmäßigen Abständen zu erneuern sind. Zu berücksichtigen ist nach allem ein Verwendungsersatzanspruch in Höhe von 3.908,64 €.
e) Weiterhin besteht ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten hinsichtlich der im Rahmen der Ermittlung des Sachmangels angefallenen Sachverständigenkosten in Höhe von 103,14 € aus § 280 I BGB. Dabei schließt die Geltendmachung des Aufwendungsersatzanspruchs nach §§ 437 Nr. 3, 284 BGB nicht aus, dass der Käufer daneben Schadensersatzansprüche (neben der Leistung) aus § 280 I BGB – etwa wegen eines außergerichtlich zur Beweissicherung eingeholten Sachverständigengutachtens – geltend macht (BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 275/04, VersR 2005, 1541).
f) Schließlich kann der Kläger nicht anrechenbare vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 465,90 € … aus § 280 I BGB verlangen.
g) Im Ergebnis errechnet sich die Gesamtforderung des Klägers wie folgt:
Kaufpreis | 22.000,00 € | |
abzgl. Gebrauchsvorteile | – | 1.504,58 € |
zzgl. Verwendungsersatz | + | 3.908,64 € |
zzgl. Gutachterkosten | + | 103,14 € |
zzgl. vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten | + | 465,90 € |
Summe | 24.973,10 € |
h Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus §§ 288 I, 286 BGB sowie – hinsichtlich der Klageerweiterungen – aus §§ 291 Satz 1, 288 I BGB. Der Beklagte befand sich aufgrund seiner ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung im Schreiben vom 25.10.2005 ab diesem Tage in Verzug.
i) Schließlich ist auch die Feststellungsklage hinsichtlich des Annahmeverzugs des Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs begründet. Der Beklagte ist mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14.01.2005 vergeblich zur Rückabwicklung des Kaufvertrags bis zum 26.10.2005 aufgefordert worden und befindet sich auch insoweit aufgrund der ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung im Schreiben vom 25.10.2005 in Verzug …