1. Für die Berechnung der Standzeit ist bei einem Wohnmobil – solange übliche Produktionsabläufe eingehalten werden – nicht auf die Erteilung der Allgemeinen Betriebserlaubnis für das Fahrgestell, sondern auf die Fertigstellung der Aufbauten abzustellen.
  2. Ein Wohnmobil ist nicht mangelhaft, wenn zwar zwischen der Erteilung der Allgemeinen Betriebserlaubnis für das Fahrgestell und der Erstzulassung ein Zeitraum von mehr als zwölf Monaten liegt, nicht aber zwischen der vollständigen Fertigstellung des Wohnmobils und der Erstzulassung.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.03.2010 – I-22 U 168/09

Sachverhalt: Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Wohnmobil.

Der Kläger und dessen Ehefrau kauften bei der Beklagten am 26.06.2007 ein gebrauchtes Wohnmobil der N-GmbH zum Preis von 49.900 €. Dabei wurde das bisherige Wohnmobil des Klägers zu einem Preis von 46.000 € in Zahlung genommen. Der Kaufvertrag wurde am 26.06.2007 geschlossen; die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 13.07.2007.

Das Wohnmobil war am 12.02.2004 erstzugelassen worden; das Fahrgestell hatte jedoch bereits am 17.12.2002 die Allgemeine Betriebserlaubnis erhalten, nachdem es von der F-AG fertiggestellt worden war. Im Anschluss daran wurde das Fahrgestell an die N-GmbH überführt, die dann die weiteren Arbeiten, also die Erstellung des Wohnmoduls, vollzog. Das Wohnmobil war zu Anfang über eine Strecke von 650 km als Vorführmodell benutzt worden. Beim Verkauf an den Kläger wies das Wohnmobil eine Fahrleistung von circa 6.000 km auf.

Bei den Verkaufsgesprächen war über das Datum der Erstzulassung und die Anzahl der Vorbesitzer gesprochen worden; die entsprechenden Angaben befinden sich auch im Kaufvertrag. Nicht genannt worden war das Datum der Erteilung der Allgemeinen Betriebserlaubnis für das Fahrgestell.

Der Kläger machte nach der Übergabe des Fahrzeugs diverse Mängel geltend. Die Beklagte lehnte unter anderem mit anwaltlichem Schreiben vom 25.08.2008 eine Kostenerstattung für durchgeführte Arbeiten ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.11.2008 erklärte der Kläger die Anfechtung des Kaufvertrags. Er berief sich insoweit darauf, dass die Herstellung des Chassis bereits im Dezember 2002 erfolgt war. Darüber hinaus hat er in erster Instanz die Ansicht vertreten, die Beklagte habe auch Auskunft darüber erteilen müssen, dass das Wohnmobil vor Überlassung an den ersten Käufer als Vorführwagen benutzt worden ist.

Seine Klage hat das LG Wuppertal mit Urteil vom 29.10.2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach dem eigenen Vortrag des Klägers kein Anfechtungsgrund vorliege. Eine Offenbarungspflicht hinsichtlich der Herstellung des Chassis am 16.12.2002 habe nicht bestanden. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Herstellung eines Pkw und die Zusammensetzung eines Wohnmobils nicht vergleichbar seien. Zu berücksichtigen sei auch, dass es sich um einen Gebrauchtwagen gehandelt habe; maßgeblich sei die Erstzulassung am 12.02.2004. Ein Anfechtungsgrund ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass das Fahrzeug etwa 650 km als Vorführwagen benutzt worden ist. Eine solche Nutzung sei der eines Mietwagens nicht vergleichbar; ohne Nachfrage sei hierüber bei einem mehr als drei Jahre alten Gebrauchtwagen nicht aufzuklären. Damit liege zugleich auch kein Mangel der Kaufsache vor.

Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: B. … Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus § 812 BGB nicht zu.

I. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Kaufvertrag vom 26.06.2007 weiter Bestand hat, da die vom Kläger erklärte Anfechtung nicht durchgreift.

1. Ein Anfechtungsgrund i. S. des § 123 BGB liegt nicht vor. Der Kläger ist bei der Abgabe seiner Willenserklärung nicht arglistig getäuscht worden.

a) Der Kläger beruft sich auf eine Täuschung durch Verschweigen, und zwar vorliegend über den Umstand, dass die Allgemeine Betriebserlaubnis für das Fahrgestell bereits am 17.12.2002 erteilt wurde, während die Erstzulassung des Wohnmobils erst am 12.02.2004 erfolgte. Hinsichtlich dieses Umstands bestand jedoch entgegen der Auffassung des Klägers keine Aufklärungspflicht. Eine solche kann zwar dann bestehen, wenn wesentliche Mängel vorhanden sind oder auch verkehrswesentlichen Eigenschaften betroffen sind (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 123 Rn. 5). Eine solche aufklärungspflichtige Tatsache lag vorliegend jedoch nicht vor.

b) In der Rechtsprechung ist hinsichtlich fabrikneuer Pkw allerdings anerkannt, dass zwischen der Herstellung des Fahrzeugs und dem Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen dürfen (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160). Auch hinsichtlich gebrauchter Fahrzeuge ist anerkannt, dass – abhängig von den Umständen – eine größere Zeitspanne zwischen der Herstellung des Fahrzeugs und der Erstzulassung von Bedeutung sein kann. Insbesondere dann, wenn es sich um Fahrzeuge mit einer Tageszulassung oder Kurzzulassung handelt, die Laufleistung sehr gering ist und die Erstzulassung erst kurze Zeit zurückliegt, kommt in Betracht, dass eine Abweichung des Herstellungsdatums vom Zeitpunkt der Erstzulassung von mehr als zwölf Monaten einen Sachmangel darstellt (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.06.2008 – I-1 U 231/07, NJW-RR 2009, 398). Die von der Rechtsprechung bisher entschiedenen Fälle behandeln dabei allerdings Pkw, bei denen die Zeitspanne von zwölf Monaten erheblich überschritten wurde (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.06.2008 – I-1 U 231/07, NJW-RR 2009, 398: 31 Monate; OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.05.2004 – 1 U 10/04, NJW 2004, 2456: 5 Jahre und 6 Monate; OLG Celle, Urt. v. 13.07.2006 – 11 U 254/05, SVR 2006, 463: verneinend hinsichtlich einer Abweichung von 1 Jahr und 11 Monaten). Abweichungen können auch dann von Bedeutung sein, wenn nicht lediglich die Erstzulassung angegeben wird, sondern im Kaufvertrag ein bestimmtes Modelljahr festgehalten wird (vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 21.03.2005 – 8 U 2366/04, NJW 2005, 2019).

Daraus folgt, dass die vom BGH für Neuwagen entwickelte Rechtsprechung nicht uneingeschränkt auf Gebrauchtfahrzeuge übertragen werden kann. Lediglich dann, wenn es sich um Gebrauchtfahrzeuge handelt, die einem Neufahrzeug in wirtschaftlicher Hinsicht nahezu gleichstehen, kann die Rechtsprechung ohne weitere Einschränkung übertragen werden. Es handelt sich hierbei um vielfältige Lebenssachverhalte. Auch wenn im Hinblick auf Rechtssicherheit starre Fristen grundsätzlich erstrebenswert sind, können bei der Vielzahl der möglichen Fallgestaltungen allgemeine Regeln nicht aufgestellt werden. Von Bedeutung, ob vom Verkäufer über eine erhebliche Zeitspanne zwischen Herstellung und Erstzulassung des Fahrzeuges aufzuklären ist, sind die Laufleistung, das Alter des Fahrzeugs, die Anzahl der Vorbesitzer sowie insbesondere auch der Umfang der Zeitspanne zwischen Herstellung und Erstzulassung.

c) Von Bedeutung ist für den vorliegenden Fall weiterhin, dass das Datum der Erstzulassung des Wohnmobils ausgehend von seiner endgültigen Herstellung die 12-Monats-Frist nicht übersteigt. Lediglich die Erteilung der Allgemeinen Betriebserlaubnis für das Fahrgestell, die vom 17.12.2002 stammt, überschreitet ausgehend von der Erstzulassung des Wohnmobils am 12.02.2004 die 12-Monats-Frist geringfügig. Dabei stellt sich bereits die Frage, ob hinsichtlich dieser Frist (zusätzlich) auch auf die Herstellung einzelner, wenn auch wesentlicher Teile abgestellt werden kann. Im Regelfall ist dies zu verneinen, dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Verkäufer im Allgemeinen keine Informationen über die Herstellung der einzelnen Bauteilgruppen ohne Weiteres zur Verfügung stehen. Regelmäßig, so auch beim Wohnmobil, ist daher erst die vollständige Fertigstellung des Fahrzeugs für die Fristberechnung maßgeblich (vgl. auch OLG Brandenburg, Urt. v. 17.01.2008 – 12 U 107/07). Im Unterschied zu Bauteilgruppen lässt sich allerdings die Zulassung des Fahrgestells ausweislich des vorgelegten Fahrzeugbriefs einem solchen entnehmen. Das zeigt zum einen, dass diesem Bauteil eine besondere Bedeutung beikommt, zum anderen ist daraus auch ersichtlich, dass jedenfalls der geschulte Verkäufer sich ohne größeren Aufwand über diesen Umstand informieren kann. Jedenfalls bei einer erheblichen Überschreitung des Zeitraums zwischen der Zulassung des Fahrgestells und der Erstzulassung des Fahrzeugs kann daher eine Aufklärungspflicht in Betracht kommen. Allerdings kann hierbei nicht die für die Herstellung von Pkw-Neuwagen zugrunde zu legende Frist von zwölf Monaten maßgeblich sein. Diese Frist wäre selbst für ein Neufahrzeug, das ein Wohnmobil ist, angemessen zu verlängern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit der Herstellung des Fahrzeuggestells das Wohnmobil in wesentlichen Teilen noch nicht fertiggestellt ist. Auf dem Chassis sind die Aufbauten vorzunehmen, die je nach Qualität und Umfang auch erhebliche Auswirkungen auf die Preisfindung haben. Unbestritten hat die Beklagte vorgetragen, dass zur Gesamtmontage des Wohnmobils unter anderem die Elektrik und die Inneneinrichtung gehören. Für diese Arbeiten ist dem Hersteller regelmäßig eine Zeitspanne zuzubilligen, die jedenfalls zwei Monate überschreitet. Der Käufer eines Wohnmobils wird ebenso wenig wie der dazugehörige Markt eine Vorstellung dahin gehend entwickelt haben, dass ausgehend von der Produktion des Fahrgestells und dessen Zulassung innerhalb eines Jahres das gesamte Fahrzeug zugelassen werden muss. Vielmehr bedarf es auch bei einer zeitnahen Zulassung ab der Fertigstellung des Fahrgestells zunächst weiterer, erheblicher Arbeiten, um ein Wohnmobil in einen verkaufsfähigen Zustand zu versetzen.

Vorliegend ist die Erstzulassung, ausgehend vom Datum der Zulassung des Fahrgestells, innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr, drei Wochen und fünf Tagen erfolgt. Die für Pkw und insbesondere für Neufahrzeuge geltende 12-Monats-Frist ist daher nur äußerst geringfügig – weniger als zwei Monate – überschritten worden. Diese Überschreitung stellt aber unter Berücksichtigung der Produktionsbedingungen eines Wohnmobils keinen Sachmangel dar. Auch bei einem Neufahrzeug bedürfte es insoweit keiner Aufklärung. Hinzu kommen vorliegend jedoch weitere Umstände, die zu einer fehlenden Aufklärungspflicht beitragen. Wie dargelegt ist die Übertragung der Rechtsprechung des BGH zu Neufahrzeugen bereits nicht ohne Weiteres auf Gebrauchtfahrzeuge zu übertragen. Vorliegend handelte es sich um kein Fahrzeug, das einem Neufahrzeug vergleichbar ist, auch wenn insgesamt es sich noch um ein recht neuwertiges und wertvolles Fahrzeug gehandelt hat. Im Unterschied zu Tageszulassungen war vorliegend jedoch eine Kilometerleistung von 6.000 km bereits erreicht; bei einer Tageszulassung wird dagegen eine relevante Fahrleistung nicht erreicht, da die An- und Abmeldung lediglich formal auf dem Papier erfolgt, das Fahrzeug wird dabei im Straßenverkehr nicht bewegt. Bei Kurzzulassungen können Haltungsdauer und auch Fahrleistung zwar von Bedeutung sein, ein Fahrzeug, das eine Laufleistung von 6.000 km erreicht hat und zum Verkaufszeitpunkt bereits ein Alter von mehr als drei Jahren aufweist, ist jedoch deutlich nicht mehr einem Neufahrzeug vergleichbar. Bei einem solchen Fahrzeug bestehen jedenfalls dann, wenn vorliegend der 12-Monats-Zeitraum nur geringfügig überschritten war, keine Aufklärungspflichten hierüber. Eine solche geringfügige Überschreitung hat auch im Geschäftsverkehr keine wirtschaftliche Bedeutung, der Preis des Fahrzeugs wird insoweit maßgeblich durch die Laufleistung, das Alter des Fahrzeugs (ausgehend von der Erstzulassung) sowie der Anzahl der Vorbesitzer bestimmt.

Die Beklagte traf auch im Hinblick darauf, dass in den Verkaufsverhandlungen über die Erstzulassung des Wohnmobils gesprochen wurde, keine gesteigerte Aufklärungspflicht. Zwar war für sie, wie auch die entsprechende Eintragung auf dem Kaufvertrag zeigt, erkennbar, dass der Kläger kein Fahrzeug mit ungewöhnlichen Standzeiten erwerben wollte. Zulässigerweise durfte der Verkäufer hierbei aber auf das Datum der Erstzulassung des Wohnmobils abstellen. Allenfalls dann, wenn der Zeitraum zwischen der Zulassung des Fahrgestells und der Erstzulassung des Wohnmobils ungewöhnlich lang gewesen wäre, käme eine Aufklärungspflicht in Betracht.

2. Mit der Berufungsbegründung nicht angegriffen sind die Ausführungen des Landgerichts dazu, dass die fehlende Aufklärung über eine Nutzung des Fahrzeugs als Vorführwagen keinen Sachmangel darstellt. Diese Feststellungen sind daher in Rechtskraft erwachsen.

Im Übrigen sind insoweit auch Rechtsfehler des Landgerichts nicht erkennbar. In den Verkaufsgesprächen ist nur die Frage der Nutzung des Wohnmobils als Mietwagen erörtert worden, die Nutzung als Vorführwagen ist gerade bei einem Wohnmobil einer solchen Nutzung nicht vergleichbar. Jedenfalls unter Berücksichtigung des Alters des Fahrzeugs und der bereits eingetretenen Laufleistung war über eine anfängliche Nutzung des Wohnmobils als Vorführmobil nicht aufzuklären (vgl. auch Senat, Urt. v. 28.06.1996 – 22 U 38/96, NJW-RR 1997, 427).

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