Zur Auslegung der in einem Formularvertrag über den Verkauf von Gebrauchtwagen enthaltenen Klausel „Der Verkäufer sichert zu, dass das Kfz, soweit ihm bekannt, eine Gesamtfahrleistung von … km aufweist“.

BGH, Urteil vom 13.05.1998 – VIII ZR 292/97

Diese Entscheidung ist zum „alten“ Schuldrecht und vor Inkrafttreten der ZPO-Reform 2002 ergangen. Sie kann nicht ohne Weiteres auf das seit dem 01.01.2002 geltende Recht übertragen werden (so ist z. B. an die Stelle der Wandelung der Rücktritt vom Kaufvertrag getreten). Die genannten Vorschriften existieren heute möglicherweise nicht mehr oder haben einen anderen Inhalt.

Sachverhalt: Mit Formularvertrag vom 12.05.1996 verkaufte der Beklagte, ein Gebrauchtwagenhändler, dem Kläger einen gebrauchten BMW 730i für 20.500 DM. Dieses Fahrzeug hatte der Beklagte selbst tags zuvor, am 11.05.1996, unter Verwendung des gleichen Vertragsformulars für 17.500 DM erworben.

Die von dem Beklagten verwendeten Vertragsformulare enthalten schräg über dem gesamten Vertragstext in übergroßen Großbuchstaben den Aufdruck „FORMULARTEXT: ADAC-GEPRÜFT“. Der vorgedruckte Text beginnt nach der Bezeichnung der Vertragsparteien und des Kaufgegenstands sowie der Angabe des Gesamtpreises mit folgender durch Fettdruck und teilweise Unterstreichung hervorgehobener Formulierung:

„Das Kraftfahrzeug wird – soweit nicht nachstehend ausdrücklich Eigenschaften zugesichert (Ziff. 1) oder Verpflichtungen übernommen werden (Ziff. 2.3, 4.1 und 4.2) – unter Ausschluss jeder Gewährleistung verkauft.“

Anschließend heißt es nach der durch noch stärkeren Fettdruck und größere Schrifttypen gekennzeichneten Überschrift „Erklärungen des Verkäufers:“ in kleinerer nicht fettgedruckter Schrift:

„1. Der Verkäufer sichert zu:
1.1 …
1.2 …
1.3 …
1.4 …
1.5 dass das KfZ, soweit ihm bekannt, eine Gesamtfahrleistung von … km aufweist …“.

Die Angabe „… km“ ist durch eine gedruckte Umrahmung („Kasten“) hervorgehoben. Im Vertrag der Parteien ist in diesem „Kasten“ für die Gesamt-Kilometerleistung handschriftlich die Zahl „92.730“ eingetragen. Die Ziffern dieser Zahl sind etwa dreimal so groß wie der dazugehörige vorgedruckte Text.

Die tatsächliche Fahrleistung des an den Kläger verkauften Kraftfahrzeuges betrug bei Vertragsschluß über 221.022 km; mit dieser Laufleistung hatte einer der Vorbesitzer das Fahrzeug bereits im Februar 1996 verkauft. Wegen dieser hohen Fahrleistung betrug der Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien nur 10.300 DM.

Der Kläger begehrt Ersatz eines Schadens von 10.433,45 DM, bestehend aus der Differenz zwischen dem Kaufpreis (20.500 DM) und dem Wert des Fahrzeugs (10.300 DM) in Höhe von 10.200 DM sowie von ihm aufgewendeter Gutachterkosten in Höhe von 233,45 DM. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Auch die Revision des Beklagten, der damit weiterhin die Abweisung der Klage erstrebte, hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht führt aus, der Beklagte habe dem Kläger nach §§ 459 II, 463 Satz 1 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung in der begehrten Höhe zu leisten, weil er dem Kläger unter Nr. 1.5 des Kaufvertrags eine nicht zutreffende Gesamtlaufleistung des verkauften BMW von 92.730 km zugesichert habe. Die Worte "soweit ihm bekannt" in der genannten Vertragsklausel seien angesichts der übrigen Vertragsgestaltung eine überraschende Formulierung, mit welcher der Kläger nicht habe rechnen müssen und die daher nach § 3 AGBG nicht Vertragsinhalt geworden sei.

II. Die Entscheidung hält im Ergebnis der rechtlichen Überprüfung stand.

Vorrangig zu der vom Berufungsgericht erörterten Frage, ob die Vertragsklausel unter 1.5 mit ihrem vollem Inhalt oder nur teilweise Vertragsinhalt wurde, ist allerdings die Ermittlung des Regelungsgehalts der Klausel (Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 3 Rn. 3). Dies erfolgt durch Auslegung unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 5 AGBG. Der Senat ist dabei ungeachtet seiner Funktion als Revisionsgericht zur uneingeschränkten Auslegung des hier verwendeten Formularvertrags befugt, weil der in Berlin ansässige Beklagte dieses Vertragsformular auch außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Kammergerichts in Berlin verwendet; der Erwerb des streitigen Fahrzeugs unter Verwendung desselben Vertragsformulars durch den Beklagten erfolgte in Hannover.

Die objektive Auslegung der Klausel anhand ihres Wortlauts und Regelungszusammenhanges am Maßstab der Verständnismöglichkeiten der typischerweise von ihr angesprochenen Durchschnittskunden (vgl. z. B. Senat, Urt. v. 30.10.1985 – VIII ZR 251/84, BGHZ 96, 182, 191; Urt. v. 23.03.1988 – VIII ZR 58/87, BGHZ 82, 88; BGH, Urt. v. 15.06.1989 – VII ZR 205/88, BGHZ 108, 52, 60; Urt. v. 24.09.1992 – VII ZR 36/92, NJW 1993, 263 unter II 2 a) ergibt einen widersprüchlichen und damit unklaren Inhalt.

Der den Erklärungen des Verkäufers über Eigenschaften der Kaufsache vorangestellte Satz „Der Verkäufer sichert zu: …“ verwendet den vom Gesetz gebrauchten Begriff der Zusicherung (§§ 459 II, 463 Satz 1, 477 I 1 BGB). Dieser Begriff in seiner gesetzlichen Bedeutung des verschuldensunabhängigen Einstehenmüssens des Verkäufers für bestimmte Eigenschaften wird auch im Gebrauchtwagenhandel – dort gerade als Gegensatz zu dem üblichen Gewährleistungsausschluss – verwendet und ist auch den juristisch nicht vorgebildeten Durchschnittsbeteiligten geläufig. Auch in dem hier zu beurteilenden Formular wird im fettgedruckten Einleitungssatz der übliche allgemeine Gewährleistungsausschluss niedergelegt, der Kunde aber gleichzeitig und als Ausnahme davon auf die nachfolgenden ausdrücklichen Eigenschaftszusicherungen des Verkäufers hingewiesen. Besonders diese Formulierung lenkt die Aufmerksamkeit des Käufers auf die anschließend beschriebenen Eigenschaften des Kaufgegenstands, sodass er – in Verbindung mit dem wiederholt gebrauchten Ausdruck „Zusicherung“ – den Eindruck gewinnt, für jene Eigenschaften wolle der Verkäufer ausnahmsweise einstehen. Dies Verständnis der Klausel wird dadurch verstärkt, dass der normale Gebrauchtwagenkäufer den Angaben des – üblicherweise erfahrenen und sachkundigen – Händlers über die Laufleistung des Wagens besonderes Vertrauen entgegenbringt und diese dahin auffasst, der Händler wolle sich für die Kilometerangabe „starkmachen“ (st. Rspr. des Senats, vgl. zuletzt Urt. v. 04.06.1997 – VIII ZR 243/96, NJW 1997, 2318 unter II 2 b m. w. Nachw.). Das Vertrauen des Kunden in die Richtigkeit der Angaben des Verkäufers über die Laufleistung wird durch den übergroßen Aufdruck „FORMULARTEXT: ADAC-GEPRÜFT“ noch erhöht. Durch die kastenförmige Umrahmung der handschriftlichen Laufleistungsangabe und deren gegenüber dem benachbarten Formulartext auffallende Größe wird seine Aufmerksamkeit zusätzlich auf die Kilometerangabe geleitet und von dem übrigen vorgedruckten Text der Klausel abgelenkt.

Mit all diesen in besonderem Maße auf eine Zusicherung der Laufleistung im Rechtssinne hindeutenden Merkmalen ist die Formulierung "soweit ihm (= dem Verkäufer) bekannt" unvereinbar. Würde man bei der Auslegung entscheidend auf diese Worte abstellen, wäre die Klausel eine bloße Wissenserklärung des Käufers. Inhaltlich wäre sie ohne Bedeutung und daher entbehrlich, denn aus ihr würde sich eine Haftung des Verkäufers nur bei Arglist ergeben, was aber schon nach der gesetzlichen Regelung der Fall wäre (§ 476 BGB). Dennoch ist angesichts der ausdrücklichen Formulierung "soweit ihm bekannt" auch eine dahin gehende Auslegung der Klausel nicht von vornherein als fernliegend auszuschließen. Mit einem solchen Verständnis der Klausel wären aber andererseits ihre eingangs hervorgehobenen, eine Zusicherung im Rechtssinne nahelegenden Bestandteile unvereinbar.

Da sich somit bei objektiver Auslegung ein eindeutiges Ergebnis nicht gewinnen lässt, ist der Bedeutungsgehalt der Klausel nach § 5 AGBG zu ermitteln, wonach Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders (hier: des Beklagten) gehen. Dies führt zu dem schon nach der objektiven Auslegung naheliegenden Ergebnis, dass der Beklagte dem Kläger eine Laufleistung des verkauften Kraftfahrzeuges von 92.730 km zugesichert hat.

Der Beklagte hat auch im Laufe der Vertragsverhandlungen den Inhalt der hier maßgeblichen Klausel nicht in dem Sinne klargestellt, dass er nur seine eigene Kenntnis über die Laufleistung wiedergeben wollte. Nach seiner Behauptung hat er dem Kläger auf dessen Nachfrage erklärt, er habe das Fahrzeug erst am Tage zuvor in Hannover erworben, seither seien nur die Kilometer der Überführung nach Berlin hinzugekommen; dabei habe er dem Kläger den Vertrag über den Erwerb des Wagens mit einer darin angegebenen Fahrleistung von 92.419 km gezeigt. Diese angebliche Erklärung hat das Berufungsgericht – allerdings unter dem rechtlichen Gesichtspunkt von § 3 AGBG – dahin gehend ausgelegt (§ 133 BGB), dass der Beklagte hiermit seinen Willen, für die im Vertrag genannte Laufleistung nicht einstehen zu wollen, nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Diese Auslegung des Tatrichters ist frei von Rechtsfehlern und damit für das Revisionsgericht bindend. Für die Würdigung der Vorinstanz spricht insbesondere auch, dass der Beklagte den entscheidenden Punkt, nämlich dass es ihm infolge der kurzen Zeitspanne zwischen dem Erwerb des Fahrzeugs und dessen Weiterverkauf nicht möglich gewesen sei, die Laufleistung zu überprüfen, auch nach seiner Schilderung der Vertragsverhandlungen nicht ausdrücklich angesprochen hat und dass der Kläger dies aus den behaupteten Erklärungen des Beklagten und dem Hinweis auf den Vertrag über den Vorerwerb des Wagens auch nicht ohne Weiteres entnehmen musste. Unter diesen Umständen kann entgegen der Rüge der Revision eine von den Parteien stillschweigend getroffene Individualabrede, die gemäß § 4 AGBG Vorrang vor den formularmäßigen Vertragsbestimmungen hätte, nicht angenommen werden.

Da die Zusicherung des Beklagten unrichtig war, erweist sich das Ergebnis des Berufungsgerichts als zutreffend, daß der Beklagte dem Kläger nach §§ 459 II, 463 Satz 1 BGB Schadensersatz in der unter den Parteien nicht mehr streitigen Höhe zu leisten hat.

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