1. Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens kann nicht wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten. Zwar ist ein Fahrzeug, in dem – wie in vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen – eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz kommt, mangelhaft. Einem Rücktritt des Käufers steht jedoch § 323 V 2 BGB entgegen, weil sich der Mangel durch die Installation eines Softwareupdates beseitigen lässt und der Kosten- und Zeitaufwand dafür gering ist.
  2. Eine Nachbesserung durch Installation eines Softwareupdates ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs zumutbar, nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt das Update freigegeben und bestätigt hat, dass nach der Installation keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr vorhanden sind und sich das Update nicht nachteilig auf den Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionen, die Motorleistung oder die Geräuschemissionen des Fahrzeugs auswirkt.
  3. Dass die – am Kaufvertrag nicht beteiligte – Volkswagen AG den Käufer möglicherweise arglistig getäuscht oder betrogen hat, berechtigt den Käufer nicht dazu, „sofort“ vom Kaufvertrag zurückzutreten, ohne dem Verkäufer Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben. Denn der Verkäufer muss sich ein arglistiges oder betrügerisches Verhalten der Volkswagen AG nicht zurechnen lassen, zumal zu den gesicherten Erkenntnissen des Kaufrechts gehört, dass der Hersteller einer Kaufsache nicht Gehilfe (§ 278 BGB) des Verkäufers bei der Erfüllung von Verkäuferpflichten ist.

LG Dortmund, Urteil vom 11.10.2017 – 3 O 101/17

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der beklagten Kfz-Händlerin im Zusammenhang mit dem sogenannten VW-Abgasskandal die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages.

Die Beklagte ist VW-Vertragshändlerin; sie handelt im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Mit Vertrag vom 21.08.2015 verkaufte sie dem Kläger ein gebrauchtes Fahrzeug mit einer Laufleistung von 29.990 km zum Preis von 22.740 €.

Dieses Fahrzeug ist mit einem 2,0-Liter-Dieselmotor und einer Software zur Optimierung der Stickoxidemissionen ausgestattet. Die Software erkennt, ob sich das Fahrzeug zur Ermittlung der Emissionswerte auf einem technischen Prüfstand befindet oder ob es regulär im Straßenverkehr betrieben wird. In einer Testsituation bewirkt die Software eine Reduzierung des Stickoxidausstoßes, die beim Normalbetrieb des Fahrzeugs nicht stattfindet. Nur deshalb wird – auf dem Prüfstand – der einschlägige Euro-5-Emissionsgrenzwert eingehalten.

Nachdem die Öffentlichkeit im September 2015 Kenntnis vom Einsatz der Manipulationssoftware erlangt hatte, gab das Kraftfahrt-Bundesamt, das in der Manipulationssoftware eine unzulässige Abschalteinrichtung sieht, das streitgegenständliche Fahrzeugmodell mit Wirkung vom 03.06.2016 zur technischen Überarbeitung frei. Die Freigabe wurde zeitnah in der Presse thematisiert.

In seiner Freigabebestätigung hat das Kraftfahrt-Bundesamt unter anderem dargelegt, eine Prüfung habe ergeben, dass nach der technischen Überarbeitung der Fahrzeuge durch Installation eines Softwareupdates keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr vorhanden seien und die einschlägigen Emissionsgrenzwerte eingehalten würden. Dass im Januar 2016 eine entsprechende Prüfung erfolgen sollte, war bereits aufgrund einer Pressemitteilung vom 16.12.2016 bekannt.

Für das streitgegenständliche Fahrzeug steht ein Softwareupdate seit dem 24.08.2016 zur Verfügung. Der Kläger wurde darüber mit Schreiben der Volkswagen AG vom 26.09. und vom 13.12.2016 informiert. Er erklärte allerdings (erst) mit Schreiben vom 24.01.2017 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte auf, bis zum 07.02.2017 einen Termin für die Rückgabe des Fahrzeugs zu benennn. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 07.02.2017 die Rücknahme des Fahrzeugs ab und bot dem Kläger die – vom Kläger abgelehnte – Installation eines Softwareupdates an. Dabei wies die Beklagte darauf hin, dass für das streitgegenständliche Fahrzeugmodell bereits eine Freigabebestätigung des Kraftfahrt-Bundesamtes vorliege, die Installation des Updates voraussichtlich weniger als eine Stunde in Anspruch nehme und mit Kosten von deutlich unter 100 € verbunden sei. Damit betrage der Kostenaufwand weniger als 0,44 % des Kaufpreises.

Der Kläger behauptet, er habe sich wegen der positiven Abgaswerte für das streitgegenständliche Fahrzeug entschieden, das als umweltfreundlichstes Dieselfahrzeug seiner Klasse beworben worden sei. Tatsächlich überschreite der Pkw im normalen Fahrbetrieb jedoch die Euro-5-Emissionsgrenzwerte um ein Vielfaches.

Der Kläger meint, dass ihm eine Nachbesserung nicht zumutbar sei. Denn jedenfalls bei Erklärung des Rücktritts – so macht der Kläger geltend – sei nicht auszuschließen gewesen, dass das beabsichtigte Softwareupdate zu Folgemängeln führen könnte, da es einen Zielkonflikt zwischen günstigen Stickoxid- und günstigen Kohlendioxidemissionen gebe. Die Beklagte habe diese Bedenken nicht durch Vorlage eines unabhängigen Gutachtens oder Abgabe einer selbstständigen Garantieerklärung ausgeräumt. Darüber hinaus hält der Kläger eine Nacherfüllung deshalb für unzumutbar, weil sein Vertrauensverhältnis zur Fahrzeugherstellerin, der Volkswagen AG, nachhaltig zerstört sei. Dieser Vertrauensverlust strahle auch auf die Beklagten als VW-Vertragshändlerin aus. Er – der Kläger – dürfe von einer weiteren Zusammenarbeit mit der Beklagten Abstand nehmen, schon um sich vor neuerlichen Täuschungsversuchen durch die Volkswagen AG zu schützen. In Bezug auf die angebotene Nachbesserung durch Installation eines Softwareupdates sei die Beklagte nämlich lediglich Erfüllungsgehilfin (§ 278 BGB) der Volkswagen AG. Auch sonst sei die Beklagte für sämtliche Reparatur- und Serviceleistungen auf die Volkswagen AG angewiesen.

Der Kläger behauptet schließlich, es sei nicht auszuschließen, dass trotz der Installation des Softwareupdates ein merkantiler Minderwerts verbleibe. Die Durchschnittspreise der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge seien seit Bekannt werden des Skandals um 6,4 % gesunken.

Die Beklagte ist der Ansicht, ein Rücktrittsrecht scheitere daran, dass das Fahrzeug des Klägers nicht mangelhaft sei. Der Pkw sei zwar mit einem EA189-Dieselmotor ausgerüstet, aber technisch sicher und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt, und er verfüge trotz der streitgegenständlichen Software weiterhin über alle erforderlichen Genehmigungen und sei weiterhin ein Fahrzeug der Abgasnorm Euro 5. Jedenfalls – so macht die Beklagte geltend – sei der dem Fahrzeug möglicherweise anhaftende Mangel nicht erheblich, da die streitgegenständliche Software mit einem (internen) Kostenaufwand von unter 100 € in weniger als einer Stunde ersetzt werden könne. Das dafür erforderliche Softwareupdate wirke sich nicht nachteilig aus, auch nicht auf den Wert des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Vielmehr seien die Fahrzeugpreise zwischen Juli 2015 und März 2016 stabil geblieben; der Marktanteil von Dieselfahrzeugen sei weiter gestiegen. Das Update führe dazu, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nur noch in dem Modus betrieben würde, der zuvor ausschließlich in einer Testsituation auf dem Prüfstand aktiviert worden sei und in dem die Abgasrückführungsrate relativ hoch sei. Zudem werde durch das Softwareupdate das Brennverfahren (Einspritzcharakteristik, Einspritzdruck, Einspritzzeitpunkt etc.) optimiert. Dabei greife das Update die Erkenntnisse aus der Weiterentwicklung des Dieselbrennverfahrens der letzten zehn Jahre auf und berücksichtige die Felderfahrung über die einzelnen Komponenten (z. B. hinsichtlich der jeweiligen Dauerhaltbarkeit). Deshalb werde nach der Installation des Updates der Kraftsoffverbrauch sogar sinken.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Der Anspruch folgt nicht aus §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 434, 440, 323 BGB.

1. Zwar hat der Kläger den Rücktritt von dem am 21.08.2015 geschlossenen Kaufvertrag erklärt. Er hat der Beklagten jedoch unstreitig keine Frist zu Nachbesserung gesetzt. Dies ist jedoch nach §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 I BGB grundsätzlich erforderlich. Das Gesetz ordnet grundsätzlich den Vorrang der Nacherfüllung an. Dem Käufer werden abgestufte Berechtigungen beim Vorliegen eines Sachmangels zugewiesen. Er muss zunächst den Anspruch auf Nacherfüllung weiterverfolgen und darf erst dann Rücktritt, Minderung und Schadensersatz geltend machen (BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VIII ZR 100/04, NJW 2005, 1348).

2. Die Fristsetzung war vorliegend auch nicht entbehrlich.

a) Die Nacherfüllung war nicht unmöglich (§ 326 V BGB).

Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung stand die vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegebene technische Maßnahme zur Entfernung der Abschaltvorrichtung bereits seit mehreren Monaten zur Verfügung. Aus der im Tatbestand in Bezug genommenen und zusammenfassend wiedergegebenen Bestätigung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 03.06.2016 ergibt sich mit der erforderlichen Sicherheit, dass nach Durchführung der infrage stehenden Überarbeitungsmaßnahmen keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr vorhanden sind und dass danach die Grenzwerte und anderen Anforderungen eingehalten werden. Insbesondere räumt die Bescheinigung auch die vom Kläger vorgetragenen – insbesondere in seiner Parteianhörung geschilderten – Befürchtungen – zur Überzeugung des Gerichts aus. Durch den technischen Dienst des Kraftfahrt-Bundesamtes wurde in Prüfungen bestätigt, dass die ursprünglich vom Hersteller angegebenen Kraftstoffverbrauchswerte und CO2-Emissionen nach dem Update eingehalten werden. Motorleistung und maximales Drehmoment bleiben ebenso unverändert wie die bisherigen Geräuschemissionswerte.

Das Gericht schließt sich insoweit der von der 7. Zivilkammer in ihrem Urteil vom 31.10.2016 – 7 O 349/15, juris Rn. 71 ff. – vertretenen Auffassung an. Insoweit geht das Gericht – wie dort – von der Richtigkeit der durch eine Bundesbehörde bestätigten Tatsachen aus, zumal diese Behörde im Rahmen des öffentlichen Auftrages gehalten war, die Wirksamkeit der Rückrufaktion zu überprüfen.

Das Gericht sieht sich in seiner Rechtsauffassung auch durch den Beschluss des OLG Hamm vom 21.06.2016 – I-28 W 14/16, juris – bestätigt. Dort hat das Oberlandesgericht für die Situation vor Abschluss des Prüfungsverfahrens des Kraftfahrt-Bundesamtes ausgeführt, dass dieses Verfahren darauf hinweisen mag, dass, soweit Freigaben erfolgen, eine technische Nachrüstung nicht zu Nachteilen in Form erhöhter Verbrauchswerte oder reduzierter Fahrleistung führt. Nach der – so bei der Entscheidung des Oberlandesgerichts noch nicht absehbaren – umfassenden Bestätigung des Kraftfahrt-Bundesamtes bestehen nunmehr für die Kammer keine Bedenken in Bezug auf etwaige technische Nachteile einer Nachbesserung mehr. Auch der Kläger schien in der Parteianhörung nach umfassender Erörterung der Bestätigung des Kraftfahrt-Bundesamtes hiervon beeindruckt und hatte diese offenbar zuvor übersehen. Unstreitig war auch, dass die Beklagte bei ihrem fast vier Monate vor dem Rücktritt erfolgten Herantreten an den Kläger zwecks Softwareupdate bereit war, dieses kurzfristig aufzuspielen.

b) Dass auch nach Durchführung des Updates ein merkantiler Minderwert verbleiben würde, ist nicht ersichtlich. Ein solcher Minderwert wird jedenfalls in Bezug auf die Situation nach Durchführung der Nachbesserung auch nicht konkret von der Klägerseite behauptet. Ferner hat der Kläger auch in der Parteianhörung dargestellt, dass die eigentliche Motivation seines Rücktritts in den von ihm befürchteten Schäden am Fahrzeug durch das Softwareupdate liegt.

c) Die Fristsetzung war dem Kläger auch nicht unzumutbar (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB).

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll die Vorschrift Art. 3 V Spiegelstrich 3 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie umsetzen, nach dem der Käufer sofort Sekundärrechte geltend machen kann, wenn der Verkäufer nicht ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Käufer Abhilfe geschaffen hat (BeckOK-BGB/Faust, 43. Edition [2017], § 440 Rn. 35 ff.).

Die Abwägung der beiderseitigen Interessen führt vorliegend nicht zu dem Ergebnis, dass ein sofortiger Rücktritt gerechtfertigt gewesen wäre. Die Frage ist zwar ausschließlich aus der Perspektive des Käufers zu beantworten. Maßgeblich ist derjenige Zeitpunkt, in dem der Käufer sein Sekundärrecht geltend macht (BGH, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666 Rn. 36). Vorliegend war zu diesem Zeitpunkt bereits seit fast vier Monaten bekannt, dass das Softwareupdate vorlag. Das Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes, in welchem die Prüfungergebnisse umfassend dokumentiert wurden, lag bereits mehr als ein halbes Jahr zurück. Die Prüfergebnisse wurden gerichtsbekannt auch zeitnah in der Presse mitgeteilt. Der Kläger hätte deshalb zum Zeitpunkt des Rücktritts erkennen können und erkennen müssen, dass die von ihm angestellten und offenbar durch den Austausch in einem Internetforum bestärkten Bedenken der Sachlage zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gerecht wurden.

d) Auch aus dem Argument der Täuschung und des Betrugsvorwurfs gegenüber dem Hersteller folgt nichts anderes. Der Kläger konnte erkennen, dass die hier allein beklagte Händlerin letztlich nichts für das von dem Hersteller an den Tag gelegte Verhalten konnte. Insbesondere ist der beklagten Autohändlerin ein etwaiges Verschulden des Autoherstellers nicht ohne Weiteres zurechenbar. Es gehört nämlich zu den gesicherten Erkenntnissen des Kaufrechts, dass der Hersteller einer Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist (vgl. Diehl, ZfS 2017, 435 [438]). Gründe, davon abzuweichen, liegen nicht vor.

e) Der Rücktritt ist darüber hinaus auch gemäß § 323 V 2 BGB ausgeschlossen, da jedenfalls eine Unerheblichkeit im Sinne dieser Vorschrift gegeben ist. Dies ist nach der Rechtsprechung des BGH nämlich schon dann der Fall, wenn der Mangel behebbar ist – wovon das Gericht nach Überprüfung des Kraftfahrt-Bundesamtes auszugeht – und die Beseitigung Aufwendungen in Höhe von nur knapp einem Prozent des Kaufpreises erfordern (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 19). Letzteres ist vorliegend angesichts des geringen Aufwands des Updates der Fall. Die Erheblichkeit des Mangels folgt auch nicht aus einer etwaigen Täuschung durch den Hersteller, da die allein beklagte Händlerin weder selbst getäuscht hat, noch sich ein Fehlverhalten des Herstellers als Drittem zurechnen lassen muss (OLG München, Urt. v. 03.07.2017 – 21 U 4818/16, juris Rn. 28).

3. Auch wenn das Gericht im Grunde keinen Zweifel daran hegt, dass ein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung mangelbehaftet ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016 – I-28 W 14/16, juris Rn. 28; OLG München, Beschl. v. 23.03.2017 – 3 U 4316/16, juris Rn. 13; Urt. v. 03.07.2017 – 21 U 4818/16, juris Rn. 21; OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16, juris Rn. 6; LG Dortmund, Urt. v. 31.10.2016 – 7 O 349/15, juris Rn. 66), kann diese Frage im Ergebnis bei der vorliegenden Sachlage dahinstehen.

II. Da der Kläger nicht wirksam von dem Kaufvertrag zurückgetreten ist, bleibt auch der von ihm … gestellte Feststellungsantrag … ohne Erfolg. …

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