1. Ein ord­nungs­ge­mä­ßes Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen ei­nes Kfz-Käu­fers darf sich nicht auf die Auf­for­de­rung zur Nach­er­fül­lung be­schrän­ken, son­dern muss auch die Be­reit­schaft des Käu­fers er­ken­nen las­sen, dem Ver­käu­fer das Fahr­zeug für ei­ne Un­ter­su­chung zur Ver­fü­gung zu stel­len.
  2. Heißt es in ei­nem Kfz-Kauf­ver­trag „Er­fül­lungs­ort beim Ver­käu­fer“ und wird gleich­zei­tig die Haf­tung des Ver­käu­fers für Sach­män­gel – we­gen § 475 I BGB un­wirk­sam – aus­ge­schlos­sen, fehlt an ei­ner ver­trag­li­chen Ab­re­de über den Er­fül­lungs­ort der Nach­er­fül­lung. In ei­nem sol­chen Fall ist nach § 269 I BGB zu­nächst auf die je­wei­li­gen Um­stän­de, ins­be­son­de­re die Na­tur des Schuld­ver­hält­nis­ses, ab­zu­stel­len. Führt dies nicht wei­ter, so ist der Er­fül­lungs­ort letzt­lich an dem Ort an­zu­sie­deln, an dem der Ver­käu­fer zum Zeit­punkt der Ent­ste­hung des Schuld­ver­hält­nis­ses sei­nen Wohn­sitz oder sei­ne ge­werb­li­che Nie­der­las­sung (§ 269 II BGB) hat­te.
  3. Für den Trans­port ei­nes (an­geb­lich) fahr­un­tüch­ti­gen Fahr­zeugs zum Ver­käu­fer zu sor­gen, ist für den Käu­fer nicht per se ei­ne er­heb­li­che Un­an­nehm­lich­keit i. S. des Art. 3 III der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie. Das gilt um­so mehr, als der Käu­fer vom Ver­käu­fer ge­mäß § 439 II BGB ei­nen Vor­schuss auf die Trans­port­kos­ten ver­lan­gen kann.
  4. So­lan­ge nicht un­strei­tig oder be­wie­sen ist, dass der Ver­käu­fer für ei­nen vom Käu­fer an­ge­zeig­ten Man­gel ein­zu­ste­hen hat, kann die Zu­rück­wei­sung ei­nes Vor­schuss­ver­lan­gens durch den Ver­käu­fer nicht als ver­trags­wid­ri­ges Ver­hal­ten an­ge­se­hen wer­den.

LG Ber­lin, Ur­teil vom 08.11.2016 – 88 S 14/16
(nach­fol­gend: BGH, Ur­teil vom 19.07.2017 – VI­II ZR 278/16)

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin kauf­te von der in B. an­säs­si­gen Be­klag­ten am 14.04.2015 ei­nen Ge­braucht­wa­gen („smart fort­wo Ca­brio“), auf den sie im In­ter­net auf­merk­sam ge­wor­den war. Im schrift­li­chen Kauf­ver­trag heißt es un­ter „Be­son­de­re Ver­ein­ba­rung“ un­ter an­de­rem: „Händ­ler­ge­schäft, un­ter Aus­schluss der Sach­män­gel­haf­tung! Er­fül­lungs­ort beim Ver­käu­fer“.

Nach­dem ihr das Fahr­zeug über­ge­ben wor­den war, ver­brach­te die Klä­ge­rin es nach M., ih­rem Wohn­ort. Mit E-Mails vom 10.05. und vom 12.05.2015 wies sie die Be­klag­te auf ei­nen Mo­tor­de­fekt hin und bat um Rück­mel­dung hin­sicht­lich des wei­te­ren Vor­ge­hens. Da sich die Be­klag­te nicht bei der Klä­ge­rin mel­de­te, be­auf­trag­te die­se ih­ren spä­te­ren Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten, der die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 19.05. 2015 un­ter Frist­set­zung zum 30.05. 2015 zur Män­gel­be­sei­ti­gung auf­for­der­te. Dar­auf­hin bot G, ei­ner der Ge­sell­schaf­ter der Be­klag­ten, an, das Fahr­zeug der Klä­ge­rin am Sitz der Be­klag­ten in B. nach­zu­bes­sern.

Auf ein sich an­schlie­ßen­des An­walts­schrei­ben vom 21.05.2015, mit dem die Klä­ge­rin ei­nen Trans­port­kos­ten­vor­schuss von 280 € oder die Ab­ho­lung des Fahr­zeugs in M. durch die Be­klag­te for­der­te, re­agier­te die Be­klag­te nicht. Die Klä­ge­rin setz­te ihr des­halb mit An­walts­schrei­ben vom 02.06.2016 ei­ne Frist zur Män­gel­be­sei­ti­gung bis zum 10.06.2015 und droh­te an, nach er­folg­lo­sem Ab­lauf die­ser Frist ei­ne Nach­bes­se­rung durch die Be­klag­te ab­zu­leh­nen.

Mit An­walts­schrei­ben vom 17.06.2015 wies die Klä­ge­rin die Be­klag­te dar­auf hin, dass sie den ih­rem Fahr­zeug an­haf­ten­den Man­gel an­der­weit be­sei­ti­gen las­sen wer­de. So­dann be­auf­trag­te sie die R-GmbH mit der Ab­ho­lung und der Re­pa­ra­tur des Ca­brio­lets. Da­für fie­len Kos­ten in Hö­he von 1.864,35 € an, die die Klä­ge­rin be­glich.

Die­se Kos­ten so­wie vor­ge­richt­li­che Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 467,97 € ver­langt die Klä­ge­rin von der Be­klag­ten als Scha­den er­setzt. Dar­über hin­aus ver­langt sie Scha­dens­er­satz in Hö­he von 467,97 €, wo­bei sich die­ser Be­trag wie folgt zu­sam­men­setzt:

Steu­ern und Ver­si­che­rungs­bei­trä­ge für 61 Aus­fall­ta­ge 50,02 €
Steu­ern und Ver­si­che­rungs­bei­trä­ge für ein Er­satz­fahr­zeug 84,80 €
An- und Ab­mel­de­kos­ten für das Er­satz­fahr­zeug 79,00 €
Rei­se­kos­ten (Ab­ho­lung des re­pa­rier­ten Fahr­zeugs aus der Werk­statt) 81,00 €
Kraft­stoff­kos­ten (Ab­ho­lung des re­pa­rier­ten Fahr­zeugs, Rück­weg) 53,15 €
Kos­ten für ei­nen nach 1.000 km durch­zu­füh­ren­den Öl­wech­sel 100,00 €
Un­kos­ten­pau­scha­le 20,00 €

Die Klä­ge­rin be­haup­tet, es ha­be (ins­be­son­de­re) ein Mo­tor­scha­den vor­ge­le­gen, zu des­sen Be­he­bung die von der R-GmbH Ar­bei­ten er­for­der­lich ge­we­sen sei­en.

Das Amts­ge­richt hat die Kla­ge mit der Be­grün­dung ab­wie­sen, es feh­le an ei­nem wirk­sa­men Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen der Klä­ge­rin, da Er­fül­lungs­ort der Nach­er­fül­lung der Ge­schäfts­sitz der Be­klag­ten sei. Die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Der Klä­ge­rin steht ge­gen die Be­klag­te aus kei­nem recht­li­chen Ge­sichts­punkt ein An­spruch auf Zah­lung von 2.332,32 € zu.

Ins­be­son­de­re kann sich ein sol­cher An­spruch nicht … aus den §§ 433 I 2, 434 I, 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I BGB er­ge­ben. Dem Käu­fer steht nach die­sen Vor­schrif­ten bei Vor­lie­gen ei­nes Man­gels erst … [ein] Scha­dens­er­satz­an­spruch zu, wenn er den Ver­käu­fer ver­geb­lich zu ei­ner Nach­er­fül­lung i. S. des § 439 I BGB auf­ge­for­dert hat (§ 281 I 1 BGB).

Da­bei kann die Kam­mer … da­hin­ste­hen las­sen, ob das Fahr­zeug, wie die Klä­ge­rin be­haup­tet, bei Über­ga­be mit ei­nem Sach­man­gel i. S. des § 434 I BGB be­haf­tet war. Zwar konn­ten die Par­tei­en die Ge­währ­leis­tung für Sach­män­gel nicht durch ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung aus­schlie­ßen, da es sich bei der Klä­ge­rin nach ih­rem Vor­trag, dem die Be­klag­te nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten ist, nicht um ei­ne Un­ter­neh­me­rin i. S. des § 14 BGB han­delt, so­dass ein Aus­schluss der ge­setz­li­chen Ge­währ­leis­tungs­vor­schrif­ten nach § 475 I BGB nicht mög­lich war. Wie das Amts­ge­richt … zu­tref­fend aus­ge­führt hat, fehlt es je­doch an ei­nem wirk­sa­men Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen von­sei­ten der Klä­ge­rin i. S. des § 439 I BGB.

In­halt die­ses An­spruchs ist die Vor­nah­me der für die Be­sei­ti­gung des Sach­man­gels er­for­der­li­chen Hand­lun­gen des Ver­käu­fers am Er­fül­lungs­ort. Hier­zu muss der Käu­fer die Be­reit­schaft ha­ben, dem Ver­käu­fer die Kauf­sa­che zur Über­prü­fung der er­ho­be­nen Män­gel­rü­gen für ei­ne ent­spre­chen­de Un­ter­su­chung zur Ver­fü­gung zu stel­len (vgl. BGH, Urt. v. 01.07.2015 – VI­II ZR 226/14, ju­ris Rn. 30). Die Klä­ge­rin hat zu­letzt mit Schrei­ben ih­res jet­zi­gen Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 21.05.2015 die Be­klag­te zur Fi­nan­zie­rung oder Durch­füh­rung des Trans­ports zu ih­rem Ge­schäfts­sitz zur Durch­füh­rung der Nach­er­fül­lung auf­ge­for­dert. Dies stellt kein wirk­sa­mes Ver­lan­gen der Nach­er­fül­lung dar, da die Be­reit­schaft fehlt, der Be­klag­ten das Fahr­zeug an ih­rem Ge­schäfts­sitz zur Ver­fü­gung zu stel­len.

Der Er­fül­lungs­ort für die Vor­nah­me der Nach­er­fül­lungs­hand­lung lag am Ge­schäfts­sitz der Be­klag­ten, so­dass die Be­klag­te al­lein an die­sem Ort ih­re Leis­tungs­hand­lung vor­zu­neh­men hat­te und zu wei­te­ren Hand­lun­gen vor­ab nicht ver­pflich­tet war.

Nach der Re­ge­lung des § 269 I BGB ent­schei­det in ers­ter Li­nie die Par­tei­ver­ein­ba­rung über den Leis­tungs­ort. Ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung ver­moch­te die Kam­mer aber nicht zu er­ken­nen. Die Par­tei­en ha­ben zwar in den schrift­li­chen Kauf­ver­trag vom 14.04.2015 die Ver­trags­klau­sel „Er­fül­lungs­ort beim Ver­käu­fer“ auf­ge­nom­men, je­doch er­gibt ei­ne Aus­le­gung die­ser Er­klä­run­gen im Kon­text mit den wei­te­ren Ver­trags­ver­ein­ba­run­gen nach Treu und Glau­ben mit Rück­sicht auf die Ver­kehrs­sit­te ge­mäß §§ 133, 157 BGB nur ei­ne Re­ge­lung der pri­mä­ren Er­fül­lungs­an­sprü­che aus dem Kauf­ver­trag. Durch den – zwar un­wirk­sa­men – Aus­schluss der Sach­man­gel­haf­tung ist zu­min­dest die Be­klag­te da­von aus­ge­gan­gen, dass ei­ne Nach­er­fül­lung nicht in Be­tracht kom­men kann, so­dass sich die Ver­ein­ba­rung des Er­fül­lungs­or­tes nicht auf die Re­ge­lung der Ge­währ­leis­tungs­rech­te be­zo­gen ha­ben kann. Der Nach­er­fül­lungs­an­spruch ist ei­ne Mo­di­fi­ka­ti­on des ur­sprüng­li­chen Er­fül­lungs­an­spruchs und da­her mit die­sem nicht iden­tisch (vgl. BGH, Urt. v. 17.10.2012 – VI­II ZR 226/11, ju­ris Rn. 24; Urt. v. 13.04.2011 – VI­II ZR 220/10, ju­ris Rn. 8). Ei­ne ver­bind­li­che Ver­ein­ba­rung über den Er­fül­lungs­ort hin­sicht­lich der ge­setz­li­chen Ge­währ­leis­tungs­rech­te liegt dem­nach nicht vor.

Feh­len – wie im Kauf­recht – ge­setz­li­che Son­der­vor­schrif­ten über den Leis­tungs­ort, so ist für sei­ne Be­stim­mung nach § 269 I BGB – so­weit mög­lich – auf die je­wei­li­gen Um­stän­de, ins­be­son­de­re die Na­tur des Schuld­ver­hält­nis­ses, ab­zu­stel­len. Nach Auf­fas­sung der Kam­mer lie­gen hier we­der Um­stän­de vor, die auf ei­nen be­stimm­ten Leis­tungs­ort schlie­ßen las­sen, noch er­gibt sich sol­ches aus der Na­tur des Schuld­ver­hält­nis­ses, so­dass letzt­lich der ge­setz­li­che Leis­tungs­ort – der Sitz der Be­klag­ten (§ 269 I, II BGB) – für den Nach­er­fül­lungs­an­spruch der Klä­ge­rin ent­schei­dend ist.

Die Um­stän­de, die zum Ver­trags­schluss ge­führt ha­ben, er­ge­ben kei­nen ein­deu­ti­gen Leis­tungs­ort. Die Be­klag­te ist in B. ge­schäfts­an­säs­sig, hat das Fahr­zeug aber auch im In­ter­net an­ge­bo­ten, so­dass sie mit ih­rem Un­ter­neh­men auch Kun­den au­ßer­halb von B. an­spre­chen woll­te. Dar­über hin­aus ver­fügt die Be­klag­te nach An­ga­ben ih­rer Ge­sell­schaf­ter in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 20.09.2016 über kei­ne ei­ge­ne Werk­statt, so­dass sich auch hier­aus kein deut­li­cher Hin­weis auf den Leis­tungs­ort der Nach­er­fül­lung er­gibt. So­weit die Be­klag­te bei Nach­er­fül­lungs­an­sprü­chen nach An­ga­ben ih­rer Ge­sell­schaf­ter im­mer die be­nach­bar­te Re­pa­ra­tur­werk­statt be­auf­tragt, kann dies bei der Be­stim­mung des Leis­tungs­or­tes nicht be­rück­sich­tigt wer­den. Aus dem Vor­brin­gen der Be­klag­ten ist nicht er­kenn­bar, dass die­ser Um­stand der Klä­ge­rin bei Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges be­kannt ge­we­sen ist. Al­ler­dings be­stan­den auch kei­ne ob­jek­ti­ven An­halts­punk­te, aus de­nen ein Käu­fer am Ge­schäfts­sitz der Be­klag­ten dar­auf schlie­ßen konn­te, dass für die­se der Ort der Nach­er­fül­lung gänz­lich oh­ne Be­deu­tung wä­re, da ih­re Ge­sell­schaf­ter un­ter kei­nen Um­stän­den ei­ne Nach­er­fül­lung selbst vor­neh­men oder über­wa­chen wol­len.

Ty­pi­scher­wei­se ist der Be­le­gen­heits­ort bei ver­kauf­ten Fahr­zeu­gen va­ria­bel, so­dass al­lein der Wohn­sitz des Käu­fers als aus­schlag­ge­ben­de Um­stand für die Be­stim­mung des Leis­tungs­or­tes nicht aus­rei­chend sein kann. Aber auch der Um­stand, dass die Klä­ge­rin für den Kauf ih­ren Wohn­ort ver­las­sen und sich an den Ge­schäfts­sitz der Be­klag­ten be­ge­ben hat, spricht nach Auf­fas­sung der Kam­mer nicht für die Be­stim­mung des Leis­tungs­orts der Nach­er­fül­lung dort. Der Ver­käu­fer ei­nes Fahr­zeugs weiß, dass der Käu­fer die­ses an ver­schie­de­ne Or­te ver­brin­gen wird, die un­ter Um­stän­den auch weit ent­fernt von sei­nem Ge­schäfts­sitz lie­gen.

Letzt­lich führt auch die Re­ge­lung des Art. 3 II und III der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter (im Fol­gen­den: Richt­li­nie) nicht zu ei­nem im Rah­men des § 269 I BGB zu be­rück­sich­ti­gen­den Um­stand bei der Be­stim­mung des Leis­tungs­or­tes (vgl. hier­zu BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VI­II ZR 220/10, ju­ris Rn. 35 ff.). Nach die­sen Vor­schrif­ten hat der Ver­brau­cher bei Ver­trags­wid­rig­keit An­spruch auf un­ent­gelt­li­che Her­stel­lung des ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stands oder Er­satz­lie­fe­rung. Zu­dem hat die Nach­bes­se­rung oh­ne er­heb­li­che Un­an­nehm­lich­kei­ten für den Ver­brau­cher zu er­fol­gen. Der BGH hat sich für ei­ne Be­rück­sich­ti­gung die­ser Re­ge­lun­gen im Rah­men der Er­mitt­lung des Er­fül­lungs­or­tes an­hand der für das Schuld­ver­hält­nis be­deut­sa­men Um­stän­de aus­ge­spro­chen und ei­ne Not­wen­dig­keit, auf­grund die­ser Re­ge­lun­gen den Er­fül­lungs­ort für die Nach­er­fül­lung stets beim Käu­fer an­zu­set­zen, ver­neint (vgl. BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VI­II ZR 220/10, ju­ris Rn. 45). Die­ser Auf­fas­sung schließt sich die Kam­mer auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung des da­nach er­gan­ge­nen Ur­teils des EuGH vom 16.06.2011 (EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-65/09, C-87/09) an.

Der deut­sche Ge­setz­ge­ber hat mit der For­mu­lie­rung des § 439 II BGB die von der Richt­li­nie ge­for­der­te Un­ent­gelt­lich­keit um­ge­setzt. Zu­tref­fend be­schränkt der BGH die Reich­wei­te der Richt­li­nie aber auf den Zweck der ge­for­der­ten Un­ent­gelt­lich­keit, der nach dem EuGH dar­auf ge­rich­tet ist, je­de fi­nan­zi­el­le For­de­rung des Ver­käu­fers ge­gen den Käu­fer im Rah­men der Er­fül­lung sei­ner Ver­pflich­tung zur Her­stel­lung des ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stands aus­zu­schlie­ßen (so BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VI­II ZR 220/10, ju­ris Rn. 37, mit Be­zug auf EuGH, Urt. v. 17.04.2008 – C-404/06, ju­ris). Nicht zwin­gend da­von um­fasst ist je­doch die Tat­sa­che, dass dem Käu­fer bei Durch­set­zung sei­ner Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che zu­nächst Kos­ten ent­ste­hen kön­nen. Der durch die Richt­li­nie be­zweck­te Ver­brau­cher­schutz soll ver­hin­dern, dass ein Käu­fer auf­grund dro­hen­der fi­nan­zi­el­ler Be­las­tun­gen da­von ab­ge­hal­ten wird, sei­ne Ge­währ­leis­tungs­rech­te gel­tend zu ma­chen. Die­sem Schutz wird nach der Recht­spre­chung des BGH durch ei­nen Er­stat­tungs­an­spruch nach § 439 II BGB und ei­nen dies­be­züg­li­chen mög­li­chen Vor­schuss­an­spruch des Käu­fers für die ent­ste­hen­den Trans­port- oder Ver­sand­kos­ten und die Schwel­le der er­heb­li­chen Un­an­nehm­lich­kei­ten nach Art. 3 III der Richt­li­nie in aus­rei­chen­dem Maß Rech­nung ge­tra­gen (BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VI­II ZR 220/10, ju­ris Rn. 37 ff.). Dies deckt sich mit Recht­spre­chung des EuGH (Urt. v. 16.06.2011 – C-65/09, C-87/09), der zur Wah­rung des Re­ge­lungs­zwe­ckes des Art. 3 III der Richt­li­nie auch die Er­stat­tung von dem Käu­fer ent­stan­de­nen Kos­ten durch den Ver­käu­fer für aus­rei­chend hält.

Letzt­lich er­gibt sich auch aus der For­de­rung der Richt­li­nie in Art. 3 III, dass die Nach­bes­se­rung in­ner­halb ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist und oh­ne er­heb­li­che Un­an­nehm­lich­kei­ten für den Ver­brau­cher zu er­fol­gen hat, kein Um­stand i. S. des § 269 I BGB, der zu ei­nem Er­fül­lungs­ort am Wohn­sitz der Klä­ge­rin führt. Die For­mu­lie­rung der er­heb­li­chen Un­an­nehm­lich­keit be­inhal­tet, dass die Richt­li­nie nicht das Ziel ver­folgt, den Ver­brau­cher von jeg­li­cher Un­an­nehm­lich­keit frei­zu­hal­ten (so auch BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VI­II ZR 220/10, ju­ris Rn. 43).

Die Or­ga­ni­sa­ti­on ei­nes Trans­ports des nach An­sicht der Klä­ge­rin fahr­un­tüch­ti­gen Fahr­zeugs stellt sich im Hin­blick auf die Um­stän­de, die die Ver­trags­par­tei­en grund­sätz­lich bei der Ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags und der Durch­set­zung von Rech­ten ha­ben, nach Auf­fas­sung der Kam­mer nicht als in je­dem Fall er­heb­li­che Un­an­nehm­lich­keit dar. Das Ri­si­ko, die Kos­ten des Trans­ports ge­ge­be­nen­falls nicht von dem Ver­käu­fer er­stat­tet zu be­kom­men, da kein Fall ei­ner Ge­währ­leis­tung vor­liegt oder die­ser zah­lungs­un­fä­hig wird, ent­spricht eben­falls dem ge­wöhn­li­chen Ver­trags­ri­si­ko, dem sich al­le Ver­trags­par­tei­en aus­ge­setzt se­hen. Die Klä­ge­rin hat­te auch die Mög­lich­keit, ei­nen ihr zu­ste­hen­den Vor­schuss­an­spruch ge­gen die Be­klag­te durch­zu­set­zen (s. BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VI­II ZR 220/10, ju­ris Rn. 37), und hät­te auf die­se Wei­se das Kos­ten­tra­gungs­ri­si­ko aus­schlie­ßen kön­nen. Da­bei führt ei­ne Ver­zö­ge­rung durch ei­ne Vor­schuss­kla­ge nicht zu ei­ner Ver­let­zung der Re­ge­lung des Art. 3 III der Richt­li­nie, nach der die Nach­bes­se­rung in­ner­halb ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist er­folg­ten muss. Die­se Frist be­trifft die Ver­pflich­tung zur Nach­bes­se­rungs­leis­tung des Ver­käu­fers, die je­doch erst mit der tat­säch­li­chen Über­las­sung des Kauf­guts zum Zwe­cke der Nach­bes­se­rung be­gin­nen kann.

Durch die Mög­lich­keit ei­nes Vor­schuss­an­spruchs kann der Hö­he der Trans­port­kos­ten ge­ne­rell ei­ne Be­deu­tung zur Über­schrei­tung der Er­heb­lich­keits­schwel­le nicht zu­kom­men. Letzt­lich hat die Klä­ge­rin durch die Be­auf­tra­gung und Zah­lung der R-GmbH zur Ab­ho­lung des Fahr­zeugs … ge­zeigt, dass sie die Geld­mit­tel zur Fi­nan­zie­rung ei­nes Trans­ports auf­zu­brin­gen in der La­ge war. Grün­de, auf­grund de­rer ei­ne Or­ga­ni­sa­ti­on und Zah­lung des Trans­ports oder die Ein­for­de­rung ei­nes Vor­schus­ses für die Klä­ge­rin ei­ne er­heb­li­che Un­an­nehm­lich­keit dar­ge­stellt ha­ben, er­ge­ben sich aus dem Vor­brin­gen der Par­tei­en nicht.

Auch der Na­tur ei­nes Kauf­ver­trags über ei­ne be­weg­li­che Sa­che lässt sich … ein Leis­tungs­ort für die Ge­währ­leis­tungs­pflich­ten nicht ent­neh­men. Ist dem Käu­fer ei­ner be­weg­li­chen Sa­che der Be­sitz ein­ge­räumt wor­den, kann die­ser die Sa­che über­all hin ver­brin­gen.

Nach al­le­dem liegt der Er­fül­lungs­ort der Nach­bes­se­rung nach § 269 I BGB am Sitz der Be­klag­ten, so­dass es an ei­ner Be­reit­schaft der Klä­ge­rin ge­fehlt hat, der Be­klag­ten das Fahr­zeug zur Über­prü­fung der an­ge­zeig­ten Sach­män­gel am rech­ten Ort zur Ver­fü­gung zu stel­len.

Es la­gen hier auch nicht die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner so­for­ti­gen Gel­tend­ma­chung der Se­kun­där­rech­te ge­mäß § 440 BGB vor. Ins­be­son­de­re stellt sich die Durch­füh­rung der Nach­bes­se­rung nicht für die Klä­ge­rin als un­zu­mut­bar dar. So­weit be­reits die Schwel­le ei­ner er­heb­li­chen Un­an­nehm­lich­keit i. S. des Art. 3 III der Richt­li­nie nicht er­reicht ist, kann der Auf­wand, das Fahr­zeug zum Er­fül­lungs­ort der Nach­bes­se­rung zu brin­gen, nicht als un­zu­mut­bar ein­zu­ord­nen sein. Auch der Um­stand, dass die Be­klag­te die Vor­schuss­for­de­rung der Klä­ge­rin nicht er­füllt hat, führt nicht zu ei­ner Zer­stö­rung der Ver­trau­ens­grund­la­ge und hier­durch zu ei­ner Un­zu­mut­bar­keit für ei­ne Nach­bes­se­rung. So­weit zwi­schen den Par­tei­en nicht un­strei­tig oder be­wie­sen ist, dass der Ver­käu­fer für die von dem Käu­fer an­ge­zeig­ten Män­gel im Rah­men der Ge­währ­leis­tung ein­zu­ste­hen hat, kann die Zu­rück­wei­sung ei­ner Vor­schuss­leis­tung durch den Ver­käu­fer nicht als ver­trags­wid­ri­ges Ver­hal­ten hin­sicht­lich der Nach­bes­se­rungs­leis­tung an­ge­se­hen wer­den.

Da auch die wei­te­ren Se­kun­där­rech­te der Ge­währ­leis­tung beim Kauf nur bei vor­he­ri­ger Nach­er­fül­lungs­mög­lich­keit gel­tend ge­macht wer­den kön­nen, schei­det ein Zah­lungs­an­spruch der Klä­ge­rin auf­grund Min­de­rung oder Rück­tritt (§§ 437 Nr. 2, 441, 323 I, 326 I BGB) eben­falls aus.

Be­züg­lich des von der Klä­ge­rin auf­ge­wand­ten Be­tra­ges für die Durch­füh­rung des Trans­ports des Fahr­zeugs nach N. er­gibt sich ein Zah­lungs­an­spruch ge­gen die Be­klag­te auch nicht aus § 439 II BGB. Die Kos­ten für ei­ne aus­ge­führ­te Selbst­vor­nah­me sind kei­ne zum Zwe­cke der Nach­er­fül­lung er­for­der­li­chen Auf­wen­dun­gen i. S. des § 439 II BGB. Ei­ne Nach­er­fül­lung i. S. des § 439 I BGB kann nur durch oder auf Ver­an­las­sung des Ver­käu­fers statt­fin­den. Die­se Kos­ten, die in der Rech­nung der R-GmbH vom 07.07.2015 ent­hal­ten sind, stel­len sich als Po­si­ti­on des gel­tend ge­mach­ten Scha­dens­er­satz­an­spruchs dar, der aus den oben ge­nann­ten Grün­den nicht be­steht.

Ein An­spruch der Klä­ge­rin auf Zah­lung au­ßer­ge­richt­li­cher An­walts­ge­büh­ren und Ver­zugs­zin­sen be­steht man­gels Haupt­for­de­rung nicht. ….

Die Re­vi­si­on war ge­mäß § 543 II ZPO zu­zu­las­sen, da die Rechts­sa­che im Hin­blick auf die Be­stim­mung des Er­fül­lungs­or­tes un­ter Be­ach­tung eu­ro­pa­recht­li­cher Vor­schrif­ten und des vom BGH im Ur­teil vom 13.04.2011 (BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VI­II ZR 220/10, ju­ris) an­ge­nom­me­nen Vor­schuss­an­spruchs des Käu­fers grund­sätz­li­che Be­deu­tung hat. …

Hin­weis: Auf die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin hat der BGH (Urt. v. 19.07.2017 – VI­II ZR 278/16) das Ur­teil auf­ge­ho­ben die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das LG Ber­lin zu­rück­ver­wie­sen. .

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