Ob ei­ne Pflicht­ver­let­zung er­heb­lich i. S. des § 323 V 2 BGB ist und des­halb zum Rück­tritt be­rech­tigt, hängt bei ei­nem Ge­braucht­wa­gen­kauf da­von ab, ob und mit wel­chem Kos­ten­auf­wand sich Män­gel des Fahr­zeugs be­sei­ti­gen las­sen. Be­tra­gen die Kos­ten le­dig­lich 3 % des für das Fahr­zeug auf­ge­wen­de­ten Kauf­prei­ses, ist die Pflicht­ver­let­zung als un­er­heb­lich zu be­wer­ten und ein Rück­tritt aus­ge­schlos­sen.

OLG Düs­sel­dorf, Be­schluss vom 27.02.2004 – I-3 W 21/04

Sach­ver­halt: Der An­trag­stel­ler be­stell­te bei der An­trags­geg­ne­rin mit ei­nem am 18.09.2003 un­ter­zeich­ne­ten For­mu­lar ei­nen ge­brauch­ten Re­nault Twin­go für 6.090 €. Zur Fi­nan­zie­rung des Kauf­prei­ses be­an­trag­te er über die An­trags­geg­ne­rin ein Dar­le­hen bei der G-Bank GmbH, wel­ches be­wil­ligt wur­de. Nach­dem die An­trags­geg­ne­rin die Haupt­un­ter­su­chung beim TÜV hat­te durch­füh­ren las­sen, über­nahm der An­trag­stel­ler das Fahr­zeug am 24.09.2003.

Mit Schrei­ben vom 29.09.2003 rüg­te der An­trag­stel­ler ge­gen­über der An­trags­geg­ne­rin ver­schie­de­ne Män­gel und for­der­te sie zur Be­sei­ti­gung auf. Am 02.10.2003 stell­te er das Fahr­zeug zur Über­prü­fung beim ADAC vor. Un­ter Be­zug­nah­me auf den dort er­stell­ten Män­gel­be­richt ver­lang­te er mit Schrei­ben vom 06.10.2003 die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges, hilfs­wei­se die Be­sei­ti­gung der beim ADAC fest­ge­stell­ten Män­gel. Un­ter dem 07.10.2003 wi­der­rief er den mit der G-Bank GmbH ge­schlos­se­nen Dar­le­hens­ver­trag. Mit Schrei­ben vom 10.10.2003 er­klär­ten die Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des An­trag­stel­lers für die­sen den Wi­der­ruf des Kauf­ver­trags und die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung. Die An­trags­geg­ne­rin teil­te mit Schrei­ben vom 14.10.2003 mit, bei den Be­an­stan­dun­gen han­de­le es sich um Ba­ga­tel­len, aus de­nen we­der Min­de­rungs­an­sprü­che noch ein Wan­de­lungs­be­geh­ren her­ge­lei­tet wer­den kön­ne.

Der An­trag­stel­ler macht gel­tend, laut ADAC-Prüf­be­richt sei das Re­ser­ve-No­t­rad auf der In­nen­flan­ke lang auf­ge­schlitzt, das Ab­gas­ver­hal­ten im Leer­lauf wei­se er­höh­te O2-Wer­te auf, an meh­re­ren Tei­len sei­en Lack­ab­split­te­run­gen, Be­schä­di­gun­gen und klei­ne­re Del­len vor­han­den, hin­ten links sei ein Ro­st­an­satz ge­ge­ben, und der End­schall­dämp­fer sei ge­schweißt, aber den­noch un­dicht, die Hal­te­rung sei ver­bo­gen und lo­se, und das Gum­mi rut­sche her­aus. Er be­haup­tet, bei ei­nem per­sön­li­chen Ge­spräch am 07.10.2003 ha­be sich die An­trags­geg­ne­rin mit der Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags ein­ver­stan­den er­klärt. Im Üb­ri­gen ver­tritt er die An­sicht, auf­grund der gel­tend ge­mach­ten Män­gel zur Rück­ab­wick­lung be­rech­tigt zu sein.

Mit Schrift­satz vom 30.10.2003 hat der An­trag­stel­ler Pro­zess­kos­ten­hil­fe für ei­ne ge­gen die An­trags­geg­ne­rin ge­rich­te­te Kla­ge be­an­tragt. Das Land­ge­richt hat den Pkh-An­trag durch Be­schluss vom 22.12.2003 zu­rück­ge­wie­sen. Da­ge­gen hat der An­trag­stel­ler so­for­ti­ge Be­schwer­de ein­ge­legt, die kei­nen Er­folg hat­te.

Aus den Grün­den: II. … 1. Das Land­ge­richt hat zu Recht aus­ge­führt, dass der Dar­le­hens­ver­trag nur mit der G-Bank GmbH rück­ab­ge­wi­ckelt wer­den kann, da die­se Ver­trags­part­ne­rin des An­trag­stel­lers ist. So­weit der An­trag­stel­ler in der Be­grün­dung sei­ner so­for­ti­gen Be­schwer­de die Kla­ge ge­gen die G-Bank GmbH „er­wei­tert“, un­ter­liegt der hier­auf be­zo­ge­ne Pkh-An­trag nicht der Über­prü­fung durch den Se­nat, da über die­sen An­trag noch kei­ne erst­in­stanz­li­che Ent­schei­dung vor­liegt …

2. Das Rück­tritts­ver­lan­gen ge­gen­über der An­trags­geg­ne­rin bie­tet kei­ne hin­rei­chen­de Aus­sicht auf Er­folg.

2.1. So­weit der An­trag­stel­ler ein sol­ches aus der be­haup­te­ten Ver­ein­ba­rung mit der An­trags­geg­ne­rin vom 07.10.2003 her­lei­ten will, ist ei­ne Er­folgs­aus­sicht zwei­fel­haft, da die An­trags­geg­ne­rin be­strit­ten hat, sich mit ei­ner Rück­ab­wick­lung ein­ver­stan­den er­klärt zu ha­ben. Zwar hat der An­trag­stel­ler für sei­nen Vor­trag den Zeu­gen M be­nannt, die An­trags­geg­ne­rin hat ih­rer­seits ge­gen­be­weis­lich den Zeu­gen P be­nannt. Bei ei­ner im Rah­men ei­nes Pkh-Prü­fungs­ver­fah­ren zu­läs­si­gen an­ti­zi­pier­ten Be­weis­wür­di­gung (vgl. Zöl­ler/Phil­ip­pi, ZPO, 23. Aufl., § 114 Rn. 26 ) ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Aus­sa­gen bei­der Zeu­gen glei­cher­ma­ßen glaub­haft sein wer­den. Da je­doch der An­trag­stel­ler für sei­ne Be­haup­tun­gen be­weis­pflich­tig ist, geht ein non li­quet zu sei­nen Las­ten. Die be­haup­te­te Rück­ab­wick­lungs­ver­ein­ba­rung wä­re dem­nach nicht be­wie­sen.

2.2. Der An­trag­stel­ler kann sein Rück­tritts­be­geh­ren auch nicht auf § 437 Nr. 2 BGB stüt­zen.

In­so­weit kann zu­nächst of­fen­blei­ben, ob in den in der ver­bind­li­chen Be­stel­lung vom 18.09.2003 Be­zug ge­nom­me­nen, nicht vor­ge­leg­ten All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen der An­trag­stel­le­rin ein Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss für Män­gel des dem An­trag­stel­ler ver­kauf­ten Pkw ent­hal­ten ist, und in wel­chem Um­fang ein sol­cher Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss nach dem zum 01.01.2002 in Kraft ge­tre­te­nen neu­en Schuld­recht über­haupt zu­läs­sig ist (§ 475 BGB ).

Auch schei­tert das Rück­tritts­ver­lan­gen des An­trag­stel­lers ent­ge­gen der vom Land­ge­richt ver­tre­te­nen An­sicht nicht dar­an, dass der An­trag­stel­ler der An­trags­geg­ne­rin kei­ne aus­rei­chen­de Frist zur Män­gel­be­sei­ti­gung ein­ge­räumt hat. Der An­trag­stel­ler hat­te die An­trags­geg­ne­rin mit Schrei­ben vom 29.09.2003 und 06.10.2003 un­ter Vor­la­ge des ADAC-Prüf­be­richts zur Män­gel­be­sei­ti­gung auf­ge­for­dert. In­dem die An­trags­geg­ne­rin mit Schrei­ben vom 14.10.2003 jeg­li­che An­sprü­che des An­trag­stel­lers zu­rück­wies, gab sie zu er­ken­nen, dass sie nicht be­reit war, wei­te­re Maß­nah­men an dem ver­kauf­ten Pkw zu er­grei­fen. Die­ses Ver­hal­ten stellt sich als end­gül­ti­ge Ver­wei­ge­rung ei­nes Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gens dar, wel­ches ei­ne Frist­set­zung ge­mäß § 323 II Nr. 1 BGB ent­behr­lich macht.

Nach dem Vor­brin­gen des An­trag­stel­lers sind meh­re­re Män­gel an dem ihm ver­kauf­ten Pkw ge­ge­ben. So­weit der An­trag­stel­ler Lack­ab­split­te­run­gen, Be­schä­di­gun­gen und di­ver­se Del­len so­wie ei­nen Ro­st­an­satz hin­ten links be­män­gelt, ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass im Kauf­ver­trag vom 18.09.2003 aus­drück­lich auf ei­nen un­fall­be­ding­ten Ka­ros­se­rie­scha­den hin­ten hin­ge­wie­sen wor­den war, der An­trag­stel­ler die­se (Vor-)schä­den so­mit in Kauf neh­men muss­te. Im Zu­sam­men­hang mit dem Rück­tritts­be­geh­ren sind sie da­her nicht re­le­vant.

Es mag of­fen­blei­ben, ob auch der Man­gel an dem End­schall­dämp­fer als un­fall­be­ding­ter Scha­den an­zu­se­hen ist. Nicht je­de Lie­fe­rung ei­ner sach­man­gel­haf­ten Kauf­sa­che löst näm­lich ein Rück­tritts­recht ge­mäß § 437 BGB aus. Bei ei­ner le­dig­lich un­er­heb­li­chen Pflicht­ver­let­zung des Ver­käu­fers ist der Rück­tritt ge­mäß § 323 V 2 BGB aus­ge­schlos­sen, dem Käu­fer bleibt ein Min­de­rungs- oder Scha­den­er­satz­an­spruch. Bei ei­nem Ge­braucht­wa­gen­kauf hängt die Er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung da­von ab, ob und mit wel­chem Kos­ten­auf­wand sich die Män­gel be­sei­ti­gen las­sen (vgl. Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 8. Aufl., Rn. 1385 f.).

Nach dem Vor­brin­gen des An­trag­stel­lers sind fol­gen­de im Rah­men der Ge­währ­leis­tung re­le­van­te Män­gel ge­ge­ben: Re­ser­ve­rad man­gel­haft; End­schall­dämp­fer re­pa­ra­tur­be­dürf­tig; er­höh­ter O2-Wert im Leer­lauf.

Un­ter Be­rück­sich­ti­gung des Um­stands, dass der An­trag­stel­ler le­dig­lich An­spruch auf ei­nen ge­brauch­ten, aber man­gel­frei­en Re­ser­ver­ei­fen hat, und es sich um ein klei­nes Fahr­zeug han­delt, schätzt der Se­nat die Kos­ten ei­ner Er­satz­be­schaf­fung nied­rig ein. Auch un­ter Ein­be­zie­hung der ge­schätz­ten Re­pa­ra­tur­kos­ten für den End­schall­dämp­fer und die Ver­bes­se­rung der Ab­gas­wer­te dürf­ten sich die Kos­ten ins­ge­samt in ei­nem Rah­men hal­ten, der 2 % bis 3 % des Kauf­prei­ses nicht über­steigt. Dann aber ist die Pflicht­ver­let­zung der An­trags­geg­ne­rin als le­dig­lich un­er­heb­lich zu be­wer­ten (vgl. auch Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 1386) und ein Rück­tritts­recht des An­trag­stel­lers aus­ge­schlos­sen. Es bleibt ihm un­be­nom­men, die ent­ste­hen­den Re­pa­ra­tur­kos­ten als Min­de­rung oder Scha­den­er­satz gel­ten ma­chen …

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