- Bei einem Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I BGB) setzt ein mangelbedingter Rücktritt vom Kaufvertrag – anders als in § 323 I BGB vorgesehen – nicht voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Vielmehr kann der Käufer gemäß § 475d I Nr. 1 BGB schon dann vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn er den Verkäufer über den Mangel unterrichtet hat und der Verkäufer innerhalb einer damit in Gang gesetzten angemessenen Frist die Nacherfüllung nicht vorgenommen hat.
- Setzt der Käufer dem Verkäufer bei einem Verbrauchsgüterkauf unnötigerweise (vgl. § 475d I Nr. 1 BGB) eine Frist zur Nacherfüllung, nachdem er den Verkäufer über den zu beseitigenden Mangel unterrichtet hat, muss er sich daran zwar festhalten lassen. Für die Frage der Angemessenheit der Frist ist aber auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Verkäufer über den zu beseitigenden Mangel i. S. von § 475d I Nr. 1 BGB unterrichtet wurde.
- Für die Nachbesserung eines Kraftfahrzeugs erscheint eine Frist von zwei Wochen grundsätzlich auch dann angemessen, wenn für die Nachbesserung ein Ersatzmotor beschafft und von einem Dritten in das Fahrzeug eingebaut werden muss.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2023 – 23 U 55/23
(vorangehend: LG Düsseldorf, Urteil vom 22.03.2023 – 9 O 167/22)
Sachverhalt: Die Klägerin kaufte von dem beklagten Gebrauchtwagenhändler am 21.05.2022 einen gebrauchten SEAT Leon zum Preis von 5.600 €. Dieses Fahrzeug wurde der Klägerin am 31.05.2022 übergeben.
Während einer Fahrt am 05.06.2022 qualmte das Fahrzeug stark und verlor an Leistung, woraufhin die Klägerin anhielt. In Absprache mit dem Beklagten wurde das Fahrzeug zum Beklagten abgeschleppt. Dafür zahlte die Klägerin an das Abschleppunternehmen 600 €. Zwei Tage später, am 07.06.2022, kam es bei einem Treffen der Parteien am Betriebssitz der Beklagten erneut zu starkem Qualmen beim Anlassen des Fahrzeugs. Auf Nachfrage der Klägerin nach einer Reparatur und dem Hinweis darauf, dass sie den Pkw unter anderem wegen ihrer beiden Kinder dringend benötige, erklärte sich der Beklagte am gleichen Tag bereit, den Pkw zu untersuchen und gegebenenfalls zu reparieren.
Mit Anwaltsschreiben vom 15.06.2022, das dem Beklagten am 21.06.2022 zuging, forderte die Klägerin den Beklagten auf, das Fahrzeug bis spätestens 28.06.2022 zu reparieren und ihr die Abschleppkosten zu erstatten. Nach dem erfolglosen Ablauf dieser Frist erklärte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 30.06.2022 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Zugleich forderte sie den Beklagten auf, ihr – Zug um Zug gegen Rückgabe der Fahrzeugpapiere – bis zum 08.07.2022 den Kaufpreis und die Abschleppkosten zu erstatten.
Das Landgericht hat gegen den Beklagten im schriftlichen Vorverfahren am 04.01.2022 ein Versäumnisurteil erlassen, gegen das der Beklagte fristgerecht Einspruch einlegt hat. Hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Ersatz der Abschleppkosten hat der Beklagte die Klageforderung anerkannt. Im Übrigen hat er eingewandt, die mit Schreiben vom 15.06.2022 gesetzte Frist sei unangemessen kurz gewesen. Tatsächlich sei das Fahrzeug der Klägerin am 05.07.2022 repariert und abholbereit gewesen, was der Klägerin 04.07.2022 per SMS mitgeteilt worden sei.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht das Versäumnisurteil vom 04.10.2022 insoweit aufrechterhalten, als der Beklagte zur Zahlung von 600 € (Abschleppkosten) nebst Zinsen verurteilt worden ist. Im Übrigen hat es das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe dem Beklagten keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Eine angemessene Frist sei nicht abgelaufen gewesen, als der Beklagte der Klägerin mitgeteilt habe, dass die Nacherfüllung abgeschlossen sei und der Pkw abgeholt werden könne.
Gegen das Urteil richtete sich die Berufung der Klägerin, soweit das Versäumnisurteil aufgehoben und ihre Klage abgewiesen worden ist. Die Klägerin wirft dem Landgericht vor, die Frage der Angemessenheit der Frist vor dem Hintergrund des § 475d I Nr. 1 BGB falsch beurteilt zu haben. Das Rechtsmittel, dem der Beklagte entgegengetreten ist, hatte Erfolg.
Aus den Gründen: II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
1. Die Klägerin kann vom Beklagten Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des oben genannten Kraftfahrzeugs und gegen Rückgabe der Fahrzeugpapiere nach §§ 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, § 475d I Nr. 1, § 346 I BGB verlangen. Die Klägerin ist wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten.
a) Aus den vom Landgericht zutreffend dargelegten Gründen wies das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe einen Sachmangel i. S. des § 434 I BGB auf. Zugunsten der Klägerin greift die gesetzliche Vermutung, dass die Anlage zum Motorschaden bei dem Fahrzeug bereits zum Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache am 31.05.2022 bestand (§ 477 I 1 BGB). Das vorliegende Rechtsgeschäft ist ein Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 I 1 BGB. Der Beklagte ist Unternehmer, weil er den Gebrauchtwagen im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit verkauft hat. Dies hat der Beklagte – auch wenn der Kaufvertrag als „Privat-Kaufvertrag“ überschrieben ist – auch nicht infrage gestellt. Die Klägerin ist Verbraucherin.
b) Der Rücktritt ist nicht ausgeschlossen. Der im Kauvertrag enthaltene Ausschluss jeglicher Gewährleistung („Ausdrücklich gibt es keine Gewährleistung …“) ist bei einem Verbrauchsgüterkauf, wie er hier vorliegt, nach § 476 I 1 BGB unzulässig und nicht wirksam.
c) Der Rücktritt scheitert auch nicht an einer zu kurzen Fristsetzung.
aa) Bei einem Verbrauchsgüterkauf bedarf es – abweichend von § 323 II BGB – grundsätzlich keiner Fristsetzung zur Nacherfüllung; vielmehr kann der Verbraucher gemäß § 475d I Nr. 1 BGB nach Ablauf einer angemessenen Frist ohne Fristsetzung zurücktreten, wenn er den Unternehmer von dem Mangel unterrichtet hat. § 475d BGB wurde zur Umsetzung der Warenkaufrichtlinie1Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.05.2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG, ABl. 2019 L 136, 28.ins Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingefügt. Er gilt nach Art. 229 § 58 EGBGB für alle Kaufverträge, die am 01.01.2022 oder – wie in diesem Fall – danach geschlossen wurden.
Der Beklagte war hier bereits am 05.06.2022 über die starke Rauchentwicklung am Fahrzeug informiert gewesen, als das Fahrzeug in Absprache mit ihm zu seinem Betriebssitz geschleppt wurde. Zwei Tage später stand auch fest, dass die Klägerin Nacherfüllung in Gestalt der Nachbesserung verlangte; der Beklagte sagte ihr an diesem Tag auch eine Überprüfung und erforderlichenfalls Reparatur zu. Damit begann spätestens ab dem 07.06.2022 die Frist zu laufen.
Die Länge der Frist ist danach zu bemessen, dass die Nacherfüllung objektiv möglich ist. Allerdings soll nach Erwägungsgrund 55 Satz 2 der Warenkaufrichtline die kürzeste Frist als angemessen angesehen werden, in der eine Nachbesserung oder Ersatzlieferung vorgenommen werden kann, und zwar unter Berücksichtigung der Art und der Komplexität der Waren, der Art und der Schwere der Vertragswidrigkeit sowie des für eine Nachbesserung oder Ersatzlieferung erforderlichen Aufwands (Erwägungsgrund 55 Satz 3 Warenkauf-RL, vgl. BeckOK-BGB/Faust, Stand: 01.08.2023, § 437 Rn. 15). Auch wenn in einem Fall wie dem vorliegenden ein Ersatzmotor erst beschafft und durch eine andere Werkstatt eingebaut werden muss, erscheint – wie auch vom Landgericht (jedenfalls als „Untergrenze“) angenommen – dafür grundsätzlich eine Frist von zwei Wochen angemessen. Dies deckt sich auch mit dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben des Kfz-Sachverständigen S vom 12.01.2023 (Anlage K 12), nach dessen Ausführungen für die Untersuchung des Fahrzeugs bei dem hier gegebenen Schadensbild (Motor qualmt und verliert an Leistung) ein halber Tag, für die Beschaffung eines Motors des Typs „BSE“, der auf dem freien Markt ausreichend verfügbar ist, maximal eine Woche und für den Einbau circa sechs Arbeitsstunden anzusetzen sind. Damit setzt sich der Beklagte nicht konkret auseinander. Auch sein pauschaler Hinweis auf die Ferienzeit und personelle Engpässe stellt dies nicht infrage.
bb) Danach wäre die Frist zwar bereits am 21.06.2022 abgelaufen. Allerdings hat die Klägerin dem Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 15.06.2022 eine Frist bis zum 28.06.2022 gesetzt. Daran muss sie sich hier festhalten lassen. Zum Zeitpunkt ihrer Rücktrittserklärung mit Schreiben vom 30.06.2022 war indes auch diese Frist bereits verstrichen und die Nachbesserungsarbeiten, wie der Beklagte selbst ausführt, noch „im Gange“.
Soweit das Landgericht demgegenüber darauf abstellt, dass Fristbeginn erst im dem Erhalt des Schreibens vom 15.06.2022 durch den Beklagten liegt, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar setzt eine zu kurze Frist regelmäßig eine angemessene Frist in Gang. Dies kann allerdings dann nicht gelten, wenn es – im Sinne eines Verbraucherschutzes – hier gar keiner Fristsetzung bedurft hätte. In diesem Fall muss sich der Verbraucher zwar an der von ihm selbst gesetzten Frist festhalten lassen; für die Bewertung der Angemessenheit der Fristlänge bleibt indes die Unterrichtung des Unternehmers vom Mangel gemäß § 475d I Nr. 1 BGB maßgeblich (vgl. auch BeckOK-BGB/Faust, a. a. O., § 475d Rn. 13: „Ist die gesetzte Frist kürzer als die angemessene, setzt sie den Lauf einer angemessenen Frist in Gang; das Setzen der Frist hat also keine Auswirkungen. Ist die gesetzte Frist dagegen länger als die angemessene, ist das Setzen der Frist für [den Verbraucher] nachteilig, da dann die gesetzte Frist gilt.“).
Selbst wenn man dies hier anders sehen würde, wäre die Frist auch bei Zugang des Schreibens vom 15.06.2022 am 21.06.2022 unter den gegebenen Umständen weiterhin angemessen. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte, der bereits am 07.06.2022 eine Überprüfung und gegebenenfalls Reparatur zugesagt hatte, bereits zwei Wochen Zeit, die Nachbesserung und die dafür erforderlichen Maßnahmen, wie die Untersuchung und Bestellung eines Ersatzmotors, in die Wege zu leiten (vgl. BeckOK-BGB/Faust, a. a. O., § 475d Rn. 12). Vor diesem Hintergrund wären die verbleibenden sieben Tage angemessen gewesen.
2. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus Verzug gemäß §§ 286 I, 288 I BGB.
3. Der Beklagte befindet sich aufgrund des Anwaltsschreibens vom 30.06.2022, mit dem ihm die Klägerin die Rückgabe der Fahrzeugpapiere angeboten hat, gemäß den §§ 293, 295 BGB in Annahmeverzug.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. … Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 II 1 ZPO).