- Eine Berufungsbegründung muss geeignet sein, die erstinstanzliche Entscheidung im Umfang der Anfechtung infrage zu stellen. Bei mehreren Streitgegenständen oder einem teilbaren Streitgegenstand hat sie sich daher grundsätzlich auf alle Teile des Urteils zu erstrecken, hinsichtlich derer eine Abänderung beantragt ist; andernfalls ist das Rechtsmittel für den nicht begründeten Teil unzulässig (im Anschluss an BGH, Urt. v. 23.06.2015 – II ZR 166/14, NJW 2015, 3040 Rn. 11; Urt. v. 14.03.2017 – VI ZR 605/15, VersR 2017, 822 Rn. 14; Urt. v. 07.01.2021 – III ZR 127/19, BGHZ 228, 115 Rn. 12; Beschl. v. 29.11.2017 – XII ZB 414/17, NJW-RR 2018, 386 Rn. 9; Beschl. v. 15.03.2022 – VIII ZB 43/21, juris Rn. 13).
- Hat ein Rechtsmittelführer einen – erstinstanzlich zu seinem Nachteil entschiedenen – Streitgegenstand mit seiner Berufungsbegründung nicht angegriffen und ist dieser damit nicht zur Überprüfung des Berufungsgerichts gestellt worden, kann das rechtliche Gehör (Art. 103 I GG) des Rechtsmittelgegners verletzt sein, wenn das Berufungsgericht, ohne hierauf hinzuweisen (§ 139 ZPO), dennoch in der Sache – zum Nachteil des Rechtsmittelgegners – über diesen Streitgegenstand entscheidet.
BGH, Beschluss vom 05.07.2022 – VIII ZR 137/21
Sachverhalt: Die Klägerin handelt mit Gebrauchtwagen, der Beklagte vertreibt Lastkraftwagen und verkauft privat Oldtimer. Im Jahr 2017 verkaufte der Beklagte an die Klägerin einen Oldtimer M. Coupé (Erstzulassung: 01.07.1970) zum Preis von 89.500 €. Das Fahrzeug wurde im November 2017 an die Klägerin übergeben. Zu die“sem Zeitpunkt funktionierte die Klimaanlage des Fahrzeugs nicht.
Ein von der Klägerin mit der Veräußerung des Fahrzeugs betrautes Drittunternehmen stellte fest, dass das Fahrzeug einen schweren Unfall erlitten habe und „höchstwahrscheinlich“ der komplette Vorderbau ausgetauscht worden sei. Der Beklagte lehnte die daraufhin von der Klägerin geforderte Rücknahme des Fahrzeugs ab und bot lediglich den Austausch des Motors an. Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 12.03.2018 den Rücktritt vom Kaufvertrag sowie dessen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und beanstandete „u. a. […} folgende Positionen: Fahrgestellnummer auf dem Längsträger vorne rechts unsachgemäß nachgeschlagen, Motornummer unkenntlich gemacht, fehlende Hydraulik an der Hinterachse".
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs, sowie die Zahlung von Aufwendungsersatz (Transport- und Unterstellkosten) in Höhe von 2.800 €, nebst Zinsen begehrt. Außerdem hat sie die Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten sowie die Feststellung verlangt, dass die Beklagte wegen der Rückzahlung des Kaufpreises auch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung hafte. Schließlich hat sie den Ersatz außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen beansprucht.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht den Beklagten unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung verurteilt, der Klägerin den Kaufpreis (89.500 € nebst Zinsen), Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des erworbenen Fahrzeugs nebst zugehöriger Originaldokumente (Bordbuch etc.), zu zahlen. Weiter hat es den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 2.800 € nebst Zinsen zu zahlen und ihr vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten zu ersetzen. Im Übrigen – bezüglich eines Teils der Zinsforderung, der Feststellung der Haftung des Beklagten aus unerlaubter Handlung sowie bezüglich der Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten – hat es die Berufung zurückgewiesen.
Mit seiner dagegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde hat der Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage erreichen wollen. Die Klägerin hat sich mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Abweisung ihres Antrags auf Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten sowie dagegen gewant, dass ihrem Antrag auf Rückzahlung des Kaufpreises – neben ihrer Zug um Zug zu erfüllenden Verpflichtung auf Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs – nur zusätzlich Zug um Zug gegen die – ihrer Behauptung nach nicht mögliche – Rückgabe und Rückübereignung von zu dem Fahrzeug gehörenden Originaldokumenten stattgegeben wurde.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wurde zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wurde das Urteil des Berufungsgericht insoweit – auch im Kostenpunkt – aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten entschieden worden war, und die Sache in diesem Umfang an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Aus den Gründen: [6] II. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für die Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerden von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
[7] Der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 89.500 €, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs nebst den Originaldokumenten, aus §§ 346, 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 440, 323, 434, 433 I 2 BGB zu.
[8] Das Fahrzeug sei bei Übergabe bis zur Rücktrittserklärung mangelhaft gewesen, da sein Zustand negativ von der vereinbarten Beschaffenheit abweiche. Die Parteien seien bei Vertragsschluss übereingekommen, der Beklagte werde die defekte Klimaanlage reparieren lassen. Dieser habe die Behauptung der Klägerin nicht bestritten, dass zwischen ihrem ehemaligen Geschäftsführer, dem Zeugen G, sowie dem Beklagten vereinbart worden sei, der Beklagte solle das Fahrzeug mit einer funktionstüchtigen Klimaanlage, angebrachten Emblemen am Fahrzeugheck sowie einer reparierten, dichten Auspuffanlage übergeben, er dieser Absprache aber allein bezüglich der Auspuffanlage nachgekommen sei. Der Beklagte habe lediglich behauptet, offengelegt zu haben, dass die Klimaanlage nicht funktioniere, was allerdings bekannt und unstreitig gewesen sei. Auch bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Berufungssenat habe der Beklagte nur angegeben, er habe gegenüber dem für die Klägerin handelnden Zeugen offengelegt, die Klimaanlage funktioniere nicht, und er habe nachfragen sollen, ob das nicht mehr zugelassene Kühlmittel noch irgendwo erhältlich sei.
[9] Davon abgesehen habe der für die Klägerin handelnde Zeuge G diese Behauptung der Klägerin in seiner Vernehmung glaubhaft bestätigt. Danach sei anlässlich des Vertragsschlusses über die mangelnde Funktionsfähigkeit der Klimaanlage sowie über die Verpflichtung des Beklagten, das hierfür benötigte Kühlmittel zu beschaffen, gesprochen worden. Der Beklagte habe die Klimaanlage nicht repariert; diese sei bei Übergabe und Rücktrittserklärung weiter defekt gewesen.
[10] Zwar fehle es an einer Fristsetzung zur Nacherfüllung. Diese sei jedoch entbehrlich gewesen, da der Beklagte eine Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert habe. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin sei ihr Vertreter vom Beklagten kurz nach der Übergabe mit den Worten „abgekanzelt“ worden, dass sie sich um die Funktionsfähigkeit der Klimaanlage selbst kümmern müsse.
[11] Die Klägerin habe mit Schreiben vom 12.03.2018 nach § 349 BGB den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Es sei unbeachtlich, dass sie diesen nicht auf den Verstoß gegen die getroffene Beschaffenheitsvereinbarung in Bezug auf die Funktionsfähigkeit der Klimaanlage gestützt habe. Eine Rücktrittserklärung bedürfe zu ihrer Wirksamkeit keiner Begründung. Es könnten auch Gründe nachgeschoben werden, soweit diese im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bereits vorgelegen hätten.
[12] Der Rücktritt sei auch nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels (§ 323 V 2 BGB) ausgeschlossen. Der Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung indiziere in der Regel die Erheblichkeit der dem Verkäufer anzulastenden Pflichtverletzung. Es könne dahinstehen, ob die Parteien, wie vom Beklagten behauptet, einen Ausschluss der Gewährleistung vereinbart hätten. Denn dieser erfasse die vereinbarte Beschaffenheit nicht. Im Übrigen habe der Beklagte einen Gewährleistungsausschluss nicht bewiesen.
[13] Im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses habe die Klägerin einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs nebst den dazugehörenden Dokumenten.
[14] Vor diesem Hintergrund könne dahinstehen, ob die weiteren von der Klägerin geltend gemachten Mängel bestünden.
[15] Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der (unbestrittenen) Kosten in Höhe von 2.800 € folge für die Unterstellung des Fahrzeugs aus § 347 II BGB und für die Fahrtkosten von D. zu dem Unternehmen, welches das Fahrzeug für die Klägerin habe veräußern sollen, aus den Vorschriften der § 437 Nr. 3 Fall 1, § 280 I BGB.
[16] Der Antrag der Klägerin auf Feststellung des Annahmeverzugs sei unbegründet. Gemäß § 295 BGB reiche diesbezüglich zwar ein wörtliches Angebot der Klägerin zur Abholung des Fahrzeugs aus, was in ihrem auf Zug-um-Zug-Leistung gerichteten Rücktrittsschreiben vom 12.03.2018 liege. Jedoch gehörten zu einem ordnungsgemäßen Leistungsangebot auch die Fahrzeugpapiere und die Begleitdokumente, wie etwa das Serviceheft. Die Klägerin habe dem Beklagten die Übergabe dieser Begleitdokumente (Datenkarte, Scheckheft, Bordbuch und Bedienungsanleitung) jedoch nicht angeboten.
[17] Nach eigenen Angaben sei sie dazu auch nicht in der Lage. Diesbezüglich habe sie erstinstanzlich nicht behauptet, diese Dokumente vom Beklagten nicht erhalten zu haben, sondern lediglich ausgeführt, der Beklagte habe die Dokumente nicht in das Handschuhfach gelegt oder sie seien bei einer Motorshow, bei welcher das Fahrzeug nach der Übergabe an die Klägerin von dieser ausgestellt worden sei, entwendet worden. Letztlich habe ein Zeuge glaubhaft bekundet, der für die Klägerin handelnde Zeuge G habe ihm zur Last gelegt, dass das Scheckheft und die Bedienungsanleitung, die im auf der Motorshow ausgestellten Fahrzeug gelegen hätten, abhandengekommen seien. Voraussetzung eines solchen Vorwurfs durch den Zeugen G sei aber, dass die Klägerin die Unterlagen (zuvor) erhalten habe.
[18] Der Antrag auf Feststellung, dass der Beklagte für die Rückzahlung des Kaufpreises auch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung hafte, sei zwar zulässig, aber unbegründet. Nach der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Berufungssenats nicht fest, dass der Beklagte die Klägerin arglistig getäuscht habe, indem er im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen zwar erklärt habe, an dem Fahrzeug sei bis auf die Lackierung und einen Teil des rechten Stehblechs alles „original“, es lägen sogenannte matching numbers vor, jedoch nicht darauf hingewiesen habe, dass das Fahrzeug einen schweren Unfallschaden erlitten habe, Schweißarbeiten ausgeführt, die Fahrzeug-Identifizierungsnummer nachgeschlagen, der Motor ausgetauscht und die Motornummer ausgeschliffen worden seien.
[19] III. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert nach § 544 II Nr. 1 ZPO erreicht. Sie hat auch in der Sache Erfolg (§ 544 IX ZPO), weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 II 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Denn es hat, ohne den Beklagten hierauf hinzuweisen, allein gestützt auf einen Mangel der Klimaanlage des Fahrzeugs der auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichteten Klage stattgegeben sowie der Klägerin die beantragten Kosten für die Unterstellung und den Transport des Fahrzeugs zuerkannt, obwohl die Klägerin diesen Streitgegenstand nicht wirksam zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt hatte. Vielmehr war ihre Berufung insoweit unzulässig.
[20] 1. Der in Art. 103 I GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör steht in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie und der Justizgewährungspflicht des Staates (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.11.1989 – 1 BvR 1011/88, BVerfGE 81, 123, 129). Danach gebietet Art. 103 I GG, dass sowohl die normative Ausgestaltung des Verfahrensrechts als auch das gerichtliche Verfahren im Einzelfall ein Maß an rechtlichem Gehör eröffnen, das sachangemessen ist, um dem in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Erfordernis eines wirkungsvollen Rechtsschutzes gerecht zu werden, und das den Beteiligten die Möglichkeit gibt, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.02.1987 – 1 BvR 475/85, BVerfGE 74, 228, 233 f.; BVerfG [3. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 25.08.2015 – 1 BvR 1528/14, juris Rn. 9). Diese sollen vor einer Entscheidung, die ihre Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können. Da dies nicht nur durch tatsächliches Vorbringen, sondern auch durch Rechtsausführungen geschehen kann, gewährleistet Art. 103 I GG dem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.05.1992 – 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133, 144 f.; BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschl. v. 03.05.2021 – 2 BvR 1176/20, ZInsO 2021, 1612 Rn. 28; Senat, Beschl. v. 25.01.2022 – VIII ZR 359/20, juris Rn. 53 m. w. Nachw.).
[21] Das Äußerungsrecht ist eng verknüpft mit dem Recht auf Information und dem Schutz vor Überraschungsentscheidungen. Die genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermögen, auf welchen Vortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Zwar normiert Art. 103 I GG keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts. Jedoch kann es in besonderen Fällen geboten sein, die Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will. Denn es kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt beziehungsweise einen Sachverhalt oder ein Vorbringen in einer Weise würdigt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.05.1992 – 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133, 144 f.; BVerfG [1. Kammer des Zweiten Senats], Beschl. v. 01.08.2017 – 2 BvR 3068/14, NJW 2017, 3218 Rn. 51; Beschl. v. 27.02.2018 – 2 BvR 2821/14, NJW-RR 2018, 694 Rn. 18; BVerfG, [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschl. v. 25.05.2021 – 2 BvR 1719/16, NJW 2021, 2581 Rn. 13; BGH, Beschl. v. 12.05.2020 – VIII ZR 171/19, NJW 2020, 2730 Rn. 13; Beschl. v. 07.04.2022 – V ZR 165/21, juris Rn. 12 f.).
[22] 2. Gemessen an diesen Maßstäben ist dem Berufungsgericht eine Gehörsverletzung nach Art. 103 I GG anzulasten. Wie die Nichtzulassungsbeschwerde der Sache nach zutreffend rügt, stellt die Entscheidung des Berufungsgerichts eine nach Vorstehendem unzulässige Überraschungsentscheidung dar. Denn das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin deren in erster Instanz in vollem Umfang abgewiesener Klage in der Hauptsache (weitestgehend) stattgegeben und dies mit einem Mangel des Fahrzeugs in Form der – abweichend vom Vereinbarten – nicht funktionierenden Klimaanlage begründet, obwohl die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung entgegen § 520 III 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO diesen – erstinstanzlich zu ihrem Nachteil entschiedenen – Streitgegenstand nicht wirksam zur Überprüfung gestellt hat. Da ihre Berufung insoweit unzulässig ist, musste der Beklagte diesbezüglich mit einer Entscheidung in der Sache nicht rechnen.
[23] a) Die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageanträge in vollem Umfang weiterverfolgt hat, ist bezüglich des Streitgegenstands, auf welchen das Berufungsgericht die Verurteilung des Beklagten gestützt hat (Klimaanlage), unzulässig. Anhaltspunkte dafür, dass die Berufung ungeachtet des unbeschränkten Berufungsantrags in einem geringeren Umfang hätte eingelegt und das erstinstanzliche Urteil bezüglich des auf die fehlende Funktionsfähigkeit der Klimaanlage gestützten Mangels nicht hätte angegriffen werden sollen, sind dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen (vgl. Senat, Urt. v. 29.04.2020 – VIII ZR 31/18, NJW 2020, 2884 Rn. 17).
[24] aa) Nach § 520 III 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO muss die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten. Die gesetzliche Regelung bezweckt, formale und nicht auf den konkreten Streitfall bezogene Berufungsbegründungen auszuschließen, um dadurch auf die Zusammenfassung und Beschleunigung des Verfahrens im zweiten Rechtszug hinzuwirken (vgl. BGH, Urt. v. 23.06.2015 – II ZR 166/14, NJW 2015, 3040 Rn. 11). Die Rechtsmittelbegründung muss zudem geeignet sein, die erstinstanzliche Entscheidung im Umfang der Anfechtung infrage zu stellen. Bei mehreren Streitgegenständen oder einem teilbaren Streitgegenstand hat sie sich daher grundsätzlich auf alle Teile des Urteils zu erstrecken, hinsichtlich derer eine Abänderung beantragt ist; andernfalls ist das Rechtsmittel für den nicht begründeten Teil unzulässig (vgl. BGH, Urt. v. 05.12.2006 – VI ZR 228/05, NJW-RR 2007, 414 Rn. 10; Urt. v. 23.06.2015 – II ZR 166/14, NJW 2015, 3040 Rn. 11; Urt. v. 14.03.2017 – VI ZR 605/15, VersR 2017, 822 Rn. 14; Urt. v. 07.01.2021 – III ZR 127/19, BGHZ 228, 115 Rn. 12; Beschl. v. 29.11.2017 – XII ZB 414/17, NJW-RR 2018, 386 Rn. 9; Beschl. v. 15.03.2022 – VIII ZB 43/21, juris Rn. 13).
[25] bb) Hiernach ist die Berufung bezogen auf den Mangel der Klimaanlage unzulässig.
[26] (1) Denn in dem Fall, in welchem ein Käufer – wie vorliegend – seinen Rücktritt vom Kaufvertrag auf unterschiedliche Mängel der Kaufsache stützt, fehlt es an einem einheitlichen Lebensvorgang und sind deshalb mehrere Streitgegenstände gegeben (vgl. Senat, Urt. v. 20.01.2016 – VIII ZR 77/15, NJW 2016, 2493 Rn. 23). Dies folgt daraus, dass bei einem einheitlichen Klagebegehren dann verschiedene Streitgegenstände vorliegen, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbstständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.2017 – I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 Rn. 12 – Tiegelgröße; Urt. v. 24.02.2022 – VII ZR 13/20, juris Rn. 45; Beschl. v. 16.09.2008 – IX ZR 172/07, NJW 2008, 3570 Rn. 9). Dies ist bei einem auf mehrere Mängel der Kaufsache gestützten Rücktritt der Fall, da grundsätzlich bezüglich jedes einzelnen Mangels geprüft werden muss, ob die Voraussetzungen der § 434 I BGB (in der bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung, vgl. Art. 229 § 58 EGBGB), § 437 Nr. 2, §§ 323 I, 346 I, 348 BGB vorliegen. So ist beispielsweise für jeden Mangel in der Regel eine eigene Nacherfüllungsaufforderung notwendig (vgl. Senat, Urt. v. 20.01.2016 – VIII ZR 77/15, NJW 2016, 2493 Rn. 14).
[27] (2) Somit war die Klägerin gehalten, ihre Berufungsbegründung auch auf den – von ihr behaupteten – Mangel der Klimaanlage des erworbenen Fahrzeugs zu erstrecken. Dies hat sie nicht getan, sodass dieser Streitgegenstand nicht der materiellen Überprüfung durch das Berufungsgericht unterliegt.
[28] (a) Im Gegensatz zu ihrem unbeschränkten Änderungsbegehren hat die Klägerin, worauf die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend verweist, in der Berufungsbegründung Ausführungen zum Streitgegenstand der Klimaanlage nicht gemacht. Vielmehr hat sie bereits bei der Wiedergabe des Sachverhalts lediglich unfachmännisch ausgeführte Schweißarbeiten, eine Unkenntlichmachung der Motornummer und ein Nachschlagen der Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) angeführt, auf eine an sie gerichtete Mitteilung über einen wahrscheinlichen schweren Unfallschaden des Fahrzeugs sowie darauf abgestellt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, der eingebaute Motor sei gestohlen. Hiernach führt die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung weiter aus, sie sei „aufgrund dieser Mängel“ vom Kaufvertrag zurückgetreten.
[29] Auch bei der Wiedergabe der Entscheidung des Landgerichts in der Berufungsbegründung der Klägerin findet die defekte Klimaanlage keine Erwähnung. Das Landgericht ist auf insgesamt zehn behauptete Mängel des Fahrzeugs eingegangen. Bezüglich der Klimaanlage hat es offengelassen, ob deren Nichtfunktionieren einen Mangel des Fahrzeugs begründet, und hat einen hierauf gestützten Rücktritt am Fehlen der aus seiner Sicht erforderlichen Fristsetzung zur Nacherfüllung scheitern lassen. In der Berufungsbegründung erwähnt die Klägerin lediglich die Ausführungen des Landgerichts zur Originalität des Motors und des Fahrzeugs im Übrigen, insbesondere zu dem ersetzten Vorbau und der nachgeschlagenen Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN), sowie zum Fehlen eines arglistigen Verhaltens des Beklagten. Die Erwägungen des Landgerichts zur Klimaanlage werden dagegen nicht wiedergegeben.
[30] (b) Diese greift die Klägerin im Folgenden auch nicht an. Sie benennt keine Umstände, aus denen sich in Bezug auf den von ihr behaupteten Mangel der Klimaanlage eine Rechtsverletzung ergeben könnte (§ 520 III 2 Nr. 2 ZPO), und zeigt insoweit auch keine Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen auf (§ 520 III 2 Nr. 3 ZPO). Die Ausführungen des Landgerichts, wonach die Klägerin ihren Rücktritt nicht auf einen Mangel der Klimaanlage stützen könne, da sie eine Frist zur Nacherfüllung nicht gesetzt habe und diese auch nicht entbehrlich sei, werden in der Berufungsbegründung der Klägerin nicht angegriffen. Vielmehr wendet sie sich – lediglich – gegen den vom Landgericht angenommenen teilweisen Gewährleistungsausschluss und die von ihm bejahte Kenntnis der Klägerin von Mängeln, rügt weiter das Übergehen eines Beweisantritts zum Wert des Pkw und verweist schließlich auf die Kenntnis des Beklagten von der fehlenden Unfallfreiheit des Fahrzeugs, dem Einbau eines Motors, welcher nicht zur Baureihe dieses Oldtimers gehöre, und auf einen Mangel wegen der herausgeschliffenen Motornummer.
[31] (c) Auch im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens – innerhalb laufender Berufungsbegründungsfrist – hat die Klägerin ihren Berufungsangriff nicht auf den Gesichtspunkt der Klimaanlage erstreckt. Die Nichtzulassungsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass dieser Streitgegenstand erst im Rahmen der informatorischen Anhörung des Beklagten sowie einer Zeugenvernehmung angesprochen wurde. Selbst wenn man davon ausginge, die Klägerin habe sich diese Zeugenaussagen, soweit für sie günstig, zu eigen machen wollen, läge hierin keine wirksame Erweiterung des Berufungsangriffs, da die Begründungsfrist des § 520 II 1 ZPO zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war und nach dem Verstreichen der Rechtsmittelbegründungsfrist eine unzulängliche Rechtsmittelbegründung nicht mehr geheilt werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 29.11.2017 – XII ZB 414/17, NJW-RR 2018, 386 Rn. 11; Beschl. v. 07.10.2021 – III ZB 50/20, ZInsO 2022, 114 Rn. 28; jeweils m. w. Nachw.).
[32] b) Indem das Berufungsgericht dennoch über die insoweit unzulässige Berufung in der Sache zum Nachteil des Beklagten entschieden und allein auf diesen Streitgegenstand gestützt der Klage (teilweise) stattgegeben hat, obgleich dieser Streitstoff nicht wirksam zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt wurde, hat es das rechtliche Gehör des Beklagten verletzt.
[33] aa) Zwar stellt nicht jeder Verstoß gegen zivilprozessuale Verfahrensvorschriften zugleich eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG) dar (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.04.1982 – 2 BvR 810/81, BVerfGE 60, 305, 310; BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschl. v. 05.04.2012 – 2 BvR 2126/11, NJW 2012, 2262 Rn. 19; BVerfG [1. Kammer des Zweiten Senats], Beschl. v. 01.08.2017 – 2 BvR 3068/14, NJW 2017, 3218 Rn. 50; BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschl. v. 03.05.2021 – 2 BvR 1176/20, ZInsO 2021, 1612 Rn. 22). Jedoch hat das Berufungsgericht die Vorschrift des § 520 III 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO in einer Art und Weise ausgelegt und angewandt, mit welcher der Beklagte nach dem Prozessverlauf nicht rechnen musste. Es hat, ohne hierauf hinzuweisen (§ 139 ZPO), über einen Streitstoff entschieden, der mit der Berufung nicht in zulässiger Weise angegriffen worden war, sodass eine unzulässige Überraschungsentscheidung i. S. des Art. 103 I GG vorliegt.
[34] Da es an einem Hinweis des Berufungsgerichts fehlt, wonach dieses mögliche (Gewährleistungs-)Ansprüche der Klägerin auch unter Zugrundelegung der behaupteten Beschaffenheitsvereinbarung bezüglich der Funktionsfähigkeit der Klimaanlage prüfen werde, war dem Beklagten nicht die Möglichkeit eröffnet, in sachlicher und rechtlicher Hinsicht zu diesem Streitstoff vorzutragen. Ihm war es der Sache nach verwehrt, hinsichtlich des Mangels „defekte Klimaanlage“ sowohl zur teilweisen Unzulässigkeit der Berufung als auch (hilfsweise) zur materiellen Rechtslage Vortrag zu halten. Denn selbst wenn der Beklagte nicht davon ausgegangen sein sollte, jeder Mangel der Kaufsache stelle einen eigenen und damit einen selbstständigen Berufungsangriff erfordernden Streitgegenstand dar, durfte er jedoch – worauf die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend verweist – eine Teilbarkeit des Streitgegenstands dergestalt annehmen, dass diejenigen Mängel des Fahrzeugs, zu denen die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung keine Ausführungen (mehr) gemacht hat, nicht Grundlage der Sachentscheidung des Berufungsgerichts werden, und damit darauf vertrauen, das Berufungsgericht werde das Berufungsvorbringen der Klägerin (zutreffend) dahin gehend würdigen, diese richte ihre Angriffe auf die angeführten Mängel.
[35] bb) Mit einer abweichenden Bewertung der Berufungsangriffe der Klägerin durch das Berufungsgericht konnte der Beklagte bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nach dem Prozessverlauf von sich aus nicht rechnen.
[36] (1) Er musste nicht deshalb davon ausgehen, das Berufungsgericht bewerte die Berufung der Klägerin insgesamt als zulässig, weil ein Hinweis an die Klägerin auf die Unzulässigkeit (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 24.02.2010 – XII ZB 168/08, NJW-RR 2010, 1075 Rn. 7; Beschl. v. 04.12.2012 – VIII ZB 25/12, NJW-RR 2013, 255 Rn. 5; Beschl. v. 07.10.2021 – IX ZB 41/20, NJW-RR 2021, 1584 Rn. 6) und eine (Teil-)Verwerfung ihres Rechtsmittels nach § 522 I ZPO vor Erlass der Endentscheidung (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 06.05.1987 – IVb ZR 52/86, NJW 1987, 3264 unter I; Beschl. v. 09.05.2018 – IV ZR 264/17, FamRZ 2018, 1248 Rn. 6; Gerken, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 522 Rn. 32; Ball, in: Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 522 Rn. 11) unterblieben sind. Denn zum einen war das Berufungsgericht nicht zu einer Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit der Berufung verpflichtet und zum anderen musste der Beklagte aus dem Unterbleiben eines solchen Hinweises an die Rechtsmittelführerin nicht den Schluss ziehen, das Berufungsgericht gehe auch hinsichtlich der Mängel an der Klimaanlage von einem zulässigen Berufungsangriff aus.
[37] (2) Aus dem übrigen Verfahrensablauf war für den Beklagten ebenfalls nicht ersichtlich, das Berufungsgericht werde auch den – in der Berufungsbegründung nicht angeführten – Streitstoff der Klimaanlage seiner Entscheidung zugrunde legen.
[38] Hierfür fehlt jeglicher Anhaltspunkt im Berufungsverfahren. Allein diesbezügliche Fragen an den Beklagten und an Zeugen im Rahmen der vom Berufungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme lassen einen Rückschluss hierauf nicht zu. Dies gilt in gleicher Weise bezüglich der seitens des Berufungsgerichts mitgeteilten voraussichtlichen Beweisthemen im Zuge der Ladung von Zeugen zum Termin. Dort waren lediglich folgende Themen benannt: „Vertragsschluss und Vereinbarungen zur Beschaffenheit des streitbefangenen M. Coupé“; „Eigentum/Besitz des Zeugen C an dem streitbefangenen M. in der Zeit vor Übernahme durch den Beklagten […]“; „Kenntnis des Zeugen G vom Neuaufbau des Vorderaufbaus an dem streitbefangenen Fahrzeug vor dem 21.02.2018“. Unter Berücksichtigung des bis dahin gehaltenen Parteivortrags in der Berufungsinstanz, der sich – entsprechend der eher untergeordneten Bedeutung, welche die Klägerin einem Mangel an der Klimaanlage im Streit der Parteien beigemessen hatte – maßgeblich auf die Unfallfreiheit des Fahrzeugs sowie dessen Originalität – vor allem bezüglich des Motors – bezog und wozu die Zeugen benannt wurden, kann allein aus einer beabsichtigten Beweisaufnahme zu möglichen Beschaffenheitsvereinbarungen nicht darauf geschlossen werden, das Berufungsgericht sehe auch den Streitstoff bezüglich der Klimaanlage als bei ihm zur Überprüfung gestellt an.
[39] Somit durfte beim Beklagten ein prozessuales Vertrauen in das Vorliegen einer lediglich teilweise zulässigen Berufung bestehen, sodass das Berufungsgericht gehalten gewesen wäre, ihn auf eine abweichende Rechtsansicht hinzuweisen, da er nur hierdurch in die Lage versetzt worden wäre, zur Rechtslage bezüglich der Zulässigkeit der Berufung sowie – hilfsweise – zur Sach- und Rechtslage bezüglich des auf den (behaupteten) Mangel der Klimaanlage gestützten Klagebegehrens der Klägerin vorzutragen.
[40] (3) Schließlich durfte der Beklagte selbst bei Zugrundelegung der – unzutreffenden – Rechtsansicht des Berufungsgerichts in der Sache einen Hinweis auf die beabsichtigte Klagestattgabe aufgrund eines Mangels des Fahrzeugs wegen der nicht funktionierenden Klimaanlage erwarten, da er in erster Instanz auch insoweit obsiegt hat. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH darf eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen, dass das Berufungsgericht ihr rechtzeitig einen Hinweis erteilt, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (vgl. BGH, Urt. v. 19.08.2010 – VII ZR 113/09, NJW 2010, 3089 Rn. 18; Urt. v. 03.12.2010 – V ZR 200/09, juris Rn. 10; Urt. v. 25.06.2015 – IX ZR 142/13, NZI 2015, 799 Rn. 24; jeweils m. w. Nachw.; BGH, Beschl. v. 29.03.2017 – IV ZR 510/15, NJW-RR 2017, 672 Rn. 8; Beschl. v. 21.01.2020 – VI ZR 346/18, NJW-RR 2020, 574 Rn. 9; Beschl. v. 12.01.2022 – XII ZR 26/21, ZInsO 2022, 963 Rn. 10; vgl. auch BGH, Urt. v. 21.12.2004 – XI ZR 17/03, juris Rn. 11; Urt. v. 25.09.2020 – V ZR 300/18, WuM 2021, 59 Rn. 7; Beschl. v. 10.12.2019 – VIII ZR 377/18, NJW-RR 2020, 284 Rn. 14; jeweils m. w. Nachw.).
[41] Das Landgericht hat einen, auf den – von ihm offengelassenen – Mangel der Klimaanlage gestützten Rücktritt der Klägerin deshalb scheitern lassen, weil es an einer Fristsetzung zur Nacherfüllung gefehlt habe. Eine solche sei auch nicht entbehrlich gewesen. Dies hat das Berufungsgericht anders beurteilt, ist von einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung des Beklagten und damit von einer Entbehrlichkeit der Fristsetzung ausgegangen. Hierauf hätte es nach Vorstehendem den Beklagten hinweisen müssen. Ein solcher Hinweis hätte ihm nicht nur die Möglichkeit gegeben, zur materiellen Rechtslage vorzutragen, sondern auch die teilweise Unzulässigkeit der Berufung geltend zu machen.
[42] cc) Die Nichtzulassungsbeschwerde stellt zu Recht darauf ab, dass die dennoch erfolgte Sachentscheidung des Berufungsgerichts über die (teilweise) unzulässige Berufung ohne einen entsprechenden Hinweis mit einem Fall vergleichbar ist, in dem das Gericht unter Verstoß gegen § 308 I ZPO einer Klage stattgibt. Ein solcher Verstoß begründet – ebenfalls – eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG; vgl. BGH, Beschl. v. 29.04.2014 – XI ZR 126/13, juris; Beschl. v. 16.05.2017 – VI ZR 25/16, NJW 2017, 2561 Rn. 11; Beschl. v. 13.09.2016 – VII ZR 17/14, NJW 2017, 1180 Rn. 13).
[43] (1) Gemäß § 308 I 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Die Bindung an den Antrag betrifft nicht nur den Urteilsausspruch, sondern auch den Grund des erhobenen Anspruchs, mit der Folge einer Bindung des Gerichts an den geltend gemachten prozessualen Anspruch (§ 253 II Nr. 2 ZPO). Der prozessuale Anspruch (Streitgegenstand) wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2006 – I ZR 235/03, BGHZ 168, 179 Rn. 15; Urt. v. 05.07.2016 – XI ZR 254/15, WM 2016, 1831 Rn. 24; Urt. v. 07.12.2017 – IX ZR 45/16, NJW 2018, 608 Rn. 9). Das Gericht ist zwar verpflichtet, den vorgetragenen Lebenssachverhalt umfassend rechtlich daraufhin zu überprüfen, ob danach der Klageantrag begründet ist. Es muss dabei aber die Grenzen des vom Kläger bestimmten Streitgegenstands beachten (BGH, Urt. v. 29.06.2006 – I ZR 235/03, BGHZ 168, 179 Rn. 15 f.; Urt. v. 22.02.2022 – VI ZR 934/20, BB 2022, 722 Rn. 11).
[44] Legt ein Gericht seinem Urteilsausspruch einen anderen Klagegrund zugrunde als denjenigen, mit dem der Kläger seinen Klageantrag begründet hat, verstößt es gegen § 308 I ZPO. Das Gericht darf sein Urteil nicht auf einen Klagegrund stützen, welchen der Kläger nicht geltend gemacht hat, mithin einen verlangten Geldbetrag nicht aus einem anderen als dem erhobenen Anspruch zusprechen (vgl. BGH, Urt. v. 17.03.2016 – IX ZR 142/14, WM 2016, 2091 Rn. 17; Urt. v. 07.12.2017 – IX ZR 45/16, NJW 2018, 608 Rn. 9).
[45] (2) Hiermit ist der vorliegende Fall vergleichbar. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel der Klägerin zu Unrecht als zulässig angesehen und im Rahmen der – ihm an sich verwehrten – Sachprüfung die Klageforderung auf der Grundlage eines Anspruchs zuerkannt, den die Klägerin in dieser Form nicht mehr zur Sachentscheidung gestellt hatte. Denn auf einen Defekt der Klimaanlage hatte sie ihre Begehren in der Berufungsinstanz nicht mehr gestützt.
[46] c) Da der Beklagte nicht mit einer Sachentscheidung bezüglich des Streitgegenstands der Klimaanlage rechnen musste, ist er auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität (vgl. hierzu nur Beschl. v. 08.12.2021 – VIII ZR 280/20, NJW 2022, 935 Rn. 36 ff. m. w. Nachw.) daran gehindert, diesen Gehörsverstoß (erstmals) im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde geltend zu machen.
[47] d) Die dem Berufungsgericht unterlaufene Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich (§ 544 IX ZPO).
[48] Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht, hätte es erkannt, dass die Berufung bezüglich des behaupteten Mangels der Klimaanlage unzulässig ist, im Ergebnis anders entschieden hätte. Die Nichtzulassungsbeschwerde legt auch hinreichend dar, was der Beklagte bei ordnungsgemäßer Gewährung rechtlichen Gehörs auf einen entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts vorgebracht hätte (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 15.02.2018 – I ZR 243/16, NJW-RR 2018, 1003 Rn. 13). Er hat sowohl Einwände gegen die Zulässigkeit der Berufung erhoben als auch zur materiell-rechtlichen Lage Vortrag gehalten.
[49] Zu den mit der Berufung gerügten (übrigen) Mängeln des Fahrzeugs hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, sodass es nicht ausgeschlossen ist, dass die Klage im Ergebnis ohne Erfolg geblieben wäre. Dies gilt auch hinsichtlich des der Klägerin zuerkannten Anspruchs auf Ersatz ihrer Aufwendungen beziehungsweise Verwendungen in Höhe von 2.800 € nebst Zinsen. Fehlte es an einem Sachmangel des Fahrzeugs, hätte die Klägerin nicht wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten und damit auch keine notwendigen Verwendungen (§ 347 II BGB) geltend machen können. Ebenso fehlte es dann an einer Pflichtverletzung des Beklagten i. S. des § 280 I BGB, worauf das Berufungsgericht – auf dessen Rechtsansicht insoweit abzustellen ist (vgl. BGH, Urt. v. 18.07.2003 – V ZR 187/02, NJW 2003, 3205 unter II 1 a bb; Beschl. v. 25.06.2013 – XI ZR 210/12, juris Rn. 14; Beschl. v. 08.12.2021 – VIII ZR 280/20, NJW 2022, 935 Rn. 31) – den Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten gestützt hat.
[50] 3. Die weiteren von der Nichtzulassungsbeschwerde bezüglich der Entscheidung in der Sache erhobenen Rügen sind nicht entscheidungserheblich.
[51] IV. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 II 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 VI 2 ZPO abgesehen.
[52] V. Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und der Rechtsstreit insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 IX ZPO).