Zur Ver­jäh­rung von Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen ge­gen den Fahr­zeug­her­stel­ler, wenn der Fahr­zeu­ger­wer­ber von der Be­trof­fen­heit sei­nes Fahr­zeugs vom so­ge­nann­ten Die­selskan­dal Kennt­nis er­langt hat.

BGH, Ur­teil vom 17.12.2020 – VI ZR 739/20
(vor­an­ge­hend: OLG Stutt­gart, Ur­teil vom 14.04.2020 – 10 U 466/19)

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb im April 2013 ei­nen VW Tou­ran, der mit ei­nem Die­sel­mo­tor vom Typ EA189 (Eu­ro 5) aus­ge­stat­tet ist. Die Be­klag­te ist Her­stel­le­rin des Fahr­zeugs. Der Mo­tor war mit ei­ner Soft­ware ver­se­hen, die er­kennt, ob das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand dem Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus (NEFZ) un­ter­zo­gen wird, und die in die­sem Fall ei­nen Be­triebs­mo­dus ak­ti­vier­te, in dem der Stick­oxid(NOX)-Aus­stoß op­ti­miert wur­de. Da­durch er­ga­ben sich auf ei­nem Prüf­stand ge­rin­ge­re NOX-Emis­si­ons­wer­te als im nor­ma­len Fahr­be­trieb. Die Stick­oxid­grenz­wer­te der Eu­ro-5-Norm wur­den nur im Prüf­stand-Mo­dus ein­ge­hal­ten.

Die Be­klag­te in­for­mier­te die brei­te Öf­fent­lich­keit in Form von Pres­se­mit­tei­lun­gen ab En­de Sep­tem­ber 2015 bis Mit­te Ok­to­ber 2015 dar­über, dass EA189-Mo­to­ren mit ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung ver­se­hen sei, die das Kraft­fahrt-Bun­des­amt als nicht ord­nungs­ge­mäß an­se­he und die da­her zu ent­fer­nen sei. Auch durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt wur­de die Öf­fent­lich­keit hier­über in­for­miert. Zeit­gleich war der so­ge­nann­te Die­selskan­dal Ge­gen­stand ei­ner sehr um­fas­sen­den Pres­se­be­richt­er­stat­tung.

Mit sei­ner im Jahr 2019 ein­ge­reich­ten Kla­ge hat der Klä­ger den Er­satz des für das Fahr­zeug ge­zahl­ten Kauf­prei­ses ab­züg­lich ge­zo­ge­ner Nut­zun­gen und zu­züg­lich De­likt­szin­sen, Zug um Zug ge­gen Über­eig­nung und Über­ga­be des Fahr­zeugs, so­wie die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten ver­langt. Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt und die Ein­re­de der Ver­jäh­rung er­ho­ben.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge teil­wei­se statt­ge­ge­ben. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat das Ober­lan­des­ge­richt das Ur­teil des Land­ge­richts ab­ge­än­dert und die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Die Be­ru­fung des Klä­gers hat es zu­rück­ge­wie­sen. Die Re­vi­si­on des Klä­gers, der da­mit sein Kla­ge­ziel mit Aus­nah­me des An­spruchs auf De­likt­szin­sen wei­ter­ver­folg­te, hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: [5]    Das Be­ru­fungs­ge­richt hat sei­ne Ent­schei­dung (OLG Stutt­gart, Urt. v. 14.04.2020 – 10 U 466/19, ju­ris) dar­auf ge­stützt, dass dem Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klä­gers aus § 826 BGB die Ein­re­de der Ver­jäh­rung ent­ge­gen­ste­he. Der An­spruch sei bei Er­werb des Fahr­zeugs im Jahr 2013 ent­stan­den, im Jahr 2015 hät­ten die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Kla­ge­er­he­bung vor­ge­le­gen. Der Klä­ger ha­be den von der Be­klag­ten aus­führ­lich ge­hal­te­nen Vor­trag, er ha­be be­reits im Jahr 2015 Kennt­nis von den für den Be­ginn der Ver­jäh­rung er­for­der­li­chen Tat­sa­chen i. S. von § 199 I BGB ge­habt, nicht be­strit­ten. Des­halb sei vor­lie­gend un­strei­tig, dass der Klä­ger im Jahr 2015 nicht nur Kennt­nis vom so­ge­nann­ten Die­selskan­dal all­ge­mein ge­habt ha­be, son­dern auch von der kon­kre­ten Be­trof­fen­heit sei­nes Die­sel­fahr­zeugs. Un­er­heb­lich sei, dass die Be­klag­te da­mals wie heu­te be­strei­te, dass ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ne Ver­tre­ter der Be­klag­ten von der Ver­wen­dung der Ab­schalt­ein­rich­tung Kennt­nis ge­habt hät­ten. In­so­weit hät­ten sich seit 2015 bis zur Kla­ge­er­he­bung kei­ne neu­en Er­kennt­nis­se er­ge­ben. An­ge­sichts des un­sub­stan­zi­ier­ten Be­strei­tens der Be­klag­ten un­ter Be­rück­sich­ti­gung ih­rer se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last ha­be die feh­len­de De­tail­kennt­nis der Klä­ger­sei­te vom Wis­sen der Re­prä­sen­tan­ten der Be­klag­ten um die Ab­schalt­ein­rich­tung ei­ner Kla­ge nicht ent­ge­gen­ge­stan­den. 2015 ha­be auch kei­ne höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung zur Fra­ge, ob die Be­klag­te den Er­wer­bern von Kraft­fahr­zeu­gen mit dem Mo­tor EA189 de­lik­tisch haf­te, der kla­ge­wei­sen Gel­tend­ma­chung ei­nes sol­chen An­spruchs ent­ge­gen­ge­stan­den. Al­lein der Um­stand, dass of­fe­ne, bis­lang höchst­rich­ter­lich nicht ent­schie­de­ne Rechts­fra­gen maß­geb­lich sei­en, ma­che die Kla­ge­er­he­bung nicht un­zu­mut­bar; der Rechts­weg die­ne ge­ra­de da­zu, sol­che Fra­gen zu klä­ren. Dar­auf, ob die Rechts­la­ge mög­li­cher­wei­se nach 2015, al­so nach Be­ginn der Ver­jäh­rungs­frist, un­si­cher oder zwei­fel­haft ge­wor­den sei, kom­me es nicht an. Auch die Her­aus­for­de­run­gen bei der Rechts­an­wen­dung des § 826 BGB als „klei­ne Ge­ne­ral­klau­sel“ führ­ten nicht zur Un­zu­mut­bar­keit der Kla­ge­er­he­bung, eben­so we­nig, dass das Vor­lie­gen der ein­zel­nen Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen ei­ner de­lik­ti­schen Haf­tung von der Be­klag­ten be­strit­ten wer­de. So­mit ha­be die drei­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist mit Schluss des Jah­res 2015 zu lau­fen be­gon­nen und mit Schluss des Jah­res 2018, al­so vor Kla­ge­er­he­bung im Jahr 2019, ge­en­det.

[6]    Dies hält der re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prü­fung stand. Den Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen des Klä­gers steht die von der Be­klag­ten er­ho­be­ne Ein­re­de der Ver­jäh­rung ent­ge­gen.

[7]    1. Ge­mäß § 195 BGB be­trägt die re­gel­mä­ßi­ge Ver­jäh­rungs­frist drei Jah­re. Sie be­ginnt ge­mäß § 199 I BGB mit dem Schluss des Jah­res, in dem der An­spruch ent­stan­den ist (§ 199 I Nr. 1 BGB) und der Gläu­bi­ger von den den An­spruch be­grün­den­den Um­stän­den und der Per­son des Schuld­ners Kennt­nis er­langt oder oh­ne gro­be Fahr­läs­sig­keit er­lan­gen müss­te (§ 199 Ì Nr. 2 BGB).

[8]    a) Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des BGH ist die Kennt­nis i. S. von § 199 I Nr. 2 BGB vor­han­den, wenn dem Ge­schä­dig­ten die Er­he­bung ei­ner Scha­dens­er­satz­kla­ge, sei es auch nur in Form der Fest­stel­lungs­kla­ge, Er­folg ver­spre­chend, wenn auch nicht ri­si­ko­los, mög­lich ist (Se­nat, Urt. v. 12.05.2009 – VI ZR 294/08, VersR 2009, 989 Rn. 17; BGH, Urt. v. 17.06.2016 – V ZR 134/15, NJW 2017, 248 Rn. 10; Urt. v. 08.05.2014 – I ZR 217/12, BGHZ 201, 129 Rn. 38). § 199 I Nr. 2 BGB stellt nur auf die Kennt­nis der tat­säch­li­chen Um­stän­de ab, mit­hin des Le­bens­sach­ver­halts, der die Grund­la­ge des An­spruchs bil­det (BGH, Beschl. v. 16.12.2015 – XII ZB 516/14, BGHZ 208, 210 Rn. 39 m. w. Nachw.). Da­bei ist we­der not­wen­dig, dass der Ge­schä­dig­te al­le Ein­zel­um­stän­de kennt, die für die Be­ur­tei­lung mög­li­cher­wei­se Be­deu­tung ha­ben, noch muss er be­reits hin­rei­chend si­che­re Be­weis­mit­tel in der Hand ha­ben, um ei­nen Rechts­streit im We­sent­li­chen ri­si­ko­los füh­ren zu kön­nen (Se­nat, Urt. v. 31.10.2000 – VI ZR 198/99, NJW 2001, 885, 886 = ju­ris Rn. 14; BGH, Urt. v. 08.05.2014 – I ZR 217/12, BGHZ 201, 129 Rn. 38; Urt. v. 03.06.2008 – XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576 Rn. 27). Die er­for­der­li­che Kennt­nis ist viel­mehr be­reits vor­han­den, wenn die dem Ge­schä­dig­ten be­kann­ten Tat­sa­chen aus­rei­chen, um den Schluss auf ein schuld­haf­tes Fehl­ver­hal­ten des An­spruchs­geg­ners als na­he­lie­gend er­schei­nen zu las­sen. Es muss dem Ge­schä­dig­ten le­dig­lich zu­mut­bar sein, auf­grund des­sen, was ihm hin­sicht­lich des tat­säch­li­chen Ge­sche­hens­ab­laufs be­kannt ist, Kla­ge zu er­he­ben, wenn auch mit dem ver­blei­ben­den Pro­zess­ri­si­ko, ins­be­son­de­re hin­sicht­lich der Nach­weis­bar­keit von Scha­dens­er­satz aus­lö­sen­den Um­stän­den (Se­nat, Urt. v. 08.11.2016 – VI ZR 594/15, VersR 2017, 165 Rn. 11, 13; BGH, Urt. v. 11.09.2014 – III ZR 217/13, VersR 2015, 332 Rn. 15; Urt. v. 03.06.2008 – XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576 Rn. 28). Die drei­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist gibt dem Ge­schä­dig­ten dann noch hin­rei­chen­de Mög­lich­kei­ten, sich für das wei­te­re Vor­ge­hen noch si­che­re­re Grund­la­gen, ins­be­son­de­re zur Be­weis­bar­keit sei­nes Vor­brin­gens, zu ver­schaf­fen (vgl. Se­nat, Urt. v. 31.10.2000 – VI ZR 198/99, NJW 2001, 885, 886 = ju­ris Rn. 14).

[9]    b) Aus der Re­ge­lung des § 199 I Nr. 2 BGB, die nur auf die Kennt­nis der den An­spruch be­grün­den­den tat­säch­li­chen Um­stän­de ab­stellt, er­gibt sich, dass das Ri­si­ko der feh­ler­haf­ten recht­li­chen Be­wer­tung ei­nes Sach­ver­halts vom Ge­setz grund­sätz­lich dem An­spruchs­in­ha­ber auf­er­legt wird (BGH, Beschl. v. 16.12.2015 – XII ZB 516/14, BGHZ 208, 210 Rn. 39). Nicht er­for­der­lich ist al­so in der Re­gel, dass der Gläu­bi­ger aus den ihm be­kann­ten Tat­sa­chen die zu­tref­fen­den recht­li­chen Schlüs­se zieht. Nur aus­nahms­wei­se kann die Rechtsun­kennt­nis des Gläu­bi­gers den Ver­jäh­rungs­be­ginn hin­aus­schie­ben, wenn ei­ne un­si­che­re und zwei­fel­haf­te Rechts­la­ge vor­liegt, die selbst ein rechts­kun­di­ger Drit­ter nicht zu­ver­läs­sig als Er­folg ver­spre­chend, wenn auch nicht ri­si­ko­los (hier­zu so­gleich) ein­zu­schät­zen ver­mag. In die­sen Fäl­len fehlt es an der Zu­mut­bar­keit der Kla­ge­er­he­bung als über­grei­fen­der Vor­aus­set­zung für den Ver­jäh­rungs­be­ginn (BGH, Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 35; Urt. v. 20.01.2009 – XI ZR 504/07, BGHZ 179, 260 Rn. 47; Beschl. v. 16.12.2015 – XII ZB 516/14, BGHZ 208, 210 Rn. 26).

[10]   aa) Das Hin­aus­schie­ben des Be­ginns der re­gel­mä­ßi­gen Ver­jäh­rungs­frist we­gen un­si­che­rer und zwei­fel­haf­ter Rechts­la­ge kann al­ler­dings nur in eng be­grenz­ten, be­son­ders be­grün­de­ten Aus­nah­me­fäl­len an­ge­nom­men wer­den (BGH, Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 52; Beschl. v. 16.12.2015 – XII ZB 516/14, BGHZ 208, 210 Rn. 38). Mit der Ein­füh­rung der drei­jäh­ri­gen Re­gel­ver­jäh­rungs­frist ver­folg­te der Ge­setz­ge­ber die Ab­sicht, in ei­nem über­schau­ba­ren Zeit­raum Rechts­frie­den und Rechts­si­cher­heit zu schaf­fen. An­ge­sichts die­ses Schutz­zwecks er­for­dert das Ver­jäh­rungs­recht ein­deu­ti­ge Re­geln und ei­ne Aus­le­gung, die die ge­bo­te­ne Rechts­si­cher­heit ge­währ­leis­tet. Des­halb ist es grund­sätz­lich er­for­der­lich, sich bei der An­wen­dung sol­cher Vor­schrif­ten eng an de­ren Wort­laut zu hal­ten (BGH, Beschl. v. 16.12.2015 – XII ZB 516/14, BGHZ 208, 210 Rn. 38). Zwar müs­sen Ver­jäh­rungs­re­geln mit Rück­sicht auf das ver­fas­sungs­recht­lich ge­schütz­te For­de­rungs­recht (Art. 14 I GG) stets ei­nen an­ge­mes­se­nen Aus­gleich zwi­schen den In­ter­es­sen des Schuld­ners und des Gläu­bi­gers dar­stel­len. Dies kann in en­gen Gren­zen Aus­nah­men recht­fer­ti­gen, um dem Gläu­bi­ger ei­ne fai­re Chan­ce zu ge­ben, sei­nen An­spruch gel­tend zu ma­chen (BGH, Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 52 m. w. Nachw.). Mit Rück­sicht auf den for­ma­len Cha­rak­ter der Ver­jäh­rungs­vor­schrif­ten sind aber an die Recht­fer­ti­gung ei­ner über den Wort­laut der Nor­men hin­aus­ge­hen­den An­wen­dung be­son­ders stren­ge An­for­de­run­gen zu stel­len (BGH, Beschl. v. 16.12.2015 – XII ZB 516/14, BGHZ 208, 210 Rn. 38 m. w. Nachw.).

[11]   bb) Auch mit Blick auf recht­li­che Un­si­cher­hei­ten gilt je­den­falls der all­ge­mei­ne Grund­satz, dass ei­ne Kla­ge­er­he­bung dann zu­mut­bar ist, wenn die Kla­ge bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung hin­rei­chen­de Er­folgs­aus­sich­ten hat; es ist nicht er­for­der­lich, dass die Rechts­ver­fol­gung ri­si­ko­los mög­lich ist (vgl. BGH, Urt. v. 04.07.2017 – XI ZR 562/15, BGHZ 215, 172 Rn. 100; Urt. v. 26.09.2012 – VI­II ZR 279/11, NJW 2013, 1077 Rn. 52; Beschl. v. 16.12.2015 – XII ZB 516/14, BGHZ 208, 210 Rn. 27).

[12]   (1) Un­zu­mut­bar ist die Kla­ge­er­he­bung, wenn der Durch­set­zung des An­spruchs ei­ne ge­gen­tei­li­ge höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung ent­ge­gen­steht (BGH, Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 35 m. w. Nachw.), al­ler­dings nur so lan­ge, bis sich et­wa in der Recht­spre­chung der Ober­lan­des­ge­rich­te ei­ne ge­fes­tig­te Ge­gen­mei­nung her­aus­ge­bil­det hat (BGH, Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 59). Ei­ne Än­de­rung der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung, die die Er­folgs­aus­sich­ten ei­ner Kla­ge le­dig­lich ver­bes­sert, recht­fer­tigt da­ge­gen den Auf­schub des Ver­jäh­rungs­be­ginns nicht (BGH, Beschl. v. 16.12.2015 – XII ZB 516/14, BGHZ 208, 210 Rn. 37).

[13]   (2) Ei­ne un­si­che­re und zwei­fel­haf­te Rechts­la­ge be­steht nicht schon dann, wenn noch kei­ne höchst­rich­ter­li­che Ent­schei­dung ei­ner be­stimm­ten Fra­ge vor­liegt. Viel­mehr ist da­für zu­min­dest ein ernst­haf­ter Mei­nungs­streit in Li­te­ra­tur und Recht­spre­chung er­for­der­lich (BGH, Urt. v. 24.09.2013 – I ZR 187/12, NJW-RR 2014, 733 Rn. 41; Urt. v. 07.12.2010 – XI ZR 348/09, NJW 2011, 1278 Rn. 21).

[14]   Ist die Rechts­la­ge aus­ge­hend von frü­he­ren höchst­rich­ter­li­chen Ent­schei­dun­gen und den dar­in auf­ge­stell­ten Grund­sät­zen er­kenn­bar, weil sich die­se Grund­sät­ze auf die nun­mehr zu ent­schei­den­de Fall­kon­stel­la­ti­on über­tra­gen las­sen, so ver­spricht die Rechts­ver­fol­gung hin­rei­chen­de Aus­sicht auf Er­folg und ist zu­mut­bar (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 60; Urt. v. 22.07.2014 – KZR 13/13, NJW 2014, 3092 Rn. 28; Urt. v. 26.09.2012 – VI­II ZR 279/11, NJW 2013, 1077 Rn. 50–53). Dies gilt in die­sen Fäl­len auch dann, wenn In­stanz­ge­rich­te, auch Ober­ge­rich­te, so­wie das Schrift­tum die maß­geb­li­che Rechts­fra­ge nicht ein­heit­lich be­ant­wor­ten (vgl. BGH, Urt. v. 22.07.2014 – KZR 13/13, NJW 2014, 3092 Rn. 28; Urt. v. 26.09.2012 – VI­II ZR 279/11, NJW 2013, 1077 Rn. 50–53). Denn dann ist die Rechts­la­ge nicht in ei­nem sol­chen Ma­ße zwei­fel­haft und un­ge­klärt, dass ei­ne Kla­ge als un­zu­mut­bar an­zu­se­hen wä­re (Urt. v. 22.07.2014 – KZR 13/13, NJW 2014, 3092 Rn. 28). Das Ri­si­ko, dass erst ei­ne ab­schlie­ßen­de Ent­schei­dung des BGH Ge­wiss­heit brin­gen wird, ist dem Gläu­bi­ger zu­zu­mu­ten.

[15]   cc) Wird die Rechts­la­ge erst un­si­cher, nach­dem die Ver­jäh­rungs­frist zu lau­fen be­gon­nen hat, so schiebt dies den Be­ginn der Ver­jäh­rungs­frist nicht (nach­träg­lich) hin­aus (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 45).

[16]   c) Die Fest­stel­lung, ob und wann der Gläu­bi­ger Kennt­nis von be­stimm­ten Um­stän­den hat­te oder ob sei­ne Un­kennt­nis auf gro­ber Fahr­läs­sig­keit be­ruht, un­ter­liegt als Er­geb­nis tatrich­ter­li­cher Wür­di­gung nur ei­ner ein­ge­schränk­ten Über­prü­fung durch das Re­vi­si­ons­ge­richt dar­auf, ob der Streitstoff um­fas­send, wi­der­spruchs­frei und oh­ne Ver­stoß ge­gen Denk- und Er­fah­rungs­sät­ze ge­wür­digt wor­den ist und ob der Tatrich­ter den Be­griff der gro­ben Fahr­läs­sig­keit ver­kannt oder bei der Be­ur­tei­lung des Gra­des der Fahr­läs­sig­keit we­sent­li­che Um­stän­de au­ßer Be­tracht ge­las­sen hat. Die Fra­ge, wann ei­ne für den Be­ginn der Ver­jäh­rung hin­rei­chen­de Kennt­nis vor­han­den ist, ist je­doch nicht aus­schließ­lich Tat­fra­ge, son­dern wird maß­geb­lich durch den der Be­ur­tei­lung des Re­vi­si­ons­ge­richts un­ter­lie­gen­den Be­griff der Zu­mut­bar­keit der Kla­ge­er­he­bung ge­prägt (BGH, Urt. v. 17.06.2016 – V ZR 134/15, NJW 2017, 248 Rn. 11; Urt. v. 11.09.2014 – III ZR 217/13, VersR 2015, 332 Rn. 17; Urt. v. 26.09.2012 – VI­II ZR 279/11, NJW 2013, 1077 Rn. 46). Die Fra­ge, wann ei­ne un­si­che­re und zwei­fel­haf­te Rechts­la­ge vor­liegt, die zur Un­zu­mut­bar­keit der Kla­ge­er­he­bung führt, un­ter­liegt der un­ein­ge­schränk­ten Be­ur­tei­lung durch das Re­vi­si­ons­ge­richt (BGH, Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 44 m. w. Nachw.).

[17]   c) 2. Nach den für den Se­nat ge­mäß §§ 314, 559 ZPO bin­den­den, von der Re­vi­si­on so­mit nicht an­greif­ba­ren und in­so­weit auch nicht an­ge­grif­fe­nen tat­be­stand­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts ist un­strei­tig, dass der Klä­ger im Jahr 2015 „von dem so­ge­nann­ten Die­sel- oder Ab­gas­skan­dal all­ge­mein“ so­wie „von der kon­kre­ten Be­trof­fen­heit sei­nes Die­sel­fahr­zeugs“ Kennt­nis hat­te. Den dies­be­züg­li­chen aus­führ­li­chen Sach­vor­trag der Be­klag­ten hat der Klä­ger, so die tat­be­stand­li­che Fest­stel­lung im Be­ru­fungs­ur­teil, nicht be­strit­ten. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat fer­ner fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te nach wie vor be­strei­tet, dass ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ne Ver­tre­ter der Be­klag­ten von der Ver­wen­dung der Ab­schalt­ein­rich­tung Kennt­nis hat­ten; in­so­weit ist es al­so ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on nicht von ei­nem un­strei­ti­gen Sach­ver­halt aus­ge­gan­gen. Die Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, dass der Klä­ger den­noch be­reits 2015 Kennt­nis von den den An­spruch aus § 826 BGB be­grün­den­den tat­säch­li­chen Um­stän­den i. S. von § 199 I Nr. 2 BGB hat­te, ist re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den.

[18]   a) Wer – wie der Klä­ger – vor Sep­tem­ber 2015 ein VW-Die­sel­fahr­zeug kauf­te, das mit ei­nem Mo­tor des Typs EA189 und der im Tat­be­stand be­schrie­be­nen Mo­tor­steue­rungs­soft­ware aus­ge­stat­tet war, kann An­sprü­che aus §§ 826, 31 BGB ge­gen die Be­klag­te im We­sent­li­chen auf fol­gen­de Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen stüt­zen:

[19]   Die Be­klag­te hat ba­sie­rend auf ei­ner grund­le­gen­den stra­te­gi­schen Ent­schei­dung im ei­ge­nen Kos­ten- und Ge­winn­in­ter­es­se die Mo­tor­steue­rungs­soft­ware in von ihr her­ge­stell­ten Die­sel­fahr­zeu­gen be­wusst und ge­wollt so pro­gram­miert, dass die ge­setz­li­chen Ab­gas­grenz­wer­te nur auf dem Prüf­stand ein­ge­hal­ten, im nor­ma­len Fahr­be­trieb hin­ge­gen über­schrit­ten wur­den, und da­mit das Kraft­fahrt-Bun­des­amt zwecks Er­lan­gung der Ty­pen­ge­neh­mi­gung be­wusst und ge­wollt ge­täuscht. Die mit die­ser Soft­ware aus­ge­stat­te­ten Fahr­zeu­ge hat sie un­ter be­wuss­ter Aus­nut­zung der Arg­lo­sig­keit der Er­wer­ber, die die Ein­hal­tung der ge­setz­li­chen Vor­ga­ben als selbst­ver­ständ­lich vor­aus­setz­ten, mil­lio­nen­fach in den Ver­kehr ge­bracht. Der Klä­ger ging mit dem Ab­schluss des Kauf­ver­trags ei­ne Ver­pflich­tung ein, die er in Kennt­nis der il­le­ga­len Ab­schalt­ein­rich­tung nicht ein­ge­gan­gen wä­re, weil das Fahr­zeug für sei­ne Zwe­cke nicht voll brauch­bar war. Die stra­te­gi­sche Ent­schei­dung in Be­zug auf die Ent­wick­lung und Ver­wen­dung der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ist von ei­nem Vor­stand oder ei­nem an­de­ren ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­nen Ver­tre­ter der Be­klag­ten wenn nicht selbst, so zu­min­dest mit des­sen Kennt­nis und Bil­li­gung ge­trof­fen bzw. jah­re­lang um­ge­setzt wor­den. Die­ser Per­son war be­wusst, in Kennt­nis des Ri­si­kos ei­ner Be­triebs­be­schrän­kung oder -un­ter­sa­gung der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge wer­de nie­mand – zu­min­dest nicht oh­ne ei­nen er­heb­li­chen, dies be­rück­sich­ti­gen­den Ab­schlag vom Kauf­preis – ein da­mit be­las­te­tes Fahr­zeug er­wer­ben (vgl. Se­nat, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 16 ff.).

[20]   b) Dem Klä­ger war es 2015 zu­mut­bar, auf­grund des­sen, was ihm da­mals hin­sicht­lich des tat­säch­li­chen Ge­sche­hens­ab­laufs be­kannt war, Kla­ge zu er­he­ben und die­se auf die ge­nann­ten Be­haup­tun­gen zu stüt­zen.

[21]   aa) Die vom Be­ru­fungs­ge­richt für das Jahr 2015 tat­be­stand­lich fest­ge­stell­te Kennt­nis des Klä­gers vom „so­ge­nann­ten Die­sel- oder Ab­gas­skan­dal all­ge­mein“ und „von der kon­kre­ten Be­trof­fen­heit sei­nes Die­sel­fahr­zeugs“ be­inhal­tet, dass der Klä­ger wuss­te, dass sein Fahr­zeug als ei­nes von meh­re­ren Mil­lio­nen VW-Die­sel­fahr­zeu­gen mit ei­ner Mo­tor­steue­rungs­soft­ware aus­ge­stat­tet war, die so pro­gram­miert war, dass die ge­setz­li­chen Ab­gas­grenz­wer­te nur auf dem Prüf­stand ein­ge­hal­ten, im nor­ma­len Fahr­be­trieb hin­ge­gen über­schrit­ten wur­den, und dass das Kraft­fahrt-Bun­des­amt der Be­klag­ten des­halb ei­nen Rück­ruf und ei­ne Nach­bes­se­rung der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge auf­gab. Die­se Kon­kre­ti­sie­rung er­gibt sich je­den­falls aus dem im an­ge­foch­te­nen Ur­teil kon­kret in Be­zug ge­nom­me­nen Vor­trag der Be­klag­ten zu der sehr brei­ten me­dia­len Be­richt­er­stat­tung im Herbst 2015 über die von der Be­klag­ten als „Um­schalt­lo­gik“, von den Me­di­en deut­li­cher als „Schum­mel­soft­ware“ und „Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware“ be­zeich­ne­te Ab­schalt­ein­rich­tung in elf Mil­lio­nen Fahr­zeu­gen welt­weit, aus der die Be­klag­te auf die Kennt­nis des Klä­gers vom so­ge­nann­ten Die­selskan­dal und von der Be­trof­fen­heit sei­nes Fahr­zeugs ge­schlos­sen hat; die­sem Sach­vor­trag ist der Klä­ger aus­weis­lich der tat­be­stand­li­chen Fest­stel­lung des Be­ru­fungs­ge­richts nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten. Na­tur­ge­mäß war dem Klä­ger wei­ter be­kannt, ob er beim Kauf des Fahr­zeugs die Ein­hal­tung der ge­setz­li­chen Vor­ga­ben als selbst­ver­ständ­lich vor­aus­ge­setzt hat­te und ob er das Fahr­zeug auch ge­kauft hät­te, wenn er von dem Ein­bau der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung und den da­mit mög­li­cher­wei­se ver­bun­de­nen (recht­li­chen) Kon­se­quen­zen ge­wusst hät­te. Kennt­nis von der abs­trak­ten Ge­fahr der Be­triebs­be­schrän­kung oder -un­ter­sa­gung (vgl. Se­nat, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 52), die auf­grund der dem Klä­ger im Jahr 2015 be­kann­ten Funk­ti­ons­wei­se der Soft­ware be­stand, war nicht er­for­der­lich, weil es sich in­so­weit nicht um ei­nen tat­säch­li­chen Um­stand i. S. von § 199 I Nr. 2 BGB, son­dern um ei­ne recht­li­che Schluss­fol­ge­rung han­delt.

[22]   bb) Die dem Klä­ger be­kann­ten Tat­sa­chen reich­ten aus, den Schluss na­he­zu­le­gen, dass der Ein­bau der Mo­tor­steue­rungs­soft­ware, die nach ih­rer Funk­ti­ons­wei­se er­sicht­lich auf Täu­schung der zu­stän­di­gen Ge­neh­mi­gungs­be­hör­de ab­ziel­te, auf ei­ner am Kos­ten- und Ge­winn­in­ter­es­se aus­ge­rich­te­ten Stra­te­gie­ent­schei­dung be­ruh­te. Denn die Ent­schei­dung über den Ein­satz der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung be­traf die grund­le­gen­de stra­te­gi­sche Fra­ge, mit­hil­fe wel­cher tech­ni­schen Lö­sung die Be­klag­te die Ein­hal­tung der – im Ver­hält­nis zu dem zu­vor gel­ten­den Recht stren­ge­ren – Stick­oxid­grenz­wer­te der Eu­ro-5-Norm si­cher­stel­len woll­te (vgl. Se­nat, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 367/19, ZIP 2020, 1763 Rn. 18). Sie wirk­te sich auf die Pro­duk­ti­on von meh­re­ren Mil­lio­nen Fahr­zeu­gen aus und war mit weit­rei­chen­den Kon­se­quen­zen, nicht zu­letzt enor­men Ri­si­ken, ver­bun­den. Aus den­sel­ben Grün­den war es wei­ter na­he­lie­gend, dass ei­ne sol­che Stra­te­gie­ent­schei­dung nicht et­wa von ei­nem un­ter­ge­ord­ne­ten Mit­ar­bei­ter im Al­lein­gang, son­dern von ei­nem Vor­stand oder ei­nem sons­ti­gen ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­nen Ver­tre­ter (zur wei­ten Aus­le­gung die­ses Be­griffs vgl. nur BGH, Urt. v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19, 21 = ju­ris Rn. 11 m. w. Nachw.), des­sen Ver­hal­ten der Be­klag­ten ge­mäß § 31 BGB zu­zu­rech­nen ist, ge­trof­fen oder je­den­falls ge­bil­ligt wor­den war. Da sich die Un­zu­läs­sig­keit der ver­wen­de­ten Mo­tor­steue­rungs­soft­ware auf­drängt, konn­te dar­aus oh­ne Wei­te­res der Schluss auf ein dies­be­züg­li­ches Be­wusst­sein des ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­nen Ver­tre­ters ge­zo­gen wer­den, fer­ner auf des­sen Be­wusst­sein, dass an­ge­sichts der mit der Un­zu­läs­sig­keit der Ab­schalt­ein­rich­tung ver­bun­de­nen, die vol­le Brauch­bar­keit des Fahr­zeugs ein­schrän­ken­den Ri­si­ken nie­mand ein sol­ches Fahr­zeug – zu­min­dest nicht oh­ne ei­nen er­heb­li­chen Ab­schlag vom Kauf­preis – er­wer­ben wür­de.

[23]   cc) Da, wie oben (1 a) aus­ge­führt, die er­for­der­li­che Kennt­nis i. S. von § 199 I Nr. 2 BGB be­reits vor­han­den ist, wenn die dem Ge­schä­dig­ten be­kann­ten Tat­sa­chen aus­rei­chen, um den Schluss auf ein schuld­haf­tes Fehl­ver­hal­ten des An­spruchs­geg­ners – bzw. sei­nes ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­nen Ver­tre­ters i. S. von § 31 BGB – als na­he­lie­gend er­schei­nen zu las­sen, be­durf­te es ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on nicht nä­he­rer Kennt­nis des Klä­gers von den „in­ter­nen Ver­ant­wort­lich­kei­ten“ im Hau­se der Be­klag­ten (eben­so OLG Ko­blenz, Urt. v. 24.08.2020 – 12 U 2000/19, BeckRS 2020, 20955 Rn. 26; a. A. OLG Ol­den­burg, Urt. v. 21.02.2020 – 6 U 286/19, ju­ris Rn. 71; Urt. v. 30.01.2020 – 1 U 131/19, MDR 2020, 671 = ju­ris Rn. 101; Itt­ner/Hal­der, SVR 2020, 283, 286 f.; Zies­ke/Mei­er, VersR 2020, 1504, 1505, 1507). Auch muss­ten die in­so­weit von der Be­klag­ten an­ge­kün­dig­ten in­ter­nen Un­ter­su­chun­gen nicht ab­ge­war­tet wer­den. Ins­be­son­de­re war es für die Zu­mut­bar­keit der Kla­ge­er­he­bung und da­mit für den Be­ginn der Ver­jäh­rungs­frist nicht er­for­der­lich, die Ver­wirk­li­chung des ob­jek­ti­ven und sub­jek­ti­ven Tat­be­stands des § 826 BGB zu­ver­läs­sig ei­ner na­ment­lich be­nann­ten Per­son im Hau­se der Be­klag­ten zu­zu­ord­nen. Nach den von der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Grund­sät­zen der se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last kann das Ge­richt in ei­nem Fall wie dem vor­lie­gen­den vom Klä­ger kei­nen nä­he­ren Vor­trag da­zu ver­lan­gen, wel­che kon­kre­te bei der Be­klag­ten tä­ti­ge Per­son das sit­ten­wid­ri­ge Ver­hal­ten an den Tag ge­legt hat (Se­nat, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 367/19, ZIP 2020, 1763 Rn. 14 ff.; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 34 ff.). Es ge­nügt da­her, wenn der Klä­ger kon­kre­te An­halts­punk­te da­für vor­trägt, dass es ein ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ner Ver­tre­ter der Be­klag­ten war, der vor­sätz­lich sit­ten­wid­rig ge­han­delt hat. Da­für wür­de der Ver­weis auf die hier be­trof­fe­ne grund­le­gen­de Stra­te­gie­ent­schei­dung über den Ein­satz der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung, die Viel­zahl der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge und die da­mit ver­bun­de­nen weit­rei­chen­den Kon­se­quen­zen aus­rei­chen (Se­nat, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 367/19, ZIP 2020, 1763 Rn. 18; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 39).

[24]   Die Be­haup­tung der Re­vi­si­on, die maß­geb­li­che Ent­schei­dung zur se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last sei erst mit dem Se­nats­ur­teil vom 19.02.2019 – VI ZR 505/17, BGHZ 221, 139 Rn. 17 (Be­haup­tung von Hy­gie­ne­ver­stö­ßen im Arzt­haf­tungs­recht) – und da­mit nach dem Jahr 2015 er­gan­gen, trifft nicht zu. Der all­ge­mei­ne zi­vil­pro­zes­sua­le Grund­satz der se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last in Fäl­len, in de­nen die pri­mär dar­le­gungs­be­las­te­te Par­tei kei­ne nä­he­re Kennt­nis der maß­geb­li­chen Um­stän­de und auch kei­ne Mög­lich­keit zur wei­te­ren Sach­auf­klä­rung hat, wäh­rend der Be­strei­ten­de al­le we­sent­li­chen Tat­sa­chen kennt und es ihm un­schwer mög­lich und zu­mut­bar ist, nä­he­re An­ga­ben zu ma­chen, war schon deut­lich vor 2015 in der stän­di­gen Recht­spre­chung des BGH an­er­kannt (vgl. nur Se­nat, Urt. v. 11.12.2001 – VI ZR 350/00, NJW 2002, 1123, 1125 = ju­ris Rn. 16; BGH, Urt. v. 07.12.1998 – II ZR 266/97, BGHZ 140, 156, 158 = ju­ris Rn. 11; je­weils m. w. Nachw.).

[25]   dd) Auch das – oh­ne­hin eher ge­rin­ge – Ri­si­ko, dass die Be­klag­te im Rah­men ih­rer se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last die Ent­schei­dung für den Ein­satz der il­le­ga­len Ab­schalt­ein­rich­tung ei­nem Mit­ar­bei­ter zu­ord­nen wür­de, des­sen Ver­hal­ten der Be­klag­ten nicht ge­mäß § 31 BGB zu­ge­rech­net wer­den kann, hät­te ei­ne Kla­ge­er­he­bung im Jahr 2015 nicht un­zu­mut­bar ge­macht. Denn dann wä­re ei­ne Haf­tung der Be­klag­ten aus § 831 BGB in Be­tracht ge­kom­men (vgl. hier­zu Se­nat, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 43).

[26]   3. Dar­auf, ob der Klä­ger be­reits 2015 aus den ihm be­kann­ten Tat­sa­chen die zu­tref­fen­den recht­li­chen Schlüs­se zog, ins­be­son­de­re aus ih­nen ei­nen An­spruch aus § 826 BGB her­lei­te­te, kommt es nicht an. Der eng be­grenz­te Aus­nah­me­fall, dass die Er­he­bung ei­ner (Fest­stel­lungs-)Kla­ge we­gen un­si­che­rer und zwei­fel­haf­ter Rechts­la­ge un­zu­mut­bar war und der Ver­jäh­rungs­be­ginn da­her hin­aus­ge­scho­ben wur­de, liegt hier nicht vor (eben­so OLG Ol­den­burg, Urt. v. 06.02.2020 – 14 U 202/19, NJW-RR 2020, 666 Rn. 19; OLG Köln, Beschl. v. 04.03.2020 – 26 U 73/19, ju­ris Rn. 15 f.; OLG Ko­blenz, Urt. v. 24.08.2020 – 12 U 2000/19, BeckRS 2020, 20955 Rn. 27; Zies­ke/Mei­er, VersR 2020, 1504, 1508). Der Durch­set­zung des An­spruchs aus § 826 BGB stand ei­ne höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung nicht ent­ge­gen. Es war im Ge­gen­teil aus­ge­hend von der Recht­spre­chung des BGH zu § 826 BGB (ins­be­son­de­re Sit­ten­wid­rig­keit und Scha­den) so­wie zur se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last er­kenn­bar, dass sich die­se Recht­spre­chung auf die hier vor­lie­gen­de Fall­kon­stel­la­ti­on über­tra­gen las­sen wür­de, so­dass die Rechts­ver­fol­gung schon 2015 hin­rei­chen­de Aus­sicht auf Er­folg ver­sprach und zu­mut­bar war.

[27]   a) Die Kri­te­ri­en, nach wel­chen ein Ver­hal­ten als sit­ten­wid­rig i. S. von § 826 BGB zu be­wer­ten ist, sind aus der stän­di­gen Recht­spre­chung des BGH er­sicht­lich (vgl. nur Se­nat, Urt. v. 15.10.2013 – VI ZR 124/12, ZIP 2013, 2466 Rn. 8 m. w. Nachw.; BGH, Urt. v. 03.12.2013 – XI ZR 295/12, ZIP 2014, 65 Rn. 23; Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 217/03, NJW 2004, 2668, 2670 = ju­ris Rn. 49). So wur­de schon vor 2015 durch den BGH ent­schie­den, dass ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung re­gel­mä­ßig zu­gleich ei­nen Ver­stoß ge­gen die gu­ten Sit­ten dar­stellt (vgl. nur Se­nat, Urt. v. 21.12.2004 – VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, 366 = ju­ris Rn. 13 m. w. Nachw.; BGH, Urt. v. 03.12.2013 – XI ZR 295/12, ZIP 2014, 65 Rn. 24; Urt. v. 28.02.2005 – II ZR 13/03, NJW-RR 2005, 751 = ju­ris Rn. 13; Urt. v. 14.01.1993 – IX ZR 206/91, NJW 1993, 1323, 1325 = ju­ris Rn. 20). Das­sel­be gilt dem­ge­mäß für ein Ver­hal­ten, das – wie hier (vgl. Se­nat, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 23; Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 367/19, ZIP 2020, 1763 Rn. 13) – ei­ner un­mit­tel­ba­ren arg­lis­ti­gen Täu­schung (hier: der Fahr­zeug­käu­fer) gleich­steht. Die Grund­sät­ze der se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last, auf die sich der Klä­ger vor­lie­gend bei sei­nem Vor­trag zu § 31 BGB stüt­zen kann, wa­ren eben­falls be­reits be­kannt (s. oben 2 b cc); al­ter­na­tiv konn­te auf ei­ne Haf­tung der Be­klag­ten ge­mäß § 831 BGB ab­ge­stellt wer­den (s. oben 2 b dd). Im Hin­blick auf die Recht­spre­chung des Se­nats zum Scha­den durch Be­las­tung mit ei­ner un­ge­woll­ten Ver­bind­lich­keit (Se­nat, Urt. v. 28.10.2014 – VI ZR 15/14, WM 2014, 2318 Rn. 19 m. w. Nachw.; Urt. v. 19.11.2013 – VI ZR 336/12, NJW 2014, 383 Rn. 28 f.; Urt. v. 21.12.2004 – VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, 366 ff. = ju­ris Rn. 16 ff.) ver­sprach schon im Jahr 2015 ei­ne Kla­ge hin­rei­chen­de Aus­sicht auf Er­folg. Ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on wur­de ei­ne zur Un­zu­mut­bar­keit der Kla­ge­er­he­bung füh­ren­de un­kla­re Rechts­la­ge nicht da­durch be­grün­det, dass die Be­klag­te als An­spruchs­geg­ne­rin die Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen des § 826 BGB, ins­be­son­de­re das Vor­lie­gen ei­nes Scha­dens, ver­nein­te. Es kommt, an­ders als die Re­vi­si­on meint, nach den oben (1 b) dar­ge­leg­ten Maß­stä­ben auch nicht dar­auf an, ob ein rechts­un­kun­di­ger Käu­fer im Hin­blick auf das an­ge­kün­dig­te Soft­ware­up­date am Vor­lie­gen ei­nes Scha­dens zwei­fel­te.

[28]   b) Dass nach 2015 Tei­le der ober­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung und der Li­te­ra­tur An­sprü­che ge­gen die Be­klag­te aus recht­li­chen Grün­den ver­neint ha­ben, ver­schiebt den Be­ginn der Ver­jäh­rungs­frist nicht nach hin­ten. Denn dies ge­schah erst nach dem in­so­weit ge­mäß § 199 I BGB maß­geb­li­chen Zeit­punkt (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 45). Ab­ge­se­hen da­von konn­ten die Se­na­te der Ober­lan­des­ge­rich­te und Stim­men in der Li­te­ra­tur, die An­sprü­che aus § 826 BGB be­jah­ten, ih­re Auf­fas­sung auf die Grund­sät­ze der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des BGH stüt­zen. Da­mit wur­de auch nach 2015 die Rechts­la­ge nicht in ei­nem sol­chen Ma­ße zwei­fel­haft und un­ge­klärt, dass ei­ne Kla­ge kei­ne hin­rei­chen­de Er­folgs­aus­sicht mehr ge­habt hät­te und als un­zu­mut­bar an­zu­se­hen ge­we­sen wä­re. Das Ri­si­ko, dass erst ei­ne ab­schlie­ßen­de Ent­schei­dung des BGH, wie sie dann mit dem Se­nats­ur­teil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19 er­ging, Ge­wiss­heit brin­gen wür­de, war dem Klä­ger zu­zu­mu­ten.

[29]   4. So­weit die Re­vi­si­on in ei­nem Schrift­satz nach münd­li­cher Ver­hand­lung schließ­lich meint, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be von sich aus prü­fen müs­sen, ob die Be­klag­te den Kauf­preis durch ei­ne un­er­laub­te Hand­lung auf Kos­ten des Klä­gers er­langt und da­mit ge­mäß § 852 Satz 1 BGB her­aus­zu­ge­ben hat (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2015 – II ZR 281/14, NJW 2016, 1083 Rn. 31 m. w. Nachw.), so setzt hier ei­ne sol­che Prü­fung je­den­falls Vor­trag des Klä­gers da­zu vor­aus, dass und in wel­cher Hö­he die Be­klag­te, die nach den tat­be­stand­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts nicht Ver­käu­fe­rin des Fahr­zeugs war, et­was aus dem Fahr­zeug­ver­kauf er­langt hat. Fest­stel­lun­gen zu dies­be­züg­li­chem Vor­trag sind we­der ge­trof­fen, noch rügt die Re­vi­si­on, dass ein sol­cher Vor­trag ge­hör­s­wid­rig über­gan­gen wor­den sei.

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