- Ein Leasingnehmer, dem ein möglicherweise von einem Abgasskandal betroffenes Fahrzeug – hier: ein Porsche Cayenne – überlassen wird, erleidet dadurch dann keinen Schaden, wenn die Gebrauchsmöglichkeit des Fahrzeugs nicht eingeschränkt ist und der Leasingvertrag nur eine bestimmte Laufzeit und eine bestimme Laufleistung vorsieht, der Leasingnehmer aber keine Restwertgarantie übernimmt (Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung). Darauf, ob das Leasingfahrzeug tatsächlich mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen war oder ist, kommt es in dieser Konstellation deshalb nicht an.
- Ein Leasingnehmer, dem ein (ursprünglich) mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenes Fahrzeug überlassen wurde, ist – aus abgetretenem Recht – nicht mehr zum Rücktritt vom Kaufvertrag über das Fahrzeug berechtigt, wenn der in der unzulässigen Abschalteinrichtung liegende Mangel des Fahrzeugs durch die Installation eines Softwareupdates beseitigt wurde und deshalb die (latente) Gefahr einer Betriebsuntersagung oder -beschränkung nicht mehr besteht.
- Ein Kraftfahrzeug eignet sich grundsätzlich nur dann für die gewöhnliche Verwendung i. S. des §434 I 2 Nr. 2 BGB, wenn es eine Beschaffenheit aufweist, die weder seine (weitere) Zulassung zum Straßenverkehr hindert noch ansonsten seine Gebrauchsfähigkeit aufhebt oder beeinträchtigt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 29.06.2016 – VIII ZR 191/15, NJW 2016, 3015 Rn. 40; Urt. v. 26.10.2016 – VIII ZR 240/15, NJW 2017, 153 Rn. 15; Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 = ZIP 2018, 2272 Rn. 29; Hinweisbeschl. v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 5).
LG München I, Urteil vom 11.11.2020 – 15 O 12455/19
Sachverhalt: Der Kläger trug der Porsche Financial Services GmbH unter dem 14.02.2017 den Abschluss eines Leasingvertrags über einen Pkw Porsche Cayenne an. Dieses Fahrzeug hatte die Porsche Financial Services GmbH am 03.02.2017 von der Beklagten zu 4 erworben. Die Porsche Financial Services GmbH nahm den Antrag des Klägers am 08.06.2017 an. Der Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung, der eine Laufzeit von 36 Monaten hatte, sah vor, dass die jährliche Fahrleistung 25.000 km nicht überschreiten sollte. Ein Restwert wurde nicht vereinbart.
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Porsche Financial Services GmbH, die Bestandteil des Leasingvertrags sind, sehen vor, dass der Kläger keine (mietrechtlichen) Gewährleistungsansprüche gegen die Leasinggeberin hat und ihm zum Ausgleich deren (kaufrechtliche) Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagte zu 4 abgetreten werden.
Die monatlichen Leasingraten leistete der Kläger vertragsgemäß.
Mit Bescheid vom 14.05.2018 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt einen auch das streitgegenständliche Fahrzeug betreffenden – verpflichtenden – Rückruf an, weil bei der Überprüfung des Fahrzeugtyps unzulässige Abschalteinrichtungen festgestellt worden waren. Das Kraftfahrt-Bundesamt gab der Fahrzeugherstellerin (Beklagte zu 3) auf, diese unzulässigen Abschalteinrichtungen – nach Freigabe der entsprechenden Maßnahmen durch das Kraftfahrt-Bundesamt – aus den betroffenen Fahrzeugen zu entfernen, um deren Vorschriftsmäßigkeit im Hinblick auf die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 wiederherzustellen. Unter dem 18.10.2017 gab das Kraftfahrt-Bundesamt ein daraufhin entwickeltes Softwareupdate gegenüber der Beklagten zu 3 frei.
Dieses Softwareupdate wurde bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug im Januar 2018 installiert.
Mit Schreiben vom 10.04.2019 erklärte der – anwaltlich vertretene – Kläger den Rücktritt von dem zwischen der Porsche Financial Services GmbH und der Beklagten zu 4 geschlossenen Kaufvertrag. Er macht geltend, in dem streitgegenständlichen Fahrzeug seien unzulässige Abschalteinrichtungen i. S. von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 implemetiert gewesen. Sie hätte dazu geführt, dass das Fahrzeug die einschlägigen Emissionsgrenzwerte zwar auf dem Prüfstand, aber nicht beim regulären Betrieb im Straßenverkehr eingehalten habe. Schon die Typgenehmigung habe daher gar nicht erteilt werden dürfen. Es habe daher die Gefahr bestanden, dass die Zulassung des Porsche Cayenne widerrufen und der Pkw stillgelegt werde. Dies hätten die Beklagten gewusst und ihm, dem Kläger, vorsätzlich in sittenwidriger Weise einen Schaden zugefügt. Aus Sicht des Klägers begründen die unzulässigen Abschalteinrichtungen zugleich einen Mangel des Porsche Cayenne. Dieser Mangel lasse sich nicht beseitigen und sei durch die Installation des Softwareupdates auch nicht beseitigt worden, zumal das Softwareupdate einen erhöhten Harnstoffverbrauch zur Folge habe.
Der Kläger hat den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt, als er die Beklagte zu 4 auf Rückzahlung des um eine Nutzungsentschädigung verminderten Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgewähr des Pkw, in Anspruch genommen aht. Die Beklagte zu 4 hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen. Zuvor hatte sie geltend gemacht, dass der streitgegenständliche Pkw jedenfalls aufgrund des im Januar 2018 installierten Softwareupdates im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung nicht mehr mangelhaft gewesen sei. Das Softwareupdate wirke sich auch nicht negativ auf das Fahrzeug aus. Zudem habe der Kläger den behaupteten Mangel des Fahrzeugs nicht i. S. von § 377 I, III HGB, § 121 I 1 BGB gerügt, obwohl er dies hätte tun müssen.
Die Beklagten zu 1 bis 3 haben unter anderem einen Schaden des Klägers in Abrede gestellt. Die Gefahr einer Betriebsuntersagung habe nicht bestanden.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: A. Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Klage gegen die Beklagten zu 1 bis 3
Vorliegend kann aus Sicht des Gerichts dahinstehen, ob den Beklagten der Vorwurf einer unerlaubten Handlung zu machen ist. Denn dem Kläger ist durch eine – unterstellte – unerlaubte Handlung kein Schaden entstanden, der eine Rücktritt vom Kaufvertrag rechtfertigen würde.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Schaden nicht nur dann gegeben, wenn sich bei dem vorzunehmenden Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt. Die Differenzhypothese muss stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Dabei ist einerseits das konkrete haftungsbegründende Ereignis als Haftungsgrundlage zu berücksichtigen. Andererseits ist die darauf beruhende Vermögensminderung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände sowie der Verkehrsauffassung in die Betrachtung einzubeziehen. Erforderlich ist also eine wertende Überprüfung des anhand der Differenzhypothese gewonnenen Ergebnisses gemessen am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes (BGH, Urt. v. 28.10.2014 – VI ZR 15/14, WM 2014, 2318 Rn. 17).
Da der Schadensersatz dazu dient, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen, ist der Schadensbegriff im Ansatz subjektbezogen. Wird jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags gebracht, den er sonst nicht geschlossen hätte, kann er auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, Urt. v. 28.10.2014 – VI ZR 15/14, WM 2014, 2318 Rn. 18). Die Bejahung eines Vermögensschadens unter diesem Aspekt setzt allerdings voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht (BGH, Urt. v. 26.09.1997 – V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 304).
Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt unter den dargelegten Voraussetzungen einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = NJW 2020, 1962 Rn. 47).
Vorliegend scheidet ein Schaden insoweit aus, weil der Vertragsschluss nach den oben genannten Grundsätzen nicht als unvernünftig anzusehen ist. Der Kläger hat durch den ungewollten Vertragsschluss eine Leistung erhalten, die für seine Zwecke nicht unbrauchbar war.
Zwar kann davon ausgegangen werden, dass es auszuschließen ist, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem behoben werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = NJW 2020, 1962 Rn. 49, wenngleich die weiteren Argumente des BGH ersichtlich den Erwerb eines Pkw zu Eigentum durch eine Privatperson betreffen). So liegt der Fall hier aber nicht.
Aus dem Bescheid vom 14.08.2018 ergibt sich, dass das Kraftfahrt-Bundesamt Nebenbestimmungen zu der erteilten Typgenehmigung erlassen hat. Danach war die Motorsteuerungssoftware nachzurüsten. Bei Nichtbeachtung der Anordnungen in den Bescheiden drohte ein Widerruf oder die Rücknahme der Typgenehmigung. Anordnungen gegenüber dem Kläger waren – soweit ersichtlich – keine ergangen, insbesondere keine Androhung einer Stilllegung des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Die Softwarenachrüstung erfolgte beim klägerischen Fahrzeug im Januar 2018, freigegeben worden war die Software durch das Kraftfahrt-Bundesamt am 18.10.2017.
Dem streitgegenständlichen Fahrzeug drohte im Zeitpunkt des Erwerbs weder eine Betriebseinschränkung noch eine Betriebsuntersagung. Ein solche hätte allenfalls dann im Raum gestanden, wenn die Beklagte zu 3 der Verpflichtung zur Nachrüstung nicht nachgekommen wäre. Das ist vorliegend aber nicht der Fall.
Soweit der Kläger behauptet, aufgrund des Updates komme es zu Folgebeeinträchtigungen, kommt es hierauf ebenfalls nicht an, da etwaige Schäden nicht zu dem geltend gemachten Schaden (Rückabwicklung des Vertrags) führen würden.
2. Ein Schaden scheidet aber auch deswegen aus, weil dem Kläger unter Berücksichtigung einer Nutzungsentschädigung kein Schaden verbleibt.
a) Nach den von der Rechtsprechung im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelten Grundsätzen der Vorteilsausgleichung sind dem Geschädigten in gewissem Umfang diejenigen Vorteile zuzurechnen, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind. Es soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf einerseits im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, also dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (vgl. etwa BGH, Urt. v. 30.09.2014 – X ZR 126/13, NJW 2015, 553 Rn. 14; Beschl. v. 01.06.2010 – VI ZR 346/08, NJW-RR 2010, 1683 Rn. 17; Urt. v. 10.12.1985 – VI ZR 31/85, NJW 1986, 983 f.).
b) Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung gelten auch für einen Anspruch aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 = NJW 2020, 1962 Leitsatz 4 und Rn. 66).
c) Anders als beim Kaufvertrag berechnet sich beim Leasing – jedenfalls in der hier gewählten Vertragsgestaltung – die Nutzungsentschädigung nicht aus dem Verhältnis der gefahrenen Kilometer zu der Gesamtfahrleistung, sondern objektiv nach dem Betrag, der durchschnittlich für eine vertragliche Gebrauchsgestattung zu entrichten gewesen wäre. Dabei ist zunächst die vertraglich vereinbarte Gegenleistung zugrunde zu legen, die gegebenenfalls um den sich aus dem Mangel ergebenden Minderwert zu kürzen ist (OLG München, Urt. v. 02.05.2018 – 7 U 3715/17, DAR 2019, 150, 151 f.).
Vorliegend war die Gebrauchsmöglichkeit des Fahrzeugs für den Kläger nicht eingeschränkt. Allein die drohende Möglichkeit der Stilllegung hat die Nutzungsmöglichkeit nicht beeinträchtigt. Der Kläger konnte das Fahrzeug im gesamten Zeitraum nutzen.
d) Da damit die anzurechnenden Vorteile den gezahlten Leasingraten entsprechen, ist dem Kläger kein ausgleichspflichtiger Schaden verblieben.
II. Klage gegen die Beklagte zu 4
Gegen die Beklagte zu 4 scheidet ein Anspruch aufgrund Rücktritts vom Kaufvertrag aus.
Voraussetzung für den Rücktritt nach § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 440, 323, 326 V BGB ist unter anderem, dass zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung der Kaufgegenstand mit einem Mangel behaftet war. Das war vorliegend nicht der Fall.
Ein Sachmangel setzt voraus, wenn die Sache sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB). Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein Kraftfahrzeug grundsätzlich nur dann, wenn es eine Beschaffenheit aufweist, die weder seine (weitere) Zulassung zum Straßenverkehr hindert noch ansonsten seine Gebrauchsfähigkeit aufhebt oder beeinträchtigt (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2016 – VIII ZR 191/15, NJW 2016, 3015 Rn. 40; Urt. v. 26.10.2016 – VIII ZR 240/15, NJW 2017, 153 Rn. 15; Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 = ZIP 2018, 2272 Rn. 29; Hinweisbeschl. v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 5) .
Es kann dahinstehen, ob dem das streitgegenständliche Fahrzeug bei Gefahrübergang genügt hat oder nicht. Jedenfalls im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 10.04.2019 bestand der Sachmangel nicht mehr. Denn die im Falle einer (noch) nicht erfolgten Nachrüstung – zumindest latent – bestehende Gefahr einer Betriebsuntersagung oder -beschränkung durch die Zulassungsbehörde war zu diesem Zeitpunkt entfallen, nachdem – wie durch das Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 18.10.2017 bestätigt – die beanstandete Motorsteuerungssoftware durch ein Update behoben werden konnte und dieses Update bereits im Januar 2019 aufgespielt worden war (vgl. dazu auch OLG München, Urt. v. 16.09.2020 – 20 U 4234/18, juris Rn. 24 ff.).
Insoweit kommt es auch nicht mehr darauf an, ob und gegebenenfalls wann der Kläger Kenntnis von dem behaupteten Mangel gehabt hat.
III. Da schon der Hauptanspruch gegen sämtliche Beklagte nicht besteht, kann der Kläger auch keine Nebenansprüche geltend machen. …