1. Weiß der Ver­käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens, dass das Fahr­zeug ei­nen – über ei­nen blo­ßen Ba­ga­tell­scha­den hin­aus­ge­hen­den – Un­fall­scha­den er­lit­ten hat, oder hält der Ver­käu­fer ei­nen sol­chen Un­fall­scha­den für mög­lich so hat er dies dem Käu­fer grund­sätz­lich un­ge­fragt mit­zu­tei­len, wenn er sich nicht dem Vor­wurf ei­nes arg­lis­ti­gen Ver­schwei­gens aus­set­zen will (vgl. BGH, Urt. v. 03.03.1982 – VI­II ZR 78/81, NJW 1982, 1386 m. w. Nachw.).
  2. Die Gren­ze für „Ba­ga­tell­schä­den”, die nicht un­ge­fragt of­fen­bart wer­den müs­sen, ist bei Per­so­nen­kraft­wa­gen sehr eng zu zie­hen. Als „Ba­ga­tell­schä­den” sind nach der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung (z. B. BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VI­II ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 20 m. w. Nachw.) bei Per­so­nen­kraft­wa­gen nur ganz ge­ring­fü­gi­ge, äu­ße­re (Lack-)Schä­den an­er­kannt, nicht da­ge­gen an­de­re (Blech-)Schä­den, auch wenn sie kei­ne wei­ter­ge­hen­den Fol­gen hat­ten und der Re­pa­ra­tur­auf­wand nur ge­ring war. Ob das Fahr­zeug nach dem Un­fall fach­ge­recht re­pa­riert wor­den ist, ist nicht von Be­deu­tung.
  3. Grund­sätz­lich schul­det auch ein – hier: hin­sicht­lich der Un­fall­frei­heit des Fahr­zeugs – arg­lis­tig ge­täusch­ter Kfz-Käu­fer dem Ver­käu­fer ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung für je­den seit der Über­ga­be mit dem Fahr­zeug ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter, wenn der Kauf­ver­trag we­gen der arg­lis­ti­gen Täu­schung be­rei­che­rungs­recht­lich rück­ab­ge­wi­ckelt wird (§ 812 I 1 Fall 1, § 818 I, II BGB).

LG Co­burg, Ur­teil vom 24.09.2020 – 15 O 68/19

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von dem Be­klag­ten am 16.08.2018 für 10.500 € ei­nen ge­brauch­ten VW Golf VI GTI. Die­ses Fahr­zeug, das sei­ner­zeit ei­ne Lauf­leis­tung von 122.000 km auf­wies, war am 29.03.2011 erst­zu­ge­las­sen wor­den.

Der schrift­li­che Kauf­ver­trag ent­hält un­ter an­de­rem fol­gen­de An­ga­ben:

III. Zu­si­che­run­gen des Ver­käu­fers

Der Ver­käu­fer si­chert Fol­gen­des zu (nicht Zu­tref­fen­des bit­te strei­chen):

☐ …
☐ …
☐ … Das Fahr­zeug hat­te, seit es im Ei­gen­tum des Ver­käu­fers war, kei­nen Un­fail­scha­den / fol­gen­de Un­fall­schä­den:
☒ … Das Fahr­zeug hat kei­ne sons­ti­gen Be­schä­di­gun­gen / fol­gen­de Be­schä­di­gun­gen: Front­stoß­stan­ge be­schä­digt.“

Un­ter „VI­II. Son­der­ver­ein­ba­run­gen“ heißt es: „Der Ver­käu­fer über­nimmt kei­ne Ge­währ­leis­tung, Ga­ran­tie oder Rück­nah­me vom Fahr­zeug. Ge­kauft wie ge­se­hen.“

Das Fahr­zeug hat­te vor der Be­sitz­zeit des Be­klag­ten ei­nen Un­fall­scha­den er­lit­ten und war an­schlie­ßend im Fe­bru­ar 2012 mit ei­nem Kos­ten­auf­wand von 5.302,81 € in­stand ge­setzt wor­den.

Nach­dem der Pkw auch in der Be­sitz­zeit des Klä­gers an ei­nem Un­fall be­tei­ligt ge­we­sen war, wur­de er be­gut­ach­tet. Da­bei wur­de ne­ben ei­ni­gen un­re­pa­rier­ten Vor­schä­den fest­ge­stellt, dass die lin­ke Fahr­zeug­sei­te in­stand ge­setzt wor­den war und so­wohl die Mo­tor­hau­be als auch der hin­te­re Stoß­fän­ger nachla­ckiert wor­den wa­ren.

Der Klä­ger er­klär­te dar­auf­hin mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 12.10.2018 ge­gen­über dem Be­klag­ten die An­fech­tung sei­ner auf den Ab­schluss des Kauf­ver­trags ge­rich­te­ten Wil­lens­er­klä­rung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung. Der Be­klag­te wur­de – er­folg­los – auf­ge­for­dert, dem Klä­ger bis zum 25.10.2018 den Kauf­preis Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs zu er­stat­ten.

Mit sei­ner Kla­ge hat der Klä­ger den Be­klag­ten auf Zah­lung von 10.500 € nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw, so­wie auf Er­satz vor­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 958,19 € nebst Zin­sen in An­spruch ge­nom­men. Er hat gel­tend ge­macht, dass der Be­klag­te ihn arg­lis­tig ge­täuscht ha­be. Denn der Be­klag­te ha­be bei Ab­schluss des streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trags le­dig­lich auf die im Kauf­ver­trag an­ge­ge­be­ne Be­schä­di­gung der Front­stoß­stan­ge hin­ge­wie­sen, ob­wohl der VW Golf VI GTI schon da­mals ein Un­fall­wa­gen ge­we­sen sei. Das er­ge­be sich aus ei­nem zwi­schen dem Be­klag­ten und sei­nem Bru­der am 29.02.2016 ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag, wo­nach der Pkw schon 2016 ei­nen – dem Be­klag­ten mit­hin be­kann­ten – Un­fall­scha­den an der Heck­klap­pe auf­ge­wie­sen ha­be. Den Kauf­ver­trag vom 29.02.2016 ha­be der Be­klag­te ihm, dem Klä­ger, je­doch erst nach Ab­schluss des streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trags über­ge­ben. Wä­re ihm der Un­fall­scha­den vor Ab­schluss die­ses Kauf­ver­trags of­fen­bart wor­den, dann hät­te er den VW Golf VI GTI nicht er­wor­ben.

Der Be­klag­te hat gel­tend ge­macht, er ha­be ge­gen­über dem Klä­ger nur An­ga­ben zu Ge­scheh­nis­sen ge­macht, die sich wäh­rend sei­ner – des Be­klag­ten – Be­sitz­zeit er­eig­net hät­ten. Ins­be­son­de­re ha­be er dem Klä­ger nur in­so­weit be­stä­tigt, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug un­fall­frei sei. Den Pkw ha­be er von sei­nem Bru­der im Früh­jahr 2016 zu ei­nem „Freund­schafts­preis“ er­wor­ben. Schon da­mals sei die Be­schä­di­gung an der Front­stoß­stan­ge, auf die er den Klä­ger hin­ge­wie­sen ha­be, vor­han­den ge­we­sen. Ob das Fahr­zeug zu­vor – in der Be­sitz­zeit sei­nes Bru­ders – ei­nen Un­fall er­lit­ten ha­be, wis­se er nicht.

Dem Klä­ger sei je­den­falls be­kannt ge­we­sen, dass die Mo­tor­hau­be des Fahr­zeugs in­fol­ge klei­ne­rer Stein­schlä­ge ein­zel­ne leich­te Krat­zer ge­habt ha­be. Auch dass der Stoß­fän­ger vorn rechts und der Fel­gen­rand leicht be­schä­digt ge­we­sen sei­en, ha­be der Klä­ger ge­wusst, weil er, der Be­klag­te, ihn dar­auf bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags hin­ge­wie­sen ha­be. Al­le die­se Ge­brauchs­spu­ren sei­en in die Ver­hand­lun­gen über den Kauf­preis ein­ge­flos­sen. Im Üb­ri­gen ha­be der Klä­ger, der selbst Kfz-Me­cha­tro­ni­ker sei, den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw vor Ab­schluss des Kauf­ver­trags ein­ge­hend be­sich­tigt, so­dass nie ein In­for­ma­ti­ons­ge­fäl­le be­stan­den ha­be.

Zu dem Vor­scha­den am Heck des Fahr­zeugs – so hat der Be­klag­te be­haup­tet – sei es wäh­rend der Be­sitz­zeit sei­nes Bru­ders ge­kom­men. Bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags vom 29.02.2016 sei nicht im De­tail über Schä­den ge­spro­chen wor­den; ihm, dem Be­klag­ten, sei le­dig­lich wich­tig ge­we­sen, dass der Pkw hin­sicht­lich des im Kauf­ver­trag be­nann­ten – op­tisch nicht wahr­zu­neh­men­den – Heck­scha­dens fach­män­nisch in­stand ge­setzt ge­we­sen sei. Dem Klä­ger ha­be er, der Be­klag­te, den Heck­scha­den nicht mit­ge­teilt, weil er auf­ge­regt ge­we­sen sei und dar­an nicht mehr ge­dacht ha­be.

Der Be­klag­te hat ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung des Klä­gers in Ab­re­de ge­stellt und dar­auf hin­ge­wie­sen, dass er dem Klä­ger im­mer­hin sämt­li­che das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug be­tref­fen­den Do­ku­men­te – ins­be­son­de­re den 2016 ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag – aus­ge­hän­digt ha­be. Darün­ber hin­aus hat der Be­klag­te ein­ge­wandt, dass sei­ne Haf­tung für Män­gel des Fahr­zeugs aus­ge­schlos­sen sei, weil der Klä­ger den Pkw „wie ge­se­hen“ ge­kauft ha­be.

Die Kla­ge hat­te über­wie­gend Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Die Kla­ge ist über­wie­gend be­grün­det. Der Klä­ger hat auf­grund arg­lis­ti­ger Täu­schung (§ 123 I Fall 1, § 142 I BGB) ei­nen Be­rei­che­rungs­an­spruch (§ 812 I 1 Fall 1 BGB) auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 23.02.2020, Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be des Pkw VW Golf VI GTI. Der Klä­ger muss sich je­doch im We­ge des Vor­teils­aus­gleichs Nut­zungs­vor­tei­le an­rech­nen las­sen.

1. In die­sem Zu­sam­men­hang kann zu­nächst da­hin­ste­hen, ob dem Klä­ger auch ab­ge­tre­te­ne Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che zu­ste­hen, weil ein auf ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung ge­grün­de­ter An­spruch nicht durch et­wai­ge Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che ver­drängt wird (vgl. BGH, Urt. v. 06.08.2008 – XII ZR 67/06, BGHZ 178, 16 = NJW 2009, 1266 Rn. 39). Auf die Wirk­sam­keit des ver­ein­bar­ten Ge­währ­leis­tungs­aus­schlus­ses kommt es da­her nicht an.

2. Der Ab­schluss des Kauf­ver­trags zwi­schen den Par­tei­en über das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug be­ruh­te auf ei­ner arg­lis­ti­gen Täu­schung des Klä­gers durch den Be­klag­ten.

a) Ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung kann durch ak­ti­ves Tun oder durch Un­ter­las­sen er­fol­gen. „Arg­lis­tig ver­schweigt“, wer sich be­wusst ist, dass ein be­stimm­ter Um­stand für die Ent­schlie­ßung sei­nes Ver­trags­part­ners er­heb­lich ist, er nach Treu und Glau­ben die­sen Um­stand mit­zu­tei­len ver­pflich­tet ist und ihn nicht of­fen­bart (BGH, Urt. v. 25.10.2007 – VII ZR 205/06, NJW-RR 2008, 258 Rn. 20). Er­for­der­lich ist wei­ter, dass der Ver­käu­fer be­wusst die Fol­gen ei­ner ver­trags­wid­ri­gen Aus­füh­rung in Kauf nimmt. Arg­list er­for­dert aber kei­ne Schä­di­gungs­ab­sicht und kei­nen Vor­teil (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2007 – VII ZR 205/06, NJW-RR 2008, 258 Rn. 20).

Für den vor­lie­gen­den Fall be­deu­tet das: Ist dem Ver­käu­fer ei­nes ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeugs ein Man­gel oder ein frü­he­rer Un­fall­scha­den (der kein Ba­ga­tell­scha­den ist) be­kannt oder hält er sol­che Schä­den auf­grund kon­kre­ter An­halts­punk­te we­nigs­tens für mög­lich, so hat er die­sen Um­stand auch un­ge­fragt dem Käu­fer mit­zu­tei­len, wenn er sich nicht dem Vor­wurf arg­lis­ti­gen Ver­schwei­gens aus­set­zen will (vgl. BGH, Urt. v. 03.03.1982 – VI­II ZR 78/81, NJW 1982, 1386).

Nach die­sen Grund­sät­zen, de­nen das Ge­richt folgt, ist vor­lie­gend von ei­nem „arg­lis­ti­gen Ver­schwei­gen“ des Be­klag­ten aus­zu­ge­hen.

aa) Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug war beim Ver­kauf nicht un­fall­frei. Zwi­schen den Par­tei­en ist zwi­schen­zeit­lich un­strei­tig, dass das Fahr­zeug in der Ver­gan­gen­heit ei­nen Un­fall­scha­den er­lit­ten hat­te, der für ei­nen Rech­nungs­be­trag von 5.302,81 € re­pa­riert wur­de.

bb) Die Un­fall­frei­heit des Fahr­zeugs ist Ge­gen­stand der Kauf­ver­trags­ver­hand­lun­gen ge­we­sen. Zwi­schen den Par­tei­en ist un­strei­tig, dass über die Fra­ge von Un­fall­schä­den ge­spro­chen wur­de. Der Be­klag­te hat den Klä­ger – in­so­weit un­strei­tig – auf di­ver­se Schä­den, un­ter an­de­rem ei­ne Be­schä­di­gung der Front­stoß­stan­ge und Krat­zer in der Mo­tor­hau­be, hin­ge­wie­sen. Er hat zu­dem im Kauf­ver­trags­for­mu­lar die Un­fall­frei­heit wäh­rend sei­nes Ei­gen­tums be­stä­tigt und die Be­schä­di­gung der Front­stoß­stan­ge hand­schrift­lich dar­in er­fasst.

cc) Über den vor­ge­nann­ten Un­fall­scha­den hät­te der Be­klag­te den Klä­ger auf­klä­ren müs­sen. Er hät­te ihn un­ge­fragt dar­auf hin­wei­sen müs­sen. Der Un­fall­scha­den des Fahr­zeugs war näm­lich kein Ba­ga­tell­scha­den.

Die Gren­ze für nicht mit­tei­lungs­pflich­ti­ge „Ba­ga­tell­schä­den“ ist bei Per­so­nen­kraft­wa­gen sehr eng zu zie­hen. Als „Ba­ga­tell­schä­den“ hat der BGH bei Per­so­nen­kraft­wa­gen nur ganz ge­ring­fü­gi­ge, äu­ße­re (Lack-)Schä­den an­er­kannt, nicht da­ge­gen an­de­re (Blech-)Schä­den, auch wenn sie kei­ne wei­ter­ge­hen­den Fol­gen hat­ten und der Re­pa­ra­tur­auf­wand nur ge­ring war (s. BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VI­II ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 20). Ob das Fahr­zeug nach dem Un­fall fach­ge­recht re­pa­riert wor­den ist, ist nicht von Be­deu­tung (BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VI­II ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 20). Auch beim Kauf ei­nes ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeugs kann der Käu­fer, wenn kei­ne be­son­de­ren Um­stän­de vor­lie­gen, er­war­ten, dass das Fahr­zeug kei­nen Un­fall er­lit­ten hat, bei dem es zu mehr als ei­nem Ba­ga­tell­scha­den ge­kom­men ist.

Bei Re­pa­ra­tur­kos­ten von über 5.000 € kann nicht von ei­nem blo­ßen Ba­ga­tell­scha­den aus­ge­gan­gen wer­den. Hier­an än­dert auch der Vor­trag, wo­nach es sich bei die­sem Be­trag haupt­säch­lich um Ar­beits- und La­ckier­kos­ten ge­han­delt ha­be, nichts. Aus­weis­lich der vor­ge­leg­ten Rech­nung (An­la­ge B 1) wur­den et­li­che Tei­le, wie bei­spiels­wei­se ein An­schluss­blech hin­ten, ei­ne Rück­wand­klap­pe und ei­ne Schluss­leuch­te, er­setzt, da­zu ein Sei­ten­teil hin­ten links in­stand­ge­setzt. Von ober­fläch­li­chen, ge­rin­gen, äu­ße­ren (Lack-)Schä­den kann hier­bei kei­ne Re­de mehr sein.

dd) Der Be­klag­te hat den Klä­ger nicht über die­se Vor­schä­den auf­ge­klärt.

ee) Die un­ter­las­se­ne Auf­klä­rung hat auch beim Klä­ger den Irr­tum er­weckt, dass kei­ne wei­te­ren als die bei Kauf­ver­trags­schluss an­ge­ge­be­nen Schä­den vor­han­den sei­en. Ein Irr­tum ist die fal­sche Vor­stel­lung von der Wirk­lich­keit. Der Klä­ger ist un­ter Zu­grun­de­le­gung der An­ga­ben des Be­klag­ten da­von aus­ge­gan­gen, dass das Fahr­zeug un­fall­frei war und le­dig­lich die sicht­ba­ren Be­schä­di­gun­gen, auf die der Be­klag­te un­strei­tig auch hin­ge­wie­sen hat, auf­wies. Tat­säch­lich be­stand je­doch ein er­heb­li­cher Vor­scha­den, der auf ei­nem Un­fall be­ruh­te.

Es ist auch nichts da­für er­sicht­lich, dass der Klä­ger trotz sei­ner Fach­kennt­nis­se als Kfz-Me­cha­tro­hi­ker die feh­len­de Un­fall­frei­heit und den Um­fang der Be­schä­di­gun­gen be­reits beim Kauf des Fahr­zeugs er­kannt hat. Der Be­klag­te hat selbst vor­ge­tra­gen, dass die Schä­den re­pa­riert wor­den und von au­ßen nicht sicht­bar ge­we­sen sei­en. Nicht sicht­ba­re Vor­schä­den kann aber auch ein – in­so­weit fach­kun­di­ger – Kfz-Me­cha­tro­ni­ker, der un­strei­tig le­dig­lich ei­ne nor­ma­le Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs vor­ge­nom­men hat, nicht er­ken­nen.

ff) Die kon­kre­te, auf den Kauf­ver­trags­schluss ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung vom 16.08.2018 ist auf­grund des Irr­tums des Klä­gers ab­ge­ge­ben wor­den. Da­her ist die Täu­schung auch kau­sal für den ab­ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag ge­wor­den.

gg) Der Be­klag­te hat auch arg­lis­tig i. S. des § 123 I Fall 1 BGB ge­han­delt.

Dies setzt un­ter an­de­rem vor­aus, dass der Er­klä­ren­de die Un­rich­tig­keit der Tat­sa­chen­be­haup­tung kennt oder zu­min­dest für mög­lich hält. Nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des BGH han­delt ein Ver­käu­fer be­reits dann arg­lis­tig, wenn er zu Fra­gen, de­ren Be­ant­wor­tung er­kenn­bar maß­geb­li­che Be­deu­tung für den Kauf­ent­schluss sei­nes Kon­tra­hen­ten hat, oh­ne tat­säch­li­che Grund­la­gen „ins Blaue hin­ein“ un­rich­ti­ge An­ga­ben macht, al­so „oh­ne hin­rei­chen­de Er­kennt­nis­grund­la­ge“ den Ver­trags­part­ner in­for­miert (s. BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VI­II ZR 209/05, BGHZ 168, 64 = NJW 2006, 2839 Rn. 13).

Der Be­klag­te hat­te vor dem Ver­kauf un­strei­tig Kennt­nis von der Re­pa­ra­tur­his­to­rie. Zwar hat er im Ver­fah­ren zu­nächst be­haup­tet, von ei­nem Un­fall in der Egen­tums­zeit sei­nes Bru­ders nichts zu wis­sen; die­ses – we­nig glaub­haf­te – Vor­brin­gen hat er im Lau­fe des Rechts­streits je­doch nicht wei­ter auf­recht­er­hal­ten. Der Bru­der des Be­klag­ten hat­te den Un­fa­li­scha­den im Kauf­ver­trag vom 29.02.2016 selbst an­ge­ge­ben. Der Scha­den war dem Be­klag­ten da­her be­kannt.

Er hat auch ge­wusst oder da­mit ge­rech­net, dass die ver­schwie­ge­ne Tat­sa­che dem Käu­fer un­be­kannt ist oder nicht be­kannt sein könn­te. Der Be­klag­te trägt selbst be­reits nicht vor, dass dem Klä­ger der Vor­scha­den be­kannt ge­we­sen sei.

Der Be­klag­te hat zu­min­dest bil­li­gend in Kauf ge­nom­men, dass der Klä­ger bei wahr­heits­ge­mä­ßer Er­klä­rung den Ver­trag nicht oder nicht mit dem ver­ein­bar­ten In­halt ge­schlos­sen hät­te (vgl. Pa­landt/El­len­ber­ger, BGB, 79. Aufl. [2020], § 123 Rn. 11). Dies folgt schon dar­aus, dass nach der Le­bens­er­fah­rung da­von aus­zu­ge­hen ist, dass der Käu­fer bei Kennt­nis des wah­ren Um­fangs der Schä­den den Ver­trag nicht oder zu­min­dest nicht zu dem ver­ein­bar­ten Kauf­preis ge­schlos­sen hat­te, son­dern je­den­falls ei­nen Preis­nach­lass sei­tens des Ver­käu­fers ver­langt hat­te (vgl. OLG Bran­den­burg, Urt. v. 23.09.2005 – 4 U 45/05, BeckRS 2005, 14677 Rn. 28).

Die­ses Wis­sen der Ver­käu­fer­sei­te in­di­ziert zi­vil­recht­lich das Wil­lens­mo­ment des be­ding­ten Vor­sat­zes ei­ner Täu­schung (vgl. OLG Bran­den­burg, Urt. v. 23.09.2005 – 4 U 45/05, BeckRS 2005, 14677 Rn. 28).

3. Der Klä­ger hat mit Schrei­ben sei­nes Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 12.10.2018 die An­fech­tung ge­mäß § 143 I, II Fall 1 BGB er­klärt.

4. Die Frist des § 124 I BGB ist ge­wahrt.

5. Der an­ge­foch­te­ne Kauf­ver­trag ist nich­tig (§ 142 I BGB). Der Klä­ger hat folg­lich nach § 812 I 1 Fall 1, § 818 I, II BGB ei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung des un­strei­ti­gen Kauf­prei­ses in Hö­he von 10.500 €, muss je­doch gleich­zei­tig das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug an den Be­klag­ten her­aus­ge­ben (dem ist in Form ei­ner Zug-um-Zug-Ver­ur­tei­lung Rech­nung zu tra­gen).

Wei­ter muss der Klä­ger im We­ge des Vor­teils­aus­gleichs die ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen her­aus­ge­ben (vgl. § 818 I, II BGB; OLG Ol­den­burg, Urt. v. 28.10.2005 – 6 U 155/05, BeckRS 2006, 10197; OLG Braun­schweig, Urt. v. 06.11.2014 – 8 U 163/13, BeckRS 2015, 155 Rn. 105).

Die Hö­he des Nut­zungs­vor­teils be­rech­net sich auf Grund­la­ge der For­mel {\frac{\text{Brut­to­kauf­preis}\times\text{ge­fah­re­ne Ki­lo­me­ter}}{\text{vor­aus­sicht­li­che Ge­samt­lauf­leis­tung}}}. Hier­bei geht das Ge­richt nach § 287 ZPO von ei­ner Ge­samt­lauf­leis­tung von 200.000 km aus. Die tat­säch­lich ins­ge­samt ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter bis zum Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung ent­nimmt das Ge­richt den An­ga­ben des Klä­gers, der un­be­strit­ten 141.961 km an­ge­ge­ben hat. Vom letz­ten Ki­lo­me­ter­stand und von der ge­ne­rel­len Fahr­leis­tung sind die bei Er­werb ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter (122.000) ab­zu­zie­hen. Dies er­gibt ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung von \left({\frac{\text{10.500 €}\times\text{19.961 km}}{\text{78.000 km}}} =\right) 2.687,06 €, die mit dem Kauf­preis – oh­ne dass es ei­ner Ge­stal­tungs­er­klä­rung oder Ein­re­de des Schä­di­gers be­darf (vgl. BGH, Urt. v. 23.06.2015 – XI ZR 536/14, NJW 2015, 3160 Rn. 22 f.) – zu ver­rech­nen ist (Kauf­preis ab­züg­lich Nut­zungs­ent­schä­di­gung: 7.812,94 €).

Nach­dem die Nut­zung wäh­rend der ge­sam­ten Be­sitz­zeit des Klä­gers – trotz der nicht be­ste­hen­den Un­fall­frei­heit – nicht be­ein­träch­tigt war, kann aus dem blo­ßen Um­stand der arg­lis­ti­gen Täu­schung bei Ver­trags­schluss nicht ab­ge­lei­tet wer­den, dass Nut­zungs­ent­schä­di­gung nicht ge­schul­det ist.

Ins­ge­samt er­gibt sich da­nach ein Zah­lungs­an­spruch von 7.812,94 €, der Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs zu er­fül­len ist. Hin­sicht­lich des dar­über hin­aus­ge­hen­den Kla­ge­an­trags war die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

6. Da der Be­klag­te arg­lis­tig ge­han­delt hat, ist der Geld­be­trag ab Emp­fang, das heißt ab dem 16.08.2018, nach § 819 I, 818 IV, 291, 288 I 2 BGB mit fünf Pro­zent­pünk­ten über dem Ba­sis­zins­satz zu ver­zin­sen.

7. Der Be­klag­te haf­tet dem Klä­ger auf Scha­dens­er­satz we­gen Ver­schul­dens bei Ver­trags­schluss (§280 I, 241 II, 311 II BGB). Dem Klä­ger steht da­her ein An­spruch auf Er­satz vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten, aus­ge­hend von ei­ner Ge­schäfts­ge­bühr von 1,3 und ei­nem be­rech­tig­ten Ge­gen­stands­wert von 10.500 €, in Hö­he von 958,19 € zu. Die aus­ge­spro­che­ne Ver­zin­sung be­stimmt sich nach der ein­ge­tre­te­nen Rechts­hän­gig­keit des An­spruchs (§§ 291, 288 I 2 BGB). …

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