Ver­klagt der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs so­wohl den Ver­käu­fer als auch die Volks­wa­gen AG, weil zum ei­nen – in Be­zug auf den Ver­käu­fer – die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges er­rei­chen und zum an­de­ren – von der Volks­wa­gen AG – Scha­dens­er­satz er­lan­gen will, so sind der Ver­käu­fer und die Volks­wa­gen AG Streit­ge­nos­sen (im An­schluss an OLG Köln, Beschl. v. 01.09.2017 – 8 AR 25/17). Des­halb ist ei­ne Be­stim­mung des zu­stän­di­gen Ge­richts nach § 36 I Nr. 3 ZPO grund­sätz­lich mög­lich.

OLG Hamm, Be­schluss vom 11.12.2017 – 32 SA 62/17

Sach­ver­halt: Der in C. wohn­haf­te Klä­ger be­gehrt von ei­ner in E. ge­schäfts­an­säs­si­gen Kfz-Händ­le­rin (Be­klag­te zu 1) die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kfz-Kauf­ver­tra­ges, weil das er­wor­be­ne Fahr­zeug – ein Se­at Al­tea – vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen sei. Von der in Wolfs­burg an­säs­si­gen Volks­wa­gen AG (Be­klag­te zu 2) ver­langt der Klä­ger den Er­satz von Schä­den, die aus der (be­haup­te­ten) Ma­ni­pu­la­ti­on des Pkw re­sul­tie­ren sol­len.

Zur Be­grün­dung sei­ner zum LG Dort­mund er­ho­be­nen Kla­ge trägt der Klä­ger in gro­ben Zü­gen Fol­gen­des vor:

Er, der Klä­ger, ha­be das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug für 19.400 € von der Be­klag­ten zu 1 er­wor­ben, weil er sei­ner­zeit auf der Su­che nach ei­nem um­welt­freund­li­chen und wert­sta­bi­len Pkw ge­we­sen sei, der die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne grü­ne Um­welt­pla­ket­te er­fül­le. Die In­for­ma­tio­nen, die er von den Be­klag­ten zum Schad­stoff­aus­stoß und zum Kraft­stoff­ver­brauch des Se­at Al­tea er­hal­ten ha­be, sei­en in­des falsch ge­we­sen. Das Fahr­zeug sei be­reits bei der Über­ga­be an ihn, den Klä­ger, in dem Sin­ne ma­ni­pu­liert ge­we­sen, dass es vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen sei. Von der die­sen Skan­dal kenn­zeich­nen­den Ma­ni­pu­la­ti­on hät­ten hoch­ran­gi­ge Füh­rungs­per­sön­lich­kei­ten – auch der da­ma­li­ge Vor­stand – der Be­klag­ten zu 2 ge­wusst; sie hät­ten die Ma­ni­pu­la­ti­on an­ge­ord­net und ge­bil­ligt.

Der Klä­ger hat zu­nächst die Auf­fas­sung ver­tre­ten, das LG Dort­mund sei ge­mäß § 32 ZPO auch in­so­weit zu­stän­dig, als sich die Kla­ge ge­gen die Be­klag­te zu 2 rich­te. Sei­ne An­sprü­che ge­gen die Be­klag­te zu 2 stützt der Klä­ger auf de­lik­ti­sche An­spruchs­grund­la­gen. Ins­be­son­de­re meint er, die Be­klag­te zu 2 müs­se ihm ge­mäß § 823 II BGB i. V. mit § 16 UWG Scha­dens­er­satz leis­ten, weil sie durch un­wah­re An­ga­ben in Pro­spek­ten und im In­ter­net ir­re­füh­rend ge­wor­ben ha­be. Da die Wer­bung im gan­zen Bun­des­ge­biet ver­brei­tet wor­den sei, sei – so hat der Klä­ger ge­meint – je­des deut­sche Ge­richt ge­mäß § 32 ZPO ört­lich zu­stän­dig. In ih­rer Kla­ge­er­wi­de­rung hat die Be­klag­te zu 2 die Un­zu­stän­dig­keit des LG Dort­mund ge­rügt und gel­tend ge­macht, dass § 32 ZPO nicht ein­schlä­gig sei. Dar­auf­hin hat der Klä­ger be­an­tragt, das zu­stän­di­ge Ge­richt durch das Ober­lan­des­ge­richt be­stim­men zu las­sen. Die Be­klag­te zu 2 ist der Auf­fas­sung, dass die­ser An­trag zu­rück­zu­wei­sen sei, weil die Be­klag­ten kei­ne Streit­ge­nos­sen sei­en.

Mit Be­schluss vom 16.10.2017 hat das LG Dort­mund die Sa­che dem OLG Hamm zur Be­stim­mung des zu­stän­di­gen Ge­richts vor­ge­legt, weil es für die ge­gen die Be­klag­te zu 2 ge­rich­te­te Kla­ge nicht zu­stän­dig sei, und zwar ins­be­son­de­re nicht ge­mäß § 32 ZPO. Das OLG Hamm hat be­schlos­sen, die Sa­che ge­mäß § 36 III ZPO dem BGH vor­zu­le­gen, da­mit die­ser das zu­stän­di­ge Ge­richt be­stim­me.

Aus den Grün­den: II. … Der Se­nat wür­de auf den An­trag ge­mäß § 36 I Nr. 3 ZPO das LG Dort­mund als zu­stän­di­ges Ge­richt be­stim­men. Wie nach­ste­hend noch aus­ge­führt wer­den wird, sieht der Se­nat die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne sol­che Zu­stän­dig­keits­be­stim­mung als ge­ge­ben an. Er sieht sich hier­an je­doch durch den … Be­schluss des OLG Nürn­berg vom 25.04.2017 (1 AR 749/17) ge­hin­dert.

Das OLG Hamm ist ge­mäß § 36 II ZPO für die Ge­richts­stand­be­stim­mung zu­stän­dig: Das nächst hö­he­re ge­mein­schaft­li­che Ge­richt der Land­ge­rich­te Dort­mund und Braun­schweig wä­re der BGH; das im Be­zirk des OLG Hamm ge­le­ge­ne LG Dort­mund wur­de zu­erst mit der Sa­che be­fasst.

Wie das OLG Köln in ei­ner ver­gleich­ba­ren Kon­stel­la­ti­on (Beschl. v. 01.09.2017 – 8 AR 25/17, NRWE) sieht auch der Se­nat die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Be­stim­mung des zu­stän­di­gen Ge­richts ge­mäß § 36 I Nr. 3 ZPO als ge­ge­ben an.

Die Be­klag­ten ha­ben un­ter­schied­li­che all­ge­mei­ne Ge­richts­stän­de ge­mäß §§ 12, 17 ZPO in den Be­zir­ken der Land­ge­rich­te Dort­mund und Braun­schweig. Ein ge­mein­sa­mer Ge­richts­stand lässt sich auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung be­son­de­rer Ge­richts­stän­de nicht mit ei­ner sol­chen Be­stimmt­heit fest­stel­len, dass ei­ne Zu­stän­dig­keits­be­stim­mung durch den Se­nat über­flüs­sig wä­re. An ei­ner sol­chen Be­stimmt­heit fehlt es nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Se­nats be­reits, wenn das zu be­stim­men­de Ge­richt sei­ne Zu­stän­dig­keit mit nach­voll­zieh­ba­ren Grün­den in­fra­ge ge­stellt hat (vgl. nur Se­nat, Beschl. v. 22.08.2016 – 32 SA 41/16, NRWE Rn. 19). So liegt die Sa­che hier. Ein ge­mein­sa­mer be­son­de­rer Ge­richts­stand für die ver­trag­li­chen An­sprü­che ge­gen die Be­klag­te zu 1 und die de­lik­ti­schen An­sprü­che ge­gen die Be­klag­te zu 2 ist nicht zu er­ken­nen. Für die ge­gen­über der Be­klag­ten zu 1 gel­tend ge­mach­ten ver­trag­li­chen An­sprü­che be­steht kein be­son­de­rer Ge­richts­stand beim LG Braun­schweig (all­ge­mei­ner Ge­richts­stand der Be­klag­ten zu 2). Ein be­son­de­rer Ge­richts­stand für die ge­gen die Be­klag­te zu 2 gel­tend ge­mach­ten de­lik­ti­schen An­sprü­che im Be­zirk des LG Dort­mund (all­ge­mei­ner Ge­richts­stand der Be­klag­ten zu 1) wur­de vom LG Dort­mund im Be­schluss vom 16.10.2017 ver­neint.

Der Se­nat geht fer­ner da­von aus, dass die Be­klag­ten vor­lie­gend als Streit­ge­nos­sen i. S. von §§ 36 I Nr. 3, 59, 60 ZPO in An­spruch ge­nom­men wer­den.

Das Vor­lie­gen ei­ner Streit­ge­nos­sen­schaft ist sorg­fäl­tig zu prü­fen, da die Zu­stän­dig­keits­be­stim­mung ge­mäß § 36 I Nr. 3 ZPO re­gel­mä­ßig da­zu führt, dass min­des­tens ein Be­klag­ter vor ein Ge­richt ge­zwun­gen wird, das nach den Zu­stän­dig­keits­re­geln der ZPO für die Ent­schei­dung ei­ner nur ge­gen ihn ge­rich­te­ten Kla­ge nicht zu­stän­dig wä­re. Die­ser sorg­sa­men Prü­fung ist der all­ge­mei­ne Be­griff der Streit­ge­nos­sen­schaft ge­mäß §§ 59, 60 ZPO zu­grun­de zu le­gen, der grund­sätz­lich weit aus­zu­le­gen ist. Streit­ge­nos­sen­schaft setzt nicht zwin­gend ei­ne Iden­ti­tät oder Gleich­heit des tat­säch­li­chen und recht­li­chen Grun­des der gel­tend ge­mach­ten An­sprü­che vor­aus. Es ist auch nicht er­for­der­lich, dass ei­ne ge­mein­sa­me und ein­heit­li­che Ent­schei­dung über die An­sprü­che der Be­klag­ten not­wen­dig ist. Streit­ge­nos­sen­schaft i. S. der §§ 59, 60 ZPO kann viel­mehr be­reits an­ge­nom­men wer­den, wenn die An­sprü­che in ei­nem in­ne­ren sach­li­chen Zu­sam­men­hang ste­hen, der sie ih­rem We­sen nach als gleich­ar­tig er­schei­nen lässt, und die ge­mein­sa­me Ver­hand­lung und Ent­schei­dung zweck­mä­ßig ist und nicht zu ei­ner Ver­wir­rung führt (vgl. nur Zöl­ler/Voll­kom­mer, ZPO, 31. Aufl. [2016], §§ 59, 60 Rn. 7 m. w. Nachw.). Der An­nah­me ei­nes Zu­sam­men­hangs steht es da­bei nicht ent­ge­gen, wenn die mit der Kla­ge gel­tend ge­mach­ten An­sprü­che ei­ner­seits auf de­lik­ti­schen und an­de­rer­seits auf ver­trag­li­chen Grund­la­gen be­ru­hen (Ba­yO­bLG, Beschl. v. 20.07.2005 – 1Z AR 118/05, ju­ris Rn. 15).

Wie auch das OLG Köln in dem be­reits zi­tier­ten Be­schluss vom 01.09.2017 geht der Se­nat von ei­nem in­ne­ren Zu­sam­men­hang zwi­schen den ge­gen die Be­klag­te zu 1 und ge­gen die Be­klag­te zu 2 ge­rich­te­ten An­trä­gen aus: Die An­sprü­che wer­den auf ei­nen im We­sent­li­chen glei­chen Le­bens­sach­ver­halt ge­stützt. Maß­geb­li­cher An­knüp­fungs­punkt des Kla­ge­vor­brin­gens ge­gen bei­de Be­klag­te ist der Schad­stoff­aus­stoß und Kraft­stoff­ver­brauch des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs, die hier­auf be­zo­ge­nen wer­ben­den Äu­ße­run­gen der Be­klag­ten zu 2 und die hier­auf ge­grün­de­te Kauf­ent­schei­dung des Klä­gers. Auch wer­den je­weils Rechts­schutz­zie­le ver­folgt, die ih­rer­seits in ei­nem in­ne­ren Zu­sam­men­hang ste­hen. Die Durch­füh­rung der im Ver­hält­nis zur Be­klag­ten zu 1 an­ge­streb­ten Wan­de­lung kann Aus­wir­kun­gen auf den ge­gen die Be­klag­te zu 2 gel­tend ge­mach­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch ha­ben. Der in­ne­re Zu­sam­men­hang wird nach Auf­fas­sung des Se­nats nicht da­durch be­rührt, dass die An­sprü­che ge­gen bei­de Be­klag­te je­weils un­ter­schied­li­che wei­te­re Vor­aus­set­zun­gen ha­ben.

Sä­he sich der Se­nat nicht an ei­ner ei­ge­nen Ent­schei­dung ge­hin­dert, so wür­de er das LG Dort­mund als zu­stän­di­ges Ge­richt be­stim­men.

Die Be­stim­mung des zu­stän­di­gen Ge­richts folgt nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Se­nats auf der Grund­la­ge von Er­wä­gun­gen der Zweck­mä­ßig­keit und Pro­zess­wirt­schaft­lich­keit. Da­bei wer­den grund­sätz­lich die Ge­rich­te der all­ge­mei­nen Ge­richts­stän­de der Be­klag­ten be­rück­sich­tigt. Um­stän­de, die hier aus­nahms­wei­se für die Be­rück­sich­ti­gung ei­nes an­de­ren Ge­richts sprä­chen (hier des LG Ber­lin, des­sen Zu­stän­dig­keit ge­mäß § 32 ZPO vom Klä­ger für die Kla­ge ge­gen die Be­klag­te zu 2 re­kla­miert wird), sind nicht er­sicht­lich.

Grün­de, die die Be­stim­mung ei­nes der bei­den erst­ge­nann­ten Ge­rich­te na­he­le­gen wür­den, be­ste­hen nicht. Da die ver­bind­li­che Be­stel­lung des Fahr­zeugs in E er­folg­te, be­steht in den Au­gen des Se­nats ei­ne et­was grö­ße­re Sach­nä­he zum dor­ti­gen Be­zirk. Das LG Braun­schweig ist als Ge­richt am Sitz der Be­klag­ten zu 2 zwar im be­son­de­ren Um­fang mit Kla­gen aus dem The­men­kreis des so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dals be­fasst, vie­le Käu­fer ma­chen ih­re Rechts­strei­tig­kei­ten aber am Sitz des Au­to­händ­lers an­hän­gig, der oft auch dem de­lik­ti­schen Ge­richts­stand für die Kla­ge ge­gen den Her­stel­ler ent­spricht. Nicht zu­letzt aus die­sem Grund ist es auch nicht zu er­ken­nen, dass es für die bun­des­weit am Markt auf­tre­ten­de Be­klag­te zu 2 nicht zu­mut­bar wä­re, ih­re Rech­te vor dem LG Dort­mund zu ver­tei­di­gen.

An der Be­stim­mung des LG Dort­mund sieht sich der Se­nat durch die ent­ge­gen­ste­hen­de Ent­schei­dung des OLG Nürn­berg (Beschl. v. 25.04.2017 – 1 AR 749/17, n. v.) ge­hin­dert. Die im be­reits mehr­fach zi­tier­ten Be­schluss des OLG Köln vom 01.09.2017 ge­nann­te wei­te­re ab­wei­chen­de Ent­schei­dung des OLG Braun­schweig (Beschl. v. 12.07.2017 – 1 W 48/17) wur­de dem Se­nat nicht vor­ge­legt und ist man­gels Ver­öf­fent­li­chung nicht be­kannt. Das OLG Nürn­berg hat ei­ne Zu­stän­dig­keits­be­stim­mung ab­ge­lehnt, da zwi­schen dem Au­to­her­stel­ler und dem Au­to­händ­ler kei­ne Streit­ge­nos­sen­schaft ge­mäß § 60 ZPO be­ste­he. Da­bei hat es sich maß­geb­lich dar­auf ge­stützt, dass bei den ge­gen den Au­to­händ­ler gel­tend ge­mach­ten kauf­recht­li­chen An­sprü­chen an­de­re recht­li­che Fra­gen im Mit­tel­punkt ste­hen – näm­lich Vor­lie­gen ei­nes Man­gels, Er­for­der­lich­keit und Mög­lich­keit ei­ner Nach­bes­se­rung –, wo­hin­ge­gen bei den de­lik­ti­schen An­sprü­chen schwer­punkt­mä­ßig Ver­schul­dens­fra­gen zu prü­fen sei­en. Wie vor­ste­hend aus­ge­führt, be­ur­teilt der Se­nat die Fra­ge der Streit­ge­nos­sen­schaft ab­wei­chend.

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