Ver­klagt der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs so­wohl den Kfz-Händ­ler, von dem er das Fahr­zeug er­wor­ben hat, als auch die Volks­wa­gen AG als Her­stel­le­rin des Fahr­zeugs, weil er fest­ge­stellt ha­ben will, dass er ge­gen­über dem Händ­ler zur Min­de­rung des Kauf­prei­ses be­rech­tigt ist und ihm die Volks­wa­gen AG Scha­dens­er­satz leis­ten muss, so sind der Kfz-Händ­ler und die Volks­wa­gen AG Streit­ge­nos­sen i. S. des § 60 ZPO.

OLG Köln, Be­schluss vom 01.09.2017 – 8 AR 25/17

Sach­ver­halt: Die An­trag­stel­le­rin, die ih­ren Wohn­sitz im Be­zirk des LG Kas­sel hat, hat vor dem LG Köln ge­gen ei­nen im Be­zirk die­ses Ge­richts ge­schäfts­an­säs­si­gen Kfz-Händ­ler (An­trags­geg­ner zu 1) und ge­gen die im Be­zirk des LG Braun­schweig ge­schäfts­an­säs­si­ge Volks­wa­gen AG (An­trags­geg­ne­rin zu 2) Kla­ge er­ho­ben.

Ge­gen­über der An­trags­geg­ne­rin zu 2 be­gehrt die An­trag­stel­le­rin die Fest­stel­lung, dass ihr die An­trags­geg­ne­rin zu 2 sämt­li­che Schä­den er­set­zen müs­se, die aus ei­ner be­haup­te­ten Ma­ni­pu­la­ti­on des – vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen – Fahr­zeugs der An­trags­geg­ne­rin stam­men. Die­sen An­spruch stützt die An­trag­stel­le­rin auf § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB und auf § 826 BGB und be­haup­tet un­ter an­de­rem, die An­trags­geg­ne­rin zu 2 ha­be sie durch fal­sche An­ga­ben zum Schad­stoff­aus­stoß des Fahr­zeugs ge­täuscht. In­so­weit – so meint die An­trag­stel­le­rin – sei das LG Köln ge­mäß § 32 ZPO, § 16 UWG ört­lich zu­stän­dig.

Ge­gen­über dem An­trags­geg­ner zu 1 be­gehrt die An­trag­stel­le­rin die Fest­stel­lung, dass ihr ein Recht zur Min­de­rung des Kauf­prei­ses (§ 441 BGB) zu­ste­he. Da­für stützt sie sich un­ter an­de­rem auf § 434 I 3 BGB, wo­nach öf­fent­li­che Aus­sa­gen des Her­stel­lers, die der Ver­käu­fer kann­te oder ken­nen muss­te, ei­nen Sach­man­gel be­grün­den kön­nen.

Dar­über hin­aus will die An­trag­stel­le­rin er­rei­chen, dass der An­trags­geg­ner zu 1 und die An­trags­geg­ne­rin zu 2 sie in ei­ner nicht nä­her be­zeich­ne­ten Schuld­ner­mehr­heit von vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten frei­stel­len müs­sen.

Das LG Köln hat die An­trag­stel­le­rin auf Be­den­ken ge­gen sei­ne ört­li­che Zu­stän­dig­keit für die Kla­ge ge­gen die An­trags­geg­ne­rin zu 2 hin­ge­wie­sen. Dar­auf­hin hat die An­trag­stel­le­rin ei­ne Zu­stän­dig­keits­be­stim­mung ge­mäß § 36 I Nr. 3 ZPO durch das Ober­lan­des­ge­richt und hilfs­wei­se die Ver­wei­sung des Rechts­streits hin­sicht­lich der An­trags­geg­ne­rin zu 2 an das LG Kas­sel (§ 32 ZPO) be­an­tragt. Die An­trags­geg­ne­rin zu 2 hat sich ge­gen ei­ne Zu­stän­dig­keits­be­stim­mung nach § 36 I Nr. 3 ZPO aus­ge­spro­chen. Sie ver­tritt un­ter Be­zug­nah­me auf ei­ne Ent­schei­dung des OLG Nürn­berg (Beschl. v. 25.04.2017 – 1 AR 749/17, n. v.) den Stand­punkt, dass man­gels Streit­ge­nos­sen­schaft die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen da­für nicht vor­lie­gen. Soll­te gleich­wohl das zu­stän­di­ge Ge­richt ge­mäß § 36 I Nr. 3 ZPO be­stimmt wer­den, so sei es pro­zess­wirt­schaft­lich und zweck­mä­ßig, das LG Braun­schweig als zu­stän­di­ges Ge­richt zu be­stim­men. Denn dort ha­be sie – die An­trags­geg­ne­rin zu 2 – ih­ren all­ge­mei­nen Ge­richts­stand, und dort könn­te des­halb ei­ne Viel­zahl von Zeu­gen ver­nom­men wer­den. Au­ßer­dem sei es sinn­voll, die Viel­zahl von Ver­fah­ren im Zu­sam­men­hang mit dem VW-Ab­gas­skan­dal dort zu kon­zen­trie­ren, wo sie – die An­trags­geg­ne­rin zu 2 – ih­ren all­ge­mei­nen Ge­richts­stand ha­be.

Das OLG Köln hat die Sa­che ge­mäß § 36 III 1 ZPO dem BGH zur Ent­schei­dung vor­ge­legt.

Aus den Grün­den: II. … 1. Der Se­nat wür­de auf den zu­läs­si­gen An­trag ge­mäß § 36 I Nr. 3 ZPO das LG Köln als zu­stän­di­ges Ge­richt be­stim­men. Nach Auf­fas­sung des Se­nats lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen hier­für vor.

a) Das OLG Köln ist ge­mäß § 36 I Nr. 3, II ZPO für die Ge­richts­stand­be­stim­mung zu­stän­dig, weil das zu­nächst hö­he­re ge­mein­schaft­li­che Ge­richt der Land­ge­rich­te Köln und Braun­schweig der BGH wä­re und das im Be­zirk des OLG Köln ge­le­ge­ne LG Köln zu­erst mit der Sa­che be­fasst wor­den ist.

b) Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Ge­richts­stands­be­stim­mung lie­gen vor.

aa) Die An­trags­geg­ner sol­len als Streit­ge­nos­sen i. S. von §§ 36 I Nr. 3, 59, 60 ZPO ver­klagt wer­den.

§ 60 ZPO be­ruht weit­ge­hend auf Zweck­mä­ßig­keits­er­wä­gun­gen und ist des­halb grund­sätz­lich weit aus­zu­le­gen. Dies ge­stat­tet es, auch oh­ne Iden­ti­tät oder Gleich­heit des tat­säch­li­chen und recht­li­chen Grun­des der gel­tend zu ma­chen­den An­sprü­che Streit­ge­nos­sen­schaft an­zu­neh­men, wenn die­se An­sprü­che in ei­nem in­ne­ren sach­li­chen Zu­sam­men­hang ste­hen, der sie ih­rem We­sen nach als gleich­ar­tig er­schei­nen lässt (BGH, Beschl. v. 03.05.2011 – X ARZ 101/11, ju­ris Rn. 18; Beschl. v. 23.05.1990 – I ARZ ;186/90, ju­ris Rn. 5). Ein Zu­sam­men­hang wird we­der da­durch auf­ge­ho­ben, dass die An­sprü­che ge­gen die An­trags­geg­ner auf un­ter­schied­li­che Ver­trä­ge ge­stützt wer­den, die ih­rer­seits nicht in un­mit­tel­ba­rem recht­li­chen Zu­sam­men­hang ste­hen (BGH, Beschl. v. 07.01.2014 – X ARZ 578/13, ju­ris Rn. 9), noch durch den Um­stand, dass sie ei­ner­seits auf de­lik­ti­schen und an­de­rer­seits auf ver­trag­li­chen An­sprü­chen be­ru­hen (Ba­yO­bLG, Beschl. v. 20.07.2005 – 1Z AR 118/05, ju­ris Rn. 15).

So liegt der Fall nach Auf­fas­sung des Se­nats hier. Der in­ne­re Zu­sam­men­hang zwi­schen den gel­tend ge­mach­ten An­sprü­chen wird da­durch be­grün­det, dass die­se auf ei­nem im We­sent­li­chen glei­chen Le­bens­sach­ver­halt be­ru­hen und dass ge­gen die bei­den An­trag­stel­ler Rechts­schutz­zie­le ver­folgt wer­den, die ih­rer­seits in ei­nem in­ne­ren Zu­sam­men­hang ste­hen. Maß­geb­li­cher An­knüp­fungs­punkt des Kla­ge­vor­brin­gens sind ge­gen bei­de Be­klag­te der Schad­stoff­aus­stoß des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs, die hier­mit ver­bun­de­nen werb­li­chen Äu­ße­run­gen der An­trags­geg­ne­rin zu 2 und die hier­auf ge­grün­de­te Kauf­ent­schei­dung der An­trag­stel­le­rin. Be­son­ders deut­lich wird die Ver­bin­dung der An­sprü­che bei den Aus­füh­run­gen zu den werb­li­chen Aus­sa­gen der An­trag­stel­le­rin zu 2. Die­se sol­len ei­ner­seits ge­mäß § 434 I 3 BGB den ge­gen den An­trags­geg­ner zu 1 ver­folg­ten Ge­währ­leis­tungs­an­spruch tra­gen und an­de­rer­seits ei­ne de­lik­ti­sche Täu­schung sei­tens der An­trags­geg­ne­rin zu 2 be­grün­den. Die ver­folg­ten Rechts­schutz­zie­le – Fest­stel­lung des Rechts auf Scha­dens­er­satz ge­gen­über der Her­stel­le­rin, Fest­stel­lung des Rechts auf Min­de­rung ge­gen­über dem Händ­ler – ste­hen un­be­scha­det der Fra­ge der Zu­läs­sig­keit der ge­stell­ten An­trä­ge eben­falls in ei­nem en­gen in­ne­ren Zu­sam­men­hang, denn sie be­tref­fen den­sel­ben Er­werbs­vor­gang, und der Um­fang des Min­de­rungs­an­spruchs kann den Um­fang des Scha­dens­er­satz­an­spruchs be­ein­flus­sen. Aus der Kla­ge­schrift er­gibt sich zu­dem, dass die Klä­ge­rin ent­spre­chend dem Ge­setz ihr be­haup­te­tes Min­de­rungs­recht an­stel­le des Rechts auf Rück­tritt ge­gen­über dem An­trags­geg­ner zu 1 gel­tend ma­chen möch­te und zu­gleich ge­gen­über der An­trags­geg­ne­rin zu 2 sich die Gel­tend­ma­chung der Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags vor­be­hält.

Der in­ne­re Zu­sam­men­hang wird nach Auf­fas­sung des Se­nats nicht da­durch auf­ge­ho­ben, dass für die je­wei­li­gen An­sprü­che wei­te­re, zwi­schen den An­trags­geg­nern di­ver­gie­ren­de Vor­aus­set­zun­gen exis­tie­ren. Das gilt um­so mehr, als die be­reits vor­lie­gen­de Kla­ge­er­wi­de­rung der An­trags­geg­ne­rin zu 2 sich in wei­ten Tei­len mit der Fra­ge be­fasst, ob das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug feh­ler­haft ist und ob bei der An­trag­stel­le­rin ein Scha­den ein­ge­tre­ten ist. Die­se Fra­gen stel­len sich auch im Ver­hält­nis zum An­trags­geg­ner zu 1.

bb) Die An­trags­geg­ner ha­ben un­ter­schied­li­che all­ge­mei­ne Ge­richts­stän­de, und ei­ner Zu­stän­dig­keits­be­stim­mung steht nicht das Vor­lie­gen ei­nes ge­mein­sa­men be­son­de­ren Ge­richts­stan­des ent­ge­gen.

Beim LG Braun­schweig be­steht kein ge­mein­sa­mer be­son­de­rer Ge­richts­stand, weil die ge­gen­über dem An­trags­geg­ner zu 1 gel­tend ge­mach­ten kauf­recht­li­chen An­sprü­che kei­nen Be­zug zu die­sem Ge­richts­be­zirk auf­wei­sen. Das­sel­be gilt für das LG Kas­sel, denn die An­trag­stel­le­rin macht ge­gen den An­trags­geg­ner zu 1 Min­de­rungs­an­sprü­che gel­tend, wel­che nicht den Ge­richts­stand des Er­fül­lungs­or­tes ge­mäß § 29 ZPO be­grün­den (OLG Ham­burg, Beschl. v. 18.07.2005 – 13 AR 24/05, OLGR 2006, 25). Ob ein ge­mein­sa­mer Ge­richts­stand ge­mäß § 32 ZPO beim LG Köln be­steht, kann of­fen­blei­ben, weil die be­ab­sich­tig­te Zu­stän­dig­keits­be­stim­mung schon dann (ge­ge­be­nen­falls de­kla­ra­to­risch) er­ge­hen kann, wenn der ge­mein­sa­me be­son­de­re Ge­richts­stand nicht si­cher fest­stell­bar ist oder wenn das zu be­stim­men­de Ge­richt sei­ne Zu­stän­dig­keit mit nach­voll­zieh­ba­ren Grün­den in­fra­ge stellt (OLG Hamm, Beschl. v. 22.08.2016 – I-32 SA 41/16, ju­ris Rn. 14; OLG Köln, Beschl. v. 30.05.2016 – 8 AR 24/16, ju­ris Rn. 7; OLG Mün­chen, Beschl. v. 08.01.2013 – 34 AR 336/12, ju­ris Rn. 7; vgl. auch OLG Frank­furt a. M., Beschl. v. 03.07.2017 – 13 SV 6/17, ju­ris). So liegt der Fall hier aus­weis­lich des Hin­wei­ses des LG Köln auf sei­ne feh­len­de ört­li­che Zu­stän­dig­keit in Be­zug auf die An­trags­geg­ne­rin zu 2.

c) Der Se­nat be­ab­sich­tigt, das LG Köln als zu­stän­di­ges Ge­richt zu be­stimm­ten. Zwar spre­chen Ge­sichts­punk­te der Pro­zess­wirt­schaft­lich­keit und der Kon­zen­tra­ti­on da­für, das LG Braun­schweig als Sitz­ge­richt der Her­stel­le­rin zu be­stim­men, um ei­ne ein­heit­li­che Ent­schei­dung der an­ste­hen­den Fra­gen zu ge­währ­leis­ten (vgl. Ba­yO­bLG, Beschl. v. 29.04.1999 – 1Z AR 37/99, ju­ris Rn. 9). Auf der an­de­ren Sei­te be­steht durch den Um­stand, dass der Kauf­ver­trag mit dem in L. an­säs­si­gen An­trags­geg­ner zu 1 ge­schlos­sen wur­de, ei­ne be­son­de­re Sach­nä­he zum Be­zirk L. Vor al­lem aber ist es der bun­des­weit agie­ren­den An­trags­geg­ne­rin zu 2 als Her­stel­le­rin eher zu­zu­mu­ten, ih­re Rech­te vor ei­nem aus­wär­ti­gen Ge­richt zu ver­tei­di­gen, als dem mit re­gio­na­lem Schwer­punkt han­deln­den An­trags­geg­ner zu 1, ….

2. An die­ser Ent­schei­dung sieht sich der Se­nat durch die ent­ge­gen­ste­hen­den Ent­schei­dun­gen der Ober­lan­des­ge­rich­te Nürn­berg (Beschl. v. 25.04.2017 – 1 AR 749/17, n. v.) und Braun­schweig (Beschl. v. 12.07.2017 – 1 W 48/17, n. v.) ge­hin­dert. Bei­de Ge­rich­te ha­ben das Vor­lie­gen ei­ner Streit­ge­nos­sen­schaft ge­mäß §§ 36 I Nr. 3, 60 ZPO zwi­schen ge­mein­sam ver­klag­ten Au­to­her­stel­ler und Au­to­händ­ler ver­neint und ei­ne Zu­stän­dig­keits­be­stim­mung ab­ge­lehnt. Da­bei ha­ben sich die­se Ge­rich­te maß­geb­lich dar­auf ge­stützt, dass bei den ge­gen den Au­to­händ­ler gel­tend ge­mach­ten kauf­recht­li­chen An­sprü­chen an­de­re recht­li­che Fra­gen im Mit­tel­punkt ste­hen – näm­lich Vor­lie­gen ei­nes Man­gels, Er­for­der­lich­keit und Mög­lich­keit ei­ner Nach­bes­se­rung –, wo­hin­ge­gen bei den de­lik­ti­schen An­sprü­chen schwer­punkt­mä­ßig Ver­schul­dens­fra­gen zu prü­fen sei­en. Die Kon­stel­la­tio­nen un­ter­schei­den sich zwar in­so­weit, als in den vor­zi­tier­ten Rechts­strei­ten das Au­to­haus je­weils nicht auf Min­de­rung, son­dern auf Rück­ab­wick­lung in An­spruch ge­nom­men wur­de. Sie ste­hen ei­ner Ent­schei­dung des Se­nats aber den­noch ent­ge­gen, da die Ver­knüp­fung der Rechts­schutz­zie­le nach Auf­fas­sung des Se­nats in den dor­ti­gen Fäl­len noch en­ger ist. Da der Se­nat die Rechts­fra­ge des Vor­lie­gens ei­ner Streit­ge­nos­sen­schaft, wie aus den vor­ste­hen­den Aus­füh­run­gen er­sicht­lich, in an­de­rer Wei­se be­ant­wor­ten möch­te als die Ober­lan­des­ge­rich­te Nürn­berg und Braun­schweig, legt er die Sa­che dem BGH ge­mäß § 36 III ZPO vor.

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