1. Ob sich der Käu­fer ei­nes Neu­wa­gens i. S. des § 242 BGB treu­wid­rig ver­hält, wenn er we­gen ei­nes Man­gels wirk­sam vom Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten ist und an die­sem Rück­tritt fest­hält, ob­wohl er den Man­gel nach­träg­lich be­sei­tigt hat, ist auf­grund ei­ner um­fas­sen­den Ab­wä­gung der In­ter­es­sen bei­der Kauf­ver­trags­par­tei­en zu be­ur­tei­len. Da­bei spie­len ins­be­son­de­re der Grund für die Man­gel­be­sei­ti­gung und de­ren Zeit­punkt ei­ne Rol­le.
  2. Ist der Käu­fer ei­nes Neu­wa­gens wirk­sam vom Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten, weil es dem Ver­käu­fer trotz meh­re­rer Nach­bes­se­rungs­ver­su­che nicht ge­lun­gen ist, das Ein­drin­gen von Was­ser in den Fahr­zeu­gin­nen­raum zu ver­hin­dern, so ist ein Fest­hal­ten des Käu­fers an dem Rück­tritt nicht treu­wid­rig, wenn der Man­gel nach­träg­lich un­be­ab­sich­tigt da­durch be­sei­tigt wird, dass we­gen ei­nes Stein­schlags die Front­schei­be aus­ge­tauscht wird.
  3. Die in § 476 BGB vor­ge­se­he­ne Be­weis­last­um­kehr greift zu­guns­ten des Käu­fers schon dann, wenn die­sem der Nach­weis ge­lingt, dass sich in­ner­halb von sechs Mo­na­ten ab Ge­fahr­über­gang ei­ne Man­gel­er­schei­nung ge­zeigt hat, die – un­ter­stellt, sie hät­te ih­re Ur­sa­che in ei­nem dem Ver­käu­fer zu­zu­rech­nen­den Um­stand – des­sen Haf­tung we­gen Ab­wei­chung von der ge­schul­de­ten Be­schaf­fen­heit be­grün­den wür­de. Da­ge­gen muss der Käu­fer we­der dar­le­gen und nach­wei­sen, auf wel­che Ur­sa­che die Man­gel­er­schei­nung zu­rück­zu­füh­ren ist, noch dass die­se Ur­sa­che in den Ver­ant­wor­tungs­be­reich des Ver­käu­fers fällt (im An­schluss an BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VI­II ZR 103/15). Dar­über hin­aus kommt die in § 476 BGB ge­re­gel­te Ver­mu­tung dem Käu­fer auch da­hin zu­gu­te, dass der bin­nen sechs Mo­na­ten nach Ge­fahr­über­gang zu­ta­ge ge­tre­te­ne Man­gel zu­min­dest im An­satz schon bei Ge­fahr­über­gang vor­ge­le­gen hat (im An­schluss an BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VI­II ZR 103/15).

OLG Schles­wig, Ur­teil vom 05.10.2017 – 7 U 88/16

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt die be­klag­te Kia-Ver­trags­händ­le­rin auf Rück­ab­wick­lung ei­nes Kfz-Kauf­ver­tra­ges in An­spruch, nach­dem er den Rück­tritt von die­sem Ver­trag er­klärt hat.

Der Klä­ger kauf­te bei der Be­klag­ten ei­nen fa­brik­neu­en Kia Spar­ta­ge 1.6 GOI zum Preis von 23.500 €. Das Fahr­zeug wur­de ihm am 04.07.2013 über­ge­ben. Zu­vor, näm­lich be­reits am 01.07.2013, hat­te die Be­klag­te we­gen ei­ner de­fek­ten Hei­zung die Front­schei­be des Pkw aus­ge­wech­selt, oh­ne dass der Klä­ger dar­über in­for­miert wur­de.

In der Fol­ge­zeit, und zwar am 15.10.2013, am 11.11.2013, vom 02.01.2014 bis zum 09.01.2014 und vom 11.02.2014 bis zum 15.02.2014, be­fand sich das Fahr­zeug we­gen Feuch­tig­keit im Fahr­zeu­gin­ne­ren, ins­be­son­de­re im rech­ten Fuß­raum, wie­der­holt in der Werk­statt. Strei­tig ist in­so­weit al­lein, ob bei dem Werk­statt­auf­ent­halt am 15.10.2013 die Front­schei­be des Fahr­zeu­ges aus­ge­wech­selt oder le­dig­lich neu ver­klebt wur­de.

Mit An­walts­schrei­ben vom 21.05.2014 ließ der Klä­ger den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klä­ren, weil es der Be­klag­ten trotz meh­re­rer Ver­su­che nicht ge­lun­gen sei, das Ein­drin­gen vo Was­ser in das Fahr­zeug ab­zu­stel­len.

Im Som­mer 2014 ließ der Klä­ger nach ei­nem Stein­schlag die Front­schei­be in ei­ner (an­de­ren) Kia-Ver­trags­werk­statt wech­seln. Seit­dem sind nach sei­nen An­ga­ben kei­ne Feuch­tig­keits­er­schei­nun­gen mehr auf­ge­tre­ten.

Das Land­ge­richt (LG Lü­beck, Urt. v. 22.07.2016 – 2 O 104/16) hat die Kla­ge nach Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens ab­ge­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat es im We­sent­li­chen aus­ge­führt, der Klä­ger sei nicht zum Rück­tritt be­rech­tigt ge­we­sen; er hät­te der Be­klag­ten zu­vor ei­ne Frist zur Nach­bes­se­rung set­zen müs­sen. Denn der Klä­ger ha­be das Fahr­zeug nach dem zwei­ten Nach­bes­se­rungs­ver­such im No­vem­ber 2013 ent­ge­gen­ge­nom­men, oh­ne den Nach­weis ge­führt zu ha­ben, dass es in der Fol­ge­zeit auf­grund des be­haup­te­ten Man­gels wie­der­um zu Feuch­tig­keits­er­schei­nun­gen im Fahr­zeug ge­kom­men sei. Auch der Sach­ver­stän­di­ge ha­be nicht fest­stel­len kön­nen, dass es zu Was­ser­ein­brü­chen ge­kom­men sei. Oh­ne­hin sei das Ge­richt nicht da­von über­zeugt, dass das Fahr­zeug über­haupt man­gel­haft (ge­we­sen) sei.

Die Be­ru­fung des Klä­gers hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: Der vom Klä­ger mit Schrei­ben vom 21.05.2014 er­klär­te Rück­tritt vom Kauf­ver­trag (§§ 437 Nr. 2, 440 Satz 2 BGB) greift durch.

Wenn­gleich der Se­nat der Auf­fas­sung zu­neigt, dass be­reits das Aus­wech­seln der Front­schei­be vor Über­ga­be des Fahr­zeu­ges an den Klä­ger – und oh­ne ihn da­von in Kennt­nis zu set­zen – ei­nen Sach­man­gel be­grün­det, kann dies im Er­geb­nis da­hin­ste­hen. Je­den­falls die neu­es­te Recht­spre­chung des BGH zur Aus­le­gung von § 476 BGB (BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VI­II ZR 103/15) hat zur Fol­ge, dass das Rück­ab­wick­lungs­be­geh­ren des Klä­gers Er­folg hat.

Nach dem vor­ge­nann­ten Ur­teil (Leit­satz 1) ist § 476 BGB – ein Ver­brauchs­gü­ter­kauf i. S. von§ 474 I BGB liegt hier vor – richt­li­ni­en­kon­form da­hin aus­zu­le­gen, dass die dort vor­ge­se­he­ne Be­weis­last­um­kehr zu­guns­ten des Käu­fers schon dann greift, wenn die­sem der Nach­weis ge­lingt, dass sich in­ner­halb von sechs Mo­na­ten ab Ge­fahr­über­gang ein man­gel­haf­ter Zu­stand (ei­ne Man­gel­er­schei­nung) ge­zeigt hat, der – un­ter­stellt, er hät­te sei­ne Ur­sa­che in ei­nem dem Ver­käu­fer zu­zu­rech­nen­den Um­stand – des­sen Haf­tung we­gen Ab­wei­chung von der ge­schul­de­ten Be­schaf­fen­heit be­grün­den wür­de. Da­ge­gen muss der Käu­fer we­der dar­le­gen noch nach­wei­sen, auf wel­che Ur­sa­che die­ser Zu­stand zu­rück­zu­füh­ren ist, noch dass die­se in den Ver­ant­wor­tungs­be­reich des Ver­käu­fers fällt.

Wei­ter (Leit­satz 2 ist § 476 BGB richt­li­ni­en­kon­form da­hin aus­zu­le­gen, dass dem Käu­fer die dort ge­re­gel­te Ver­mu­tungs­wir­kung auch da­hin zu­gu­te­kommt, dass der bin­nen sechs Mo­na­ten nach Ge­fahr­über­gang zu­ta­ge ge­tre­te­ne man­gel­haf­te Zu­stand zu­min­dest im An­satz schon bei Ge­fahr­über­gang vor­ge­le­gen hat.

Dies zu­grun­de ge­legt, er­gibt sich Fol­gen­des:

Un­strei­tig war das vom Klä­ger bei der Be­klag­ten er­wor­be­ne Neu­fahr­zeug in­ner­halb der sechs­mo­na­ti­gen Frist des § 476 BGB mehr­fach we­gen Was­ser­ein­brü­chen im Fahr­zeu­gin­ne­ren in der Werk­statt der Be­klag­ten. Die Feuch­tig­keit ins­be­son­de­re im rech­ten· Fuß­raum ist ei­ne (ty­pi­sche) Man­gel­er­schei­nung im Sin­ne der zi­tier­ten Ent­schei­dung des BGH; der Klä­ger muss dem­nach we­der dar­le­gen noch be­wei­sen, auf wel­che Ur­sa­che die­se Man­gel­er­schei­nung zu­rück­zu­füh­ren ist, noch dass sie in den Ver­ant­wor­tungs­be­reich der Be­klag­ten fällt. Wei­ter wird ver­mu­tet, dass die Ur­sa­che der Man­gel­er­schei­nung zu­min­dest schon im An­satz bei Ge­fahr­über­gang vor­ge­le­gen hat, was hier oh­ne­hin na­he­liegt, da be­reits vor Ge­fahr­über­gang die Wind­schutz­schei­be aus­ge­wech­selt wor­den ist. Das Ge­gen­teil des­sen hät­te die Be­klag­te dar­zu­le­gen und ge­ge­be­nen­falls zu be­wei­sen.

Wie im an­ge­foch­te­nen Ur­teil zu­tref­fend aus­ge­führt, konn­te der Sach­ver­stän­di­ge zwar kei­ne Spu­ren ei­nes Was­ser­durch­tritts (mehr) fest­stel­len, eben­so we­nig konn­te er dies je­doch tech­nisch aus­schlie­ßen, da es im Som­mer 2014 zu ei­nem (er­neu­ten) Wech­sel der Front­schei­be in­fol­ge ei­nes Stein­schlag­scha­dens ge­kom­men war. Mit­hin ist das Be­wei­s­er­geb­nis of­fen mit der Fol­ge, dass die be­weis­be­las­te­te Be­klag­te be­weis­fäl­lig ge­blie­ben ist. Für ih­re Be­haup­tung, der Klä­ger sel­ber ha­be das Fahr­zeu­gin­ne­re ge­wäs­sert, um sich von dem Kauf­ver­trag lö­sen zu kön­nen, gab und gibt es nicht den ge­rings­ten An­halt.

Wird mit­hin ein Sach­man­gel zu­guns­ten des Klä­gers ver­mu­tet, lie­gen auch die Vor­aus­set­zun­gen des § 440 Satz 2 BGB für ei­nen Rück­tritt vom Kauf­ver­trag oh­ne vor­he­ri­ge Frist­set­zung vor. Denn der Be­klag­ten ist es in je­den­falls drei Ver­su­chen nicht ge­lun­gen, den Man­gel zu be­sei­ti­gen, so­dass die Nach­bes­se­rung als fehl­ge­schla­gen gilt und es da­mit ge­mäß § 440 Satz 1 Fall 1 BGB ei­ner Frist­set­zung nicht mehr be­darf.

Mit­hin ist der Klä­ger wirk­sam vom Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten.

Der Klä­ger ist auch nicht un­ter dem Ge­sichts­punkt des treu­wid­ri­gen Ver­hal­tens (§ 242 BGB) dar­an ge­hin­dert, an dem wirk­sam er­klär­ten Rück­tritt fest­zu­hal­ten.

Zwar wur­de nach wirk­sa­mer Rück­tritts­er­klä­rung, aber rund sechs Mo­na­te vor An­hän­gig­keit des Rechts­streits (30.12.2014) der Man­gel bzw. die Man­gel­ur­sa­che (of­fen­bar end­gül­tig) be­ho­ben, in­dem in ei­ner an­de­ren Kia-Werk­statt nach ei­nem Stein­schlag­scha­den die Front­schei­be er­neut aus­ge­wech­selt wur­de. Die­se Män­gel­be­sei­ti­gung steht in­des dem Fest­hal­ten an dem ein­mal er­klär­ten Rück­tritt nicht ent­ge­gen. Auch wenn der Klä­ger da­durch den Man­gel „selbst“ be­sei­tigt hat, lässt die Selbst­be­sei­ti­gung mit an­schlie­ßen­der Wei­ter­be­nut­zung des Fahr­zeu­ges das Fest­hal­len an der Rück­ab­wick­lung des Kaufs nicht not­wen­di­ger­wei­se als un­zu­läs­si­ge Rechts­aus­übung er­schei­nen; viel­mehr ist er­for­der­lich ei­ne um­fas­sen­de Ab­wä­gung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen (vgl. da­zu Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 13. Aufl. [2017], Rn. 883 ff. m. w. Nachw.).

Hier hat der Klä­ger, der zu die­sem Zeit­punkt noch gar nicht wuss­te, dass Ur­sa­che der Was­ser­ein­brü­che of­fen­sicht­lich Män­gel beim Ein­brin­gen der Front­schei­be wa­ren, die­se nach ei­nem Stein­schlag­scha­den (zu­las­ten sei­nes Kas­ko­ver­si­che­rers) aus­wech­seln las­sen. Dies ist ein oh­ne Wei­te­res nach­voll­zieh­ba­rer Grund, ist doch der Wech­sel ei­ner Front­schei­be nach ei­nem Stein­schlag­scha­den in der Re­gel schon aus Si­cher­heits­grün­den er­for­der­lich. Erst nach die­ser Re­pa­ra­tur stell­te sich her­aus, dass es nicht mehr zu Feuch­tig­keits­ein­brü­chen im Fahr­zeu­gin­ne­ren kam, so­dass aus Sicht des Klä­gers die Ur­sa­che der Man­gel­er­schei­nun­gen ge­klärt war.

Dass der Klä­ger gleich­wohl an dem ein­mal er­klär­ten Rück­tritt fest­ge­hal­ten hat, ist aus Sicht des Se­nats nach­voll­zieh­bar; denn er hat­te ein Fahr­zeug er­wor­ben, das von An­fang mit ei­nem nicht un­er­heb­li­chen Man­gel be­las­tet war. Sich von ei­nem sol­chen Fahr­zeug wie­der tren­nen zu wol­len und dar­an auch fest­zu­hal­ten, er­scheint man­gels ge­gen­tei­li­gen Vor­trags der Be­klag­ten, die für die Grund­la­gen des rechts­ver­nich­ten­den Ein­wands der un­zu­läs­si­gen Rechts­aus­übung dar­le­gungs- und be­weis­be­las­tet ist, nicht von vorn­her­ein un­bil­lig.

Die zu leis­ten­de Nut­zungs­ent­schä­di­gung be­misst der Se­nat mit 0,5 % des Brut­to­kauf­prei­ses (118,75 €) je an­ge­fan­ge­ne ge­fah­re­ne 1.000 km. Das ge­fun­de­ne rech­ne­ri­sche Er­geb­nis kor­re­spon­diert mit den Ge­braucht­wa­gen­prei­sen für Fahr­zeu­ge vom Typ des Fahr­zeugs des Klä­gers. …

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