1. Indem der Verkäufer eines Gebrauchtwagens die Abweisung einer auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichteten Klage beantragt und das Vorliegen der vom Käufer behaupteten Mängel (größtenteils) bestreitet, verweigert er eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) nicht i. S. des § 323 II Nr. 1 BGB ernsthaft und endgültig.
  2. Für die Beurteilung, ob dem Käufer eine Nacherfüllung i. S. von § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers, diesem vorzuwerfende Nebenpflichtverletzungen oder der Umstand, dass der Verkäufer bereits bei dem ersten Erfüllungsversuch – also bei Übergabe der Kaufsache – einen erheblichen Mangel an fachlicher Kompetenz hat erkennen lassen und das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört ist.

LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 23.03.2017 – 19 O 6678/16

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von dem Beklagten, einem gewerblichen Kfz-Händler, die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen.

Er kaufte von dem Beklagten am 20.08.2016 ein gebrauchtes Fahrzeug, das er zuvor auf dem Betriebsgelände des Beklagten besichtigt und mit dem er eine Probefahrt von etwa 7 km Länge unternommen hatte. Auf die Frage des Klägers nach möglichen Unfallschäden des Fahrzeugs und danach, ob der Pkw ein „Raucherfahrzeug“ sei, hatte der Mitarbeiter M des Beklagten geantwortet, dass er dies nicht wisse.

Der schriftliche Kaufvertrag enthält unter der Überschrift „Bezeichnung des Fahrzeugs“ unter anderem die Angaben „Kilometerstand lt. Vorbesitzer: 125.183“ sowie „Erstzulassung: 12.12.2012“. Außerdem heißt es in der Rubrik „Besondere Vereinbarungen / Angaben laut Vorbesitzer:“

„– Gebrauchsspuren, Dellen, Kratzer, Steinschläge
– Abweichungen vom Inserat
– Unfallschäden können nicht ausgeschlossen werden“

Darüber hinaus wurde in den vorgedruckten Text „Auf Wunsch des Käufers wird/wurde ein __________ erstellt.“ handschriftlich „KÜSPlus“ (für „KÜSPlus-GebrauchtwagenCheck“) eingefügt.

Nachdem der Kläger am 22.08.2016 den Kaufpreis in bar gezahlt und von dem Beklagten eine Rechnung erhalten hatte, holte er am 23.08.2016 die Fahrzeugpapiere ab, um das Fahrzeug zuzulassen. Bei dieser Gelegenheit wurde dem Kläger seitens des Beklagten mitgeteilt, dass „der TÜV“ für das Fahrzeug „neu gemacht“ worden sei.

Am 24.08.2016 holte der Kläger schließlich das Fahrzeug bei dem Beklagten ab. Gleichzeitig wurde ihm das Ergebnis des „KÜSPlus-GebrauchtwagenChecks“ vom 22.08.2016 übergeben. In diesem Dokument, das der Kläger am 24.08.2016 auf den Seiten 2 und 3 unterzeichnete, heißt es: „Beachten Sie bitte insbesondere die mit ? gekennzeichneten Punkte“, und insbesondere ist darin Folgendes aufgeführt:

Karosserie

? Folgende äußerliche Beschädigungen sind erkennbar: Schleif- und Anstoßspuren u. a. an Seitenteil hinten rechts, Front- und Heckverkleidung, Dellen am gesamten Fahrzeug ringsum z. B. Tür vorne links

? An der Karosserie befindet sich Korrosion u. a. an folgenden Bauteilen: Seitenteil hinten links

? Der Lack ist durch Steinschlag im Frontbereich und Kratzer am gesamten Fahrzeug ringsum z. B. Kotflügel vorne rechts geschädigt

? Lackausbesserungen durch Lackstift an verschiedenen Bauteilen z. B. Heckverkleidung und Seitenteil hinten rechts

? Die Zierleisten/Dekore/Radkappen sind vollständig und weisen Gebrauchsspuren auf

? Die Verglasung ist unbeschädigt — leichter Steinschlag im Frontbereich

? Der Unterboden und die Bodengruppe ist ohne Beanstandungen — leichte Korrosionsansätze u. a. an Anbauteilen, Kanten und Verschraubungen

? An der Beleuchtungsanlage sind keine Schäden erkennbar — leichter Steinschlag im Frontbereich, Gebrauchsspuren

? Türkante Türe vorne rechts verbogen

Innenraum

Die Funktionen der Bedienungseinrichtungen sind ohne Beanstandungen
Heizung und Lüftung zeigen keine Mängel

? An Verkleidungen, Himmel und Teppichen sind Gebrauchsspuren erkennbar

Antrieb

Am Motor und Getriebe sind keine atypischen Geräusche zu hören

Zubehör/Historie

Bei einer Untersuchung im Umfang einer HU wurden keine Mängel festgestellt“

Ebenfalls am 24.08.2016 wurde dem Kläger das Serviceheft („Scheckheft“) des streitgegenständlichen Fahrzeugs übergeben.

Mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 25.08.2016 erklärte der Kläger den Rücktritt von dem am 20.08.2016 geschlossenen Kaufvertrag und forderte den Beklagten auf, ihm bis zum 05.09.2016 den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs zurückzuzahlen.

Der Kläger macht geltend, dass der Pkw – was der Beklagte weitestgehend bestreitet – folgende Mängel aufweise:

  • Die Lüftungsöffnungen für die hinteren Sitze ließen sich nicht verstellen, da der Mechanismus gebrochen sei.
  • Die Abdeckung des Regen- und Lichtsensors halte nicht und falle auch ohne Krafteinwirkung herunter.
  • Der Dachhimmel des Fahrzeugs weise – unstreitig – unzählige Flecken auf.
  • Im Innenraum des Fahrzeugs rieche es, insbesondere nachdem das Fahrzeug einige Zeit in der Sonne gestanden habe, deutlich nach Rauch, sodass es sich vermutlich um ein „Raucherfahrzeug“ handele.
  • Das Fahrzeug weise – unstreitig – Rostschäden auf. Der Kläger behauptet und der Beklagte bestreitet, dass diese Schäden erheblich seien; teilweise blühe der Rost sogar schon. Deutliche Rostaufblühungen fänden sich insbesondere oberhalb der Frontscheibe am Übergang zum Dach sowie am Knick der Heckklappe unterhalb der Heckscheibe, im Bereich der Karosserieübergänge, insbesondere bei den Türen. Auch die Scharniere der vorderen Türen, insbesondere die dortigen Schrauben, zeigten einen deutlichen Rostansatz. Die Türen zeigten auch deutliche Abnutzungsspuren, was darauf schließen lasse, dass sie schon einmal ausgebaut worden seien. Dies wiederum lasse zwanglos auf die Beseitigung von Unfallschäden schließen.
  • Das Fahrzeug sei deutlich stärker verkratzt, als dies bei einem noch nicht einmal vier Jahre alten Pkw zu erwarten sei. Teilweise gingen die Kratzer sogar durch sämtliche Lackschichten bis auf das Metall und hätten schon Rost angesetzt.
  • Das Getriebe verursache während der Fahrt, insbesondere beim Schalten, laute und deutlich hörbare Knackgeräusche, die darauf schließen ließen, dass der Pkw eine höhere Laufleistung als die angegebenen 125.000 km habe.
  • Im Serviceheft sei augenscheinlich der Kilometerstand für den bislang letzten Kundendienst am 11.11.2015 von 151.528 km auf 121.528 km korrigiert worden. Dies lasse ebenfalls den Verdacht aufkommen, dass das Fahrzeug bereits eine deutlich höhere Laufleistung als die beim Verkauf angegebenen 125.000 km aufweise.

Darüber hinaus ist das streitgegenständliche Fahrzeug – unstreitig – vom VW-Abgasskandal betroffen.

Der Kläger behauptet, die in Rede stehenden Mängel seien bei der Besichtigung und der Probefahrt nicht erkennbar gewesen. Das Fahrzeug sei so nah an einem Gebäude geparkt gewesen, dass es nicht rundum habe besichtigt werden können. Links und rechts hätten – unstreitig – weitere Fahrzeuge gestanden, sodass die Türen des streitgegenständlichen Pkw nur sehr begrenzt hätten geöffnet werden konnten. Zudem habe das Fahrzeug offensichtlich bereits längere Zeit direkt an einer Straße im Freien gestanden und sei stark verschmutzt gewesen.

Der Kläger meint, eine Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) sei bei dem vorliegenden Gebrauchtwagenkauf unmöglich. Von dem Beklagten Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) zu verlangen, sei ihm – dem Kläger – nicht zuzumuten gewesen. Vielmehr lasse der Umstand, dass ihm der Beklagte das Ergebnis des „KÜSPlus-GebrauchtwagenChecks“ erst vier Tage nach Abschluss des Kaufvertrags mitgeteilt habe, zwanglos auf ein arglistiges Verhalten des Beklagten schließen. Der Beklagte habe nicht nur bei der Übergabe des Fahrzeugs, sondern bereits bei Abschluss des Kaufvertrags versucht, ihn – den Kläger – über den tatsächlichen Zustand des Fahrzeugs im Unklaren zu lassen, und ihm deshalb auch den Prüfbericht erst nach Abschluss des Kaufvertrags ausgehändigt. Davon abgesehen wäre eine Nachbesserung mit einer nicht unerheblichen Überarbeitung des Fahrzeugs, zum Beispiel einer Teillackierung, verbunden und würde sich negativ auf den Wert des Pkw auswirken. Deshalb – so meint der Kläger – wäre das Fahrzeug nach einer Nachbesserung ein anderes Fahrzeug als vertraglich vereinbart.

Im Übrigen könne darin, dass der Beklagte die Abweisung der Klage beantragt und ihm – dem Kläger – nicht einmal konkludent eine Nacherfüllung angeboten habe, eine Erfüllungsverweigerung des Beklagten gesehen werden, die das Setzen einer Frist zur Nacherfüllung entbehrlich mache.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Die Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrags wegen des mit Schreiben vom 25.08.2016 erklärten Rücktritts ist unbegründet. Ein mögliches Rücktrittsrecht des Klägers gemäß §§ 434, 437 Nr. 2 Fall 1, 440 BGB scheitert jedenfalls daran, dass der Kläger dem Beklagten keinerlei Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben hat, sondern ohne Vorwarnung den Rücktritt vom Vertrag erklärte.

1. Das Vorliegen eines Sachmangels i. S. des § 434 BGB muss vorliegend nicht abschließend beantwortet werden.

a) Bereits kein Sachmangel i. S. des § 434 BGB liegt hinsichtlich der Spekulationen des Klägers bezüglich eines vorangegangenen Unfallereignisses sowie der Behauptung, es handele sich um ein Raucherfahrzeug, vor. Denn anlässlich des Verkaufsgesprächs wurde nach dem eigenen Vortrag des Klägers die Frage nach etwaigen Unfallschäden sowie danach, ob es sich um ein Raucherfahrzeug handele, mit Nichtwissen beantwortet. Zudem enthält der Kaufvertrag den handschriftlichen Eintrag „Unfallschäden können nicht ausgeschlossen werden“.

b) Soweit der Kläger darüber spekuliert, dass der Kilometerstand höher sein könnte als im Kaufvertrag angegeben, ist darauf zu verweisen, dass dort „Kilometerstand lt. Vorbesitzer: 125.183“ vermerkt wurde und es sich hierbei um eine reine Wissensmitteilung des Beklagten und keine vertragliche Zusicherung bzw. Vereinbarung handelt.

c) Die seitens des Klägers gerügten Spritzer am Kfz-Himmel fallen ersichtlich unter den Aspekt „Gebrauchsspuren“ und sind somit von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit gemäß § 434 I 1 BGB gedeckt. Sie sind zudem angesichts der durchgeführten Probefahrt für den Kläger ohne Weiteres vor Vertragsschluss erkennbar gewesen und von diesem jedenfalls konkludent akzeptiert worden. Denn angesichts des durch den Kläger vorgelegten Fotos erscheint es ausgeschlossen, dass diese erheblichen Spritzer anlässlich der Probefahrt nicht aufgefallen sind.

d) Die Knackgeräusche des Getriebes an sich stellen keinen Sachmangel, sondern lediglich ein Symptom dar. Insbesondere trägt der Kläger nicht vor, dass das Getriebe defekt sei, sondern vermutet lediglich eine höhere Laufleistung.

e) Die Feststellungen des „KÜSPlus-GebrauchtwagenChecks“ konnten an der vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung nichts mehr ändern. Angesichts der Tatsache, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme und Gegenzeichnung der dort aufgeführten Mängel bereits den vollständigen Kaufpreis gezahlt hatte und das Kfz auf sich zugelassen hatte, kann hierin durch das Gericht auch kein Verzicht des Klägers auf entsprechende Mängelrügen erkannt werden.

Angesichts der vorgelegten Lichtbilder, die Roststellen im Lack zeigen, wäre hierzu sowie hinsichtlich des gebrochenen Mechanismus für die Lüftungsöffnungen der hinteren Sitze und der losen Abdeckung des Regen- und Lichtsensors Beweis zu erheben.

2. Es kann jedoch dahinstehen, ob die durch den Kläger behaupteten – und vom Beklagten bestrittenen – Sachmängel vorliegen. Denn die verbliebenen behaupteten Sachmängel inklusive der Betroffenheit vom VW-Abgasskandal sind sämtlich durch Nachbesserungsarbeiten des Klägers behebbar, sodass der Kläger zunächst auf das Recht der Nachbesserung gemäß § 439 I Fall 1 BGB zu verweisen ist.

Eine endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten hinsichtlich der Nachbesserung kann dem Prozessverhalten des Beklagten, der sich auf den Vorrang der Nacherfüllung ab der Klageerwiderung berufen hat, nicht entnommen werden. Sie lag aber insbesondere nicht vor der Rücktrittserklärung des Klägers am 25.08.2016 vor, sodass auch eine entsprechende Entrüstung des Beklagten im Prozess nachvollziehbar ist, dem vor dem Rücktritt keine Untersuchungsmöglichkeit am Fahrzeug aufgrund der Beanstandungen des Klägers eingeräumt wurde.

Die Nachbesserung ist dem Kläger auch nicht unzumutbar gemäß § 440 Satz 1 Fall 3 BGB.

Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers, diesem vorzuwerfende Nebenpflichtverletzungen oder der Umstand; dass der Verkäufer bereits bei dem ersten Erfüllungsversuch, also bei Übergabe, einen erheblichen Mangel an fachlicher Kompetenz hat erkennen lassen und das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört ist.

Das Argument des Klägers, der Beklagte habe durch die Vorgehensweise mit dem „KÜSPlus-GebrauchtwagenCheck“ arglistig gehandelt, kann seitens des Gerichts nicht nachvollzogen werden. Denn dieser „GebrauchwagenCheck“ wurde erst am 22.08.2016 vorgenommen, somit nach Kaufvertragsschluss. Insofern konnte der Beklagte – bzw. sein Verkäufer – den Kläger nicht auf dessen Ergebnis hinweisen.

Der Kläger trägt auch nicht vor, den Verkäufer des Beklagten gefragt zu haben, ob das Kfz dem VW-Diesel-Abgasskandal unterfällt.

Soweit der Kläger vorträgt, der Verkäufer des Beklagten habe auf die Frage nach dem Umfang vorhandener Gebrauchsspuren und Vorschäden nicht konkret geantwortet, so behauptet er nicht einmal, dass dem Verkäufer eine konkretere Antwort möglich gewesen wäre.

Die Schäden auf den durch den Kläger vorgelegten Lichtbildern … sind angesichts der vertraglichen Vereinbarung „Gebrauchsspuren, Dellen, Kratzer, Steinschläge“ nicht so erheblich, dass der Beklagte hinsichtlich der behaupteten Rostaufblühungen nicht auf eine Nachbesserung durch Abschleifen und Neulackieren bzw. Austausch einzelner Karosserieteile verwiesen werden kann. Eine Überarbeitung des Fahrzeugs im Wege des Überlackierens von Roststellen führt angesichts dieser kaufvertraglichen Vereinbarung „Dellen, Kratzer, Steinschläge“ zu keinem völlig anderen – wertminderen – Fahrzeug.

3. Nachdem der Rücktritt nicht wirksam erklärt wurde, konnte ein Annahmeverzug des Beklagten nicht eintreten und sind die für die Rücktrittserklärung angefallenen Rechtsanwaltskosten nicht vom Beklagten geschuldet. …

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