- Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Denn auch der durchschnittliche Käufer eines Gebrauchtwagens kann grundsätzlich i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB erwarten, dass sein Fahrzeug nicht mit einer Software ausgestattet ist, die eine Reduzierung insbesondere der Stickoxid(NOX)-Emissionen bewirkt, sobald sie erkennt, dass das Fahrzeug auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert. Diese Erwartung ist jedenfalls dann berechtigt, wenn das Fahrzeug von einem Vertragshändler veräußert wurde und dieser damit geworben hat, dass es die Euro-5-Emissionsgrenzwerte einhalte.
- Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen weist auch deshalb keine i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB übliche und daher vom Käufer zu erwartende Beschaffenheit auf, weil das Fahrzeug zwingend ein Softwareupdate erhalten muss und eine Betriebsuntersagung (§ 5 I FZV) droht, wenn der Käufer das Update nicht installieren lässt.
- Die Pflichtverletzung des Verkäufers, die in der Lieferung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen und somit mangelhaften Fahrzeugs liegt, ist schon deshalb nicht i. S. von § 323 V 2 BGB unerheblich, weil die Maßnahmen zur Beseitigung des Mangels der umfassenden behördlichen Prüfung und Genehmigung durch das Kraftfahrt-Bundesamt bedurften. Darüber hinaus ist bei der Beurteilung, ob der Mangel, an dem ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug leidet, geringfügig ist, zu berücksichtigen, dass selbst nach einer Nachbesserung durch Installation eines Softwareupdates ein merkantiler Minderwert allein deshalb verbleiben könnte, weil das Fahrzeug zu den vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen gehört(e).
- Setzt der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – mangelhaften – Fahrzeugs dem Verkäufer gemäß § 323 I BGB eine Frist zur Nachbesserung, so muss er bei der Bemessung der Frist zwar die Dimension des VW-Abgasskandals und den technischen Aufwand für die Entwicklung eines Softwareupdates, das für eine Nachbesserung erforderlich ist, berücksichtigen. Es ist dem Käufer aber nicht ohne Weiteres zuzumuten, auf die Freigabe des Updates durch das Kraftfahrt-Bundesamt zu warten. Dementsprechend ist eine Frist von deutlich über einem Jahr nicht mehr angemessen i. S. des § 323 I BGB, sondern unangemessen lang.
- Die Darlegungs- und Beweislast für den Umfang des Anspruchs auf Nutzungswertersatz, den der Verkäufer bei der Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages gegen den Käufer hat (§ 346 I, II 1 Nr. 1 BGB), trifft den Nutzungswertersatz verlangenden Verkäufer.
LG Aachen, Urteil vom 07.07.2017 – 8 O 12/16
(nachfolgend: OLG Köln, Beschluss vom 20.12.2017 – 18 U 112/17)
Sachverhalt: Die Klägerin nimmt die Beklagte, eine VW-Vertragshändlerin, im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal auf Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages in Anspruch.
Am 15.06.2015 kaufte die Klägerin von der Beklagten für 14.990 € einen im Juni 2013 erstzugelassenen Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 11.949 km. Dieses Fahrzeug – ein VW Beetle – ist mit einem von der Volkswagen AG hergestellten 1,6-Liter-Dieselmotor (77 kW) vom Typ EA189 ausgestattet und deshalb vom VW-Abgasskandal betroffen. Eine Software erkennt, ob der Pkw regulär im Straßenverkehr betrieben wird oder ob er auf einem technischen Prüfstand einen Emissionstest absolviert. In einer Testsituation aktiviert die Software einen bestimmten Betriebsmodus („Modus 1“), in dem die Abgasrückführungsrate relativ hoch und deshalb der Stickoxid(NOX)-Ausstoß verhältnismäßig niedrig ist. Deshalb wird – auf dem Prüfstand – der einschlägige Euro-5-Emissionsgrenzwert eingehalten. Unter realen Bedingungen im Straßenverkehr wird das Fahrzeug dagegen im „Modus 0“ betrieben, in dem die Abgasrückführungsrate niedriger und in dem deshalb die Stickoxidemissionen höher sind als im „Modus 1“.
Nachdem die Verwendung einer den Schadstoffausstoß manipulierenden Software bekannt geworden war, gab das Kraftfahrt-Bundesamt der Volkswagen AG auf, die Software aus allen betroffenen Fahrzeugen zu entfernen. In der Folgezeit prüfte das Kraftfahrt-Bundesamt einen ihm von der Volkswagen AG vorgelegten Maßnahmenplan und gab sukzessive auf verschiedene Fahrzeugtypen abgestimmte Softwareupdates zur Installation frei. Die EG-Typgenehmigung der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge wurde nicht entzogen, wenngleich das Kraftfahrt-Bundesamt die Installation eines Softwareupdates als verpflichtend ansieht.
Mit Schreiben vom 15.10.2015 rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten, dass ihr Fahrzeug unter anderem deshalb mangelhaft sei, weil darin eine den Schadstoffausstoß manipulierende Software verwendet werde. Sie forderte die Beklagte – erfolglos – zur Beseitigung des Mangels auf und setzte ihr dafür eine Frist bis zum 31.10.2015. Mit Schreiben vom 24.10.2015 wiederholte die Klägerin ihre Mängelrüge und setzte der Beklagten eine weitere, am 08.11.2015 endende Frist zur Nachbesserung, die ebenfalls ergebnislos verstrich. Schließlich erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 01.12.2015 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte auf, bis zum 10.12.2015 den Pkw gegen Rückzahlung des um eine Nutzungsentschädigung verminderten Kaufpreises zurückzunehmen und ihr – der Klägerin – bestimmte Aufwendungen zu ersetzen. Dies lehnte die Beklagte ab. Sie bot der Klägerin jedoch an, das streitgegenständliche Fahrzeug aus Kulanz gegen Zahlung eines Aufpreises durch ein gleichwertiges Fahrzeug mit Benzinmotor zu ersetzen. Damit war die Klägerin nicht einverstanden.
Nachdem die Volkswagen AG die Klägerin darüber informiert hatte, dass ein Softwareupdate für ihr Fahrzeug nicht vor September 2016 zur Verfügung stehe, genehmigte das Kraftfahrt-Bundesamt mit Bescheid vom 15.12.2016 eine technische Umrüstung des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps. Dementsprechend wurde der Klägerin mitgeteilt, dass eine Softwarelösung für ihr Fahrzeug verfügbar sei.
Die Klägerin hält ihr Fahrzeug für mangelhaft. Sie behauptet, die Beklagte habe den Pkw unzutreffend beschrieben, indem sie ihn als Fünfsitzer beworben habe, obwohl es – unstreitig – nur vier Sitzplätze gibt. Darüber hinaus sei das Fahrzeug als der CO2-Effizienzklasse A angehörig angepriesen worden, obwohl es tatsächlich nicht einmal die Voraussetzungen für eine Einstufung in die CO2-Effizienzklasse B erfülle. Schließlich – so macht die Klägerin geltend – sei der Pkw mangelhaft, weil darin eine den Schadstoffausstoß manipulierende Software zum Einsatz komme. Insoweit sei eine Nachbesserung (durch Installation eines Softwareupdates) nicht möglich. Vielmehr sei davon auszugehen, dass nach der Installation des Updates der Kraftstoffverbrauch und der Schadstoffausstoß anstiegen. Abgesehen davon sei es ihr, der Klägerin, nicht zuzumuten gewesen, über ein Jahr auf die Installation des Softwareupdates zu warten.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte müsse ihr nicht nur den um eine Nutzungsentschädigung verminderten Kaufpreis erstatten, sondern ihr auch bestimmte Aufwendungen ersetzen. Insoweit behauptet die Klägerin, sie habe Teile ihres Fahrzeugs für 595 € folieren und für 90 € Alupedale einbauen lassen. Außerdem habe sie für die Ausstattung des Fahrzeugs mit einem Navigationssystem 900 €, für Radioblenden 90 € und für ein abschließbares Handschuhfach 150 € aufgewendet. Darüber hinaus habe sie Radzierblenden zum Preis von 100 € angeschafft.
Die Klage hatte weit überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: I. … 1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere hat die Klägerin im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 756, 765 ZPO ein schützenswertes Interesse i. S. des § 256 I ZPO an der begehrten Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten.
2. Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß §§ 346 I, 348, 437 Nr. 2 Fall 1, 323, 434 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich eines Nutzungsersatzanspruchs der Beklagten und zuzüglich eines Verwendungsersatzanspruchs in Höhe von insgesamt 15.794,73 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen VW Beetle zu.
a) Mit Schreiben vom 01.12.2015 hat die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt (vgl. § 349 BGB).
b) Die Parteien waren durch den im Juni 2015 geschlossenen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen VW Beetle vertraglich miteinander verbunden.
Es kann dahinstehen, ob entsprechend der Rechtsansicht der Klägerin ein (erheblicher) Fahrzeugmangel auch darin zu sehen ist, dass das Fahrzeug entgegen der Anpreisung im Internetinserat … tatsächlich kein Fünfsitzer ist, sondern lediglich ein Viersitzer, und ferner, ob das Fahrzeug fehlerhaft in die CO2-Effizienzklasse A eingestuft wurde. Denn jedenfalls war der Pkw zum Zeitpunkt der Übergabe am 18.06.2015 mangelhaft, da er aufgrund der Ausstattung mit zwei Betriebsmodi sowie einer auf das Motorsteuerungsgerät einwirkenden Software jedenfalls nicht die übliche Beschaffenheit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB aufwies.
Nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist ein Kaufgegenstand frei von Sachmängeln, wenn er sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Maßgeblich ist die objektiv berechtigte Käufererwartung (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 12 m. w. Nachw.).
Ein Emissionsverhalten des Motors entsprechend der Euro-5-Abgasnorm stellt eine solche Eigenschaft dar. Ein Durchschnittskäufer eines Neufahrzeugs kann berechtigterweise davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über eine entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der NOX-Ausstoß reduziert wird (vgl. LG Oldenburg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16, juris Rn. 26; LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15, juris Rn. 18). Dies muss nach Auffassung des Gerichts auch für einen durchschnittlichen Gebrauchtwagenkäufer gelten, jedenfalls dann, wenn er wie hier die Klägerin das Fahrzeug von einem autorisierten Vertragshändler erworben hat und ihm in der Verkaufsannonce zugesichert wurde, dass das Fahrzeug die Schadstoffklasse Euro 5 erreicht.
Zwar müssen nach Auffassung des Gerichts die unter Laborbedingungen erzielten Werte im Straßenverkehr nicht eingehalten werden. Allerdings ist zu beanstanden, dass der verbaute Motor die gesetzlichen Vorgaben im Prüfstandlauf nur aufgrund der manipulierten Software einhält (vgl. LG Oldenburg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16, juris Rn. 26; LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15, juris Rn. 18). Zwar gibt der Prüfstandmodus, wie allgemein bekannt ist, nicht den realen Motorbetrieb wieder. Allerdings geht ein Käufer von einer grundsätzlichen Übertragbarkeit der dort ermittelten Werte auf das Verbrauchsverhalten und die zu erwartenden Emissionswerte des jeweiligen Fahrzeugs auch im realen Straßenverkehr aus (vgl. LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16, juris Rn. 25; LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 – I-2 O 425/15, juris Rn. 17). Dieser grundsätzlichen Vergleichbarkeit wird aber durch den Einsatz der Software die Grundlage entzogen. Dies führt im vorliegenden Fall zu einer Täuschung der Klägerin über die Aussagekraft und Vergleichbarkeit der in der Verkaufsannonce veröffentlichten Messwerte mit den im realen Fahrbetrieb zu erwartenden Emissionswerten.
Gleichermaßen wies das klägerische Fahrzeug im maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrenübergangs deshalb nicht die zu erwartende Beschaffenheit auf, weil das Fahrzeug – auch nach dem Vorbringen der Beklagten – zwingend einem Softwareupdate unterzogen werden muss, um den entsprechenden Auflagen des Kraftfahrt-Bundesamtes zu genügen und keine Betriebsuntersagung gemäß § 5 FZV zu riskieren (vgl. LG Frankenthal (Pfalz), Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, BeckRS 2016, 08996).
c) Weiterhin ist der Rücktritt auch nicht nach § 323 V 2 BGB ausgeschlossen. Die Pflichtverletzung erweist sich unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls jedenfalls im Rahmen einer Gesamtabwägung nicht als unerheblich.
Im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, bei der unter anderem der für die Mangelbeseitigung erforderliche Aufwand, aber auch die Schwere des Verschuldens zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 [2874]; Urt. v. 24.03.2006 – V ZR 173/05, NJW 2006, 1960 [1961]).
Entgegen der Ansicht der Beklagten erweist sich die Pflichtverletzung nicht bereits dann als unerheblich, wenn sich das Softwareupdate in einer vergleichsweise kurzen Zeit von circa einer Stunde aufspielen lässt, wobei gerichtsbekannt in Parallelfällen auch damit argumentiert wird, dass die Kosten hierfür lediglich weniger als 100 € betrügen. Die Beklagte verkennt hierbei, dass der (vor allem zeitliche) Aufwand der Mangelbeseitigung nicht alleine maßgeblich ist. Insoweit ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass es sich nicht um eine einfache technische Maßnahme handelt, worauf bereits die erhebliche Zeit von knapp einem Jahr hindeutet, die es gedauert hat, um eine technische Lösung zu entwickeln. Hinzu kommt, dass gerichtsbekannt Volkswagen gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt einen Maßnahmenplan vorlegen und die jeweilige konkrete Software durch das Kraftfahrt-Bundesamt geprüft und freigegeben werden musste. Insoweit schließt sich das Gericht der Auffassung (vgl. LG München I, Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15, juris Rn. 42; LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16, juris Rn. 48; LG Aachen, Urt. v. 06.12.2016 – 10 O 146/16, juris Rn. 30) an, wonach eine Pflichtverletzung dann nicht mehr als unerheblich anzusehen ist, wenn – wie hier – eine Mängelbeseitigungsmaßnahme der umfassenden vorherigen behördlichen Prüfung und Genehmigung bedarf.
Darüber hinaus war zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts durch die Klägerin, auf den abzustellen ist (vgl. BGH, Urt. v. 15.06.2011 – VIII ZR 139/09, NJW 2011, 3708 Rn. 9 m. w. Nachw.), nicht abzusehen, ob die Korrektur der bisherigen Manipulationssoftware negative Auswirkungen auf die übrigen Emissionswerte, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung haben würde. Hinzu kommt, dass derzeit noch nicht abzusehen ist, ob sich allein durch die Betroffenheit des klägerischen Fahrzeugs vom Abgasskandal ein merkantiler Minderwert für den streitgegenständlichen W realisieren wird. Im Hinblick auf die umfassende Berichterstattung zum sogenannten Abgasskandal und die sich daraus in der Öffentlichkeit ergebenen kontroversen Diskussionen, auch über einen etwaigen Mehrverbrauch nach durchgeführter Nachbesserung, ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass sich dies auf den im Falle eines Verkaufs zu erzielenden Wiederverkaufspreis negativ auswirkt.
d) Die Klägerin hat der Beklagten auch erfolglos eine Frist zur Nachbesserung gesetzt (§ 323 I BGB).
Zwar erweist sich die in den klägerischen Schreiben vom 15.10. und vom 24.10.2015 letztlich bis zum 08.11.2015 gesetzte Frist angesichts der Dimension der Softwareproblematik bei diversen Dieselmotoren verschiedenster Modelle von Volkswagen und des technischen Aufwands für die Entwicklung einer Lösung als zu kurz bemessen. Jedoch tritt anstelle der zu kurzen Frist eine objektiv angemessene Frist (vgl. BGH, Urt. v. 21.06.1985 – V ZR 134/84, NJW 1985, 2640).
Vorliegend kann dahinstehen, wie lang eine angemessene Frist konkret zu bemessen gewesen wäre. Das Gericht teilt nicht die teilweise in der Rechtsprechung vertretene Ansicht, dass es dem Käufer ohne Weiteres zuzumuten ist, auf die Freigabe der Softwarelösung durch das Kraftfahrt-Bundesamt zu warten (in diese Richtung etwa LG Frankenthal (Pfalz), Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, BeckRS 2016, 08996; LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 – I-2 O 425/15, juris Rn. 19). Bei der Bestimmung der Angemessenheit der Frist ist auf den Sinn und Zweck der Fristsetzung abzustellen; die Frist soll einem Schuldner eine letzte Gelegenheit zur Vertragserfüllung eröffnen. Damit unvereinbar wäre aus Sicht des Gerichts eine Frist von – wie hier – deutlich mehr als einem Jahr. Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass man wegen der Dimension des Abgaskanals dem Hersteller bzw. dem Händler eine längere Frist zur Beseitigung des Mangels einräumen müsste, ist diese bereits abgelaufen. Denn nach Mitteilung der Beklagten im Schriftsatz vom 18.04.2016 sollten die durchzuführenden Update-Maßnahmen weit vor September 2016 umgesetzt werden, was indes nicht der Fall war. Damit hat die Beklagte selbst einen Rahmen gesetzt, in dem mindestens eine Nachbesserung zu erwarten war. Vielmehr ist die Freigabe erst am 15.12.2016 geschehen; von einem konkreten Zeitpunkt, ab dem die Klägerin zur Nachrüstung in einer Werkstatt gerufen werden könnte, hat die Beklagte nichts vorgetragen.
e) Aufgrund des wirksamen Rücktritts sind gemäß § 346 I BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Beklagte hat den Kaufpreis zu erstatten und erhält neben dem streitgegenständlichen Wagen auch die durch die Fahrleistung eingetretene Wertminderung des Fahrzeugs nach § 346 II 1 Nr. 1 BGB ersetzt. Dementsprechend hat sich die Klägerin auf den zurückzuerstattenden Kaufpreis von 14.990 € eine Nutzungsentschädigung anrechnen zu lassen.
Das Gericht geht vorliegend davon aus, dass das klägerische Fahrzeug bei Klageeinreichung am 12.01.2016 eine Laufleistung von rund (11.949 km + 4.800 km ≈) 16.750 km aufgewiesen hat, da die Klägerin nach ihrem Vortrag in der Klageschrift mit dem Fahrzeug bis dahin 4.800 km zurückgelegt hat.
Dieser Vortrag ist von der Beklagten nicht bestritten worden, sondern lediglich, dass das Fahrzeug einen aktuellen Kilometerstand von 14.949 km aufweist, was die Klägerseite indes gar nicht behauptet hat. Das Bestreiten ist daher unerheblich. Davon abgesehen trifft den Verkäufer im Rahmen des Wertersatzanspruchs eine Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Urt. v. 15.04.2010 – III ZR 218/09, NJW 2010, 2868 Rn. 21 m. w. Nachw.), sodass es der Beklagten oblegen hätte, substanziiert und gegebenenfalls unter entsprechendem Beweisantritt darzulegen, welche „geringere“ Kilometerleistung der streitgegenständliche Wagen denn zurückgelegt hätte. Auf diese unzulängliche Darlegung musste das Gericht auch nicht gemäß § 139 ZPO hinweisen. Denn zu einer richterlichen Aufklärung besteht – wie vorliegend – bei einem nicht nur ergänzungsbedürftigen, sondern bereits substanzlosen Vorbringen kein Anlass (vgl. BGH, Urt. v. 22.04.1982 – VII ZR 160/81, NJW 1982, 1708 [1711]).
Die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen VW Beetle schätzt das Gericht vorliegend gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.01.2008 – I-1 U 152/07, juris Rn. 41; OLG Köln, Urt. v. 20.02.2013 – 13 U 162/09, NJW-RR 2013, 1209 [1210]; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl. [2014], Rn. 3574), sodass ausgehend von der unstreitigen Laufleistung bei Fahrzeugübergabe von 11.949 km von einer voraussichtlichen Restlaufleistung von circa 238.000 km auszugehen ist. Dies ergibt einen Gebrauchsvorteil von 302,32 €
$$\left({\frac{\text{14.990 € [Bruttokaufpreis]}\times\text{4.800 km [gefahrene Kilometer]}}{\text{238.000 km [voraussichtliche Restlaufleistung]}}}\right).$$
f) Zudem kann die Klägerin gemäß § 347 II 2 BGB die Aufwendungen für die Ausstattung mit dem Navigationssystem in Höhe von 900 € nebst Radioblenden zu einem Preis von 78,47 € von der Beklagten ersetzt verlangen, ferner die Aufwendungen für die Umrüstung auf ein abschließbares Handschuhfach in Höhe von 128,58 €. Ein weitergehender Anspruch auf Ersatz der getätigten Aufwendungen besteht nicht.
Im Einzelnen:
Gemäß § 347 II 1 BGB kann der Zurücktretende notwendige Verwendungen geltend machen. Dabei werden unter Verwendungen Aufwendungen verstanden, die zumindest auch der Sache zugutekommen, indem sie ihrer Wiederherstellung, Erhaltung oder Verbesserung dienen (Palandt/Bassenge, BGB, 76. Aufl. [2017], § 994 Rn. 2). Die Verwendung ist notwendig, wenn sie zur Erhaltung oder ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Sache nach objektivem Maßstab zum Zeitpunkt der Vornahme erforderlich ist, also sonst der Verkäufer sie hätte machen müssen, und nicht nur Sonderzwecken des Besitzers dient (BGH, Urt. v. 15.03.2013 – V ZR 201/11, NJW-RR 2013, 1318 Rn. 22).
Danach stellen die geltend gemachten Aufwendungen insgesamt keine notwendigen Verwendungen dar. Sowohl die nach Feststellung des Sachverständigen aufgebrachte Folierung als auch der Einbau der Alupedale, des Navigationssystems nebst Radioblenden, des abschließbaren Handschuhfachdeckels als auch die Radzierblenden dienten sämtlich nicht zur Erhaltung der Sache, sondern wurden von der Klägerin im Rahmen von Sonderzwecken angeschafft. Auch der Verkäufer – wie hier die Beklagte – hätte diese Aufwendungen nicht tätigen müssen.
Lediglich die Aufwendungen für Navigationssystem nebst Radioblenden und Umrüstung auf ein abschließbares Handschuhfach können als sonstige Verwendungen i. S. von § 347 II 2 BGB ersetzt verlangt werden. Insoweit geht das Gericht davon aus, dass bei der Beklagten eine Bereicherung verblieben ist, da von einem Wertzuwachs auszugehen ist, den die Beklagte beim Weiterverkauf realisieren kann. Nach den Feststellungen des Sachverständigen, die durch die Parteien auch nicht in Zweifel gezogen werden, beträgt der Wert des eingebauten Navigationsgeräts mindestens 900 €. Ferner hat der Sachverständige nachvollziehbar und plausibel ausgeführt, dass man für den Ausbau des Einbaurahmens des Navigationssystems bzw. der Radioblende Spezialwerkzeug benötigt, hiermit jedoch die Blende nicht immer beschädigungsfrei auszubauen ist, sondern es vielmehr – wie auch bei der Klägerin – zur Beschädigung des Rahmens beim Ausbau kommen kann, sodass neue Radioblenden verbaut werden müssen; der Preis für 2015 betrug entsprechend einer Recherche des Sachverständigen jedoch nicht 90 €, sondern lediglich 78,47 €, sodass dieser Wert zugrunde gelegt wird. Nach den weiteren Feststellungen des Sachverständigen wurde die Umrüstung auf den abschließbaren Handschuhfachdeckel noch nicht vollzogen, vielmehr befand sich dieser noch verpackt im Fahrzeug; der Rechnungsbeleg weist einen Preis von 128,58 € aus, sodass dieser Wert zugrunde gelegt wird, nicht der von der Klägerin in Ansatz gebrachte Betrag von 150 €.
Von einer Bereicherung i. S. von § 347 II 2 BGB kann indes bei den übrigen Aufwendungen (Folierung, Alupedale und Radzierblenden) nicht ausgegangen werden; jedenfalls fehlt jeglicher Vortrag der Klägerin dahin gehend, inwiefern die Beklagte durch diese Verwendungen bereichert ist.
g) Zusammengefasst steht der Klägerin ein Zahlungsanspruch in Höhe von (14.990 € − 302,32 € + 900 € + 78,47 € + 128,58 € =)15.794,73 € zu.
3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.
4. Des Weiteren ist der Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begründet. Die Beklagte befand sich infolge der verweigerten Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemäß §§ 298, 293 BGB in Annahmeverzug. Denn die Klägerin hat der Beklagten mit Schreiben vom 01.12.2015 ihr Fahrzeug unter Fristsetzung zum 10.12.2015 ordnungsgemäß abholbereit angeboten. Im Hinblick auf die Verpflichtung der Beklagten zur Abholung des Fahrzeugs am Wohnsitz der Klägerin war das wörtliche Angebot i. S. des § 295 BGB auch ausreichend. Hierauf hat die Beklagte nicht reagiert. …
Hinweis: Mit Beschluss vom 20.12.2017 – 18 U 112/17 – hat das OLG Köln darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe.