1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ner Neu­wa­gen ist je­den­falls i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft, weil er kei­ne bei ei­nem Neu­wa­gen üb­li­che und des­halb vom Käu­fer zu er­war­ten­de Be­schaf­fen­heit auf­weist. Ein Neu­wa­gen­käu­fer muss zwar da­mit rech­nen, dass der Schad­stoff­aus­stoß des Fahr­zeugs im rea­len Stra­ßen­ver­kehr hö­her ist als wäh­rend ei­nes Emis­si­ons­tests auf ei­nem Prüf­stand. Er muss in­des nicht da­von aus­ge­hen, dass in dem Fahr­zeug ei­ne Soft­ware zum Ein­satz kommt, die (nur) in ei­ner Test­si­tua­ti­on den Schad­stoff­aus­stoß re­du­ziert, so­dass die auf dem Prüf­stand er­mit­tel­ten Wer­te kei­ne Aus­sa­ge­kraft ha­ben.
  2. Der Man­gel, der ei­nem vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeug an­haf­tet, ist schon des­halb nicht i. S. des § 323 V 2 BGB ge­ring­fü­gig, weil der Käu­fer prak­tisch nicht auf ei­ne – zwi­schen der Fahr­zeug­her­stel­le­rin und dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt ab­ge­stimm­te – Nach­bes­se­rung ver­zich­ten kann, oh­ne die Be­triebs­er­laub­nis des Fahr­zeugs zu ge­fähr­den.
  3. Ei­ne Nach­bes­se­rung (§ 439 I Fall 1 BGB) ist dem Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB un­zu­mut­bar, wenn das da­für er­for­der­li­che Soft­ware­up­date erst noch ent­wi­ckelt wer­den muss und der Käu­fer des­halb nicht ab­se­hen kann, wann sein Fahr­zeug nach­ge­bes­sert wer­den kann.
  4. Die be­rech­tig­te Be­fürch­tung des Käu­fers, dass sein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nes Fahr­zeug auch nach ei­ner Nach­bes­se­rung durch In­stal­la­ti­on ei­nes Soft­ware­up­dates nicht man­gel­frei sein wer­de, son­dern sich das Up­date et­wa nach­tei­lig auf den Kraft­stoff­ver­brauch aus­wir­ken wer­de, macht ei­ne Nach­bes­se­rung un­zu­mut­bar (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB).
  5. Der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Neu­wa­gens hat ge­gen die – am Kauf­ver­trag nicht be­tei­lig­te – Volks­wa­gen AG ei­nen auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags ge­rich­te­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch (§ 826 BGB i. V. mit § 31 BGB), wenn ein ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ner Ver­tre­ter (§ 31 BGB) der Volks­wa­gen AG den ob­jek­ti­ven und sub­jek­ti­ven Tat­be­stand des § 826 BGB ver­wirk­licht hat. In­so­weit trifft die Volks­wa­gen AG ei­ne se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last, der sie ins­be­son­de­re durch den Vor­trag ge­nügt, in wel­cher Or­ga­ni­sa­ti­ons­ein­heit die im Zu­sam­men­hang mit dem VW-Ab­gas­skan­dal maß­geb­li­chen Ent­schei­dun­gen ge­trof­fen wor­den und bis zu wel­cher hö­he­ren Ebe­ne die­se Ent­schei­dun­gen kom­mu­ni­ziert wor­den sind.

LG Müns­ter, Ur­teil vom 28.06.2017 – 02 O 165/16

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin be­gehrt von den Be­klag­ten die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen fa­brik­neu­en VW Sha­ran 2.0 TDI BMT High­li­ne. Sie kauf­te die­sen Pkw, der ihr als Eu­ro-5-Fahr­zeug an­ge­bo­ten wor­den war, mit Ver­trag vom 16.01.2015 für 49.142,36 € von der Be­klag­ten zu 1, ei­ner VW-Ver­trags­händ­le­rin. Der von der Be­klag­ten zu 2 her­ge­stell­te Pkw wur­de der Klä­ge­rin am 13.03.2015 über­ge­ben.

Das Fahr­zeug ist mit ei­nem Die­sel­mo­tor des Typs EA189 aus­ge­stat­tet und des­halb vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen: Ei­ne Soft­ware er­kennt, ob der Pkw re­gu­lär im Stra­ßen­ver­kehr be­wegt wird oder ob er auf ei­nem tech­ni­schen Prüf­stand ei­nen Emis­si­ons­test ab­sol­viert. Ist Letz­te­res der Fall, wird der Stick­oxid-Aus­stoß des Fahr­zeugs ver­rin­gert; er ist des­halb auf dem Prüf­stand ge­rin­ger als beim Be­trieb des Fahr­zeugs im Stra­ßen­ver­kehr.

Nach­dem der VW-Ab­gas­skan­dal be­kannt ge­wor­den war, ord­ne­te das Kraft­fahrt-Bun­des­amt ge­gen­über der Be­klag­ten zu 2 im Ok­to­ber 2015 den Rück­ruf der da­von be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge an. Es ver­pflich­te­te die Be­klag­te zu 2, die in Re­de ste­hen­de Soft­ware – bei der es sich nach Auf­fas­sung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes um ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung han­delt – aus al­len be­trof­fe­nen Fahr­zeu­gen zu ent­fer­nen und ge­eig­ne­te Maß­nah­men zur Wie­der­her­stel­lung der Vor­schrifts­mä­ßig­keit die­ser Fahr­zeu­ge zu er­grei­fen.

Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 18.11.2015 er­klär­te die Klä­ge­rin ge­gen­über der Be­klag­ten zu 1 die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung (§ 123 I Fall 1 BGB) und hilfs­wei­se den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Ei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung setz­te sie der Be­klag­ten zu 1 le­dig­lich hilfs­wei­se für den Fall, dass der Rück­tritt un­wirk­sam ist. In Re­ak­ti­on auf die­ses Schrei­ben wies die Be­klag­te zu 1 mit Schrei­ben vom 24.11.2015 dar­auf hin, dass al­le vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge – was das Kraft­fahrt-Bun­des­amt be­stä­tigt ha­be – (wei­ter­hin) tech­nisch si­cher und fahr­be­reit so­wie un­ein­ge­schränkt im Stra­ßen­ver­kehr nutz­bar sei­en. In Ab­stim­mung mit dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt wür­den die Fahr­zeu­ge ein Soft­ware­up­date er­hal­ten. Die Be­klag­te zu 2 ha­be dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt im Ok­to­ber 2015 ei­nen Maß­nah­men­plan vor­ge­legt, der vor­se­he, dass die­ses Up­date und – so­weit er­for­der­lich – wei­te­re tech­ni­sche Lö­sun­gen ent­wi­ckelt wer­den. Die Be­klag­te zu 2 wer­de die Klä­ge­rin so­bald wie mög­lich nä­her über den Zeit­plan in­for­mie­ren. Zu­dem ver­zich­te sie – die Be­klag­te zu 1 – bis zum 31.12.2016 auf die Er­he­bung der Ein­re­de der Ver­jäh­rung.

Mit Schrei­ben vom 08.01.2016 teil­te die Be­klag­te zu 2 der Klä­ge­rin mit, dass für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug le­dig­lich ein Soft­ware­up­date er­for­der­lich sei. Der ak­tu­el­le Zeit­plan se­he vor, dass die ers­ten Fahr­zeu­ge ab Ja­nu­ar 2016 auf den er­for­der­li­chen tech­ni­schen Stand ge­bracht wür­den. Bis zur kon­kre­ten Durch­füh­rung der Maß­nah­me bat die Be­klag­te zu 2 die Klä­ge­rin um Ge­duld und Ver­ständ­nis da­für, dass al­le not­wen­di­gen Schrit­te mit dem ge­bo­te­nen Tem­po, aber auch mit der Sorg­falt an­ge­gan­gen wür­den, die die Klä­ge­rin von der Be­klag­ten zu 2 er­war­ten dür­fe.

Mit Schrei­ben vom 16.01.2017 teil­te die Be­klag­te zu 1 der Klä­ge­rin mit, dass das für die Über­ar­bei­tung ih­res Fahr­zeugs be­nö­tig­te Soft­ware­up­date zur Ver­fü­gung ste­he und das Mo­tor­steu­er­ge­rät nun um­pro­gram­miert wer­den kön­ne.

Die Klä­ge­rin be­haup­tet, sie hät­te das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug nicht er­wor­ben, wenn sie ge­wusst hät­te, dass es über die oben be­schrie­be­ne Soft­ware ver­fügt. Sie meint, dass der mit der Be­klag­ten zu 1 ge­schlos­se­ne Kauf­ver­trag in­fol­ge der Arg­listan­fech­tung, je­den­falls aber in­fol­ge des er­klär­ten Rück­tritts rück­ab­zu­wi­ckeln sei. Die­ser Rück­tritt sei wirk­sam, weil der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw mit Blick auf die Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware kei­ne üb­li­che Be­schaf­fen­heit auf­wei­se und des­halb man­gel­haft sei (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB). Ei­ne Frist zur Nach­bes­se­rung ha­be sie – die Klä­ge­rin – der Be­klag­ten zu 1 vor der Er­klä­rung des Rück­tritts nicht set­zen müs­sen, da ei­ne Nach­bes­se­rung un­mög­lich, je­den­falls aber ihr – der Klä­ge­rin – un­zu­mut­bar sei. Denn mit dem in Aus­sicht ge­stell­ten Soft­ware­up­date sei­en Nach­tei­le für das Fahr­zeug (er­höh­ter Kraft­stoff­ver­brauch, re­du­zier­te Mo­tor­leis­tung, ver­kürz­te Le­bens­dau­er von Fahr­zeug­tei­len, mer­kan­ti­ler Min­der­wert) ver­bun­den.

Die Klä­ge­rin ist der Auf­fas­sung, die Be­klag­te zu 2 haf­te ihr un­ter de­lik­ti­schen Ge­sichts­punk­ten, weil sie be­trü­ge­risch ge­han­delt und sie – die Klä­ge­rin – in sit­ten­wid­ri­ger Wei­se vor­sätz­lich ge­schä­digt ha­be. Das arg­lis­ti­ge Ver­hal­ten der Be­klag­ten zu 2 müs­se sich die Be­klag­te zu 1 als VW-Ver­trags­händ­le­rin zu­rech­nen las­sen.

Die Kla­ge hat­te in der Haupt­sa­che Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Die Klä­ge­rin hat ge­gen­über den Be­klag­ten ei­nen An­spruch auf Zah­lung von 38.316,10 € nebst Zin­sen hier­aus in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 25.11.2015, Zug um Zug ge­gen Über­eig­nung und Her­aus­ga­be des Pkw VW Sha­ran …. Der zu­rück­zu­zah­len­de Kauf­preis in Hö­he von 49.142,36 € war um die ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen in Hö­he von 10.826,26 € zu re­du­zie­ren.

1. Ein da­hin ge­hen­der An­spruch der Klä­ge­rin ge­gen­über der Be­klag­ten zu 1 er­gibt sich je­den­falls aus § 346 I BGB i. V. mit §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 BGB. So sind ge­mäß § 346 I BGB im Fal­le des Rück­tritts die emp­fan­ge­nen Leis­tun­gen zu­rück­zu­ge­wäh­ren und die ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen her­aus­zu­ge­ben, wenn dem Er­klä­ren­den ein ver­trag­li­ches oder ge­setz­li­ches Rück­tritts­recht zu­steht. Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen vor.

a) Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 18.11.2015 er­klär­te die Klä­ge­rin ge­gen­über der Be­klag­ten zu 1 un­ter an­de­rem den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag (§ 349 BGB).

b) Da­bei stand der Klä­ge­rin ein ge­setz­li­ches Rück­tritts­recht nach §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 BGB zur Sei­te.

aa) Die Par­tei­en schlos­sen am 16.01.2015 ei­nen Kauf­ver­trag (§ 433 BGB) über das vor­be­nann­te Fahr­zeug.

bb) Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug war zum maß­geb­li­chen Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs (§ 446 BGB) am 13.03.2015 man­gel­haft. Es wies je­den­falls nicht die Be­schaf­fen­heit auf, die bei Sa­chen glei­cher Art üb­lich ist und vom Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­tet wer­den kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).

So ent­spricht ein Neu­fahr­zeug nicht be­reits des­halb der üb­li­chen und be­rech­tig­ter­wei­se von ei­nem Käu­fer zu er­war­ten­den Be­schaf­fen­heit, wenn es tech­nisch si­cher und fahr­be­reit ist und über die not­wen­di­gen Ge­neh­mi­gun­gen ver­fügt. Viel­mehr stellt die In­stal­la­ti­on ei­ner Soft­ware, wel­che er­kennt, ob das Fahr­zeug im nor­ma­len Stra­ßen­ver­kehr be­wegt wird oder sich auf ei­nem tech­ni­schen Prüf­stand zur Emis­si­ons­wert­er­mitt­lung be­fin­det, und ver­an­lasst, dass sich auf dem Prüf­stand der Stick­oxid-Aus­stoß des Fahr­zeugs ge­gen­über dem Be­trieb im Stra­ßen­ver­kehr ver­rin­gert, ei­ne für den Käu­fer ne­ga­ti­ve Ab­wei­chung von der üb­li­chen Be­schaf­fen­heit ver­gleich­ba­rer Fahr­zeu­ge dar (vgl. LG Ha­gen, Urt. v. 18.10.2016 – 3 O 66/16, ju­ris Rn. 24 mit um­fang­rei­chen w. Nachw.).

Der Käu­fer rech­net nicht da­mit und muss auch nicht da­mit rech­nen, dass ein von ihm er­wor­be­nes Neu­fahr­zeug mit ei­ner sol­chen Soft­ware aus­ge­stat­tet ist, wel­che im Prüf­stand­lauf ei­nen nied­ri­gen Stick­oxid-Aus­stoß vor­täuscht, als er im Fahr­be­trieb ent­steht. So rech­net zwar ein Käu­fer nicht zwin­gend da­mit, dass die Wer­te auf dem Prüf­stand auch im nor­ma­len Stra­ßen­ver­kehr ex­akt ein­ge­hal­ten wer­den. Et­wai­ge Ab­wei­chun­gen braucht ein Käu­fer je­doch le­dig­lich auf­grund der sich ge­ra­de aus dem Be­trieb im Stra­ßen­ver­kehr er­ge­ben­den Fak­to­ren zu er­war­ten. Er braucht je­doch nicht mit ei­ner weit­ge­hen­den Ent­kopp­lung der Wer­te – und da­mit im Er­geb­nis ei­ner Ent­wer­tung der Aus­sa­ge­kraft der im Prüf­stand­lauf er­mit­tel­ten Mess­wer­te – auf­grund ei­ner tech­ni­sche Um­schalt­lo­gik zu rech­nen (vgl. LG Ha­gen, Urt. v. 18.10.2016 – 3 O 66/16, ju­ris Rn. 38 mit um­fang­rei­chen w. Nachw.).

Über­dies ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass das Kraft­fahrt-Bun­des­amt ge­gen­über der Be­klag­ten zu 2 im Ok­to­ber 2015 den Rück­ruf der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge an­ord­ne­te und ihr zu­dem auf­er­leg­te, die nach Auf­fas­sung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung aus al­len Fahr­zeu­gen zu ent­fer­nen und ge­eig­ne­te Maß­nah­men zur Wie­der­her­stel­lung der Vor­schrifts­mä­ßig­keit zu er­grei­fen, wor­aus sich er­gibt, dass die Durch­füh­rung des auch für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug be­ab­sich­tig­ten Soft­ware­up­dates zur Be­sei­ti­gung der Um­schalt­lo­gik zwin­gend not­wen­dig ist, um nicht den Ver­lust der Be­triebs­er­laub­nis zu­min­dest zu ris­kie­ren (vgl. LG Fran­ken­thal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, ju­ris Rn. 21

cc) Fer­ner kann da­hin­ste­hen, ob in der im an­walt­li­chen Schrei­ben der Klä­ge­rin vom 18.11.2015 le­dig­lich hilfs­wei­se für den Fall, dass der Rück­tritt un­wirk­sam ist, ge­setz­ten Frist zur Nach­er­fül­lung ei­ne wirk­sa­me Nach­frist­set­zung er­blick wer­den kann – wo­bei mit Blick auf die mit der Nach­frist­set­zung ver­bun­de­ne Warn­funk­ti­on in­so­weit er­heb­li­che Be­den­ken be­ste­hen. Denn je­den­falls war ei­ne Nach­frist­set­zung nach § 440 Satz 1 Fall 3 BGB ent­behr­lich, da der Klä­ge­rin die Nach­er­fül­lung un­zu­mut­bar war.

Ei­ne Un­zu­mut­bar­keit kann sich aus ver­schie­de­nen Um­stän­den, ins­be­son­de­re der Art des Man­gels, der Un­zu­ver­läs­sig­keit des Ver­käu­fers, ei­ner Ne­ben­pflicht­ver­let­zung, ei­ner nach­hal­ti­gen Stö­rung des Ver­trau­ens­ver­hält­nis­ses der Par­tei­en (vgl. Pa­landt/Wei­den­kaff,, BGB, 76. Aufl., § 440 Rn. 8) so­wie aus mit der Nach­er­fül­lung ver­bun­de­nen Be­gleit­um­stän­den er­ge­ben (Be­ckOK-BGB/Faust, 43.​nbsp;Edi­ti­on, § 440 Rn. 39). Die Un­zu­mut­bar­keit ist da­bei al­lein aus der Per­spek­ti­ve des Käu­fers zu be­ur­tei­len, ei­ne In­ter­es­sen­ab­wä­gung fin­det nicht statt (Stau­din­ger/Ma­tu­sche-Beck­mann,, BGB, Neu­be­arb. 2014, § 440 Rn. 23). Da­mit ist auch ein be­son­ders ho­hes In­ter­es­se des Ver­käu­fers dar­an, durch Nach­er­fül­lung Se­kun­där­rech­te ab­zu­wen­den, nicht re­le­vant (Be­ckOK-BGB/Faust,, a. a. O., § 440 Rn. 36).

(1) Dies vor­an­ge­stellt, war der Klä­ge­rin vor­lie­gend ei­ne Nach­er­fül­lung je­den­falls un­ter Be­rück­sich­ti­gung des Zeit­mo­ments un­zu­mut­bar.

Zwar führt die blo­ße Tat­sa­che, dass die Nach­er­fül­lung Zeit be­nö­tigt, grund­sätz­lich nicht zur Un­zu­mut­bar­keit. Denn aus dem Er­for­der­nis der Nach­frist folgt ge­ra­de, dass der Käu­fer die­se Zeit prin­zi­pi­ell in Kauf neh­men muss. Wenn ihm das Zeit­mo­ment so wich­tig ist, hät­te er ei­ne Fix­schuld ver­ein­ba­ren kön­nen. Fer­ner ist er im Fall des Ver­tre­ten­müs­sens oh­ne­hin durch ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch ab­ge­si­chert. Das Zeit­mo­ment kann nur un­ter be­son­de­ren Um­stän­den die Nach­er­fül­lung un­zu­mut­bar ma­chen, zum Bei­spiel wenn die Nach­er­fül­lung so schwie­rig ist, dass ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist äu­ßerst lang sein müss­te. Das ist et­wa der Fall, wenn die tech­ni­schen Mit­tel zur Nach­er­fül­lung erst noch ent­wi­ckelt wer­den müs­sen (Be­ckOK-BGB/Faust, a. a. O., § 440 Rn. 40).

Ein sol­cher be­son­de­re Um­stand im vor­be­nann­ten Sin­ne ist vor­lie­gend ge­ra­de ge­ge­ben. So teil­te die Be­klag­te zu 1 der Klä­ge­rin mit Schrei­ben vom 24.11.2015 le­dig­lich mit, dass al­le be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge wei­ter­hin tech­nisch si­cher und fahr­be­reit so­wie un­ein­ge­schränkt im Stra­ßen­ver­kehr nutz­bar sei­en, was das Kraft­fahrt-Bun­des­amt be­stä­tigt ha­be. Zu­dem wür­den die Fahr­zeu­ge nach Ab­stim­mung mit dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt ein tech­ni­sches Up­date er­hal­ten. Die Be­klag­te zu 2 ha­be dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt im Ok­to­ber 2015 ei­nen Maß­nah­men­plan vor­ge­legt, wel­cher vor­se­he, dass die not­wen­di­gen Up­dates der Soft­ware, aber auch – so­weit er­for­der­lich – tech­ni­sche Lö­sun­gen ent­wi­ckelt wür­den. Die Be­klag­te zu 2 wer­de die Klä­ge­rin so­bald wie mög­lich nä­her über den Zeit­plan in­for­mie­ren. Da­mit brach­te die Be­klag­te zu 1 der Klä­ge­rin ge­gen­über klar zum Aus­druck, dass sie zum da­ma­li­gen Zeit­punkt nicht nur nicht in der La­ge da­zu war, den Man­gel zu be­sei­ti­gen. Viel­mehr war noch nicht ein­mal die kon­kre­te Lö­sung für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug zu die­sem Zeit­punkt ge­klärt – auch ei­ne tech­ni­sche Lö­sung stand of­fen­kun­dig zu­min­dest im Raum. So­weit so­dann die Be­klag­te zu 2 mit Schrei­ben vom 08.01.2016 mit­teil­te, dass für das im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ver­bau­te Ag­gre­gat le­dig­lich ein Soft­ware­up­date er­for­der­lich sei, schien zu­min­dest letzt­ge­nann­ter As­pekt – je­doch auch erst weit über ei­nen Mo­nat nach der Rück­tritts­er­klä­rung – ge­klärt wor­den zu sein. Es wur­de je­doch wei­ter le­dig­lich mit­ge­teilt, dass der ak­tu­el­le Zeit­plan vor­se­he, dass die ers­ten Fahr­zeu­ge ab Ja­nu­ar 2016 auf den er­for­der­li­chen tech­ni­schen Stand ge­bracht wür­den, und dass bis zur kon­kre­ten Durch­füh­rung der Maß­nah­me um Ge­duld ge­be­ten wer­de. Für die Klä­ge­rin war so­mit auch nach die­sem Schrei­ben wei­ter­hin nicht klar, wann kon­kret ei­ne Nach­bes­se­rung an ih­rem Fahr­zeug vor­ge­nom­men wer­den kön­ne. Es war so­mit wei­ter­hin ein Ab­war­ten ins Un­ge­wis­se hin­ein, wel­ches sich als un­zu­mut­bar dar­stellt (so i. E. auch LG Kre­feld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16, ju­ris Rn. 32).

Nur er­gän­zend weist das Ge­richt an die­ser Stel­le dar­auf hin, dass die Be­klag­te zu 1 der Klä­ge­rin erst mit Schrei­ben vom 16.01.2017 mit­teil­te, dass die für das tech­ni­sche Up­date ih­res Fahr­zeugs be­nö­tig­te Soft­ware zur Ver­fü­gung ste­he und das Mo­tor­steu­er­ge­rät nun um­pro­gram­miert wer­den kön­ne. Ei­ne Nach­er­fül­lung wur­de der Klä­ge­rin dem­nach erst weit über ein Jahr nach dem er­klär­ten Rück­tritt an­ge­bo­ten, wo­bei zu be­rück­sich­ti­gen ist, dass die Klä­ge­rin selbst das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug erst am 16.01.2015 er­warb.

(2) Über­dies war der Klä­ge­rin ei­ne Nach­er­fül­lung auch des­halb un­zu­mut­bar, weil aus ih­rer Per­spek­ti­ve, wie ge­ra­de maß­geb­lich (s. oben), die Be­fürch­tung be­ste­hen muss­te, dass das Fahr­zeug auch nach ei­ner et­wai­gen Nach­bes­se­rung man­gel­haft sein wer­de.

Es muss­te in be­rech­tig­ter Wei­se be­fürch­tet wer­den, dass sich das Up­date nach­hal­tig ne­ga­tiv auf den Ver­brauch, an­de­re Ab­gas­wer­te oder die Halt­bar­keit von Fahr­zeug­bau­tei­len aus­wir­ken wer­de. Denn aus dem mit der Täu­schung auf dem Prüf­stand ein­ge­gan­ge­nen un­ter­neh­me­ri­schen Ri­si­ko von Straf­zah­lun­gen, Scha­dens­er­satz­kla­gen und Image­ver­lust konn­te je­den­falls vom Rück­tritts­zeit­punkt aus nur der Schluss ge­zo­gen wer­den, dass es für die Re­du­zie­rung der Ab­gas­rück­füh­rung im Fahr­be­trieb aus Sicht des Her­stel­lers wich­ti­ge, wenn nicht so­gar zwin­gen­de tech­ni­sche Grün­de gab (LG Ha­gen, Urt. v. 18.10.2016 – 3 O 66/16, ju­ris Rn. 65). Die­ser be­rech­tig­te Man­gel­ver­dacht reicht aber ge­ra­de aus, um dem Klä­ger die Nach­bes­se­rung un­zu­mut­bar zu ma­chen (vgl. LG Kre­feld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16, ju­ris Rn. 30).

dd) Fer­ner war der Man­gel auch nicht un­er­heb­lich i. S. des § 323 V 2 BGB.

Bei der Prü­fung der Er­heb­lich­keit ist ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung vor­zu­neh­men, wo­bei der nicht aus­räum­ba­re Ver­dacht ei­nes nicht ganz un­er­heb­li­chen Man­gels ge­nügt. Zu be­rück­sich­ti­gen ist da­bei vor al­lem der für die Män­gel­be­sei­ti­gung er­for­der­li­che Auf­wand (vgl. Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 76. Aufl., § 323 Rn. 32).

(1) Zwar ist die Män­gel­be­sei­ti­gung vor­lie­gend le­dig­lich mit ei­nem ge­rin­gen fi­nan­zi­el­len Auf­wand pro Fahr­zeug in Hö­he von cir­ca 100 € ver­bun­den. Gleich­wohl ist im Rah­men der vor­zu­neh­men­den In­ter­es­sen­ab­wä­gung zu be­rück­sich­ti­gen, dass zum Zeit­punkt der Rück­tritt­er­klä­rung bei der Klä­ge­rin trotz der an­ge­kün­dig­ten Nach­bes­se­rung ein er­heb­li­cher und be­rech­tig­ter Man­gel­ver­dacht ver­blie­ben ist und zu­dem da­mals noch über­haupt nicht ge­nau ab­seh­bar war, wann das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug nach­ge­bes­sert wer­den wür­de. In­so­weit ge­hen al­so die im Rah­men der Un­zu­mut­bar­keit zu be­rück­sich­ti­gen­den As­pek­te in die im Rah­men der Un­er­heb­lich­keit zu be­rück­sich­ti­gen­den As­pek­te über (vgl. LG Kre­feld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16, ju­ris Rn. 47).

(2) Über­dies steht der An­nah­me ei­ner Un­er­heb­lich­keit auch ent­ge­gen, dass die Klä­ge­rin auf die Nach­er­fül­lung prak­tisch nicht ver­zich­ten könn­te, son­dern im Rah­men der mit dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt aus­ge­ar­bei­te­ten Rück­ruf­ak­ti­on des Her­stel­lers da­zu ver­pflich­tet wä­re, das Soft­ware­up­date auf­spie­len zu las­sen, um die Zu­las­sung ih­res Fahr­zeugs zu­künf­tig nicht zu ge­fähr­den (vgl. LG Kre­feld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16, ju­ris Rn. 48).

ee) Im Fal­le des Rück­tritts sind ge­mäß § 346 I BGB die emp­fan­ge­nen Leis­tun­gen zu­rück­zu­ge­wäh­ren und die ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen her­aus­zu­ge­ben bzw. nach § 346 II 1 BGB Wert­er­satz hier­für zu leis­ten. Ent­spre­chend muss sich die Klä­ge­rin die Fahr­leis­tung des Fahr­zeugs an­rech­nen las­sen. Bei dem Fahr­zeug han­delt es sich um ei­nen Neu­wa­gen. Der ak­tu­el­le Ki­lo­me­ter­stand be­trägt 55.076 km. Das Ge­richt schätzt die zu er­war­ten­de Ge­samt­lauf­leis­tung für das streit­ge­gen­ständ­li­che Neu­fahr­zeug ge­mäß § 287 ZPO auf 250.000 km. Dar­aus folgt ein Wert­er­satz­an­spruch in Hö­he von 10.826,26 €

\left({\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{gefahrene Kilometer}}{\text{erwartete Gesamtlaufleistung}}}\right).

ff) Der gel­tend ge­mach­te Zins­an­spruch recht­fer­tigt sich aus Ver­zug (§§ 286, 288 BGB).

2. Die Klä­ge­rin hat ge­gen­über der Be­klag­ten zu 2 eben­falls ei­nen An­spruch im ein­lei­tend dar­ge­stell­ten Um­fang aus §§ 826, 249 ff. BGB.

Nach § 826 BGB ist, wer in ei­ner ge­gen die gu­ten Sit­ten ver­sto­ßen­den Wei­se ei­nem an­de­ren vor­sätz­lich Scha­den zu­fügt, die­sem zum Er­satz des Scha­dens ver­pflich­tet. Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen vor.

a) Die Be­klag­te zu 2 hat die Klä­ge­rin sit­ten­wid­rig vor­sätz­lich ge­schä­digt.

Die schä­di­gen­de Hand­lung liegt … dar­in, dass die Be­klag­te zu 2 für den auch im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ver­bau­ten Die­sel­mo­tor des Typs EA189 ei­ne Mo­tor­soft­ware ent­wi­ckel­te, ein­setz­te und schließ­lich in den Ver­kehr brach­te, wel­che er­kennt, ob das Fahr­zeug im nor­ma­len Stra­ßen­ver­kehr be­wegt wird oder sich auf ei­nem tech­ni­schen Prüf­stand zur Emis­si­ons­wert­er­mitt­lung be­fin­det, wo­bei sich auf dem Prüf­stand durch die Soft­ware der Stick­oxid-Aus­stoß des Fahr­zeugs ge­gen­über dem Be­trieb im Stra­ßen­ver­kehr ver­rin­gert.

Hier­mit be­ab­sich­tig­te die Be­klag­te zu 2, dass die so ver­fälsch­ten Er­geb­nis­se zu­guns­ten der Be­klag­ten zu 2 so­wohl bei der Schad­stoff­klas­sen-Ein­grup­pie­rung als auch in Wer­ten, wel­che die Kauf­in­ter­es­sen­ten ent­we­der un­mit­tel­bar oder et­wa über „Ver­gleichs­tests“ ver­schie­de­ner Fahr­zeu­ge in den Me­di­en er­rei­chen, Ein­gang fin­den und so die Kauf­ent­schei­dung ma­ni­pu­lie­rend be­ein­flus­sen. Dies aber stellt ein sit­ten­wid­ri­ges vor­sätz­li­ches Ver­hal­ten dar (vgl. LG Kle­ve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16, ju­ris Rn. 79). Es han­delt näm­lich ge­ra­de der­je­ni­ge in der Re­gel sit­ten­wid­rig, der be­wusst täuscht, um ei­nen an­de­ren zum Ver­trags­schluss zu brin­gen, so et­wa bei un­wah­ren An­ga­ben über ver­trags­we­sent­li­che Um­stän­de (vgl. Pa­landt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 826 Rn. 20). Bei der Schad­stoff­klas­sen-Ein­grup­pie­rung han­delt es sich ge­ra­de um ei­nen ver­trags­we­sent­li­chen Um­stand. Auch sind an­de­re Grün­de, als durch die­se Ma­ni­pu­la­ti­on un­be­rech­tig­ter­wei­se auf Kos­ten der Er­wer­ber Um­satz und Ge­winn zu stei­gern, nicht er­sicht­lich (vgl. LG Kle­ve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16, ju­ris Rn. 79; LG Ba­den-Ba­den, Urt. v. 27.04.2017 – 3 O 163/16).

b) Die­se sit­ten­wid­ri­ge vor­sätz­li­che Schä­di­gung ist der Be­klag­ten zu 2 zu­dem ge­mäß § 31 BGB zu­zu­rech­nen.

Die Haf­tung ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB setzt vor­aus, dass ein ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ner Ver­tre­ter i. S. des § 31 BGB den ob­jek­ti­ven und sub­jek­ti­ven Tat­be­stand des § 826 BGB ver­wirk­licht hat (BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, ju­ris Rn. 13), wo­bei die Klä­ge­rin dies­be­züg­lich grund­sätz­lich die Dar­le­gungs- und Be­weis­last trifft (vgl. Pa­landt/Sprau, a. a. O., § 826 Rn. 18). Al­ler­dings trifft die Be­klag­te zu 2 hier aus­nahms­wei­se ei­ne se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last, wel­cher sie nicht ge­nügt.

Ei­ne se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last be­steht, wenn der be­weis­be­las­te­ten Par­tei nä­he­rer Vor­trag nicht mög­lich oder nicht zu­mut­bar ist, wäh­rend der Be­strei­ten­de al­le we­sent­li­chen Tat­sa­chen kennt und es ihm zu­mut­bar ist, nä­he­re An­ga­ben zu ma­chen. Dies ist ins­be­son­de­re an­zu­neh­men, wenn die be­weis­be­las­te­te Par­tei au­ßer­halb des von ihr vor­zu­tra­gen­den Ge­sche­hens­ab­laufs steht und kei­ne nä­he­re Kennt­nis der maß­ge­ben­den Tat­sa­chen be­sitzt, wäh­rend der Geg­ner zu­mut­bar nä­he­re An­ga­ben ma­chen kann (Be­ckOK-ZPO/Ba­cher, ZPO, 25. Edi­ti­on, § 284 Rn. 85)

Vor­lie­gend weiß der Vor­stand der Be­klag­ten zu 2 oder kann sich zu­min­dest ein Wis­sen ver­schaf­fen, wer die Ent­schei­dung ge­trof­fen hat­te, die Soft­ware zu ent­wi­ckeln und ein­zu­set­zen, die im Prüf­stand ei­nen im nor­ma­len Be­trieb des Fahr­zeugs nicht vor­han­de­nen Stick­oxid-Aus­stoß vor­spie­gelt. Die Klä­ge­rin hat hin­ge­gen als au­ßer­halb des von ihr vor­zu­tra­gen­den Ge­sche­hens­ab­laufs ste­hen­de Par­tei kei­ne nä­he­re Kennt­nis hier­über und auch kei­ne Mög­lich­keit, sich ent­spre­chend zu in­for­mie­ren (vgl. LG Ba­den-Ba­den, Urt. v. 27.04.2017 – 3 O 163/16). Die in­ter­nen Ent­schei­dungs­ab­läu­fe in­ner­halb der Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur der Be­klag­ten zu 2 ent­zie­hen sich der Kennt­nis der Klä­ge­rin. Ihr ist kein nä­he­rer Vor­trag da­hin ge­hend mög­lich, in wel­cher Or­ga­ni­sa­ti­ons­ein­heit der Be­klag­ten zu 2 die maß­geb­li­che Ent­schei­dung ge­fal­len und bis zu wel­cher hö­he­ren Ebe­ne die­se Ent­schei­dung dann kom­mu­ni­ziert wor­den ist. Die Be­klag­te zu 2 kennt hin­ge­gen ih­re in­ter­ne Or­ga­ni­sa­ti­on und die Ent­schei­dungs­struk­tu­ren. Ei­ne ent­spre­chen­de Dar­le­gung ist ihr mög­lich, um da­mit der Klä­ge­rin auf die­ser Grund­la­ge zu er­mög­li­chen, ih­rer­seits die ihr ob­lie­gen­de wei­ter­ge­hen­de Dar­le­gung und den er­for­der­li­chen Be­weis­an­tritt vor­neh­men zu kön­nen (vgl. LG Os­na­brück, Urt. v. 09.05.2017 – 5 O 1198/16).

Die Be­klag­te zu 2 ist ih­rer se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last da­hin ge­hend, zu den in ih­rem Un­ter­neh­men im Zu­sam­men­hang mit der Pro­gram­mie­rung und Im­ple­men­tie­rung der streit­ge­gen­ständ­li­chen Soft­ware ab­ge­lau­fe­nen Vor­gän­gen und Ent­schei­dungs­pro­zes­sen kon­kret, ins­be­son­de­re da­zu, in wel­cher Or­ga­ni­sa­ti­ons­ein­heit die maß­geb­li­chen Ent­schei­dun­gen ge­trof­fen und bis zu wel­cher hö­he­ren Ebe­ne die­se Ent­schei­dun­gen kom­mu­ni­ziert wur­den, vor­zu­tra­gen, trotz des am 22.05.2017 er­teil­ten ge­richt­li­chen Hin­wei­ses nicht nach­ge­kom­men.

Da­mit ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die maß­geb­li­che Ent­schei­dung vom Vor­stand an­ge­ord­net oder je­den­falls von die­sem „ab­ge­seg­net“ wor­den ist. (vgl. LG Ba­den-Ba­den, Urt. v. 27.04.2017 – 3 O 163/16; LG Os­na­brück, Urt. v. 09.05.2017 – 5 O 1198/16; LG Hil­des­heim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16, ju­ris Rn. 39; LG Kle­ve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16, ju­ris Rn. 92).

c) Die sit­ten­wid­ri­ge Schä­di­gung ist auch kau­sal für die Kauf­ent­schei­dung der Klä­ge­rin ge­we­sen. Hät­te die Klä­ge­rin ge­wusst, dass das von ihr er­wor­be­ne Fahr­zeug ei­nen hö­he­ren Stick­oxid-Aus­stoß als an­ge­ge­ben hat und zu­dem ei­ne Nach­bes­se­rung er­for­der­lich ist, um nicht den Ver­lust der Be­triebs­er­laub­nis zu­min­dest zu ris­kie­ren, so hät­te sie das Fahr­zeug nicht er­wor­ben. In­so­weit ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass es für die An­nah­me ei­nes Zu­sam­men­hangs zwi­schen Täu­schung und Ab­ga­be der Wil­lens­er­klä­rung ge­nügt, dass der Ge­täusch­te Um­stän­de dar­ge­tan hat, die für sei­nen Ent­schluss von Be­deu­tung sein konn­ten, und dass die Täu­schung nach der Le­bens­er­fah­rung bei der Art des zu be­ur­tei­len­den Rechts­ge­schäfts Ein­fluss auf die Ent­schlie­ßung hat (so in Be­zug auf ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung BGH, Urt. v. 12.05.1995 – V ZR 34/94, NJW 1995, 2361 [2362]). Ei­ner sol­chen Le­bens­er­fah­rung ent­spricht es ge­ra­de, dass die vor­ste­hen­den Um­stän­de Ein­fluss auf die Kauf­ent­schei­dung der Klä­ge­rin hat­ten.

d) Durch die Hand­lung der Be­klag­ten zu 2 hat die Klä­ge­rin auch ei­nen Ver­mö­gens­scha­den er­lit­ten, wel­cher dar­in be­steht, dass sie in Un­kennt­nis der ver­bau­ten Soft­ware das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug er­wor­ben und da­mit ei­nen für sie wirt­schaft­lich nach­tei­li­gen Ver­trag ab­ge­schlos­sen hat. Dass es sich bei die­sem Ver­trag um ei­nen für die Klä­ge­rin wirt­schaft­lich nach­tei­li­gen han­delt, zeigt schon die Über­le­gung, dass kein ver­stän­di­ger Kun­de ein Fahr­zeug mit der ver­bau­ten Soft­ware er­wer­ben wür­de, wenn die Be­klag­te zu 2 ihn vor dem Kauf dar­auf hin­wei­sen wür­de, dass die Soft­ware un­ter Um­stän­den nicht ge­set­zes­kon­form ist und er des­halb je­den­falls mit Pro­ble­men für den Fall der Ent­de­ckung der Ma­ni­pu­la­ti­on durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt rech­nen müs­se. Die Klä­ge­rin hat da­mit nicht das be­kom­men, was ihr vor­ge­spie­gelt wur­de (vgl. LG Hil­des­heim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16, ju­ris Rn. 32).

e) Dem­nach ist die Klä­ge­rin so zu stel­len, wie sie oh­ne die Täu­schung ge­stan­den hät­te. In die­sem Fal­le hät­te die Klä­ge­rin den Kauf­ver­trag nicht ab­ge­schlos­sen, so­dass die­ser rück­ab­zu­wi­ckeln und der Klä­ge­rin der Kauf­preis zu­rück­zu­er­stat­ten ist. Sie muss sich al­ler­dings nach den Grund­sät­zen der Vor­teils­aus­glei­chung die von ihr ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen an­rech­nen las­sen, wel­che auch hier (s. oben) mit 10.826,26 € zu be­zif­fern sind. Ent­spre­chend war der ge­zahl­te Kauf­preis von 49.142,36 € auf 38.316,10 € zu re­du­zie­ren.

II. Fer­ner kann die Klä­ge­rin von der Be­klag­ten zu 2 Zah­lung von Zin­sen in Hö­he von vier Pro­zent aus 49.142,36 € im gel­tend ge­mach­ten Zeit­raum nach §§ 849, 246 BGB ver­lan­gen.

Nach § 849 BGB kann ins­be­son­de­re auch der­je­ni­ge, der durch ei­ne un­er­laub­te Hand­lung da­zu be­stimmt wird, Geld zu über­wei­sen, vom Schä­di­ger ei­ne Ver­zin­sung be­an­spru­chen (BGH, Urt. v. 26.11.2007 – II ZR 167/06, NJW 2008, 1084 Rn. 4 ff.). Vor­lie­gend ist die Klä­ge­rin durch die sit­ten­wid­ri­ge vor­sätz­li­che Schä­di­gung der Be­klag­ten 2 da­zu ver­an­lasst wor­den, an die Be­klag­te zu 1 den Kauf­preis in Hö­he von 49.142,36 € auf de­ren Kon­to zu be­zah­len, was die Klä­ge­rin am 19.03.2015 ver­an­lass­te, so­dass spä­tes­tens mit die­sem Zeit­punkt die Zins­pflicht be­gann (vgl. LG Ba­den-Ba­den, Urt. v. 27.04.2017 – 3 O 163/16).

III. Die Be­klag­ten be­fin­den sich mit der Rück­nah­me des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs im An­nah­me­ver­zug ge­mäß §§ 293, 295 BGB. So teil­te die Klä­ge­rin der Be­klag­ten zu 1 mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 18.11.2015 mit, dass das Fahr­zeug zur Ab­ho­lung zur Ver­fü­gung ste­he, was die Be­klag­te zu 1 mit Schrei­ben vom 24.11.2015 – zu­min­dest kon­klu­dent – ver­wei­ger­te. Hin­sicht­lich der Be­klag­ten zu 2 trat An­nah­me­ver­zug je­den­falls in­fol­ge der Kla­ge­er­he­bung ge­gen­über der Be­klag­ten zu 2 und dem dar­auf fol­gen­den Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag der Be­klag­ten zu 2 ein. Das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se (§ 256 I ZPO) recht­fer­tigt sich aus den voll­stre­ckungs­recht­li­chen Vor­schrif­ten (vgl. § 756 ZPO).

IV. Ein An­spruch auf Frei­stel­lung von den vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten steht der Klä­ge­rin we­der ge­gen die Be­klag­te zu 1 noch ge­gen die Be­klag­te zu 2 zu.

Hin­sicht­lich der Be­klag­ten zu 1 folgt dies dar­aus, dass die Klä­ge­rin mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 18.11.2015 erst den Ver­zug der Be­klag­ten zu 1 be­grün­de­te, die­se sich zu die­sem Zeit­punkt je­doch noch nicht in Ver­zug be­fand.

Be­züg­lich der Be­klag­ten zu 2 folgt dies dar­aus, dass we­der vor­ge­tra­gen noch sonst er­sicht­lich ist, dass die nun­meh­ri­gen Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten der Klä­ge­rin … ge­gen­über der Be­klag­ten zu 2 vor­ge­richt­lich tä­tig ge­wor­den sind. …

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