1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ner Neu­wa­gen ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft, so­dass der Käu­fer grund­sätz­lich die Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Fahr­zeugs ver­lan­gen kann (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB).
  2. Die­se Art der Nach­er­fül­lung ist nicht schon dann i. S. des § 275 I BGB un­mög­lich, wenn das in Re­de ste­hen­de Fahr­zeug­mo­dell in­zwi­schen op­tisch und tech­nisch über­ar­bei­tet wur­de. Viel­mehr ist der Ver­käu­fer zur Lie­fe­rung ei­nes Fahr­zeugs aus der ak­tu­el­len Se­rie ver­pflich­tet, wenn die op­ti­schen und tech­ni­schen Än­de­run­gen so ge­ring­fü­gig sind, dass Fahr­zeu­ge aus der ak­tu­el­len Se­rie sich zwar von frü­her ge­bau­ten Fahr­zeu­gen un­ter­schei­den, aber gleich­wohl der­sel­ben Gat­tung an­ge­hö­ren. Ob dies der Fall ist, kann mit Blick dar­auf zu be­ur­tei­len sein, ob der Käu­fer die Än­de­run­gen hät­te ak­zep­tie­ren müs­sen, wenn der Fahr­zeug­her­stel­ler die Pro­duk­ti­on wäh­rend der Lie­fer­zeit des ur­sprüng­li­chen (man­gel­haf­ten) Fahr­zeugs um­ge­stellt hät­te.
  3. Ob der Ver­käu­fer die vom Käu­fer ge­wähl­te Art der Nach­er­fül­lung ge­mäß § 439 III BGB ver­wei­gern darf, weil sie nur mit un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Kos­ten mög­lich ist, ist un­ter um­fas­sen­der Wür­di­gung der in § 439 III 2 BGB ge­nann­ten Ge­sichts­punk­te zu be­ur­tei­len. Ab­zu­stel­len ist da­bei spä­tes­tens auf den Zeit­punkt, in dem der Ver­käu­fer – ei­nen durch­setz­ba­ren Nach­er­fül­lungs­an­spruch des Käu­fers un­ter­stellt – mit der Nach­er­fül­lung in Ver­zug ge­ra­ten ist.

LG Of­fen­burg, Ur­teil vom 21.03.2017 – 3 O 77/16

Sach­ver­halt: Der Klä­ger kauf­te von der Be­klag­ten, ei­ner VW-Ver­trags­händ­le­rin, mit Ver­trag vom 14.01.2014 ei­nen fa­brik­neu­en VW Ti­gu­an 2.0 TDI Sport & Style 4MO­TI­ON. Das Fahr­zeug wur­de ihm am 12.03.2014 über­ge­ben.

Es ist mit ei­nem 2,0-Li­ter-Die­sel­mo­tor vom Typ EA189 aus­ge­stat­tet und vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen. Das heißt, in dem Pkw kommt ei­ne Soft­ware zum Ein­satz, die er­kennt, ob das Fahr­zeug auf ei­nem tech­ni­schen Prüf­stand ei­nem Emis­si­ons­test un­ter­zo­gen wird oder ob es sich im re­gu­lä­ren Stra­ßen­ver­kehr be­fin­det. Auf dem Prüf­stand ist der Aus­stoß von Stick­oxid (NOX) ge­rin­ger als im Nor­mal­be­trieb, so­dass (nur) dort die ein­schlä­gi­gen Eu­ro-5-Emis­si­ons­grenz­wer­te ein­ge­hal­ten wer­den.

Der VW-Ab­gas­skan­dal wur­de im Sep­tem­ber 2015 der Öf­fent­lich­keit und auch dem Klä­ger be­kannt.

Mit Be­scheid vom 15.10.2015 ver­pflich­te­te das Kraft­fahrt-Bun­des­amt die Volks­wa­gen AG, die Soft­ware, die nach Auf­fas­sung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung ist, bei al­len be­trof­fe­nen Fahr­zeu­gen mit dem Ag­gre­gat EA189 zu ent­fer­nen und ge­eig­ne­te Maß­nah­men zu er­grei­fen, um die Vor­schrifts­mä­ßig­keit der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge wie­der­her­zu­stel­len.

Die Volks­wa­gen AG teil­te dem spä­te­ren Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers un­ter dem 08.01.2016 mit, dass die vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge, die – wie das Fahr­zeug des Klä­gers – mit ei­nem 2,0-Li­ter-Mo­tor aus­ge­stat­tet sind, nur ein Soft­ware­up­date er­hiel­ten. Die vom Klä­ger ge­for­der­te Ga­ran­tie­er­klä­rung, dass die­ses Up­date kei­ne nach­tei­li­gen Fol­gen ha­ben wer­de, gab die Volks­wa­gen AG nicht ab.

Das Kraft­fahrt-Bun­des­amt gab das von der Volks­wa­gen AG für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug­mo­dell ent­wi­ckel­te Soft­ware­up­date mit Schrei­ben vom 21.07.2016 frei und be­stä­tig­te, dass es ge­eig­net sei, die Vor­schrifts­mä­ßig­keit der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge her­zu­stel­len.

Der Klä­ger for­der­te die Be­klag­te mit An­walts­schrei­ben vom 24.01.2016 ge­stützt auf §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB auf, ihm bis zum 07.03.2016 ein man­gel­frei­es Fahr­zeug zu lie­fern. Dem kam die Be­klag­te nicht nach.

Der Klä­ger meint, das von ihm er­wor­be­ne Fahr­zeug sei man­gel­haft. Ei­ne Nach­bes­se­rung – so be­haup­tet er – sei der Be­klag­ten auch bei Er­he­bung der vor­lie­gen­den Kla­ge noch nicht mög­lich ge­we­sen, weil das da­für er­for­der­li­che Soft­ware­up­date zu die­sem Zeit­punkt noch nicht zur Ver­fü­gung ge­stan­den ha­be. Ab­ge­se­hen da­von las­se sich sein Fahr­zeug durch Auf­spie­len des Up­dates nicht in ei­nen ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stand ver­set­zen. Viel­mehr füh­re das Soft­ware­up­date vor­aus­sicht­lich zu ei­nem An­stieg des Kraft­stoff­ver­brauchs, zu ei­ner Ver­rin­ge­rung der Mo­tor­leis­tung und zu ei­nem er­höh­ten Ver­schleiß. Zu­dem haf­te sei­nem Fahr­zeug trotz ei­ner Nach­bes­se­rung der Ma­kel ei­nes „Be­trugs­fahr­zeugs“ an und ver­blei­be des­halb ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert.

Die Be­klag­te stellt dem­ge­gen­über das Vor­lie­gen ei­nes Man­gels in Ab­re­de und meint un­ter an­de­rem, die Lie­fe­rung ei­nes Neu­fahr­zeugs sei un­mög­lich, weil – un­strei­tig – der VW Ti­gu­an so, wie ihn der Klä­ger er­wor­ben hat („VW Ti­gu­an I“), in­zwi­schen nicht mehr pro­du­ziert wird. Seit 2016 ver­kauft die Volks­wa­gen AG viel­mehr ein ver­än­der­tes Mo­dell („VW Ti­gu­an II“). Je­den­falls – so meint die Be­klag­te – dür­fe sie ei­ne Er­satz­lie­fe­rung ge­mäß § 439 III BGB ver­wei­gern, weil sie nur mit un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Kos­ten mög­lich sei.

Die Kla­ge hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: I. … Der Klä­ger hat ei­nen An­spruch auf Lie­fe­rung ei­nes Pkw VW Ti­gu­an aus der ak­tu­el­len Se­rie, der die Aus­stat­tungs­merk­ma­le des Pkw hat, den der Klä­ger mit Kauf­ver­trag vom 14.01.2014 er­wor­ben hat.

1. a) Das vom Klä­ger er­wor­be­ne Fahr­zeug … ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft.

aa) Zwar trifft der Ein­wand der Be­klag­ten zu, dass der Wa­gen – der­zeit – un­ein­ge­schränkt und be­stim­mungs­ge­mäß ge­nutzt wer­den kann. Auch ist die Be­haup­tung des Klä­gers, es sei ihm bei Er­werb des streit­ge­gen­ständ­li­chen VW Ti­gu­an auf die be­son­de­re Um­welt­ver­träg­lich­keit des Fahr­zeugs an­ge­kom­men, of­fen­kun­dig un­zu­tref­fend. Bei dem VW Ti­gu­an han­delt es sich um ei­nen so­ge­nann­ten SUV mit ho­hem Ge­wicht, Luft­wi­der­stand und Mo­tor­leis­tung und da­mit ver­bun­den mit ei­nem ho­hen Kraft­stoff­ver­brauch. Der Er­werb ei­nes sol­chen Fahr­zeugs lässt dar­auf schlie­ßen, dass der Käu­fer kein be­son­de­res In­ter­es­se an ei­ner Um­welt­ver­träg­lich­keit des Fahr­zeugs ha­ben kann. Auch ha­ben die kon­kre­ten Stick­oxid-Emis­si­ons­wer­te für die Kauf­ent­schei­dung ei­nes Ver­brau­chers grund­sätz­lich kei­ne Be­deu­tung.

bb) Der Käu­fer ei­nes neu­en Kraft­fahr­zeugs kann je­doch er­war­ten, dass die­ses in vol­lem Um­fang den ak­tu­el­len ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen ent­spricht. Denn das den je­weils gel­ten­den Ab­gas­vor­schrif­ten ent­spre­chen­de Emis­si­ons­ver­hal­ten des Mo­tors stellt ei­ne Ei­gen­schaft dar, wel­che für die ge­schul­de­te Be­schaf­fen­heit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB maß­geb­lich ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016 – 28 W 14/16, ju­ris Rn. 28; OLG Cel­le, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16, ju­ris Rn. 6; LG Ha­gen, Urt. v. 18.10.2016 – 3 O 66/16, ju­ris Rn. 24, 32 ff.; je­weils m. w. Nachw.).

Das Emis­si­ons­ver­hal­ten des streit­ge­gen­ständ­li­chen Mo­tors ent­spricht die­sen Vor­schrif­ten je­doch nicht, weil, wie die Volks­wa­gen AG in ih­rem An­schrei­ben vom Ja­nu­ar 2016 selbst ein­ge­räumt hat, „die Stick­oxid­wer­te (NOX) im Ver­gleich zwi­schen Prüf­stand­lauf (NEFZ) und rea­lem Fahr­be­trieb ver­schlech­tert wer­den“. Die In­stal­la­ti­on und Ver­wen­dung ei­ner so­ge­nann­ten Ab­schalt­soft­ware ist bei Fahr­zeu­gen an­de­rer Her­stel­ler in ei­ner ver­gleich­ba­ren Fahr­zeug­klas­se je­den­falls nicht be­kann­ter­ma­ßen üb­lich. Auch er­war­tet ein Durch­schnitts­käu­fer nicht, dass die ge­setz­lich vor­ge­ge­be­nen Ab­gas­wer­te nur des­halb ein­ge­hal­ten und ent­spre­chend at­tes­tiert wer­den, weil ei­ne Soft­ware in­stal­liert ist, die da­für sorgt, dass der Prüf­stand­lauf er­kannt und über ent­spre­chen­de Pro­gram­mie­rung der Mo­tor­steue­rung nur für die­sen Fall der Stick­oxid­aus­stoß re­du­ziert wird (LG Braun­schweig, Urt. v. 12.10.2016 – 4 O 202/16, ju­ris Rn. 19; LG Re­gens­burg, Urt. v. 04.01.2017 – 7 O 967/16, ju­ris Rn. 30).

Ein Man­gel liegt zu­dem auch dar­in, dass für den Fall, dass der Klä­ger das durch die Volks­wa­gen AG be­reit­ge­stell­te Soft­ware­up­date nicht durch­füh­ren lässt, nach den ei­ge­nen Ab­ga­ben der Volks­wa­gen AG ein Ent­zug der Be­triebs­er­laub­nis droht (vgl. Schrei­ben der Volks­wa­gen AG vom Ja­nu­ar 2016), das Fahr­zeug im der­zei­ti­gen Zu­stand al­so nicht vor­schrifts­mä­ßig ist. Ein Käu­fer darf üb­li­cher­wei­se er­war­ten, dass er ein Fahr­zeug er­wirbt, des­sen Be­triebs­er­laub­nis nicht ge­fähr­det ist oder nur mit Auf­la­gen auf­recht­er­hal­ten wird (vgl. LG Ha­gen, Urt. v. 18.10.2016 – 3 O 66/16, ju­ris Rn. 39 m. w. Nachw.).

b) Da­mit kann der Käu­fer nach sei­ner Wahl ge­mäß §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB Nach­lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Fahr­zeugs oder die Be­sei­ti­gung des Man­gels ver­lan­gen. Im Streit­fall hat der Klä­ger die Nach­lie­fe­rung ge­wählt, so­dass er ei­nen An­spruch auf Lie­fe­rung ei­nes fa­brik­neu­en Pkw VW Ti­gu­an hat.

aa) Die Be­klag­te kann sich nicht dar­auf be­ru­fen, dass die Nach­lie­fe­rung nach §§ 439 III, 275 BGB un­mög­lich wä­re. Denn die Nach­lie­fe­rung … ist nicht un­mög­lich.

(1) Vor­lie­gend lag ei­ne Gat­tungs­schuld vor. Ei­ne Er­satz­lie­fe­rung wird erst dann un­mög­lich, wenn die ge­sam­te Gat­tung un­ter­ge­gan­gen bzw. man­gel­haft ist (Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 76. Aufl., § 439 Rn. 15). Im Streit­fall ist zwar da­von aus­zu­ge­hen, dass al­le Fahr­zeu­ge des Typs Ti­gu­an aus der ers­ten Bau­rei­he mit dem Die­sel­mo­tor EA189 man­gel­be­haf­tet sind.

(2) Die Nach­lie­fe­rung ist aber durch die Über­las­sung ei­nes Fahr­zeugs der ak­tu­el­len Bau­rei­he des Ti­gu­an, al­so des Ti­gu­an II, mit dem an­de­ren Mo­tor mög­lich.

Der Auf­fas­sung der Be­klag­ten, dass die Fahr­zeu­ge der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­ti­on des Typs Ti­gu­an ei­ner an­de­ren Gat­tung an­ge­hö­ren, kann nicht ge­folgt wer­den. Ei­ne Gat­tung bil­den al­le Ge­gen­stän­de, die durch ge­mein­schaft­li­che Merk­ma­le (Typ, Sor­te, u. U. auch Preis) ge­kenn­zeich­net sind und sich da­durch von an­de­ren Ge­gen­stän­den ab­he­ben. Über die Ab­gren­zung ent­schei­det der Par­tei­wil­le (Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 76. Aufl., § 243 Rn. 2). Im Streit­fall ist dem­nach die Re­ge­lung un­ter Nr. 6 der Neu­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen der Be­klag­ten, die un­strei­tig in den Kauf­ver­trag ein­be­zo­gen wa­ren, zu be­rück­sich­ti­gen. Dort heißt es un­ter an­de­rem:

„Kon­struk­ti­ons- oder Form­än­de­run­gen, Ab­wei­chun­gen im Farb­ton so­wie Än­de­run­gen des Lie­fer­um­fangs sei­tens des Her­stel­lers wäh­rend der Lie­fer­zeit blei­ben vor­be­hal­ten, so­fern die Än­de­run­gen oder Ab­wei­chun­gen un­ter Be­rück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen des Ver­käu­fers für den Käu­fer zu­mut­bar sind. So­fern der Ver­käu­fer oder Her­stel­ler zur Be­zeich­nung der Be­stel­lung oder des be­stell­ten Kauf­ge­gen­stan­des Zei­chen oder Num­mern ge­braucht, kön­nen al­lein dar­aus kei­ne Rech­te be­grün­det wer­den.“

Der Mo­tor des Ti­gu­an II hat 10 kW mehr (140 kW statt 130 kW) und er­füllt an­stel­le der Eu­ro-Norm 5 die Eu­ro-Norm 6. Wei­ter­hin ist der Ti­gu­an II ge­gen­über dem Ti­gu­an I, wie aus dem von der Be­klag­ten ein­ge­reich­ten Ar­ti­kel in der Zeit­schrift „au­to mo­tor und sport“ (An­la­ge B 10) er­sicht­lich, um ei­ni­ge Zen­ti­me­ter grö­ßer, hat mehr La­de­vo­lu­men, und die tech­ni­sche Aus­stat­tung und das De­sign wur­den leicht ab­ge­än­dert. Die­se Än­de­run­gen sind je­doch nicht so er­heb­lich, dass man da­von aus­ge­hen könn­te, dass der Ti­gu­an II ei­ner ei­ge­nen Gat­tung an­ge­hö­ren wür­de.

Der Ver­gleich der in der An­la­ge B 10 ab­ge­druck­ten Licht­bil­der er­gibt ein­deu­tig, dass die Ab­wei­chun­gen op­ti­scher Art als ge­ring zu be­wer­ten sind. Auch die tech­ni­schen Ver­än­de­run­gen stel­len nur leich­te Ver­än­de­run­gen dar und sind nicht er­heb­lich. Die Ab­wei­chun­gen sind ins­ge­samt als ge­ring zu be­wer­ten und wä­ren dem Kun­den nach Nr. 6 der Neu­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen zu­zu­mu­ten, falls die Volks­wa­gen AG nach der Be­stel­lung, aber vor der Aus­lie­fe­rung des Fahr­zeugs an den Klä­ger die Pro­duk­ti­on des Ti­gu­an I ein­ge­stellt und auf den Ti­gu­an II um­ge­stellt hät­te.

So­weit die Be­klag­te dar­auf ver­weist, der Ti­gu­an II ba­sie­re auf ei­nem neu­en mo­du­la­ren Quer­bau­kas­ten, ist das un­er­heb­lich. Der­ar­ti­ge tech­ni­sche De­tails sind in al­ler Re­gel für ei­nen Ver­brau­cher, der sich ei­nen Pkw kauft, nicht von Be­deu­tung und ihm zu­meist nicht ein­mal be­kannt. Zu­dem ver­pflich­tet Nr. 6 der Neu­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen den Käu­fer ge­ra­de, auch Kon­struk­ti­ons- und Form­än­de­run­gen hin­zu­neh­men, so­fern die­se für ihn zu­mut­bar sind, was hier wie aus­ge­führt an­ge­sichts der nur ge­rin­gen op­ti­schen und tech­ni­schen Ver­än­de­run­gen vor­liegt.

bb) Die Be­klag­te ist auch nicht we­gen Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit der Kos­ten der Nach­lie­fe­rung be­rech­tigt, die­se zu ver­wei­gern mit der Fol­ge, dass der Käu­fer nur noch Man­gel­be­sei­ti­gung ver­lan­gen könn­te (§ 439 III BGB).

Die Fest­stel­lung der Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit er­for­dert grund­sätz­lich ei­ne um­fas­sen­de Wür­di­gung der in § 439 III BGB ge­nann­ten Um­stän­de, al­so der Kos­ten der vom Käu­fer ge­wähl­ten Form der Nach­er­fül­lung, des Werts der Sa­che in man­gel­frei­em Zu­stand, die Be­deu­tung des Man­gels und die Fra­ge, ob die an­de­re Art der Nach­er­fül­lung für den Käu­fer er­heb­li­che Nach­tei­le hät­te.

Die Be­klag­te kann sich für die Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit der Kos­ten der vom Klä­ger ge­wähl­ten Nach­lie­fe­rung aber nicht dar­auf be­ru­fen, dass die Nach­bes­se­rung durch das Auf­spie­len des Soft­ware­up­dates Kos­ten von un­ter 100 € ver­ur­sa­chen wür­de. Auf die zwi­schen den Par­tei­en strei­ti­ge Fra­ge, wel­che Kos­ten für das sei­tens der Volks­wa­gen AG ge­plan­te Soft­ware­up­date an­fal­len und ob das Soft­ware­up­date für den Klä­ger zu­mut­bar wä­re, kommt es nicht an. Denn zum maß­geb­li­chen Zeit­punkt im März 2016 war die Män­gel­be­sei­ti­gung durch Nach­bes­se­rung in Form des Auf­spie­lens ei­nes Soft­ware­up­dates un­strei­tig nicht mög­lich, da das Soft­ware­up­date noch nicht auf­ge­spielt wer­den konn­te, da die Frei­ga­be des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes erst im Ju­li 2016 er­teilt wur­de.

(1) Auf wel­chen Zeit­punkt für die Be­ur­tei­lung nach § 439 III BGB ab­zu­stel­len ist, ist al­ler­dings strei­tig. Teil­wei­se wird in der Li­te­ra­tur auf den Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung ab­ge­stellt (Faust, in: Bam­ber­ger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 439 Rn. 41). Die­se An­sicht über­zeugt nicht. Der BGH hat zu der ähn­lich ge­la­ger­ten Pro­ble­ma­tik des Aus­schlus­ses des Rück­tritts­rechts nach § 323 V 2 BGB we­gen Ge­ring­fü­gig­keit des Man­gels be­reits ent­schie­den, dass ein zum Zeit­punkt des Rück­tritts er­heb­li­cher Man­gel nicht zu ei­nem ge­ring­fü­gi­gen Man­gel wird, wenn sich nach­träg­lich her­aus­stellt. dass der Man­gel doch mit ver­hält­nis­mä­ßig ge­rin­gem Auf­wand be­ho­ben wer­den kann (vgl. BGH, Urt. v. 15.06.2011 – VI­II ZR 139/09, ju­ris Rn. 9). Auch zu § 633 II BGB a.F. ver­tritt der BGH die Auf­fas­sung, dass für die Be­wer­tung des zur Nach­bes­se­rung er­for­der­li­chen Auf­wands auf den Zeit­punkt ab­zu­stel­len ist, In dem die ver­trags­ge­mä­ße Er­fül­lung ge­schul­det war; ei­ne Er­hö­hung des Auf­wands auf­grund spä­te­ren Bau­kos­ten­stei­ge­run­gen war da­her nicht zu be­rück­sich­ti­gen (BGH, Urt. v. 23.03.1995 – VII ZR 235/93, ju­ris Rn. 12).

Dem­entspre­chend wird in der Li­te­ra­tur auch rich­ti­ger­wei­se über­wie­gend ver­tre­ten, dass es nicht auf den Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung an­kommt (vgl. MünchKomm-BGB/Wes­ter­mann, 7. Aufl., § 439 Rn. 27, der auf den Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs ab­stel­len will, so­wie Stau­din­ger/Ma­tu­sche-Beck­mann, BGB, Neu­be­arb. 2013, § 439 Rn. 126, die dem Ge­dan­ken des BGH aus dem Ur­teil vom 23.03.1995 fol­gen will). Dies ist auch zu­tref­fend, denn es darf ei­nem Ver­käu­fer nicht zu­gu­te­kom­men, wenn er die vom Klä­ger be­rech­tigt ge­wähl­te Form der Nach­er­fül­lung ver­wei­gert, den Klä­ger in ein Ge­richts­ver­fah­ren zwingt und so zeit­li­che Ver­zö­ge­run­gen ver­ur­sacht.

(2) Maß­geb­lich ist dem­nach die Sach­la­ge spä­tes­tens zu dem Zeit­punkt, als die Be­klag­te mit der Nach­lie­fe­rung in Ver­zug ge­ra­ten ist, al­so am 08.03.2016. Die maß­geb­li­che Soft­ware exis­tier­te zu je­nem Zeit­punkt noch nicht bzw. hat­te je­den­falls noch kei­ne Frei­ga­be vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt.

Die vom Klä­ger ge­setz­te Frist zur Nach­er­fül­lung durch Nach­lie­fe­rung zum 07.03.2016 war auch an­ge­mes­sen. Die Be­klag­te kann sich nicht dar­auf be­ru­fen, dass der Klä­ger ihr zur Nach­er­fül­lung ei­ne Frist bis zum Vor­lie­gen des zu je­nem Zeit­punkt be­reits von der Volks­wa­gen AG an­ge­kün­dig­ten Soft­ware­up­dates hät­te set­zen müs­sen. Die Set­zung ei­ner der­art lan­gen Frist ist für den Käu­fer auch un­ter dem Ge­sichts­punkt, dass kei­ne Ge­brauch­s­ein­schrän­kung des Fahr­zeugs vor­lag, un­zu­mut­bar. Da­bei ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass der VW-Ab­gas­skan­dal be­reits im Sep­tem­ber 2015 be­kannt ge­wor­den ist und der Klä­ger ne­ga­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf den Markt­preis ernst­lich be­fürch­ten muss­te. Aus dem mit der Täu­schung ein­ge­gan­ge­nen un­ter­neh­me­ri­schen Ri­si­ko von Straf­zah­lun­gen, Scha­dens­er­satz­kla­gen und ei­nem mas­si­ven ge­schäfts­schä­di­gen­den Image­ver­lust für die Volks­wa­gen AG konn­te je­den­falls An­fang 2016 nur der Schluss ge­zo­gen wer­den, dass es für die Aus­ge­stal­tung der Mo­tor­soft­ware wich­ti­ge tech­ni­sche Grün­de gab und ei­ne an­de­re Lö­sung tech­nisch gar nicht oder nur mit ho­hen Kos­ten mög­lich sein wür­de (vgl. LG Ha­gen, Urt. v. 18.10.2016 – 3 O 66/16, ju­ris Rn. 65). Für den Klä­ger war An­fang 2016 noch we­ni­ger als jetzt ab­schätz­bar, ob und wann für sein Fahr­zeug ei­ne tech­ni­sche, vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt ak­zep­tier­te Lö­sung ge­fun­den wer­den wür­de und ob und wann das über dem Fahr­zeug schwe­ben­de Ri­si­ko des Ver­lus­tes der Be­triebs­er­laub­nis und des Wert­ver­lusts ab­ge­wen­det wer­den kann.

c) Ei­nen An­spruch auf Wert­er­satz für die vom Klä­ger ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen nach §§ 439 IV, 346 BGB hat die Be­klag­te nach § 474 I, V BGB nicht. Bei dem Klä­ger han­delt es sich un­strei­tig um ei­nen Ver­brau­cher.

2. Die Be­klag­te be­fin­det sich mit der Neu­lie­fe­rung ei­nes Pkw vom Typ VW Ti­gu­an II und der Rück­nah­me des Fahr­zeugs des Klä­gers in Ver­zug …

3. Auch der An­spruch des Klä­gers auf Er­satz der vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten folgt aus Ver­zug. …

Hin­weis: Die­ses Ur­teil hat mir freund­li­cher­wei­se der Kol­le­ge Dr. Ralf StollDr. Stoll & Sau­er Rechts­an­walts­ge­sell­schaft mbH – zu­kom­men las­sen, der die Ent­schei­dung für den Klä­ger erstrit­ten hat.

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