Nach einem erfolglosen Nachbesserungsversuch ist einem Verkäufer entgegen § 440 Satz 2 BGB dann kein zweiter Nachbesserungsversuch zuzubilligen, wenn der Käufer die begründete Befürchtung haben kann, dass die Kaufsache auch nach einem zweiten Nachbesserungsversuch nicht mangelfrei sein wird. In einem solchen Fall ist dem Käufer eine weitere Nacherfüllung unzumutbar.
AG Ansbach, Urteil vom 05.01.2017 – 3 C 1155/15
Sachverhalt: Der Kläger kaufte am 23.05.2015 von der Beklagten für 25.000 € einen gebrauchten Pkw Audi Q5. Dieses Fahrzeug wurde ihm am 28.05.2015 übergeben.
Mit Schreiben vom 16.06.2015 forderte der Kläger die Beklagte zur Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) auf und setze ihr dafür eine Frist bis zum 30.06.2015. Am 24.06.2015 brachte der Kläger sein Fahrzeug zu& der Beklagten und holte es am 03.07.2015 wieder ab.
Der Kläger behauptet, dass das Getriebe des streitgegenständlichen Pkw schon bei dessen Übergabe im Mai 2015 defekt gewesen sei. Diesen Mangel habe die Beklagte bei ihrem im Juni 2015 unternommenen Nachbesserungsversuch nicht (vollständig) beseitigt, weil sie die Getriebeeinheit nicht ausgetauscht habe. Ein zweiter Nachbesserungsversuch – so meint der Kläger – sei ihm nicht zuzumuten, sodass ihm die Beklagte Schadensersatz in Höhe der Kosten leisten müsse, die er voraussichtlich für die Mangelbeseitigung aufwenden müsse. Diese Kosten beziffert der Kläger mit 1.032,58 € netto.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagte zuletzt auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen in Anspruch genommen. Darüber hinaus hat er die Feststellung begehrt, dass ihm die Beklagte sämtliche weiteren Schäden, die im Zusammenhang mit der beabsichtigten Reparatur des Fahrzeugs stünden (höhere Reparaturkosten, Umsatzsteuer, Mietwagenkosten/Nutzungsausfall für die Dauer der Reparatur, Fahrtkosten, Verdienstausfall etc.) ersetzen müsse. Außerdem hat der Kläger von der Beklagten die Zahlung weiterer 428,25 € nebst Zinsen sowie den Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten (413,64 € nebst Zinsen) verlangt.
Die Beklagte hat ihre Passivlegitimation in Abrede gestellt und behauptet, sie habe das streitgegenständliche Fahrzeug lediglich im Kundenauftrag verkauft (Agenturgeschäft), sodass sie nicht zur Nachbesserung verpflichtet (gewesen) sei. Außerdem hat die Beklagte bestritten, dass der Pkw bei der Übergabe an den Kläger einen Getriebeschaden aufgewiesen habe. Jedenfalls – so hat die Beklagte geltend gemacht – habe nach den im Juni 2015 vorgenommenen Nachbesserungsarbeiten kein solcher Mangel mehr vorgelegen. Sollte der Pkw – gegebenenfalls trotz der Nachbesserungsarbeiten – an einem Getriebeschaden oder an einem anderen Mangel leiden, habe sie das Recht, das Fahrzeug (nochmals) nachzubessern.
Die Klage hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: I. … Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 1.460,83 € gemäß §§ 434 I, 437 Nr. 3 Fall 1, §§ 280 I, III, 281, 440 BGB zu.
1. Die Beklagte ist passivlegitimiert, da deren Einwand, das streitgegenständliche Fahrzeug sei lediglich im Kundenauftrag verkauft worden, nicht durchgreift. Aus der Kaufvertragsurkunde (Anlage K 1), für die die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit spricht, ergibt sich kein Hinweis auf ein Agenturgeschäft, vielmehr ist dort ausdrücklich die Beklagte als Verkäuferin genannt. Die beweisbelastete Beklagte ist hinsichtlich des gegenteiligen Sachvortrags beweisfällig geblieben, sodass von einem Verbrauchsgüterkauf auszugehen ist mit der Folge, dass die Mängelrechte aus dem Kaufvertrag dem Kläger gegenüber der Beklagten als Händlerin zustehen.
2. Der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) S kommt in seinem überzeugenden und nachvollziehbaren Gutachten sowie in der ergänzenden Stellungnahme aufgrund einer Fahrzeugbesichtigung und -Überprüfung zu dem Ergebnis, dass kein Getriebeschaden im üblichen Sinne vorliegt, jedoch Funktionseinschränkungen in der Mechatronik, die zu einem zeitweisen „Zuckeln“ und einem Absterben des Motors beim Anfahren am Berg führen. Diese system- bzw. produktionsbedingten Einschränkungen stellen aus sachverständiger Sicht einen Mangel dar, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits zum maßgebenden Übergabezeitpunkt vorhanden, auf jeden Fall zumindest angelegt war.
Zur Beseitigung des Mangels sind Kosten in Höhe von 1.032,58 € netto für einen Mechatronik-Reparatursatz erforderlich.
Die Beklagte ist unter Schadensersatzgesichtspunkten zum Ausgleich dieser Kosten verpflichtet. Da der vom Sachverständigen bestätigte Mangel offensichtlich bei dem ersten Nachbesserungsversuch der Beklagten nicht beseitigt worden ist, ist von einer fehlgeschlagenen Nachbesserung i. S. des § 440 Satz 1 Fall 2, Satz 2 BGB auszugehen. Ein zweiter Nachbesserungsversuch durch die Beklagte war dem Kläger vor diesem Hintergrund nicht zumutbar, da das Vorhandensein des streitgegenständlichen Defekts von der Beklagten bestritten wurde und der Kläger die begründete Befürchtung haben durfte, das Fahrzeug werde trotz weiterer Nachbesserung wieder nicht mangelfrei sein (Palandt/Weidenkaff, BGB, 72. Aufl., § 440 Rn. 8).
3. Die Klage ist im Klageantrag zu 2 ebenfalls begründet, da klägerseits ein entsprechendes Feststellungsinteresse (§ 256 I ZPO) im Hinblick auf weitere, im Zusammenhang mit der oben genannten Reparaturmaßnahme stehende Schäden (z. B. Reparaturkostenerhöhung, Mehrwertsteuer, Nutzungsausfall etc.) besteht. Der Sachverständige Dipl.-lng. (FH) S kommt in seiner ergänzenden Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass durch den vorgeschlagenen Einbau des Reparatursatzes eine vollständige Mangelbeseitigung zwar sehr wahrscheinlich ist, jedoch nicht garantiert werden kann. Eine Kostenerhöhung durch gegebenenfalls weitere Reparaturmaßnahmen ist deshalb nicht ausgeschlossen.
4. Gemäß § 439 II BGB gilt der Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung, das heißt, der Verkäufer hat die zu diesem Zwecke erforderlichen Aufwendungen (des Käufers und Verkäufers), insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten, zu tragen. Die geltend gemachte Höhe der klägerischen Aufwendungen (Fahrtkosten und Verdienstausfall) von 428,25 € wurde beklagtenseits nicht bestritten (§ 138 III ZPO).
5. Der geltend gemachte Zinsanspruch sowie die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind gemäß §§ 280 I, II, 286, 288 I BGB begründet. Die Rechtsanwaltsgebühren wurden entsprechend der zugesprochenen Klageforderung reduziert (1,3-fache Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 1.960,83 €). Die Klagezustellung erfolgte am 20.08.2015, die Zustellung der Klageänderung am 09.07.2016 (§ 291 BGB). …