Nach ei­nem wirk­sa­men Rück­tritt des Käu­fers von ei­nem Kfz-Kauf­ver­trag ist die­ser Ver­trag ein­heit­lich dort rück­ab­zu­wi­ckeln, wo sich das Fahr­zeug im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung ver­trags­ge­mäß be­fand, re­gel­mä­ßig al­so am Wohn­sitz des Käu­fers.

OLG Hamm, Ur­teil vom 20.10.2015 – 28 U 91/15
(vor­her­ge­hend: LG Bie­le­feld, Ur­teil vom 28.04.2015 – 7 O 321/14)

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en strei­ten über die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen Ge­braucht­wa­gen (Sa­ab 900 Ca­brio­let).

Die­ses Fahr­zeug be­fand sich ur­sprüng­lich im Be­sitz des Be­klag­ten, der in Q. wohnt. Er bot das Ca­brio­let im Sep­tem­ber 2014 im In­ter­net zum Kauf an. Der Klä­ger, der in M. wohnt, wur­de so auf das Fahr­zeug auf­merk­sam, be­sich­tig­te es und er­warb das Ca­brio­let schließ­lich am 07.09.2014 zum Preis von 5.650 €.

Nach­dem der Klä­ger das Fahr­zeug nach M. über­führt hat­te, ent­stand bei ihm nach Durch­sicht der Fahr­zeug­pa­pie­re der Ein­druck, dass die im Kauf­ver­trag vom 07.09.2014 an­ge­ge­be­ne „Ge­samt­lauf­leis­tung“ von 173.000 km un­zu­tref­fend sei und das Fahr­zeug tat­säch­lich ei­ne er­heb­lich hö­he­re Lauf­leis­tung auf­wei­se. Er er­klär­te des­halb – oh­ne das Fahr­zeug be­reits auf sei­nen Na­men zu­ge­las­sen zu ha­ben – am 09.09.2014 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und for­der­te den Be­klag­ten auf, das Ca­brio­let bis zum 20.09.2014 in M. ab­zu­ho­len.

Da der Be­klag­te sich nicht auf ei­ne Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags ein­las­sen woll­te, er­hob der Klä­ger Kla­ge vor dem LG Bie­le­feld. Das Land­ge­richt wies den Klä­ger mit Ver­fü­gung vom 19.12.2014 dar­auf hin, dass es die Be­den­ken des Be­klag­ten hin­sicht­lich sei­ner ört­li­chen Zu­stän­dig­keit tei­le, und frag­te nach, ob der Klä­ger eben­falls ei­ne Ver­wei­sung des Rechts­streits an das LG Pots­dam be­an­tra­ge. Dies ver­nein­te der Klä­ger.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge dar­auf­hin – nach ei­ner münd­li­chen Ver­hand­lung – durch Ur­teil vom 28.04.2015 als un­zu­läs­sig ab­ge­wie­sen und zur Be­grün­dung aus­ge­führt, dass es ört­lich nicht zu­stän­dig sei. Ins­be­son­de­re er­ge­be sich die ört­li­che Zu­stän­dig­keit nicht aus § 29 ZPO. Bei der Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags kön­ne näm­lich kein ein­heit­li­cher Er­fül­lungs­ort am Be­le­gen­heits­ort der ge­kauf­ten Sa­che aus­ge­gan­gen wer­den; viel­mehr sei der Er­fül­lungs­ort für je­de der Rück­ge­währ­pflich­ten nach § 269 BGB ge­son­dert zu be­stim­men. Da­bei sei zu be­rück­sich­ti­gen, dass der Klä­ger die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses nicht Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs be­geh­re.

Auf die Be­ru­fung des Klä­gers wur­de das land­ge­richt­li­che Ur­teil auf­ge­ho­ben und der Rechts­streit zur wei­te­ren Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Land­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen (§ 538 II Nr. 3 ZPO).

Aus den Grün­den: II. … 1. Das Land­ge­richt hät­te die Kla­ge nicht we­gen feh­len­der ört­li­cher Zu­stän­dig­keit als un­zu­läs­sig ab­wei­sen dür­fen. Der Klä­ger konn­te viel­mehr ge­mäß § 35 ZPO nach sei­ner Wahl die Kla­ge vor dem LG Bie­le­feld er­he­ben, weil dort der Ge­richts­stand des Er­fül­lungs­or­tes ge­ge­ben ist (§ 29 I ZPO).

Nach der Re­ge­lung des § 29 I ZPO ist für Strei­tig­kei­ten aus ei­nem Ver­trags­ver­hält­nis – auch – das Ge­richt des Or­tes zu­stän­dig, an dem die strei­ti­ge Ver­pflich­tung zu er­fül­len ist. Der in­so­fern maß­geb­li­che Ort rich­tet sich nach dem ma­te­ri­el­len Recht (BGH, Urt. v. 18.01.2011 – X ZR 71/10, NJW 2011, 2056 Rn. 29).

Nach dem vom Klä­ger zur Kla­ge­be­grün­dung vor­ge­tra­ge­nen Sach­ver­halt soll ihm ge­gen den Be­klag­ten ein An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­preis von 5.650 € zu­ste­hen, weil er wirk­sam von dem Kauf­ver­trag über das Sa­ab 900 Ca­brio­let zu­rück­ge­tre­ten sei.

Das ma­te­ri­el­le Recht ent­hält kei­ne ab­schlie­ßen­de Re­ge­lung, an wel­chem Ort die hier strei­ti­ge Ver­pflich­tung zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses zu er­fül­len ist. Ab­zu­stel­len ist viel­mehr auf § 269 I BGB. Da­nach rich­tet sich der Ort für die Leis­tung nach der von den Par­tei­en ge­trof­fe­nen Be­stim­mung oder nach den Be­gleit­um­stän­den, die sich ins­be­son­de­re aus der Na­tur des Schuld­ver­hält­nis­ses er­ge­ben. Wenn sich in­so­weit kei­ne Fest­stel­lun­gen tref­fen las­sen, bil­det der Wohn­sitz des Ver­käu­fers, der ver­meint­lich die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses schul­det, den maß­geb­li­chen Leis­tungs­ort.

Die Par­tei­en ha­ben bei Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges zwar kei­ne aus­drück­li­che Be­stim­mung ge­trof­fen, wie im Fal­le der Rück­ab­wick­lung des Ver­tra­ges zu ver­fah­ren sei. Ih­nen kann al­ler­dings der mut­maß­li­che Wil­le un­ter­stellt wer­den, dies nach den ein­schlä­gi­gen ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen zu tun. Da­bei er­gibt sich aus §§ 346, 323, 440, 434, 433 BGB, dass der Käu­fer selbst bei wirk­sa­mer Aus­übung des ge­setz­li­chen Rück­tritts­rechts kei­nen un­ein­ge­schränk­ten An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses hat, son­dern dass die­ser An­spruch vom Ver­käu­fer nur Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung der Kauf­sa­che zu er­fül­len ist.

Der Klä­ger hat zwar erst­in­stanz­lich kei­nen sol­chen Zug-um-Zug-An­trag ge­stellt, weil das Land­ge­richt den ge­mäß § 139 I 2 ZPO ge­bo­te­nen rich­ter­li­chen Hin­weis auf ei­ne ent­spre­chen­de Kla­ge­um­stel­lung un­ter­las­sen hat. Der Klä­ger hat dies al­ler­dings er­war­tungs­ge­mäß mit der Be­ru­fungs­be­grün­dung nach­ge­holt und für den Fall der Zu­rück­ver­wei­sung an­ge­kün­digt, die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses nur Zug um Zug ge­gen Fahr­zeug­rück­ga­be be­an­spru­chen zu wol­len. Die­se neue An­trag­stel­lung ist nun­mehr für die Be­ur­tei­lung ent­schei­dend, ob die Kla­ge als zu­läs­sig an­zu­se­hen und des­halb ei­ne Zu­rück­ver­wei­sung vor­zu­neh­men ist (Ball, in: Mu­sielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. [2015], § 538 Rn. 25).

Wenn man vor die­sem Hin­ter­grund da­von aus­geht, dass hier nach ei­nem wirk­sa­men Rück­tritt die aus­ge­tausch­ten Leis­tun­gen Zug um Zug rück­ab­zu­wi­ckeln sind, dann steht wie­der­um recht­lich au­ßer Fra­ge, dass der Be­klag­te als Ver­käu­fer ver­pflich­tet ist, das – un­ter­stellt: – man­gel­haf­te Fahr­zeug bei dem Klä­ger in M. ab­zu­ho­len (Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 12. Aufl. [2014], Rn. 1220). Nach der Vor­stel­lung des Ge­setz­ge­bers soll der Ver­käu­fer dann auch bei die­ser Ge­le­gen­heit der Fahr­zeug­ab­ho­lung Zug um Zug sei­ne Ver­pflich­tung zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses er­fül­len.

Die­ses mut­maß­lich auch von den Par­tei­en so ge­woll­te Pro­ze­de­re spricht da­für, bei der Rück­ab­wick­lung ei­nes Au­to­kaufs im Rah­men des § 29 I ZPO ei­nen ein­heit­li­chen Ge­richts­stand des Er­fül­lungs­or­tes dort an­zu­neh­men, wo sich das ge­kauf­te Fahr­zeug im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung ver­trags­ge­mäß be­fin­det – näm­lich re­gel­mä­ßig am Wohn­sitz des Käu­fers. Dies ent­spricht zu Recht der vor­herr­schen­den Auf­fas­sung (BGH, Urt. v. 09.03.1983 – VI­II ZR 11/82, NJW 1983, 1479; OLG Schles­wig, Urt. v. 04.09.2012 – 3 U 99/11; OLG Düs­sel­dorf, Beschl. v. 17.07.2013 – 22 W 19/13; OLG Köln, Beschl. v. 28.03.2011 – 3 U 174/10,  DAR 2011, 260; OLG Karls­ru­he, Urt. v. 14.06.2013 – 13 U 53/13, MDR 2013, 898; OLG Nürn­berg, Urt. v. 20.02.2009 – 2 U 2074/08; OLG Bam­berg, Beschl. vom 24.04.2013 – 8 SA 9/13, ZfS 2013, 568; OLG Mün­chen, Urt. v. 13.01.2014 – 19 U 3721/13, MDR 2014, 450; Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 74. Aufl. [2015], § 269 Rn. 16; Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 1217 f., 1264; Zöl­ler/Voll­kom­mer, ZPO, 30. Aufl. [2014], § 29 Rn. 25 – „Kauf­ver­trag“).

Für die ab­wei­chen­de Rechts­an­sicht des Land­ge­richts, der Ge­richts­stand des Er­fül­lungs­or­tes lie­ge am Wohn­sitz des Be­klag­ten in Q., las­sen sich da­ge­gen kei­ne trag­fä­hi­gen Um­stän­de an­füh­ren:

Zwar ist in der Recht­spre­chung an­er­kannt, dass auch die nach § 439 BGB vom Ver­käu­fer vor­ran­gig ge­schul­de­te Nach­er­fül­lung grund­sätz­lich an des­sen Be­triebs- oder Wohn­sitz vor­zu­neh­men ist (BGH, Urt. v. 13.04. 2011 – VI­II ZR 220/10, NJW 2011, 2278). Das lässt aber nicht den Rück­schluss zu, dass dort auch die spä­te­re Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags zu er­fol­gen hat. Viel­mehr wird sich im Ge­gen­teil das Schei­tern der Nach­er­fül­lung als Rück­tritts­vor­aus­set­zun­gen in der Re­gel erst dann fest­stel­len las­sen, wenn der Käu­fer das Fahr­zeug im An­schluss an den Nach­er­fül­lungs­ver­such wie­der zur be­stim­mungs­ge­mä­ßen Ver­wen­dung zu­rück­er­hal­ten hat.

Auch die vom Land­ge­richt an­ge­führ­ten Er­wä­gun­gen zur Pro­zess­öko­no­mie ver­mö­gen kei­nen Ge­richts­stand am Wohn­sitz des Ver­käu­fers zu be­grün­den. Ab­ge­se­hen da­von, dass sich der Er­fül­lungs­ort i. S. des § 29 I ZPO – wie dar­ge­stellt – nach dem ma­te­ri­el­len Recht rich­tet (BGH, Beschl. v. 11.11.2003 – X ARZ 91/03, NJW 2004, 54), müs­sen auch nicht bei je­der Rück­ab­wick­lungs­kla­ge – wie of­fen­bar das Land­ge­richt meint – „Arg­list­zeu­gen“ am Wohn­ort des Ver­käu­fers ver­nom­men wer­den. Viel­mehr rich­tet sich der er­for­der­li­che pro­zes­sua­le Auf­wand nach den Um­stän­den des Ein­zel­falls. So wird es im Streit­fall zur Klä­rung der re­le­van­ten Fra­ge, ob das Sa­ab Ca­brio­let ei­ne zu­ge­sag­te Ge­samt­lauf­leis­tung nicht auf­weist, mög­li­cher­wei­se auf die Ver­neh­mung der Vor­be­sit­zer an­kom­men, die nicht zwangs­läu­fig aus Q. kom­men müs­sen. Au­ßer­dem wird mög­li­cher­wei­se das Gut­ach­ten ei­nes Kfz-Sach­ver­stän­di­gen ein­zu­ho­len sein, bei dem ein Aus­ein­an­der­fal­len des Stand­orts des zu un­ter­su­chen­den Fahr­zeugs und des Ge­richts­or­tes re­gel­mä­ßig zu Mehr­kos­ten führt.

2. Der Rechts­streit ist noch nicht ent­schei­dungs­reif, so­dass kei­ne ei­ge­ne Sach­ent­schei­dung des Se­nats in Be­tracht kommt …

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