Nach einem Rücktritt vom Kaufvertrag ist Erfüllungsort für sämtliche Rückgewähransprüche – also auch für den Anspruch des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises – einheitlich der Ort, an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet.
OLG Schleswig, Urteil vom 04.09.2012 – 3 U 99/11
Sachverhalt: Der Kläger macht Ansprüche nach Rücktritt vom Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen geltend.
Im März 2011 erwarb der in P. wohnhafte Kläger von der Beklagten, die in B. einen gewerblichen Autohandel betreibt, einen Pkw VW Touran zu einem Gesamtkaufpreis von 20.890 €. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.06.2011 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag. Er hat behauptet, das Fahrzeug weise einen massiven nicht behebbaren Unfallschaden auf. Mit seiner Klage hat der Kläger Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 400 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs und vorgerichtliche Anwaltskosten verlangt.
Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des LG Kiel gerügt und behauptet, das Fahrzeug sei als Unfallwagen verkauft worden; der Unfallschaden sei keineswegs „massiv“.
Das LG Kiel hat die Klage mangels örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger könne sich nicht auf den besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) berufen, denn die streitige Verpflichtung der Beklagten – Rückzahlung des Kaufpreises – sei nicht im Bezirk des LG Kiel, sondern am Ort der gewerblichen Niederlassung der Beklagten zu erfüllen. Ein abweichender Ort für die Leistung der Beklagten ergebe sich weder aus einer ausdrücklichen oder konkludenten Bestimmung noch aus den Umständen des Falls, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses (§ 269 BGB). Die herrschende Meinung, nach der im Falle des Rücktritts vom Kaufvertrag Erfüllungsort der Rückzahlungspflicht i. S. des § 29 ZPO der Ort sei, wo sich der Kaufgegenstand vertragsgemäß befinde, sei unzutreffend. Regelmäßig sei bei gegenseitigen Verträgen der Leistungsort für die Verpflichtung jedes Vertragspartners gesondert zu bestimmen. Für den Normalfall einer Zug-um-Zug-Verpflichtung sei dies allgemein anerkannt. Es gäbe keinen Grund, die Zahlungsverpflichtung anders zu behandeln, wenn sie die Rechtsfolge eines Rücktritts von einem Kaufvertrag sei. Das Argument der herrschenden Meinung, die Besonderheit liege darin, dass Leistungen im Rahmen einer Rückabwicklung des Vertrags zurückzugewähren seien, überzeuge nicht, weil konsequenterweise dann auch im Falle einer Anfechtung und bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung ein einheitlicher Leistungsort angenommen werden müsse, was – soweit ersichtlich – aber niemand vertrete. Auch bei einem Rücktritt vor Lieferung der Kaufsache werde als Erfüllungsort für den Rückzahlungsanspruch der Sitz des Verkäufers angenommen (OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.1975 – 6 U 74/75). Dies gelte unumstritten auch, wenn der Kaufpreis ganz oder teilweise in Form einer Minderung zurückverlangt werde. Aus dem Urteil des BGH vom 09.03.1983 – VIII ZR 11/82 – ließe sich ebenfalls kein einheitlicher Gerichtsstand des Erfüllungsortes für alle Rückgewähransprüche herleiten, da es in dieser Entscheidung lediglich um den Erfüllungsort für die Verpflichtung zur Rücknahme der Kaufsache, nicht aber um die Verpflichtung zur Rückzahlung des Kaufpreises gehe. Der BGH fordere für die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes besondere Umstände (BGH, Beschl. v. 11.11.2003 – X ARZ 91/03). Im vorliegenden Fall seien diese nicht gegeben, da die charakteristische Leistung nicht von einer Beschaffenheit sei, die es als sachgerecht und im mutmaßlichen Willen der Parteien liegend erscheinen lasse, dass die Zahlungspflicht am Wohnsitz des Klägers erfüllt werden müsse.
Die Berufung des Klägers hatte Erfolg; die Sache wurde gemäß § 538 II 1 Nr. 3 ZPO an das LG Kiel zurückverwiesen.
Aus den Gründen: II. … Das LG Kiel ist örtlich zuständig. Der Kläger kann sich gemäß §§ 29, 35 ZPO mit Erfolg auf den besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts berufen.
Nach § 29 I ZPO besteht für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis ein besonderer Gerichtsstand an dem Ort, an dem die streitige Vertragspflicht zu erfüllen ist. Bei gegenseitigen Verträgen ist der Erfüllungsort für die Verbindlichkeiten beider Vertragsteile grundsätzlich einzeln und gesondert zu bestimmen; nur ausnahmsweise kann ein einheitlicher Gerichtsstand angenommen werden (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl. [2012], § 29 Rn. 5; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. [2009], § 29 Rn. 24). Die streitige Vertragspflicht ist hier der Kaufpreisrückzahlungsanspruch gemäß § 346 I, § 326 V, §§ 437 Nr. 2, 440 BGB.
Für die Frage der örtlichen Zuständigkeit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger die zum Rücktritt berechtigenden Tatsachen beweisen kann. Tatsachen, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit einer Klage notwendigerweise erheblich sind (sog. doppelrelevante Tatsachen) werden erst bei Prüfung der Begründetheit festgestellt; für die Zulässigkeit genügt dann die schlüssige Behauptung durch den Kläger (BGH, Urt. v. 25.11.1993 – IX ZR 32/93, BGHZ 124, 241 = NJW 1994, 1413 m. w. Nachw.).
Der Erfüllungsort für den Kaufpreisrückzahlungsanspruch bestimmt sich mangels gesetzlicher Sonderregelung nach § 269 BGB. Gemäß Absatz 1 dieser Vorschrift kann sich der Erfüllungsort aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, ergeben, wenn eine Vereinbarung über den Erfüllungsort nicht getroffen wurde. Eine ausdrückliche Vereinbarung gibt es nicht. Auch eine konkludente Vereinbarung ist nicht ersichtlich. Die Umstände ergeben jedoch, dass Erfüllungsort für den Kaufpreisrückzahlungsanspruch der Ort ist, an dem sich die Kaufsache bei Zugang der Rücktrittserklärung vertragsgemäß befunden hat. Dies ist der Wohnsitz des Klägers in P., der im Bezirk des LG Kiel liegt.
Der Senat folgt damit der herrschenden Meinung. Danach ist einheitlicher Erfüllungsort für sämtliche Rückgewähransprüche nach Rücktritt vom Kaufvertrag – also auch für den Anspruch des Käufers auf Erstattung des Kaufpreises – der Ort, an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet (Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. [2012], § 29 Rn. 25 [„Kaufvertrag“, „Rückgängigmachung“]; Thomas/Putzo, a. a. O., § 29 Rn. 6, 11; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl. [2012], § 269 Rn. 16; jurisPK-BGB/Kerwer, 5. Auf. [2010], § 269 Rn. 21; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 06.01.2005 – 5 W 306/04, NJW 2005, 906; BayObLG, Beschl. v. 09.01.2004 – 1Z AR 140/03, MDR 2004, 646; LG Stralsund, Beschl. v. 13.10.2011 – 6 O 211/11, DAR 2011, 260; OLG Bamberg, Urt. v. 18.08.2010 – 8 U 51/10, ZGS 2011, 140). Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn – wie im vorliegenden Fall – die beiderseitigen Leistungspflichten vollzogen worden sind. Die herrschende Meinung stützt sich dabei vielfach auf die zum alten Schuldrecht ergangene „Dachziegelentscheidung“ des BGH vom 09.03.1983 (VIII ZR 11/82, BGHZ 87, 104 = NJW 1983, 1479). Als wesentliches Argument wird angeführt, dass der Käufer im Rahmen des Rückabwicklungsschuldverhältnisses nur zur Rückgewähr verpflichtet sei, also den Verkäufer lediglich in die Lage versetzen müsse, über die Ware zu verfügen. Eine Begünstigung des Käufers bei der Rückabwicklung sei gerechtfertigt, weil der Verkäufer durch die Lieferung einer mangelhaften Sache den Rücktrittsgrund herbeigeführt habe.
Dieser Ansicht ist in jüngster Zeit wieder vereinzelt entgegengetreten worden (Stöber, NJW 2006, 2661; LG Stralsund, Beschl. v. 13.10.2011 – 6 O 211/11; nunmehr LG Kiel, Urt. v. 07.12.2011 – 2 O 150/11; zu früheren Gegenstimmen vgl. LG Krefeld, Beschl. v. 27.07.1977 – 2 O 262/77, MDR 1977, 1018 m. w. Nachw.). Die herrschende Meinung sei nicht mit den gesetzlichen Regelungen des § 29 ZPO und § 269 BGB vereinbar. Das BGH-Urteil vom 09.03.1983 ließe sich auch nicht dahin gehend verstehen, dass sich der BGH der herrschenden Meinung angeschlossen habe, da in der Entscheidung nicht über die Frage des Erfüllungsorts des Rückzahlungsanspruchs bzw. des Gerichtsstands bei Rückzahlungsklagen entschieden worden sei. In dem Beschluss des BGH vom 11.11.2003 (X ARZ 91/03) habe der BGH klargestellt, dass ein einheitlicher Erfüllungsort nur bei Vorliegen besonderer Umstände i. S. des § 269 I BGB angenommen werden könne. Das Vorliegen solcher Umstände habe der BGH für den anwaltlichen Honoraranspruch verneint. Solche besonderen Umstände lägen auch beim Kaufpreisrückzahlungsanspruch nach Rücktritt vom Kaufvertrag nicht vor. Die Rückzahlungsverpflichtung sei als reine Geldschuld nicht ortsgebunden. Auch aus der Natur der Rückzahlungsverpflichtung als Zug-um-Zug-Verpflichtung könne nicht generell ein einheitlicher Gerichtsstand abgeleitet werden. Eine eventuelle Schutzbedürftigkeit des Käufers könne nicht in der von der herrschenden Meinung vorgeschlagenen Weise berücksichtigt werden, da es für eine Verlegung des Gerichtsstands an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Die Verlegung des Gerichtsstands liefe letztlich auf eine Strafe für den Verkäufer hinaus. Die herrschende Meinung sei zudem inkonsequent, da ein einheitlicher Gerichtsstand für vergleichbare Fälle (z. B. Minderung, bereicherungsrechtliche Rückabwicklung bei Sittenwidrigkeit oder [Arglist-]Anfechtung) auch nicht anerkannt werde.
Das Urteil des BGH vom 09.03.1983 – VIII ZR 11/82 – bestätigt nach Ansicht des Senats indes die herrschende Meinung. Es beschäftigt sich mit der Frage, ob der Verkäufer mangelhafter Dachziegel nach erklärter Wandlung verpflichtet ist, bereits provisorisch auf dem Dach verlegte Dachziegel abzudecken, oder ob er sich darauf beschränken darf, die bereitgestellten Dachziegel vom Erdboden des Käufergrundstück abzuholen. Der BGH bejaht eine Pflicht zum Abdecken der Ziegel. Zur Begründung führt er aus:
„Dass die Beklagte ihre Rücknahmeverpflichtung durch Abdecken der Ziegel zu erfüllen hatte, ergibt sich aus Folgendem: Nach herrschender Meinung ist einheitlicher Erfüllungsort für den Wandelungsvollzug der sogenannte Austauschort, das heißt derjenige Ort, an dem sich die Sache zur Zeit der Wandelung vertragsgemäß befindet (vgl. z. B. Senat, Urt. v. 20.11.1961 – VIII ZR 167/60, MDR 1962, 399 [400]; RGZ 50, 270 [272]; 55, 105 [112 f.]; 57, 12 [15]; …). Denn der Käufer schuldet nach § 346 Satz 1 BGB nur das Zurückgewähren der Leistung und hat somit den Verkäufer nur in die Lage zu versetzen, über die Ware zu verfügen … Es ist dem Berufungsgericht zwar zuzugeben, daß sich hieraus ein Risiko für den Verkäufer ergibt. Der Käufer kann die Sache entsprechend dem mit dem Vertragsschluß verfolgten Zweck an einen entfernten Ort geschafft haben. Diese Risikoverteilung ist aber gerechtfertigt, weil der vom Verkäufer zu vertretende Mangel der Kaufsache zur Wandelung geführt hat (vgl. RGZ 55, 105 [110 f.]; …). Gerade das anerkennenswerte und vom Gesetz, wie bereits dargelegt, auch anerkannte Interesse des Käufers, möglichst weitgehend so gestellt zu werden, als habe er sich auf den Vertrag nicht eingelassen, rechtfertigt es, ihn von den Kosten des Rücktransportes zu entlasten. Zu keinem anderen Ergebnis gelangt im vorliegenden Falle die Auffassung, die den Erfüllungsort stets bei dem Empfänger der verkauften Sache sieht … Selbst wenn man von einem für die Käufer- und die Verkäuferverpflichtungen unterschiedlichen Erfüllungsort ausgehen wollte (so z. B. OLG Oldenburg, NJW 1976, 1044; LG Krefeld, MDR 1977, 1018 f.; …), wäre dies für die Rückgabe- bzw. Rücknahmeverpflichtung dennoch der Ort, an dem sich die Ware vertragsgemäß befindet …“
Zwar war Gegenstand des Urteils die Verpflichtung zur Rücknahme der Kaufsache und nicht die Verpflichtung zur Rückzahlung des Kaufpreises, sodass es auf den Meinungsstreit im Ergebnis nicht ankam. Der BGH argumentiert jedoch ersichtlich auf Linie der herrschenden Meinung und nimmt ausdrücklich auf seine eigene frühere Entscheidung (BGH, Urt. v. 20.11.1961 – VIII ZR 167/60, MDR 1962, 399 [400]) Bezug, in der er von einem einheitlichen Gerichtsstand auch für die Kaufpreisrückzahlungsklage ausgegangen war. Hinsichtlich der Gegenansicht stellt er als Hilfserwägung („selbst wenn“) lediglich fest, dass auch diese im zugrunde liegenden Fall „zu keinem anderen Ergebnis“ geführt hätte.
Die Entscheidung lässt sich auch auf das neue Schuldrecht übertragen (so auch Stöber, NJW 2006, 2661 [2662] m. w. Nachw.). Bei Wandlung und gesetzlichem Rücktritt handelt es sich im Wesentlichen um das gleiche Rechtsinstitut.
Der Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes für die Ansprüche nach Rücktritt vom Kaufvertrag am vertragsmäßigen Belegenheitsort steht auch nicht der BGH-Beschluss vom 11.11.2003 (X ARZ 91/03, BGHZ 157, 20 = NJW 2004, 54) entgegen, mit dem der BGH – entgegen früherer Rechtsprechung – für anwaltliche Honorarforderungen einen Gerichtstand am Kanzleisitz verneint hat. Dem Beschluss lassen sich vielmehr Maßstäbe für die Anwendung der §§ 29 ZPO, 269 BGB entnehmen, nach denen ein einheitlicher Erfüllungsort für Ansprüche aus Rücktritt vom Kaufvertrag am Ort der vertragsgemäßen Belegenheit der Sache in der Regel angenommen werden kann.
Nach jener Entscheidung ist für die Frage, ob sich nach § 269 BGB ein anderer Erfüllungsort aus den Umständen ergebe, auf den mutmaßlichen Willen der Parteien abzustellen. Dieser könne sich aus der Beschaffenheit der streitigen Leistung oder aus der Natur des Schuldverhältnisses ergeben. Ließen sich Besonderheiten des konkreten Schuldverhältnisses nicht feststellen, so sei auch eine Bewertung anhand der typischen Art des Schuldverhältnisses, das die streitige Verpflichtung begründet hat, zulässig.
Für die anwaltliche Honorarforderung hat der BGH festgestellt, dass sich aus der Beschaffenheit der streitigen Leistung ein besonderer Leistungsort nicht ergebe, da es sich lediglich um eine Geldforderung handele (vgl. § 270 IV BGB). Auch aus dem Schuldverhältnis der Parteien könne nicht bereits deshalb ein einheitlicher Leistungsort abgeleitet werden, weil es einerseits auf Zahlung, andererseits auf eine vertragscharakteristische Leistung gerichtet sei. Die Lehre vom Schwerpunkt des Vertrags sei auf den Erfüllungsort nicht anwendbar, da sie praktisch für jeden Vertragstyp zu einem einheitlichen Leistungsort führe, was mit der Regelung des § 269 I BGB unvereinbar sei.
Diese Erwägungen treffen auch auf die vorliegende Kaufpreisrückgewährschuld zu. Es handelt sich um eine reine Geldforderung. Auch der Umstand, dass es sich bei dem rückabzuwickelnden Kaufvertrag um ein typisches Austauschschuldverhältnis „Ware gegen Geld“ handelt, genügt für die Annahme eines einheitlichen Leistungsorts nicht. Ebenso wenig genügt das Vorliegen einer Zug um Zug zu erfüllenden Leistungspflicht, denn dies ist gerade ein Charakteristikum gegenseitiger Verträge.
Nach dem BGH-Beschluss kann ein besonderer Erfüllungsort aber angenommen werden, wenn „weitere Umstände“ festgestellt werden können. Solche Umstände bestünden etwa bei einem Ladengeschäft des täglichen Lebens, bei dem üblicherweise die beiderseitigen Leistungspflichten sogleich an Ort und Stelle erledigt werden, oder regelmäßig bei Bauwerksverträgen, weil auch der Besteller am Ort des Bauwerks mit der Abnahme einer seiner Hauptpflichten erfüllen müsse und es interessengerecht sei, eine gerichtliche Auseinandersetzung dort zu führen, wo aufgrund der räumlichen Nähe zum Bauwerk eine Beweisaufnahme (z. B. über das Aufmaß oder behauptete Mängel) regelmäßig wesentlicher einfacher und kostengünstiger erfolgen könne. Für die anwaltliche Honorarforderung lägen derartige „weitere Umstände“ aber nicht vor.
Die vom BGH herausgearbeiteten Grundsätze ermöglichen einerseits eine an der typischen Interessenlage der Parteien orientierte Betrachtung und tragen so praktischen Erfordernissen und der Rechtssicherheit Rechnung. Sie stehen andererseits im Einklang mit der gesetzlichen Regelung, die unterschiedliche Erfüllungsorte für die synallagmatischen Leistungspflichten als Regel und einen einheitlichen Erfüllungsort als Ausnahme vorsieht.
Nach diesen Maßstäben lassen sich für den Kaufpreisrückgewähranspruch – im Gegensatz zur anwaltlichen Honorarforderung – „weitere Umstände“ bejahen, nach denen es sachgerecht und der Interessenlage der Parteien entsprechend erscheint, einen einheitlichen Erfüllungsort anzunehmen.
Zunächst ist festzustellen, dass der Autokauf bzw. seine Rückabwicklung kein Ladengeschäft des täglichen Lebens darstellt. Denn in der Regel werden die beiderseitigen Leistungspflichten nicht sogleich an Ort und Stelle erfüllt. Regelmäßig gehen dem Vertragsschluss Besichtigungen oder Probefahrten voraus, häufig müssen Finanzierungszusagen eingeholt werden. Übergabe des Fahrzeugs und Bezahlung fallen oft räumlich und zeitlich auseinander. Auch nach Bedeutung und Umfang ist der Autokauf nicht mit einem Ladengeschäft des täglichen Lebens vergleichbar. Auch lässt sich der Autokauf von der Interessenlage nicht mit einem Bauwerksvertrag vergleichen. Zwar ist die Ortsgebundenheit beim Autokauf stärker ausgeprägt als beim Anwaltsvertrag, da es einen zentralen – wenn auch mobilen – Vertragsgegenstand gibt. Wegen der mit dem Transport verbundenen Kosten besteht ein stärkeres Bedürfnis nach einer in der Regel kostengünstigeren Beweisaufnahme am Ort der vertragscharakteristischen Leistung (= Belegenheitsort der Kaufsache) als beim Anwaltsvertrag. Allerdings kennt das Kaufrecht – im Gegensatz zum Werkvertragsrecht – eine Abnahmeverpflichtung des Käufers nicht. Zudem ist der Vertragsgegenstand beim Autokauf beweglich. Daher ist zu Recht anerkannt, dass Erfüllungsort für den primären Kaufpreisanspruch und damit Gerichtsstand für die Kaufpreisklage grundsätzlich der Wohnsitz des Käufers ist (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 29 Rn. 25 [„Kaufvertrag“]).
Die Besonderheit liegt hier allerdings darin, dass – im Gegensatz zur anwaltlichen Honorarforderung und auch zur Kaufpreisforderung – kein Primäranspruch in Rede steht, sondern ein Rückgewähranspruch nach Rücktritt vom Kaufvertrag nach den Vorschriften der § 346 I, § 326 V, § 437 Nr. 2, § 440 BGB. Der Rücktritt wandelt den Vertrag in ein sogenanntes Rückgewährschuldverhältnis um. Die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 346 ff. BGB über die Rückabwicklung des Vertrags im Falle bereits erbrachter Leistungen zielen auf die Herstellung eines Zustands ab, der im Wesentlichen am negativen Interesse der Vertragsparteien ausgerichtet ist (BGH, Urt. v. 28.11.2007 – VIII ZR 16/07). Im Falle des Rücktritts vom Kaufvertrag durch den Käufer wegen eines Sachmangels ist dabei zu berücksichtigen, dass der Rücktrittsgrund aus dem Risikobereich des Verkäufers herrührt. Denn er hat eine mangelhafte Sache geliefert und die Nacherfüllung nicht innerhalb angemessener Frist erbracht. Dabei ist unerheblich, ob der Verkäufer dies i. S. des § 276 BGB zu vertreten hat, denn das Rücktrittsrecht ist vom Gesetzgeber grundsätzlich verschuldensunabhängig ausgestaltet worden. Der Käufer muss im Rahmen der Rückabwicklung nach den §§ 346 ff. BGB möglichst so gestellt werden, als ob er den Vertrag nicht geschlossen hätte (vgl. BGH, Urt. v. 09.03.1983 – VIII ZR 11/82). Dem mutmaßlichen Willen der Parteien entspricht es daher, den Ort der vertragsmäßigen Belegenheit der Kaufsache als einheitlichen Leistungsort nicht nur für die Rücknahmeverpflichtung, sondern auch für den Kaufpreisrückgewähranspruch anzusehen.
Eine unbillige Härte für den Verkäufer entsteht dadurch nicht. Er muss nicht – wie die Beklagte meint – das Risiko tragen, an einem unerwarteten weit entfernten Ort verklagt zu werden, an dem sich das Fahrzeug gerade zufällig befindet. Denn nicht jeder Standort, sondern nur der vertragsmäßige Belegenheitsort begründet einen Erfüllungsort. Dies wird bei einer Kaufsache, die zur Fortbewegung bestimmt ist, regelmäßig der Ort sein, an dem sie nach dem Vertrag gewöhnlich abgestellt wird. Dies wird in der Regel – soweit nach dem Vertrag keine besondere Verwendung vorausgesetzt worden ist – der Wohn- oder Betriebssitz des Käufers sein.
Die auf den ersten Blick unbillig erscheinende Tatsache, dass ein für den Kläger günstiger Erfüllungsort und Gerichtsstand auch dann begründet wird, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass ein Rücktrittsgrund gar nicht bestand, ist nur die Konsequenz aus der für den Zivilprozess geltenden – oben bereits erwähnten – Lehre von den sogenannten doppelrelevanten Tatsachen.
Für einen einheitlichen Erfüllungsort besteht im Falle der Rücktrittsabwicklung auch ein praktisches Bedürfnis. Gerade wenn sich ankündigt, dass längere Zeit über das Vorliegen des Rücktrittsgrunds gestritten wird, erscheint es dem mutmaßlichen Willen der Parteien eher zu entsprechen, dass der Rechtsstreit am Belegenheitsort ausgetragen wird, wo eine Beweisaufnahme in der Regel kostengünstiger möglich ist. Beim Autokauf wird dies besonders deutlich, wenn das Fahrzeug mangelbedingt nicht fahrbereit ist. In diesem Fall fallen für den Transport erhebliche Kosten an. Aber auch wenn das Fahrzeug fahrbereit ist und weiter genutzt werden kann, entspricht es der Interessenlage der Parteien, dass die Beweisaufnahme am vertragsmäßigen Belegenheitsort stattfindet. Der wirtschaftlich denkende Käufer, der in der Regel auf die Nutzung eines Fahrzeugs angewiesen ist, wird nämlich regelmäßig kein neues Fahrzeug erwerben, solange er nicht seinen Rückabwicklungsanspruch gegen den Verkäufer durchgesetzt hat. In diesem Fall sind für den Käufer weniger Einbußen hinsichtlich der Fahrzeugnutzung zu erwarten, wenn die Beweisaufnahme am Belegenheitsort stattfindet. Daran hat auch der Verkäufer ein Interesse, da er bei Verschulden bzw. aus Verzug für den Nutzungsausfallschaden haftet (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2007 – VIII ZR 16/07).
Hinzu kommt ein Weiteres: Im Falle des Rücktritts des Käufers wegen eines Mangels hat dieser regelmäßig neben dem Interesse an der Rückzahlung des Kaufpreises ein Interesse an der Rücknahme der mangelhaften Kaufsache. Dies gilt auch beim Autokauf, denn das mangelhafte Kfz muss irgendwo abgestellt werden. Häufig wird daher die Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises mit der Klage auf Rücknahme der Kaufsache verbunden. Auf die Rücknahme der Kaufsache hat der Kläger bei Vorliegen eines Rücktrittsgrundes einen Anspruch. Dieser Anspruch ist auch unstreitig am Ort der vertragsgemäßen Belegenheit der Sache zu erfüllen. Es liefe der Prozessökonomie zuwider, wenn der Käufer diese Ansprüche nicht gemäß § 260 ZPO in einer Klage am Belegenheitsort der Kaufsache verbinden könnte.
Der Annahme eines einheitlichen Erfüllungsorts am Belegenheitsort steht auch nicht das Urteil des BGH vom 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, NJW 2011, 2278 – entgegen, mit dem der BGH einen Erfüllungsort am Ort der vertragsgemäßen Belegenheit der Sache für den kaufrechtlichen Nacherfüllungsanspruch gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 BGB verneint hat. Nacherfüllung und Rücktritt sind von ihrer dogmatischen Struktur so verschieden, dass die zugrunde gelegten Erwägungen nicht übertragbar sind. Der Nacherfüllungsanspruch ist ein modifizierter Erfüllungsanspruch, der nach Gefahrübergang an die Stelle der Verpflichtung nach § 433 I BGB tritt, dem Käufer eine sach- und rechtsmangelfreie Sache zu übergeben und ihm Eigentum an der Sache zu verschaffen. Die weiteren Gewährleistungsrechte (Schadensersatz, Rücktritt, Minderung) sind grundsätzlich von einer Fristsetzung abhängig. Dem Verkäufer wird somit ein Recht zur zweiten Andienung eingeräumt. Mit wirksamem Rücktritt ist das Nacherfüllungsrecht aber gescheitert. Die Rücktrittserklärung führt dann – wie oben dargestellt – zu einer grundlegenden Umgestaltung des Schuldverhältnisses. Auf diesen Unterschied hat der BGH in seiner Entscheidung ausdrücklich hingewiesen:
„Schließlich lassen sich die zum Erfüllungsort der Rückgewähransprüche nach erfolgtem Rücktritt gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 346 BGB, der vielfach an dem Ort angesiedelt wird, an dem sich die Sache vertragsgemäß befindet (vgl. Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 269 Rn. 16; MünchKomm-BGB/Krüger, a. a. O., § 269 Rn. 41; zum alten Schuldrecht auch Senat, Urt. v. 09.03.1983 – VIII ZR 11/82, BGHZ 87, 104 [109]), entwickelten Grundsätze nicht auf die Nacherfüllung nach § 439 BGB übertragen … Das Rücktrittsrecht und das Nacherfüllungsrecht sind in ihrem dogmatischen Ausgangspunkt und ihren Rechtsfolgen so verschieden, dass es an einer Vergleichbarkeit der beiden Rechte fehlt. Während Nachbesserung und Ersatzlieferung der Herbeiführung des Leistungserfolgs im Rahmen des fortbestehenden Vertrags dienen, geht es beim Rücktritt um die Rückabwicklung des Vertrags (vgl. etwa Reinking, NJW 2008, 3606 [3609]; Skamel, ZGS 2006, 227 [229 f.]).“
Nach Ansicht des Senats hat der BGH mit dieser Entscheidung die herrschende Meinung erneut bestätigt (dagegen LG Stralsund, Beschl. v. 13.10.2011 – 6 O 211/11). Er spricht nämlich von den „zum Erfüllungsort der Rückgewähransprüche (Plural, Anm. d. Senats) … entwickelten Grundsätzen“ und verweist dabei auf sein eigenes Urteil vom 09.03.1983. Der BGH hätte die Frage auch offenlassen können, wenn er Zweifel an der herrschenden Meinung gehabt hätte. Dies hat er aber gerade nicht getan. Vielmehr hat er die Unterschiede zwischen Nacherfüllungs- und Rücktrittsrecht herausgestellt.
Vor dem Hintergrund des dogmatischen Ausgangspunktes des Rücktrittsrechts ist es auch nicht inkonsequent, einen einheitlichen Gerichtsstand im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung oder im Falle einer Minderung nicht anzunehmen. Bei einem Rückgewährschuldverhältnis nach den §§ 346 ff. BGB handelt es sich – wie oben dargelegt – um das umgestaltete ursprüngliche Vertragsverhältnis (Palandt/Grüneberg, a. a. O., vor § 346 Rn. 6). Hierin unterscheidet sich die Rücktrittsabwicklung von der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nach den §§ 812 ff. BGB, etwa wegen Sittenwidrigkeit des Vertrages oder nach Anfechtung einer Vertragserklärung. In jenen Fällen besteht von Anfang an kein wirksamer Vertrag bzw. der Vertrag ist mit ex-tunc-Wirkung beseitigt (§ 142 I BGB); es entsteht lediglich ein gesetzliches Rückabwicklungsschuldverhältnis (Palandt/Grüneberg, a. a. O., vor § 311 Rn. 5). Durch die Minderung wird – bei Fortbestand des Vertrages – der Kaufpreis herabgesetzt (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 71. Aufl. [2012], § 441 Rn. 3, 4). Im Unterschied zum Rückgewährschuldverhältnis nach §§ 346 ff. BGB findet jedoch keine grundlegende Umgestaltung des Vertrages statt. Anspruchsgrundlage für die Erstattung des überzahlten Kaufpreises ist § 441 IV 1 BGB. Der partielle Verweis in § 441 IV 2 BGB auf die „entsprechende“ Anwendung der Rücktrittsvorschriften des § 346 I BGB und § 347 I BGB bezieht sich nur auf den Umfang und Inhalt des Erstattungsanspruchs nach § 441 IV 2 BGB; herauszugeben sind danach Geld und Nutzungen (vgl. Palandt/Weidenkaff, a. a. O., § 441 Rn. 21).
Der Senat konnte das Urteil aufheben und an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverweisen. Dies folgt aus § 538 II 1 Nr. 3 ZPO. Nach dieser Vorschrift darf das Berufungsgericht die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverweisen, wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Bei dem angefochtenen Urteil handelt es sich um ein Prozessurteil, durch das nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist. Eine weitere Verhandlung der Sache ist erforderlich, da über die Behauptung des Klägers, das Fahrzeug weise einen massiven nicht behebbaren Unfallschaden auf (§§ 434 I, 323 V 2, 326 V BGB), und über die Behauptung der Beklagten, das Fahrzeug sei als Unfallwagen verkauft worden (§§ 434 I, 442 I 1 BGB), Beweis erhoben werden muss. Der Kläger hat die Zurückverweisung beantragt. Da eine Beweisaufnahme in erster Instanz noch nicht stattgefunden hat und voraussichtlich von einigem Umfang ist, hat sich der Senat für eine Zurückverweisung entschieden.
Eine Niederschlagung der Kosten für das Berufungsverfahren nach § 21 GKG konnte nicht erfolgen, da eine unrichtige Sachbehandlung durch das Landgericht nicht vorliegt. Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn ein offensichtlicher und schwerer Fehler in der gerichtlichen Sachbearbeitung vorliegt (vgl. Meyer, Gerichtskosten der streitigen Gerichtsbarkeiten und des Familienverfahrens, 12. Aufl. [2010], § 21 Rn. 2). Dies ist nicht schon dann anzunehmen, wenn das Gericht einer Mindermeinung folgt, die vom übergeordneten Gericht erkennbar nicht geteilt wird; vielmehr verlangt § 21 GKG die Vertretung einer völlig unhaltbaren, einen offensichtlichen Gesetzesverstoß enthaltenen Rechtsansicht (vgl. Meyer, a. a. O., § 21 Rn. 6). Dies ist hier nicht anzunehmen. Das Landgericht hat richtigerweise festgestellt, dass es sich um eine Streitfrage handelt und sich argumentativ mit ihr auseinandergesetzt.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Revision gemäß § 545 II ZPO nicht darauf gestützt werden kann, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint hat. Dies gilt über den Wortlaut der Vorschrift hinaus auch für die Beurteilung der Zuständigkeit durch das Berufungsgericht (BGH, Beschl. v. 26.06.2003 – III ZR 91/03, NJW 2003, 2917; Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl. [2009], § 545 Rn. 15).