Ein mit einem N47-Dieselmotor ausgestatteter BMW X1 sDrive18d leidet nicht deshalb an einem zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigenden Mangel, weil beim Betrieb des Fahrzeugs Geräusche auftreten, die – möglicherweise – im Zusammenhang mit der Steuerkette stehen.

LG Darmstadt, Urteil vom 30.01.2015 – 27 O 100/13
(nachfolgend: OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 21.04.2017 – 24 U 26/15)

Sachverhalt: Der Kläger verlangt die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen Vorführwagen.

Er kaufte von der Beklagten mit Kaufvertrag vom 18.10.2010 einen am 12.11.2010 erstzugelassenen BMW X1 sDrive18d. Auf den Kaufpreis in Höhe von 28.084,19 € leistete der Kläger eine Anzahlung in Höhe von 6.500 €. Den restlichen Kaufpreis finanzierte er, indem er mit der B-Bank einen Darlehensvertrag schloss.

Der gekaufte Pkw wurde dem Kläger am 28.02.2011 mit einer Laufleistung von 3.000 km übergeben. Er verfügt über einen N47-Dieselmotor.

Der Kläger beauftragte am 19.11.2012 einen privaten Sachverständigen damit, sein Fahrzeug daraufhin zu untersuchen, ob Motorgeräusche wahrnehmbar seien und worauf dies gegebenenfalls zurückzuführen sei. Der Sachverständige stellte Vibrationsgeräusche bei circa 1.400 min−1 fest, die „vermutlich auf defekte Schwingungsdämpferelemente“ zurückzuführen seien. Bei darüber hinaus von dem Sachverständigen wahrgenommenen metallischen Geräuschen handele es sich „um Laufgeräusche im Bereich der Steuerkette“; für denkbar hielt der Sachverständige „auch kurzfristige Berührungen von Anbauteilen bei gewissen Drehzahlbereichen“.

Bei der Beklagten existiert eine die Motoren N47, N47S und N47T betreffende PUMA-Anweisung (PUMA = „Produkt- und Maßnahmen-Management Aftersales“), in der es um schleifende Motorgeräusche und ein Schaben der Steuerkette geht.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 04.02.2013 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit anwaltlichem Schreiben vom 21.02.20113 mit, dass sein Rücktritt unwirksam sei. Denn sollten die bei seinem – des Klägers – Fahrzeug festgestellten Geräusche eine Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs begründen, läge jedenfalls kein erheblicher Sachmangel vor.

Mit der Klage verlangt der Kläger – über die Rückabwicklung des Kaufvertrages hinaus – unter anderem die Erstattung der Kosten, die er für das Privatgutachten (404,60 €) und einen Mietwagen (107,10 €) aufgewendet hat. Außerdem verlangt er die Rückzahlung einer Bereitstellungspauschale in Höhe von 949 € sowie den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.827,84 €.

Der Kläger behauptet, er habe bereits kurz nach der Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs erhebliche Mängel festgestellt und abnorme, aus dem Motorraum stammende Vibrations- bzw. Schleifgeräusche wahrgenommen. Dies habe er mehrfach gegenüber der Beklagten gerügt, ohne dass die Beklagte Abhilfe geschaffen habe.

Der Kläger meint, seinem Fahrzeug hafte ein Konstruktions- bzw. Fabrikationsmangel an und behauptet, es bestehe die Gefahr, dass die Steuerkette reiße. Eine Mangelbeseitigung erfordere einen Kostenaufwand von rund 6.000 €.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Nach §§ 433 I, 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1 BGB kann der Käufer … vom Vertrag zurücktreten, wenn die gekaufte Sache mangelhaft ist, was hier aber nicht der Fall ist. Das beim Betrieb des Fahrzeugs des Klägers wahrnehmbare Geräusch stellt keinen Mangel dar, der zum Rücktritt berechtigt.

Mangelhaft ist eine Sache nach § 434 I BGB, wenn sie bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat oder wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung nicht eignet, sonst, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung nicht eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art nicht üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache nicht erwarten musste.

Eine bestimmte Beschaffenheit des Fahrzeugs haben die Parteien nicht vereinbart.

Das Fahrzeug eignet sich auch für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung.

Als Vergleichsmaßstab ist auf die übliche Beschaffenheit Sachen gleicher Art abzustellen, insbesondere gleichen Qualitätsstandards. Abzustellen ist auf die berechtigten Erwartungen eines Durchschnittskäufers, wobei bei den berechtigten Erwartungen auch der vereinbarte Kaufpreis von Bedeutung ist (OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 09.12.2010 – 4 U 161/10, juris).

Eine Beeinträchtigung der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit durch Geräusche erfolgt nicht.

Das durch den Sachverständigen in seinem Gutachten vom 16.04.2014 neben den normalen Verbrennungsgeräuschen des Dieselmotors festgestellte massive schleifende Geräusch im unteren Drehzahlbereich kann nicht als Beeinträchtigung angesehen werden. Dieses ist bei der Nutzung des Fahrzeugs als solches für einen Durchschnittskäufer nicht wahrnehmbar. Durch den Sachverständigen wurde bei seiner Einvernahme ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man wegen der Wahrnehmung des Geräusches schon ein geschultes Ohr brauche. Erst beim Öffnen der Motorhaube komme dieses deutlich zum Vorschein.

Diese Feststellung des Sachverständigen überzeugt, denn sie steht im Einklang mit der Beurteilung des Privatgutachters des Klägers, für den erst nach Öffnung der Motorhaube und Demontage der oberen Motorabdeckung „auch metallische Geräusche hörbar“ waren.

Bestätigt wird dies auch durch die Aussage des Zeugen F, der nach eigener Aussage als Fahrer des Fahrzeugs während der Fahrt zu seinem Lehrgang im Innenraum Geräusche nicht vernommen hat, sondern erst von anderen Lehrgangteilnehmern auf Geräusche angesprochen wurde. Wenn der Zeuge angibt, dass es sich hierbei um die nun beanstandeten Geräusche handelt, ist dies vor dem Hintergrund, dass es nicht einmal dem Privatsachverständigen Ende 2012 möglich war, dieses Geräusch ohne Demontage der oberen Motorabdeckung wahrzunehmen, nicht glaubhaft. Dasselbe gilt angesichts der Feststelllung des Sachverständigen, dass man schon ein geschultes Ohr brauche, auch für die Bekundungen des Zeugen zu den zuletzt gehörten Geräuschen, dem Schleif- und Klackergeräusch hinter dem Dieselgeräusch.

Die vom Kläger gerügten Vibrationen wurden von dem Sachverständigen gar nicht festgestellt.

Ansonsten· ist das Fahrzeug fahrbereit, und im Betrieb sind keine Beeinträchtigungen im Fahrverhalten festzustellen. Der Sachverständige hat bei seiner Einvernahme auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt, dass der Motor betriebsbereit ist und Defekte nicht feststellbar sind. Auch eine Leistungsbeeinträchtigung hat der Sachverständige nicht festgestellt.

Es wurde auch nicht festgestellt, dass es bei weiterem Betrieb des Fahrzeugs zwingend zu einem Motorschaden kommt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen gibt es bei dem BMW ein mechanisches Problem mit dem Kettenantrieb, das im schlimmsten Fall, beim Reißen der Steuerkette, zu einem Motorschaden führen kann, aber nicht muss. Hinsichtlich des Grades der Wahrscheinlichkeit mochte sich der Sachverständige nicht festlegen. Ob es zu einem Abriss der Steuerkette kommt, konnte der Sachverständige ebenfalls nicht mit Gewissheit sagen.

Die Kammer geht auch nicht davon aus, dass wegen der Veränderungen, die die Beklagte an dem Modell vorgenommen hat, zwingend darauf zu schließen ist, dass dies auf einem Mangel beruht. Wenn der Sachverständige bei seiner Anhörung hierzu die Frage aufwarf, welchen Grund es denn sonst hat, dass eine Veränderung erfolgt, vermag die Kammer hieraus nicht zwingend auf einen Mangel zu schließen. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Veränderung allein aus einem Optimierungsgedanken heraus erfolgt. Immerhin handelt es sich um ein Fahrzeug der ersten Baureihe dieses Typs.

Die Kammer vermag in dem Unterlassen der Beklagten, Unterlagen an den Sachverständigen herauszugeben, kein Zugeständnis eines Mangels zu erkennen.

Nach den Grundätzen der Beweisvereitelung, die aus dem Rechtsgedanken der §§ 444, 427 ZPO abgeleitet werden, kann eine Beweisvereitelung für den Gegner des Beweisführers nachteilig bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden. Es kann dann das bestmögliche Ergebnis des vereitelten Beweismittels in die Gesamtwürdigung eingestellt werden. Eine Umkehr der Beweislast findet jedoch nicht statt. Voraussetzung ist ein missbilligenswertes Verhalten, durch welches die Beweiswürdigung unmöglich gemacht oder erschwert wird. Dies liegt nicht vor, wenn für das Verhalten der Partei verständliche Gründe vorliegen (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. [2014], § 286 Rn. 14a).

Dem Sachverständigen standen für seine Untersuchung sowohl der Motor des Kaufobjekts selbst zur Verfügung als auch verschiedene Abbildungen des zu untersuchenden Motors. Auch die Modifikationen des Kettenantriebs sind dem Sachverständigen bekannt. Dieser wies bei seiner Anhörung auf die erfolgte Modifizierung des Führungssatzes der Kette und die Veränderung der Kette selbst sowie den Austausch der Laufschien hin. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen, dass hier dem Kläger durch das Verhalten der Beklagten die Beweisführung erschwert oder gar vereitelt worden wäre.

Auch die PUMA-Anweisung der Beklagten belegt einen Mangel nicht. Dort wird nicht von einem Mangel ausgegangen, vielmehr kommuniziert, dass es sich bei der Akustik um den damaligen Serienstand handelt. …

Hinweis: Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das OLG Frankfurt a. M. hat sie mit Urteil vom 21.04.2017 – 24 U 26/15 – zurückgewiesen und ausgeführt:

„Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 17.05.2016 hingewiesen. Das Berufungsgericht macht sich im Übrigen die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts … zu eigen und verweist auf diese. Die hiergegen vorgebrachten Einwände des Klägers greifen … nicht durch.

Der vom Landgericht bestellte Sachverständige hat erklärt, es sei ‚noch nicht erforscht, ob Geräusche und Kettenriss in Ursachenzusammenhang stehen‘. Seine Bewertung, es handele sich um einen ‚konstruktiven bzw. Fabrikationsmangel‘, mag in technischer Hinsicht insofern zutreffend sein, als infolge der Konstruktionsweise des Motors die beanstandeten Geräusche bei dem Klägerfahrzeug auftreten. Das bedeutet jedoch nicht, dass es sich dabei um einen Mangel im Rechtssinne handelt und dieser darüber hinaus derart gravierend ist, dass er zu einer Wandelung des Kaufvertrags berechtigen würde.

Zu unterscheiden ist zwischen dem Geräusch und daraus – möglicherweise – entstehenden Folgeschäden.

Das Berufungsgericht verkennt nicht, dass ein Geräusch vernehmbar ist, das als störend empfunden werden kann. Gleiches gilt für die aus allgemein zugänglichen Informationsquellen zu gewinnende Erkenntnis, dass der beim Kläger verbaute Motor eine nicht nur beim klägerischen Fahrzeug auftretende Anfälligkeit für derartige Geräusche aufweist. Diese sind indes als bloße nicht erhebliche Unannehmlichkeit hinzunehmen und rechtfertigen deshalb nicht eine Rückabwicklung des gesamten Kaufvertrags. Die Geräusche sind laut Sachverständigem zwar nicht nur geringfügig, treten jedoch nur ‚im unteren Drehzahlbereich‘ auf.

Soweit der Kläger hierzu meint, die Motorkonstruktion … entspreche nicht dem Stand der Technik, trifft dies deshalb nicht zu, weil bei dem hierbei anzusetzenden Maßstab festzustellen ist, dass keineswegs alle oder auch nur die Mehrzahl der identisch konstruierten Fahrzeuge desselben Typs diese Geräuscherscheinung aufweisen. Das zeigt, dass die verwendete Konstruktion allenfalls geräuschanfällig ist, keineswegs jedoch derartige Geräusche stets bedingt. Somit beruht die Geräuschentwicklung auf individuellen Faktoren wie dem konkret verbauten Aggregat, der Fahrweise des Halters und dessen Wartungsverhalten.

Wie das Berufungsgericht bereits in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, kursieren im Internet vielfältige Vermutungen für die Ursachen derartiger Geräusche. Genannt werden eine Längung der oberen Kette durch häufigen Kurzstreckenbetrieb, verminderter Öldruck im derart kalten Motorzustand, vom Halter verlängerte Wartungs- und damit Ölwechselintervalle sowie suboptimale/variable Ölqualitäten. Dies deckt sich mit den Aussagen des gerichtlichen Sachverständigen, wonach das Geräusch ‚an der Wartung, am Öl, aber auch am Kettenspanner liegen‘ kann. Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung hat der Sachverständige indes erklärt: ‚Der Kettenspanner spielt schon eine wichtige Rolle, hat allerdings mit dem Problem, das wir bei diesem Auto haben, nichts zu tun.‘

Auch der vormalige Privatgutachter des Klägers hat die Geräusche nur ‚wahrscheinlich auf Dämpfungselemente und den Bereich des Steuerkettenantriebs zurückführen‘ können.

Schließlich führt auch die „BMW GROUP Service Information“ vom 15.0.2015 zum hier einschlägigen Motortyp N47 aus: ‚Exceeding the maintenance intervals and the presence of deviations in oil quality lead to an increased extension of the timing chain.‘ Das heißt: ‚Eine Überschreitung der Wartungsintervalle und Abweichungen der Ölqualität führen zu einer verstärkten Längung der Steuerkette.‘ Dies sind Faktoren, mit denen die Beklagte als Hersteller nichts zu tun hat.

Soweit der Kläger meint, bei dem Fahrzeug handele es sich um ein derart hochwertiges, dass derartige Geräusche nicht hinnehmbar seien, ist auch dies unzutreffend. Zweifellos handelt es sich um ein qualitativ hochwertiges Fahrzeug – ausschlaggebend für den Stand der Technik kann jedoch nicht das zum Zeitpunkt der Fertigstellung technisch Machbare sein, sondern allenfalls dasjenige, was der Kunde relativ für sein Geld erwarten darf. Hierfür bietet sich kein besserer Fahrzeugvergleich an als die hier betroffene Baureihe selbst (s. oben).

Es ist überdies allgemein bekannt, dass jeder Fahrzeugtyp im Vergleich zu anderen Schwächen und Vorzüge aufweist. Ein Vergleich mit anderen Fahrzeugen, insbesondere anderer Hersteller, ist daher nur äußerst eingeschränkt möglich. Anderenfalls müsste man bei jeder nicht nur marginalen Abweichung nach unten im Vergleich zu anderen Fahrzeugen einen Mangel bejahen.

Hinzu kommt die subjektive Komponente: Ein Geräusch wird von jedem Menschen unterschiedlich empfunden und dazu unterschiedlich – etwa störend – bewertet. Auch dies stellt an die Feststellung eines im Rechtsinne erheblichen Mangels hohe Anforderungen. Hierzu hat der vom Landgericht vernommene Sachverständige erklärt, dass man allein für das Vernehmen des Geräuschs ‚schon ein geschultes Ohr‘ brauche, der Motor ‚betriebsbereit‘ sei und der Sachverständige ‚Defekte … nicht feststellen‘ konnte. Auch die Frage nach Vibrationen wurde vom Sachverständigen ebenso verneint wie die nach Leistungsbeeinträchtigungen.

Was einen – vom Kläger befürchteten – sich aus den Geräuschen entwickelnden Motorschaden angeht, konnte selbst der Sachverständige hierfür nicht einmal eine Prognose abgeben. Selbst die Gefahr von Schäden hielt der Sachverständige nur für ‚denkbar‘; zu einer Erhöhung einer diesbezüglichen Wahrscheinlichkeit könne er nichts sagen.

Im Ergebnis handelt es sich deshalb bei den vom Kläger beanstandeten Geräuschen um ein rein akustisches bzw. Komfortproblem, das einen erheblichen Mangel im Rechtssinne nicht darstellt.

Ein daraus im Sinne einer Kausalität folgender Motorschaden ist in keiner Weise absehbar, und sogar die Ursache der Geräusche selbst ist unklar und kann auch auf Wartungsgewohnheiten des Klägers beruhen.“

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