Hängen Garantieansprüche davon ab, dass ein Neuwagen in bestimmten Intervallen, mindestens einmal in zwei Jahren, nach Herstellervorgaben überprüft wird, ist die Verweigerung von Garantieleistungen auch dann nicht zu beanstanden, wenn ein Wartungsintervall nur geringfügig überschritten wurde (hier: Inspektion bei 120.340 km statt bei 120.000 km).

LG Landshut, Urteil vom 29.04.2014 – 55 O 3030/13

Sachverhalt: Der Kläger ist Eigentümer eines Renault Master 2,5 dCi, den er am 05.12.2006 als Neufahrzeug erhalten hat. Mit dem Fahrzeug wurde ihm seinerzeit auch ein Garantie- und Serviceheft übergeben, auf dessen Umschaginnenseite unter „Stempel des RENAULT-Vertragspartners, der das Fahrzeug ausgeliefert hat:“ der Stempel der Beklagten aufgebracht ist.

Zu einer Garantie gegen Durchrostung heißt es im Garantie- und Serviceheft:

„Diese Garantie wird vom Verkäufer (RENAULT-Vertragspartner) ab Auslieferungsdatum gewährt für eine Dauer von:


6 Jahren für alle anderen Fahrzeuge der RENAULT Palette …

Voraussetzungen für die Garantie gegen Durchrostung

Die Gewährung der RENAULT-Garantie gegen Durchrostung unterliegt den vorgeschriebenen Überprüfungen der Karosserie, des Tragrahmens und des Unterbodens.

Diese Kontrollen müssen nach RENAULT-Vorgaben zu den im Wartungsheft angegebenen Kilometerständen und mindestens einmal innerhalb von zwei Jahren durchgeführt werden … Dieser Kontrollnachweis ist Voraussetzung für die Garantie gegen Durchrostung.“

Die Wartung, die nach den Herstellervorgaben bei einer Laufleistung von 120.000 km hätte erfolgen müssen, wurde erst bei einer Laufleistung von 120.340 km vorgenommen, und zwar am 23.11.2011.

An den seitlichen Rammleisten des Fahrzeugs ist Rost entstanden; es liegt eine Durchrostung vor, deren Behebung einen Kostenaufwand von 7.656,02 € netto erfordert.

Dies meldete der Kläger Autohaus M-GmbH, einer Renault-Vertragspartnerin in F. Nachdem diese eine Anfrage an den Fahrzeughersteller gerichtet hatte, erhielt der Kläger im März 2013 ein Schreiben der Autohaus M-GmbH, wonach der Hersteller es ablehne, Garantieleistungen zu erbringen.

Die im Wesentlichen auf Zahlung von 7.656,02 € gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Die Klage ist unbegründet. Es besteht kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung von 7.656,02 €. Ein Anspruch aus Garantievertrag besteht nicht.

1. Es kann hier im Ergebnis dahinstehen, ob eine wirksame Haltbarkeitsgarantie gemäß § 443 BGB von der Beklagten abgegeben wurde …

2. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte scheitert jedenfalls daran, dass die Voraussetzungen für die Garantie gegen Durchrostung gemäß Seite 12 des Garantie- und Servicehefts nicht eingehalten sind. Danach unterliegt die Gewährung der RENAULT-Garantie gegen Durchrostung den vorgeschriebenen Überprüfungen der Karosserie, des Tragrahmens und des Unterboden. Diese Kontrollen müssen nach RENAULT-Vorgaben zu den im Wartungsheft angegebenen Kilometerständen und mindestens einmal innerhalb von zwei Jahren durchgeführt werden. Dieser Garantienachweis ist nach den Ausführungen im Garantie- und Serviceheft Voraussetzung für die Garantie gegen Durchrostung.

Unstreitig wurde die Kontrolle nicht bis zu dem im Wartungsheft angegebenen Kilometerstand durchgeführt … Tatsächlich wurde die Kontrolle erst bei 120.340 km durchgeführt.

3. Die Klausel, wonach die Gewährung der Garantie von der Einhaltung der Wartungsintervalle abhängig gemacht wird, ist auch wirksam. Es liegt hier eine Neuwagengarantie der Beklagten als Dritte vor. Die Klausel ist als für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die vom Verwender gestellt wird, eine Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. von § 305 I 1 BGB. Eine Unwirksamkeit der Bedingung ergibt sich jedoch nicht aus den §§ 305 ff. BGB.

a) Eine Kontrollfreiheit der Klausel ergibt sich nicht daraus, dass der Garantievertrag gesetzlich nicht geregelt ist (vgl. BGH, Urt. v. 06.07.2011 – VIII ZR 293/10, NJW 2011, 3510).

b) Eine Unwirksamkeit ergibt sich nicht aus einem Verstoß gegen §§ 307 I, II, 308, 309 BGB, da diese hier nicht zur Anwendung kommen. Die §§ 307 I, II, 308, 309 BGB sind gemäß § 307 III 1 BGB auf solche Abreden nicht anzuwenden, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und den dafür zu zahlenden Preis unmittelbar regeln (BGH, Urt. v. 17.10.2007 – VIII ZR 251/06, NJW 2008, 214).

Die Einhaltung der Wartungsintervalle ist hier als Hauptleistungspflicht zu qualifizieren.

aa) Gemäß den Ausführungen auf Seite 12 des Garantie- und Servicehefts unter der Überschrift „Voraussetzungen für die Garantie gegen Durchrostung“ ist die Einhaltung der Kontrollen und der Kontrollnachweis Voraussetzung für die Garantie. Damit ist die Durchführung der Kontrolle eine Anspruchsvoraussetzung und nicht lediglich eine Modifikation des bestehenden Anspruchs. Es liegt, anders als in der Entscheidung des BGH im Urteil vom 17.10.2007 – VIII ZR 251/06, NJW 2008, 214 –, nicht die Situation vor, dass ein unbedingter Garantievertrag mit einer der Inhaltskontrolle unterliegenden Einschränkung des Leistungsversprechens gegeben wäre. Eine Entscheidung, ob eine als negative Anspruchsvoraussetzung formulierte Garantieklausel als eine der Inhaltskontrolle entzogene Leistungsbeschreibung zu qualifizieren ist, hat der BGH im Urteil vom 17.10.2007 (a. a. O.) offengelassen.

bb) Die Durchführung der Kontrollen stellt hier die Gegenleistung für die Garantiegewährung dar. Ein weiteres Entgelt für die Leistungen der Beklagten liegt nicht vor.

Die Kontrollen und ordnungsgemäßen Reparaturen stellen die Leistungsbezeichnung dar, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 06.07.2011 – VIII ZR 293/10, NJW 2011, 3510; Urt. v. 25.09.2013 – VIII ZR 206/12, NJW 2014, 209). Es liegt hier eine unmittelbare Leistungsabrede vor, die das Ob und den Umfang der zu erbringenden Leistung regelt, und keine ergänzende Regelung, die lediglich die Art und Wiese der Leistungserbringung und/oder etwaige Leistungsmodifikationen zum Inhalt hat und „neben“ eine bereits bestehende Leistungshauptabrede tritt … Die Garantie wird dem Kläger hier nur „um den Preis“ der regelmäßigen Durchführung der Wartungsdienste und Instandsetzungen gewährt. Dies stellt bei wirtschaftlicher Betrachtung die „Gegenleistung“ für die Garantiegewährung dar. Eine weitere Gegenleistung oder ein sonstiges Entgelt für die Garantie liegt nicht vor.

Unstreitig ist, dass der Kläger das Fahrzeug nicht von der Beklagten, sondern von Herrn S erworben hat. Dies ergibt sich auch aus der als Anlage K 1 vorgelegten Rechnung. Auf der Rechnung ist kein gesonderter Preis für die Garantieleistungen ausgewiesen …

Das Gericht hat hierbei nicht verkannt, dass es für das Vorliegen einer entgeltlich gewähren Garantie nicht erforderlich ist, dass hierfür eine gesonderte Vergütung ausgewiesen wird. Diese liegt auch dann vor, wenn vom Kunden ein Gesamtpreis für Fahrzeug und Garantie gezahlt wird (Steimle, NJW 2014, 192).

Es liegt nach dem objektiven Empfängerhorizont kein Hinweis darauf vor, dass bereits im Listenpreis ein Entgelt für die Garantie enthalten ist (vgl. BGH, Urt. v. 25.09.2013 – VIII ZR 206/12, NJW 2014, 209). Hiergegen spricht, dass in der Rechnung verschiedene zusätzliche Ausstattungen des Fahrzeugs konkret mit Aufpreisen aufgeführt wurden. Hieraus ergibt sich für den objektiven Empfänger, dass für sonstige, nicht aufgeführte Zusatzleistungen wie zum Beispiel die Garantie gerade kein gesondertes Entgelt in Ansatz gebracht und gezahlt wurde. Zudem ist der Fahrzeugpreis auf der Rechnung als „Einzelpreis“ bezeichnet, sodass sich bei der Auslegung nach dem Wortlaut ergibt, dass dies tatsächlich nur den Preis des Fahrzeugs und nicht gegebenenfalls sonstiger Leistungen darstellt.

Die Tatsache, dass das Garantie- und Serviceheft mit dem Fahrzeug übergeben wurde, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass mit dem zu zahlenden Gesamtpreis nicht nur das Fahrzeug, sondern auch die gewährte Garantie abgegolten wurde und diese nicht unentgeltlich gewährt wurde. Hinweise darauf, dass das Fahrzeug ohne die Garantie billiger gewesen wäre, ergeben sich für das Gericht nicht. Für eine Unentgeltlichkeit spricht auch, dass aus der Sicht des Klägers die Garantie gerade nicht vom Verkäufer oder der Firma Renault selbst, sondern von der Beklagten als Auslieferin des Fahrzeugs gewährt wurde. Es fallen keine Kosten für die Wartungen zu den vorgegebenen Wartungsintervallen an, die ein Entgelt für die Garantie darstellen könnten. Nach der Regelung auf Seite 12 des Garantiehefts muss der Kunde nur dann die Kosten der Wartung selbst übernehmen, wenn er eine Kontrolle außerhalb der Wartungsintervalle wünscht. Daher ergibt sich, dass die Kontrollen, die Voraussetzung für die Garantie sind, kostenlos durchgeführt wurden. Eine Entgeltlichkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass ausgeführt ist, dass die Garantie nur dann in Kraft tritt, wenn die Arbeiten an Karosserie und Unterboden nach den Renault-Vorschriften und mit Original-Renault-Teilen durchgeführt werden. Eine Bindung an eine bestimmte Werkstatt und somit mittelbare Entgeltlichkeit wurde hierdurch nicht vereinbart.

Unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte ergibt sich, dass … nach dem objektiven Empfängerhorizont keine … Gegenleistung für die Garantie vereinbart wurde. Die langfristige Garantie soll dem Kunden nur „um den Preis“ der regelmäßigen Durchführung der Wartungsdienste in den Vertragswerkstätten zustehen, sodass – bei wirtschaftlicher Betrachtung – von einer „Gegenleistung“ gesprochen werden kann, die für die Garantie gefordert wird (BGH Urt. v. 12.12.2007 – VIII ZR 187/06, NJW 2008, 843). Diese bildet aus objektiver Kundensicht die vom Kläger als Garantienehmer zu entrichtende Gegenleistung für das Hauptleistungsversprechen der Beklagten in der Garantie. Mangels anderer Gegenleistung gehören die Voraussetzungen für die Garantie gegen Durchrostung zum kontrollfreien Minimum, ohne das dem Vertrag ein so wesentlicher Bestandteil fehlt, dass ihm die Wirksamkeit zu versagen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 06.07.2011 – VIII ZR 293/10, NJW 2011, 3510). Die Garantie der Beklagten stellt somit nach dem objektiven Empfängerhorizont eine „kostenlose Zugabe“ (vgl. Anm. zu BGH, Urt. v. 25.09.2013 – VIII ZR 206/12, NJW-Spezial 2013, 745) und damit Gratisleistung dar, bei der die Einhaltung der Wartungsintervalle die Gegenleistung darstellt, die damit eine Hauptleistungspflicht ist.

Die Regelung ist damit gemäß § 307 III 1 BGB einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle gemäß den §§ 307 I, II, 308, 309 BGB entzogen.

cc) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass sich der Garantieanspruch nicht gegen den Verkäufer oder den Hersteller, sondern gegen die Beklagte richtet.

Die Beurteilung ob ein Garantievertrag mit dem Inhalt wirtschaftlich denkbar ist, dass (alleinige) Gegenleistung für die Garantie die Einhaltung der Wartungspflicht ist, ist hier nach dem objektiven Empfängerhorizont zu beurteilen. Im Unterschied zu der Gestaltung, dass der Garantievertrag gegen ein Garantieunternehmen gerichtet ist, das wirtschaftlich kein Interesse an der Wartungspflicht hat (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.06.2013 – 13 U 66/11), musste ein objektiver Dritter hier durch die Bezeichnung im Garantieheft davon ausgehen, dass es sich bei der Beklagten um einen Renault-Vertragspartner handelt. Einem Renault Vertragspartner kommt die Bindung an die Vertragswerkstätten zugute und er profitiert von durch die Garantie möglicherweise verbesserten Absatzmöglichkeiten. Nach dem objektiven Empfängerhorizont war daher davon auszugehen, dass die Einhaltung der Wartungspflicht wirtschaftlich die gegenüber der Beklagten zu erbringende Gegenleistung für die Garantie darstellt.

Die Einhaltung der Wartungspflicht nach dem objektiven Empfängerhorizont … in der vorliegenden Vertragskonstellation bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht allein den Zweck, das Eintrittsrisiko des Garantiegebers zu begrenzen. Die Beklagte hat nach dem objektiven Empfängerhorizont als Übergabeinspekteur und damit Vertriebspartner ein wirtschaftliches Interesse an einer Garantie zur „Schaffung eines absatzfördernden Qualitätsmerkmals der Fahrzeuge“ und daran, dass diese Garantie „automatisch als zusätzliche Leistung zum Fahrzeugkauf mit gewährt“ wird (vgl. BGH, Urt. v. 06.07.2011 – VIII ZR 293/10, NJW 2011, 3510; OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.06.2013 – 13 U 66/11) …

Auch soweit eine Haftung der Beklagten auf Rechtsscheingrundsätze gestützt wird, verbietet sich eine Schlechterstellung der Beklagten dahin gehend, dass ihr wirtschaftliches Interesse an der Gegenleistung keine Berücksichtigung findet. Auch hierbei ist vom objektiven Empfängerhorizont auszugehen.

c) Die Klausel ist auch nicht nach § 305c BGB unwirksam. Es liegt keine überraschende oder mehrdeutige Klausel vor. Nach dem objektiven Empfängerhorizont ist es nachvollziehbar, dass der Garantiegeber in Interesse daran hat, durch regelmäßige Wartungsintervalle mögliche Durchrostungsschäden frühzeitig zu erkennen und zu beheben, bevor das Fahrzeug großflächig betroffen ist. Die Einhaltung der Wartungsintervalle soll neben der Gegenleistungsfunktion auch Garantiefällen vorbeugen (vgl. BGH Urt. v. 12.12.2007 – VIII ZR 187/06, NJW 2008, 843). Die Voraussetzungen wurden auch klar und verständlich dargelegt und zudem von der Werkstatt das nächste Wartungsintervall konkret für das einzelne Fahrzeug eingetragen, sodass auch keine mehrdeutige Klausel vorliegt. Die wechselseitigen Pflichten wurden unter der klar formulierten Überschrift „Voraussetzungen für die Garantie gegen Durchrostung“ transparent und nachvollziehbar aufgezeigt.

d) Eine Unwirksamkeit nach §§ 305 II, 305b BGB liegt nicht vor.

4. Eine Eintrittspflicht der Beklagten ergibt sich auch nicht gemäß § 242 BGB aus Treu und Glauben. Soweit von der Autohaus M-GmbH die jeweils nächsten Intervalle mit 80.000 km und 120.000 km angegeben wurden, obwohl bei den vorangehenden Inspektionen erst 37.870 km bzw. 77.898 km erreicht waren und damit eine weitere zu fahrende Strecke als die angegeben 40.000 km zugestanden wurde, ergibt sich damit kein Anspruch aus Treu und Glauben des Klägers. Der Kläger durfte hierdurch nur darauf vertrauen, dass die bis zum aktuellen Wartungsintervall nicht voll ausgenutzten Kilometer im nächsten Intervall Berücksichtigung finden. Er durfte nicht darauf vertrauen, dass eine Überschreitung der angegebenen Kilometergrenze sich nicht auf die Garantie auswirken wird.

Aus Gründen der Rechtssicherheit kann auch bei der geringfügigen Überschreitung des Wartungsintervalls um 340 km nicht davon ausgegangen werden, dass nach Treu und Glauben ein Garantieanspruch besteht und eine Berufung der Beklagten auf die Nichteinhaltung des Wartungsintervalls ausgeschlossen ist …

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