1. Der Käu­fer muss dem Ver­käu­fer grund­sätz­lich auch dann ei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung set­zen, wenn er meint, dass die Nach­er­fül­lung nur mit un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Kos­ten mög­lich sei und der Ver­käu­fer sie des­halb je­den­falls ge­mäß § 439 III 1 BGB ver­wei­gern dür­fe. Denn ob der Ver­käu­fer sein Recht, die Nach­er­fül­lung we­gen der da­mit ver­bun­de­nen Kos­ten zu ver­wei­gern, aus­übt, ist al­lein sei­ne Ent­schei­dung (vgl. auch BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VI­II ZR 49/05).
  2. Ein Ge­braucht­wa­gen­händ­ler ist grund­sätz­lich nur nur zu ei­ner fach­män­ni­schen äu­ße­ren Be­sich­ti­gung („Sicht­prü­fung“) ei­nes zum Kauf an­ge­bo­te­nen Fahr­zeugs ver­pflich­tet (im An­schluss an BGH, Urt. v. 19.06.2013 – VI­II ZR 183/12, ju­ris Rn. 24).

LG Ber­lin, Ur­teil vom 07.03.2014 – 4 O 354/13

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von der Be­klag­ten mit Kauf­ver­trag vom 30.01.2013 ei­nen am 26.10.2004 erst­zu­ge­las­se­nen Pkw (Nis­san Pri­me­ra, Bj. 2004) zum Preis von 3.990 €. Im schrift­li­chen Kauf­ver­trag heißt es un­ter an­de­rem:

„Un­ter der Ka­te­go­rie ‚Ex­port-/Nimm’s mit-Fahr­zeu­ge‘ ver­kau­fen wir i. d. R. preis­wer­te Fahr­zeu­ge (äl­te­re Fahr­zeu­ge bzw. Fahr­zeu­ge mit ho­hen Lauf­leis­tun­gen). Der tech­ni­sche und op­ti­sche All­ge­mein­zu­stand ent­spricht dem al­ters­ge­mä­ßen Zu­stand ver­gleich­ba­rer Fahr­zeu­ge. Tech­ni­sche Ag­gre­ga­te und Bau­tei­le sind in der Re­gel kurz vor der Ver­schleiß­gren­ze oder be­reits ver­schlis­sen. Schä­den an wich­ti­gen Bau­grup­pen so­wie Rost­pro­ble­me an Kar­ros­se­rie, Un­ter­bo­den und tra­gen­den Tei­len sind durch­aus mög­lich.“

Aus­weis­lich des Pro­to­kolls der Haupt­un­ter­su­chung vom 07.02.2013 wies das Fahr­zeug, das dem Klä­ger im Fe­bru­ar 2013 über­ge­ben wur­de, ei­nen Ki­lo­me­ter­stand von 139.778 auf.

Im Fe­bru­ar, im März und im Mai 2013 ließ der Klä­ger we­gen be­haup­te­ter Män­gel in ver­schie­de­nen Werk­stät­ten Ar­bei­ten an dem Pkw durch­füh­ren, wo­bei ihm für die im Fe­bru­ar 2013 durch­ge­führ­ten Ar­bei­ten 291,10 € und für die im März 2013 durch­ge­führ­ten Ar­bei­ten 591,24 € in Rech­nung ge­stellt wur­den. Un­ter dem 03.06.2013 wur­de dem Klä­ger über­dies ein An­ge­bot für ei­ne Mo­tor­re­pa­ra­tur er­teilt.

Die­se Re­pa­ra­tur ließ der Klä­ger je­doch nicht durch­füh­ren. Viel­mehr er­klär­te er mit An­walts­schrei­ben vom 05.06.2013 ge­gen­über der Be­klag­ten sei­nen auf an­geb­li­che Män­gel des er­wor­be­nen Fahr­zeugs ge­stütz­ten Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und for­der­te die Be­klag­te zum Er­satz der auf­ge­wand­ten Re­pa­ra­tur­kos­ten auf. Zu­gleich er­klär­te der Klä­ger die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung und führ­te aus, die Be­klag­te ha­be ihm „die er­heb­li­chen Män­gel“, wie zum Bei­spiel ei­nen stark ölen­den Mo­tor, arg­lis­tig ver­schwie­gen.

Der Klä­ger hat be­haup­tet, das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug wei­se ei­nen er­heb­li­chen Mo­tor­scha­den auf, der auch schon bei der Über­ga­be im Fe­bru­ar 2013 vor­ge­le­gen ha­be. Die Über­ga­be des Fahr­zeugs ha­be sich ver­zö­gert, weil es Pro­ble­me mit dem Mo­tor ge­ge­ben ha­be. Er hat ge­meint, er ha­be der Be­klag­ten vor der Er­klä­rung des Rück­tritts kei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung set­zen müs­sen, weil ei­ne Nach­er­fül­lung aus wirt­schaft­li­chen Grün­den un­mög­lich sei.

Die im We­sent­li­chen auf die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges und den Er­satz von Re­pa­ra­tur­kos­ten ge­rich­te­te Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Die Kla­ge ist nicht be­grün­det.

I. Dem Klä­ger steht ge­gen die Be­klag­te ein An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags we­der auf­grund ei­nes wirk­sa­men Rück­tritts vom Ver­trag we­gen be­haup­te­ter Män­gel ge­mäß §§ 437 Nr. 2 i. V. mit 440, 323, 326 V BGB noch auf­grund ei­ner An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung ge­mäß §§ 123 I, 142, 812 I BGB zu.

1. Ge­mäß § 437 BGB kann der Käu­fer, wenn die Sa­che man­gel­haft ist, nach sei­ner Wahl Nach­er­fül­lung ver­lan­gen, nach den Vor­schrif­ten der §§ 440, 323 und 326 V BGB vom Ver­trag zu­rück­tre­ten oder den Kauf­preis min­dern (§ 441 BGB) und Scha­dens­er­satz ge­mäß §§ 440, 280,281, 283 und 311a BGB oder Er­satz ver­geb­li­cher Auf­wen­dun­gen nach § 284 BGB ver­lan­gen. Vor­lie­gend hat der Klä­ger mit Schrei­ben sei­nes Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 05.06.2013 den Rück­tritt vom Ver­trag er­klärt und zu­gleich den Kauf­ver­trag we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung we­gen gra­vie­ren­der Män­gel, zum Bei­spiel des stark ölen­den Mo­tors, an­ge­foch­ten.

Ge­mäß § 434 BGB ist die Sa­che frei von Sach­män­geln, wenn sie bei Ge­fahr­über­gang die ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit hat. Man­gels Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung ist die Sa­che frei von Sach­män­geln, wenn sie sich für die nach dem Ver­trag vor­ge­se­he­ne Ver­wen­dung eig­net, sonst, wenn sie sich für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann.

Die Dar­le­gungs­last für das Vor­lie­gen der be­haup­te­ten gra­vie­ren­den Män­gel trägt der Klä­ger. Al­lein aus den ein­ge­reich­ten Rech­nun­gen sind die­se – bis auf den be­haup­te­ten Mo­tor­scha­den – nicht er­sicht­lich. Kon­kre­ter Sach­vor­trag er­folg­te in­so­weit nicht. Al­lein die Be­zug­nah­me auf die Rech­nun­gen ist nicht aus­rei­chend.

So­weit der Klä­ger ei­nen Mo­tor­scha­den an dem neun Jah­re al­ten Fahr­zeug mit ei­ner Lauf­leis­tung von knapp 150.000 km be­haup­tet und da­zu Be­zug auf das Re­pa­ra­tur­an­ge­bot … nimmt, fehlt es … an ei­ner der Be­klag­ten durch den Klä­ger er­folg­los ge­setz­ten Frist zur Nach­er­fül­lung. Ge­mäß § 440 BGB muss der Käu­fer dem Ver­käu­fer die Mög­lich­keit der Nach­er­fül­lung ge­wäh­ren. Erst nach dem zwei­ten Ver­such der Nach­er­fül­lung gilt die­se als fehl­ge­schla­gen (§ 440 Satz 2 BGB). Da­für, dass die Ge­wäh­rung ei­ner Nach­er­fül­lungs­mög­lich­keit dem Käu­fer un­zu­mut­bar ge­we­sen wä­re, die­se von dem Ver­käu­fer – hier der Be­klag­ten – ver­wei­gert wor­den wä­re oder – wie vom Klä­ger be­haup­tet – wirt­schaft­lich un­mög­lich wä­re, ist der Klä­ger dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig. Für ei­ne Un­zu­mut­bar­keit und ei­ne Ver­wei­ge­rung der Nach­er­fül­lung durch die Be­klag­te hat der Klä­ger nichts Kon­kre­tes vor­ge­tra­gen. Viel­mehr hat er … das Fahr­zeug zu kei­ner Zeit bei der Be­klag­ten we­gen der be­haup­te­ten Män­gel vor­ge­stellt, son­dern das Fahr­zeug zu­nächst zur Fir­ma X und so­dann zur Fir­ma Y ver­bracht, die bei­de je­weils Ar­bei­ten an dem Fahr­zeug durch­ge­führt ha­ben.

Dass ei­ne Re­pa­ra­tur auf­grund des fi­nan­zi­el­len Auf­wands im Ver­hält­nis zum Wert des Fahr­zeugs ei­ne wirt­schaft­li­che Un­mög­lich­keit be­grün­den wür­de, die den Klä­ger nach sei­ner An­sicht zum so­for­ti­gen Rück­tritt be­rech­tigt, ist al­lein un­ter Be­rück­sich­ti­gung des Re­pa­ra­tur­kos­ten­an­ge­bo­tes der Fir­ma Y nicht er­sicht­lich. Zum ei­nen bleibt die Be­ur­tei­lung der Zu­mut­bar­keit der Nach­er­fül­lung der Be­klag­ten vor­be­hal­ten. Der Schuld­ner kann die Leis­tung ver­wei­gern, so­weit die­se ei­nen Auf­wand er­for­dert, der un­ter Be­ach­tung des In­halts des Schuld­ver­hält­nis­ses und der Ge­bo­te von Treu und Glau­ben in ei­nem gro­ben Miss­ver­hält­nis zu dem Leis­tungs­in­ter­es­se des Gläu­bi­gers steht (§ 275 II 1 BGB, § 439 III BGB). Al­lein auf­grund des Re­pa­ra­tur­kos­ten­an­ge­bo­tes ei­nes Drit­ten ist nicht da­von aus­zu­ge­hen, dass die Be­klag­te, so­fern ihr das Fahr­zeug mit dem be­haup­te­ten Man­gel zur Nach­bes­se­rung vor­ge­stellt wor­den wä­re, ei­ne Re­pa­ra­tur we­gen un­ver­hält­nis­mä­ßi­ger Kos­ten ab­ge­lehnt hät­te. Über­dies ist an­zu­mer­ken, dass bei wirt­schaft­li­cher Be­trach­tung mög­li­cher­wei­se auch der Ein­bau ei­nes ge­brauch­ten Er­satz­mo­tors kos­ten­güns­ti­ger zum Er­folg ge­führt hät­te. Das Re­pa­ra­tur­an­ge­bot der Fir­ma Y geht von ei­nem na­gel­neu­en Mo­tor­block mit Net­to­kos­ten von al­lein 3.040 € aus. Zum an­de­ren ist auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung wirt­schaft­li­cher Ge­sichts­punk­te nicht er­sicht­lich, war­um es un­ter Ab­wä­gung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen dem Klä­ger ge­stat­tet sein soll­te, di­rekt vom Ver­trag zu­rück­zu­tre­ten (ent­spre­chend § 281 II BGB). Al­lein die Hö­he der Re­pa­ra­tur­kos­ten­rech­nung stellt ei­nen sol­chen Grund ins­be­son­de­re auch im Hin­blick auf das vor­aus­ge­gan­ge­ne Ver­hal­ten des Klä­gers und die Durch­füh­rung von Ar­bei­ten durch Drit­te an dem Fahr­zeug nach Ge­fahr­über­gang nicht dar. Auf­grund der durch Drit­te ver­an­lass­ten Ar­bei­ten an dem Fahr­zeug ist je­den­falls nicht aus­zu­schlie­ßen, dass die­se zu dem be­haup­te­ten gra­vie­ren­den Man­gel bei­ge­tra­gen ha­ben.

Die Vor­aus­set­zun­gen, un­ter de­nen der Klä­ger wirk­sam vom Ver­trag hät­te zu­rück­tre­ten kön­nen, lie­gen mit­hin nicht vor.

2. Dem Klä­ger steht auch kein An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­tra­ges we­gen ei­ner An­fech­tung … we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung in Be­zug auf den be­haup­te­ten Mo­tor­scha­den zu.

Dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig da­für, dass die Be­klag­te den be­haup­te­ten Man­gel kann­te und ihm die­sen arg­lis­tig ver­schwie­gen hat, ist der Klä­ger. Für ei­ne Kennt­nis der Be­klag­ten von dem Man­gel fehlt hin­rei­chend kon­kre­ter Vor­trag des Klä­gers.

Es be­steht kei­ne all­ge­mei­ne Un­ter­su­chungs­pflicht für Ge­braucht­wa­gen­händ­ler. Der Händ­ler ist grund­sätz­lich nur zu ei­ner fach­män­ni­schen äu­ße­ren Be­sich­ti­gung ver­pflich­tet (BGH, Urt. v. 19.06.2013 – VI­II ZR 183/12, ju­ris Rn. 24 m. w. Nachw.).

So­weit der Klä­ger be­haup­tet, die Be­klag­te ha­be ihm in ei­nem Te­le­fo­nat vor Über­ga­be des Fahr­zeugs mit­ge­teilt, dass sich die Über­ga­be ver­zö­ge­re, da die gel­be Mo­tor­kon­troll­leuch­te auf­leuch­te, ist – selbst die­sen Vor­trag als wahr un­ter­stellt – al­lein auf­grund des­sen nicht da­von aus­zu­ge­hen, dass die Be­klag­te Kennt­nis von ei­nem gra­vie­ren­den Mo­tor­scha­den des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs hat­te. Denn wie aus den vom Klä­ger ein­ge­reich­ten TÜV-Un­ter­la­gen er­sicht­lich, lag die­ser Man­gel zum Zeit­punkt der Ab­gas­son­der­un­ter­su­chung nicht vor. In dem Un­ter­su­chungs­pro­to­koll heißt es aus­drück­lich „Kon­troll­leuch­te Mo­tor­dia­gno­se i. O.“. Hät­te es ei­ne Be­an­stan­dung ge­ge­ben, hät­te die­se auch dem TÜV auf­fal­len müs­sen, der den Mo­tor – wie aus dem Pro­to­koll er­sicht­lich – un­ter­sucht. Mit wem der Klä­ger bei der Be­klag­ten in die­sem Zu­sam­men­hang te­le­fo­niert hat, konn­te er auch auf Be­fra­gung in der münd­li­chen Ver­hand­lung nicht an­ge­ben. Sein dies­be­züg­li­cher Be­weis­an­tritt durch Frau R ist – un­ab­hän­gig von der Fra­ge, dass nicht vor­ge­tra­gen ist, ob die­se das Te­le­fo­nat mit­ge­hört ha­ben will und ob der Klä­ger die Be­klag­te hier­auf hin­ge­wie­sen hat – als Aus­for­schungs­be­weis un­be­acht­lich.

Auf die Fra­ge, ob die in Ab­zug ge­brach­te Nut­zungs­ent­schä­di­gung zu­tref­fend be­rech­net wor­den ist, kam es bei die­ser Sach­la­ge nicht an.

II. Da die Kla­ge nach dem Haupt­an­trag be­reits un­be­grün­det ist, kam es auf die Be­schei­dung der wei­te­ren vom Klä­ger ge­stell­ten An­trä­ge nicht mehr an …

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