- Ein Kraftfahrzeug mit Dieselpartikelfilter ist nicht deshalb mangelhaft, weil im reinen Kurzstreckenbetrieb die zur Reinigung des Filters erforderliche Abgastemperatur regelmäßig nicht erreicht wird und daher zur Filterreinigung von Zeit zu Zeit Überlandfahrten unternommen werden müssen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VIII ZR 160/08, NJW 2009, 2056).
- Ein Gebrauchtwagen mit Dieselpartikelfilter ist zwar mangelhaft, wenn der Filter bei der Übergabe völlig verstopft ist und deshalb seine Funktion, aus den Abgasen schädliche Rußpartikel auszufiltern, nicht mehr erfüllen kann. Setzt sich der Filter jedoch erst nach der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer zu, weil der Käufer das Fahrzeug überwiegend im Kurzstreckenbetrieb nutzt, ohne die erforderlichen Fahrten zum Freibrennen des Dieselpartikelfilters durchzuführen, liegt kein Sachmangel, sondern nur typischer Verschleiß vor.
LG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2014 – 23 S 156/13
Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte aus einem am 22.11.2011 geschlossenen Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen auf Schadensersatz in Anspruch, nachdem im Juni 2012 der Dieselpartikelfilter des Fahrzeugs ausgetauscht wurde.
Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die besondere Beschaffenheit des Dieselpartikelfilters, die regelmäßige Regenerationsfahrten erfordere, für sich gesehen kein Mangel sei. Regelmäige Regenerationsfahren habe der Kläger indes nicht unternommen; andernfalls wäre der Diesepartikelfilter nicht völlig verstopft gewesen und hätte nicht ausgetauscht werden müssen. Für seine Behauptung, die Warnleuchte, die die Notwendigkeit einer Regenerationsfahrt anzeige, habe nicht funktioniert, als das Fahrzeug wegen des verstopften Partikelfilters liegen geblieben sei, habe der Kläger keinen Beweis angetreten.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der weiterhin Schadensersatz und die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten verlangt. Der Kläger behauptet, regelmäßige Regenerationsfahrten seien bei einem Dieselpartikelfilter nicht erforderlich. Sie müssten nur dann unternommen werden, wenn die entsprechende Warnleuchte aufleuchte. Das sei hier vor dem 30.04.2012, als der Motor des Fahrzeugs keine „Durchzugskraft“ mehr gehabt habe, nicht passiert.
Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: B. … II. … Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
1. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts stellt ein verstopfter Filter grundsätzlich einen Sachmangel i. S. von § 434 BGB dar. Denn der Dieselpartikelfilter erfüllt seine Funktion, aus den Abgasen schädliche Rußpartikel auszufiltern, nicht, wenn er (völlig) zugesetzt ist. Folgeprobleme, wie etwa die vom Kläger geschilderten (Verlust der Durchzugskraft) oder weitere Schäden an anderen Motorteilen können eintreten.
Von dieser Frage der Mangelhaftigkeit sind die weiteren zwischen den Parteien streitigen Punkte wie ein etwaig unsachgemäßer Gebrauch durch den Kläger oder anderes mitwirkendes Verschulden zu trennen. Auch geht es nicht um die grundsätzliche Frage, ob das Fahrzeug für den vom Kläger überwiegend zurückgelegten Kurzstreckenverkehr ungeeignet sei. Die Notwendigkeit von Regenerierungs- bzw. Freibrennfahrten im Kurzstreckeneinsatz und bei niedrigen Außentemperaturen stellt keinen Sachmangel dar (BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VIII ZR 160/08, NJW 2009, 2056). Anhaltspunkte, die eine Aufklärungspflicht der Beklagten über die Vor- und Nachteile eines Rußpartikelfilters begründen könnten (OLG Hamm, Urt. v. 09.06.2009 – 28 U 57/08, NJW-RR 2010, 566) sind … weder vorgetragen noch ersichtlich.
2. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers setzt allerdings voraus, dass der Mangel bei Gefahrübergang bestanden hat. Zeigt sich – wie hier – ein Sachmangel innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Gefahrübergang, so wird gemäß § 476 BGB vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar. Genau diese Unvereinbarkeit ist im vorliegenden Fall gegeben, die Beklagte hat die Vermutungswirkung aus § 476 BGB widerlegt, weil die Vermutung mit der Art des Mangels unvereinbar ist.
a) Unstreitig wurde dem Kläger der gebrauchte Opel Zafira 1.9 CDTi am 24.11.2011 übergeben. Nach der Behauptung der Beklagten meldete sich der Kläger telefonisch in der 16. Kalenderwoche 2012 (= Mitte April) und schilderte einen Leistungsabfall, und dass die gelben Kontrollleuchten (Symbole „Schraubenschlüssel“ und „Motorblock“) leuchteten. Nach der Behauptung des Klägers blieb das Fahrzeug am 30.04.2012 stehen und die gelben Kontrollleuchten (Symbole „Schraubenschlüssel“ und „Motorblock“) leuchteten, sodass er das Fahrzeug an diesem Tag in eine Werkstatt verbrachte. Mithin hat sich ein Sachmangel innerhalb der Ereignisfrist von sechs Monaten nach Übergabe des Fahrzeugs gezeigt (§§ 476, 187 I, 188 II BGB). Der Sachmangel zeigte sich circa fünf Monate nach Übergabe und bestand – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – darin, dass sich der Dieselpartikelfilter völlig zugesetzt hatte, was den Austausch des Filters erforderlich machte. Die Vermutung des § 476 BGB greift demnach grundsätzlich ein. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist bei gebrauchten Sachen die Vermutung nicht generell ausgeschlossen (MünchKomm-BGB/S. Lorenz, 6. Aufl. [2012], § 476 Rn. 16).
b) Die Vermutung gilt allerdings nicht, wenn sie mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Mit diesem Ausschlusstatbestand sind Fälle gemeint, in welchen ein Erfahrungssatz dafür spricht, dass der Mangel nachträglich entstanden ist. Hierbei sind der Grad der Abnutzung wie auch die Art des Mangels zu berücksichtigen, das heißt, es ist eine Gesamtschau beider Vermutungsausschlussgründe vorzunehmen. Maßgeblich ist, ob der konkrete Mangel bei dem konkreten Kaufgegenstand mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen Rückschluss auf sein Vorliegen bzw. das Vorliegen eines „Grundmangels“ zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs zulässt (MünchKomm-BGB/S. Lorenz, a. a. O., § 476 Rn. 15 f.). Wegen der Art des Mangels ausgeschlossen ist die Vermutungswirkung bei nachträglich üblichen Sachverschlechterungen wie etwa Verschleiß oder Verderb. Das ist etwa der Fall bei typischen Verschleißerscheinungen, die zwar zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs einen Sachmangel dargestellt hätten, aber ebenso gut auf einen nachträglichen Gebrauch zurückzuführen sein können. Auch ein Fehlgebrauch der Sache kann zum Ausschluss der Vermutung wegen der Art des Mangels führen (MünchKomm-BGB/S. Lorenz, a. a. O., § 476 Rn. 18, 23).
Vorliegend hat die Beklagte bewiesen, dass es sich bei dem Zusetzen des Filters um eine nachträglich übliche Sachverschlechterung durch Verschleiß bzw. unsachgemäßen Gebrauch des Klägers handelt. Die Beklagte hat Bescheinigungen über die kurz vor der Übergabe des Fahrzeuges durchgeführte Hauptuntersuchung und Abgasuntersuchung vorgelegt, wonach bei der Hauptuntersuchung „keine Mängel“ festgestellt und die Abgasuntersuchung „bestanden“ wurde. Des Weiteren hat sie auf das – vom Kläger eingeräumte – Fahrverhalten verwiesen, wonach das gebrauchte Fahrzeug vom Kläger ganz überwiegend im Kurzstreckeneinsatz genutzt wird. Nach dem Handbuch kann sich allerdings das Dieselpartikelsytem bei bestimmten Fahrbedingungen, zum Beispiel Kurzstreckenverkehr, nicht automatisch reinigen. Erforderlich ist vielmehr eine Verbrennung der Rußpartikel bei hoher Temperatur. Sobald die Straßen- und Verkehrsverhältnisse es zulassen, soll hierfür die Geschwindigkeit auf über 140 km/h erhöht werden. Es soll unter Last gefahren werden, das heißt, die Motordrehzahl soll nicht unter 2.000 sinken. Der Reinigungsvorgang kann bis zu 25 Minuten dauern.
Dass die von dem Kläger behauptete eine längere Fahrt innerhalb seiner Nutzungszeit diese Vorgaben an eine Regenerationsfahrt nach dem Benutzerhandbuch erfüllt, hat der Kläger nicht schlüssig dargetan. Er hat zwar darauf verwiesen, dass er kurz vor dem 30.04.2012 eine Fahrt nach Essen unternommen habe, bei der die einfache Strecke circa 40 km betrage, wobei er dabei „auch Geschwindigkeiten von über 140 km/h“ gefahren sei. Dies genügt indes nicht, weil hierbei nicht ersichtlich wird, ob und inwieweit der Kläger über welchen Zeitraum mit der erforderlichen Motordrehzahl gefahren ist. Alleine die Geschwindigkeit sagt noch nichts über die Motordrehzahl aus, zumal der Kläger selbst nicht behauptet, die behauptete hohe Geschwindigkeit über den erforderlichen längeren Zeitraum von mindestens 25 Minuten gehalten zu haben.
Entgegen der Ansicht des Klägers in der Berufung müssen Regenerationsfahrten nicht nur dann ergriffen werden, wenn die entsprechende Warnleuchte (Symbol „Glühfaden“) aufleuchtet. Vielmehr ist nach dem von der Beklagten vorgelegten Benutzerhandbuch die Selbstreinigungsfunktion des Dieselpartikelsystems in bestimmten Intervallen durchzuführen. Eine automatische Reinigung im reinen Kurzstreckenverkehr, wie hier vom Kläger durchgeführt, findet nicht statt. Aus der von dem Kläger vorgelegten Seite 118 der Bedienungsanleitung ergibt sich nichts anderes. Mithin hat die Beklagte bewiesen, dass der geltend gemachte Sachmangel (völliges Zusetzen des Dieselpartikelfilters) auf eine unsachgemäße Behandlung der Kaufsache durch den Käufer zurückzuführen ist, weil er die erforderlichen Freibrennfahrten über die von ihm gefahrenen weiteren 5.000 km nicht durchgeführt hat.
Auch in der Gesamtschau der Vermutungsausschlussgründe besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass es sich bei dem völlig zugesetzten Dieselpartikelfilter um eine typische Verschleißerscheinung handelt, die zwar zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs einen Sachmangel dargestellt hätte, aber ebenso gut auf einen nachträglichen Gebrauch zurückzuführen sein kann. Denn die gebrauchte Kaufsache wies im Zeitpunkt der Übergabe bereits eine Laufleistung von ca. 116.000 km auf und wurde durch den Kläger über weitere 5.000 km genutzt, wobei der Kläger nicht im Sinne der ihm obliegenden sekundären Behauptungslast substanziiert dargelegt hat, dass keine unsachgemäße Behandlung vorlag, insbesondere dass er die erforderlichen Freibrennfahrten im gebotenen Umfang durchgeführt hat (vgl. zur Beweislastverteilung MünchKomm-BGB/S. Lorenz, a. a. O., § 476 Rn. 26). Dass er die Bescheinigungen über die Haupt- und Abgasuntersuchungen mit Nichtwissen bestritten hat, genügt nicht zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast. Soweit er geltend macht, während seiner Besitzzeit habe das Symbol „Glühfaden“ außerhalb der für Dieselfahrzeuge üblichen Vorglühzeit nicht aufgeleuchtet, gilt im Ergebnis nichts anderes. Selbst unterstellt, das Symbol „Glühfaden“ habe während der fünfmonatigen Nutzungszeit des Klägers niemals geblinkt, hätte er regelmäßige Regenerationsfahrten durchführen müssen, da sich, worauf er an anderer Stelle der Bedienungsanleitung ausdrücklich hingewiesen wird, das Dieselpartikelsystem im Kurzstreckeneinsatz nicht automatisch reinigt. Zudem ist dem Kläger durch die beiden Symbole „Schraubenschlüssel“ und „Motorblock“ ein akutes Problem des Fahrzeugs angezeigt worden. Der unter Beweis gestellten Behauptung der Beklagten, dass dies bereits Mitte April 2012 der Fall war und der Kläger gleichwohl das Fahrzeug bis zum 30.04.2012 unverändert weiternutzte, ist der Kläger nicht hinreichend entgegen getreten …