1. Normale Verschleiß-, Abnutzungs- und Alterungserscheinungen bei einem Gebrauchtwagen sind kein Sachmangel. Ein Verschleißgrad, der den normalen Fahrzeugnutzer unter gewöhnlichen Umständen zum Auswechseln des Verschleißteils veranlasst, stellt jedoch einen Mangel dar, wenn das Fahrzeug mit dem verschlissenen Teil und ohne Hinweis auf seine Erneuerungsbedürftigkeit verkauft wird.
  2. Eine Abnutzung der Zahnflanken stellt bei einer Laufleistung von 178.928 km keinen Verschleißgrad dar, der den gewöhnlichen Fahrzeugnutzer zum Austausch der verschlissenen Zahnräder veranlasst. Denn durch die unvermeidliche Abnutzung der Zahnflanken der Zahnräder und das damit einhergehende feine Pfeifen im lastfreien Betrieb des Fahrzeugs wird die Funktionsfähigkeit des Getriebes nicht beeinträchtigt. Auch kann mit einem Getriebe, das einen durch ein solches Lagerpfeifen gekennzeichneten Verschleißgrad aufweist, durchaus noch eine Fahrtstrecke von 50.000 km zurückgelegt werden.

OLG Hamm, Urteil vom 10.06.2010 – I-28 U 15/10
(vorangehend: LG Paderborn, Urteil vom 25.11.2009 – 4 O 188/09)

Sachverhalt: Die Parteien schlossen am 06.06.2008 einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Pkw zum Preis von 4.100 €.

In der Folgezeit rügte der Kläger diverse Mängel des Fahrzeugs. Daraufhin reparierte der Beklagte am 13.06.2008 den Tacho, die hinteren Bremsen und die Warnblinkanlage.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.11.2008 forderte der Kläger den Beklagten auf, bis zum 02.12.2008 eine (weitere) Nachbesserung vorzunehmen. Dieses Schreiben konnte nicht zugestellt werden, weil der Beklagte laut Postvermerk unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln war. Am 19.01.2009 versuchte der Kläger erneut eine Zustellung des Schreibens vom 20.11.2008; diesmal holte der Beklagte das Einschreiben jedoch nicht ab. Der Kläger ließ dem Beklagten daraufhin ein anwaltliches Schreiben vom 19.01.2009 durch den Gerichtsvollzieher zustellen. In diesem Schreiben forderte der Kläger den Beklagten auf, bis zum 29.01.2009 Schadensersatz zu leisten. Der Beklagte wies mit anwaltlichem Schreiben vom 02.03.2009 jegliche Ansprüche zurück.

Der Kläger behauptet, unmittelbar nach Übergabe des Fahrzeugs hätten sich an dem Auto Mängel gezeigt. Der Auspuff sei sehr laut und verursache Vibrationsgeräusche. Es bestehe ein lautes Lagerpfeifen, das durch einen Getriebedefekt hervorgerufen worden sei. Die Druckplatte der manuellen Kupplung sei defekt. Es gebe ein extrem schrammiges Kupplungsgefühl. Die Kupplung rutsche bei Belastung und verursache einen Schmorgeruch. Ferner bestehe ein erhebliches Spiel in der Lenkung. Außerdem stehe das Lenkrad schief; das Fahrzeug ziehe beim Loslassen des Lenkrads nach links, anstatt geradeaus zu fahren. Ferner jaule der Zahnriemen laut. Den Betrag, den er aufwenden müsste, um die Schäden beseitigen zu lassen, beziffert der Kläger mit 5.066,31 €.

Seiner auf Zahlung dieses Betrages gerichteten Klage hat das LG Paderborn teilweise stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hatte Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I und III, 281 BGB i. V. mit §§ 433 I 2, 434, 437 Nr. 3 BGB insgesamt nicht zu.

1. Es kann entgegen der Annahme des Landgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem gerügten Lagerpfeifen des Getriebes, dem Spiel im rechten Spurstangenkopf, dem Ablösen des Anschlagrings am Auspuff und dem Schiefstand des Lenkrads um Sachmängel zur Zeit der Übergabe (§ 434 I BGB) handelt.

a) Der vom Senat beauftragte Sachverständige, Dipl.-Ing. V, hat im Rahmen seines im Senatstermin mündlich erstatteten Gutachtens ausgeführt, dass das Lagerpfeifen des Getriebes, das auf einem erhöhten Spiel der mit der Zeit abgenutzten Zahnflanken der Zahnräder beruht, eine typische Verschleiß-, Abnutzungs- und Alterungserscheinung an einem Getriebe mit der hier in Rede stehenden Laufleistung darstellt.

aa) Gemäß § 434 I 1 BGB ist eine Sache mangelfrei, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Nach Satz 2 dieser Bestimmung ist die Sache, soweit ihre Beschaffenheit nicht vereinbart ist, frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (Nr. 1), sonst, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (Nr. 2). Im Streitfall kommt ein Sachmangel nur unter dem zuletzt genannten Gesichtspunkt infrage; auch dieser greift jedoch nicht ein.

Beim Gebrauchtwagenkauf ist die Frage nach der Grenze der üblichen Beschaffenheit (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB) nach den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten. Dabei ist davon auszugehen, dass aufgrund des Gebrauchs und des Alterungsprozesses Abnutzungs- und Verschleißerscheinungen unvermeidlich sind. Gehen diese Erscheinungen nicht über das hinaus, was bei einem Fahrzeug des betreffenden Typs angesichts seines Alters und sein er Laufleistung normalerweise zu beobachten ist, so kann von einem Sachmangel nicht gesprochen werden. Normale Verschleiß-, Abnutzungs- und Alterungserscheinungen sind somit aus dem Sachmangelbegriff auszuklammern (BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434 Rn. 19; Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 19; Urt. v. 10.03.2009 – VIII ZR 34/08, NJW 2009, 1588 Rn. 13; OLG Hamm, Urt. v. 18.06.2007 – 2 U 220/06, NJOZ 2008, 1152; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 1515 m. w. Nachw.). Mit sofortiger Funktionsuntauglichkeit oder gar Verkehrsunsicherheit braucht der Gebrauchtwagenkäufer allerdings im Allgemeinen nicht zu rechnen. Denn der Verkäufer schuldet die Funktionstüchtigkeit, wenn nichts anderes vereinbart ist, auch beim Verkauf gebrauchter technischer Geräte als Normalbeschaffenheit (BGH, Urt. v. 18.01.1995 – VIII ZR 23/94, BGHZ 128, 307 [310]). Dies führt dazu, dass ein Verschleißgrad, der den normalen Nutzer unter gewöhnlichen Umständen zum Auswechseln des Verschleißteils veranlasst, einen Mangel darstellt, wenn das technische Gerät ohne Austausch – und ohne Hinweis auf die Erneuerungsbedürftigkeit – verkauft wird (zur Nichtauswechselung auswechselungsbedürftiger Verschleißteile als Sachmangel s. OLG Düsseldorf, Urt. v. 08.01.2007 – I-1 U 180/06, DAR 2007, 211 [212]; OLG Koblenz, Urt. v. 19.04.2007 – 5 U 768/06, NJW 2007, 1828; Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1515, 1535 f.; Senat, Urt. v. 07.03.2002 – 28 U 147/01 – „Wellentheorie“).

bb) Nach diesen Grundsätzen liegt im vorliegenden Fall kein Sachmangel vor. Die vom erstinstanzlichen Sachverständigen Dipl.-Ing. T bei dessen Fahrzeugbegutachtung am 28.09.2009 bei einer Laufleistung von 178.928 km festgestellte Abnutzung der Zahnflanken stellt nach den überzeugenden Darlegungen des vom Senat mit der Erstattung eines ergänzenden Gutachtens beauftragten Sachverständigen Dipl.-Ing. V keinen Verschleißgrad dar, der den gewöhnlichen Nutzer zum Auswechseln der verschlissenen Zahnräder veranlasst. Der vom Senat beauftragte Sachverständige hat in diesem Zusammenhang einleuchtend ausgeführt, dass die unvermeidliche Abnutzung der Zahnflanken der Zahnräder und das damit einhergehende feine Pfeifen im lastfreien Betrieb die Funktionsfähigkeit des Getriebes nicht beeinträchtigt. Auch könne mit einem Getriebe, das einen durch ein solches Lagerpfeifen zum Ausdruck kommenden Verschleißgrad aufweise, durchaus eine Fahrtstrecke von noch 50.000 km zurückgelegt werden.

b) Spiel der Spurstangen deutet bei fortgeschrittenem Alter und entsprechender Laufleistung eines Fahrzeugs grundsätzlich auf eine Verschleißerscheinung hin (LG Kassel, Urt. v. 30.06.2005 – 1 S 2/05, SVR 2005, 421; Schattenkirchner/Heimgärtner, DAR 2008, 488). Das im vorliegenden Fall erhöhte Spiel des äußeren rechten Spurstangenkopfs stellt zwar nach den Darlegungen des vom Senat beauftragten Sachverständigen einen solchen Verschleißzustand dar, der – wenn er sich bei der vor Übergabe des Fahrzeuges am 11.06.2008 erfolgten Hauptuntersuchung gemäß § 29 StVZO gezeigt hätte – die Erteilung einer Prüfplakette verhindert hätte.

aa) Bezüglich dieser Mangelerscheinung kann aber nicht festgestellt werden, dass sie schon bei Übergabe des Fahrzeugs, die im Anschluss an die Hauptuntersuchung vom 11.06.2008 erfolgt ist, vorgelegen hat. Nach den überzeugenden Ausführungen des vom Senat beauftragten Sachverständigen kann der Entstehungszeitpunkt eines Verschleißgrades am Spurstangenkopf, der den normalen Nutzer unter gewöhnlichen Umständen bei eigenüblicher Sorgfalt zum Auswechseln des Spurstangenkopfs veranlasst hätte, nicht festgestellt werden. Da der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht hat beweisen können, dass das erhöhte Spiel im äußeren rechten Spurstangenkopf schon bei Übergabe vorgelegen hat, muss als möglich angesehen werden, dass diese Mangelerscheinung bei Übergabe des Fahrzeuges noch nicht vorhanden war.

bb) Die Vermutung des § 476 BGB kommt dem Kläger nicht zugute. Nach dieser Vorschrift wird bei einem Verbrauchsgüterkauf – dem Verkauf einer beweglichen Sache durch einen Unternehmer an einen Verbraucher – regelmäßig vermutet, dass ein Sachmangel, der sich innerhalb von sechs Monaten seit der Übergabe an den Käufer zeigt, schon bei der Übergabe vorhanden war; dies gilt dann nicht, wenn diese Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass sich der vorgenannte Mangel innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang gezeigt hat. Insoweit ist der Käufer beweisbelastet (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1637; MünchKomm-BGB/Lorenz, 5. Aufl., § 476 Rn. 22). Der erstinstanzliche Sachverständige hat das erhöhte Spiel des äußeren rechten Spurstangenkopfs im Rahmen seiner Fahrzeugbegutachtung am 28.09.2009 und somit mehr als sechs Monate nach der im Juni 2008 erfolgten Übergabe festgestellt. Soweit der Kläger mit vorprozessualem Anwaltsschreiben vom 20.11.2008 ein „erhebliches Spiel in der Lenkung“ gerügt hat, ist diese Rüge sowohl im Hinblick auf den Grad der Beeinträchtigung als auch im Hinblick auf die Ursache der beschriebenen Symptome unspezifisch. Die beschriebenen Symptome müssen nicht darauf beruhen, dass der äußere rechte Spurstangenkopf so verschlissen war, dass ein normaler Nutzer ihn unter gewöhnlichen Umständen ausgewechselt hätte. Sie können zum Beispiel auch mit dem bei der Hauptuntersuchung vom 11.06.2008 festgestellten leicht erhöhten Spiel des inneren rechten Spurstangenkopfes im Zusammenhang stehen, dessen Verschleißzustand allerdings weder nach den Feststellungen der die Hauptuntersuchung durchführenden DEKRA noch nach den Feststellungen des erstinstanzlichen Sachverständigen derart war, dass bei eigenüblicher Sorgfalt bereits Erneuerungsbedürftigkeit bestanden hat.

c) Zwar hat sich der Anschlagring am Auspuff gelöst und könnte mit einem geringen Kostenaufwand von 25 € wieder angeheftet werden. Der Kläger hat jedoch nicht bewiesen, dass es sich dabei um einen Sachmangel zur Zeit der Übergabe handelt (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB). Nach den Darlegungen des vom Senat beauftragten Sachverständigen stellt die Ablösung des Anschlagrings am Auspuff bei einem Fahrzeug mit der hier in Rede stehenden Laufleistung eine typische Verschleiß- und Alterungserscheinung dar, die auf dem Fortschreiten der bei normaler Nutzung in diesem Bereich unvermeidlichen Korrosion beruht.

Der Kläger, der bis zu der am 28.09.2009 erfolgten Fahrzeugbegutachtung durch den erstinstanzlichen Gutachter eine Fahrtstrecke von fast 20.000 km zurückgelegt hat, hat das Fahrzeug nicht weniger als normal beansprucht. Somit ist es auch während seiner Besitzzeit zum Fortschreiten der sich im Auspuffbereich durch Spritzwasser in Verbindung mit Hitze vergleichsweise schnell bildenden Korrosion gekommen. Dies kann zum Ablösen des Anschlagringes geführt haben, ohne dass bereits bei Übergabe Erhaltungsmaßnahmen im Hinblick auf eine Befestigung des Anschlagrings veranlasst waren.

Die Vermutung des § 476 BGB kommt dem Kläger vor diesem Hintergrund nicht zugute, denn auch hier ist nicht anzunehmen, dass sich der Mangel innerhalb der ersten sechs Monate nach Übergabe gezeigt hat. Der ausgesprochen geringe Kostenaufwand spricht für eine geringfügige Mangelerscheinung; es kann nicht mit hinreichender Gewissheit festgestellt werden, dass angesichts dessen bei eigenüblicher Sorgfalt bereits eine Wartung geboten gewesen wäre.

d) Der vom Kläger gerügte Schiefstand des Lenkrads stellt keinen Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar, weil dieser nach den Ausführungen des vom Senat beauftragten Sachverständigen weder den Geradeauslauf noch die Fahrsicherheit und auch nicht den Fahrkomfort beeinträchtigt. Dass das Lenkrad im Geradeauslauf nach den Feststellungen des Senatsgutachters vielleicht einen Finger breit aus der Mittelstellung verdreht ist, ist allenfalls eine ganz geringfügige optische Beeinträchtigung, die bei einem bei Vertragsabschluss neun Jahre alten Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 160.000 km mit Blick darauf nicht ins Gewicht fällt, dass bei derartigen Gebrauchtfahrzeugen nach der der insoweit maßgeblichen objektiv berechtigten Käufererwartung ganz geringfügige optische Beeinträchtigungen hinzunehmen sind, weil sie zur Normalbeschaffenheit gehören (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).

2. Gewährleistungsansprüche lassen sich nicht daraus herleiten, dass der Kläger geltend macht, der Beklagte habe ihm zugesagt, dass er, falls an dem Fahrzeug etwas nicht stimme, dies in Ordnung bringe. Zwar hat die vom Landgericht als Zeugin vernommene Ehefrau des Klägers sinngemäß bekundet, ihnen sei gesagt worden, wenn „etwas dran“ sei, werde das repariert. Der Aussage der Zeugin kann ebenso wenig wie dem eigenen Sachvortrag des Klägers mit hinreichender Gewissheit (§ 286 I ZPO) entnommen werden, dass der Beklagte zum Ausdruck gebracht hat, ohne Rücksicht darauf, ob er gesetzlich zur Sachmängelgewährleistung verpflichtet ist, für alle vom Kläger gerügten Mängel einstehen zu wollen. …

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