1. Feh­len ver­trag­li­che Ver­ein­ba­run­gen über den Er­fül­lungs­ort, so ist nach ei­nem Rück­tritt des Käu­fers vom Kauf­ver­trag des­sen An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses dort zu er­fül­len, wo sich die Kauf­sa­che bei Zu­gang der Rück­tritt­er­klä­rung ver­trags­ge­mäß be­fand.
  2. Ei­ne Klau­sel in ei­nem au­ßer­ge­richt­li­chen Ver­gleich, wo­nach nach Zah­lung ei­nes be­stimm­ten Geld­be­tra­ges „al­le An­sprü­che aus dem Kauf­ver­trag … er­le­digt sind“, kann da­hin aus­zu­le­gen sein, dass sie auch das Recht des Käu­fers zur An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung (§ 123 I BGB) er­fasst.
  3. Ei­ne Ver­ein­ba­rung, die zum Nach­teil des Ver­brau­chers von den in § 475 I 1 BGB ge­nann­ten Vor­schrif­ten ab­weicht, aber nach Mit­tei­lung ei­nes Man­gels ge­trof­fen wird, darf sich nicht nur auf den an­ge­zeig­ten Man­gel, son­dern auch auf noch nicht an­ge­zeig­te Män­gel be­zie­hen.

LG Es­sen, Ur­teil vom 17.06.2013 – 1 O 45/13

Sach­ver­halt: Der Klä­ger kauf­te von dem Be­klag­ten mit schrift­li­chem Ver­trag vom 11.06.2012 ein im Jahr 2011 ge­bau­tes Kraft­fahr­zeug für 8.500 €. In dem mit „Kauf­ver­trag über ein ge­brauch­tes Fahr­zeug“ über­schrie­be­nen Ver­trags­for­mu­lar heißt es hand­schrift­lich: „Fahr­zeug wur­de auf Un­fall­scha­den nicht über­prüft! Un­fall­frei­heit wird nicht zu­ge­si­chert!“. Das Fahr­zeug wur­de dem Klä­ger am 20.06.2012 über­ge­ben.

Mit Schrei­ben sei­nes Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 03.08.2012 teil­te der Klä­ger dem Be­klag­ten mit, dass er Laut­spre­cher im Heck­be­reich des Fahr­zeugs ha­be ein­bau­en las­sen und ihm bei die­ser Ge­le­gen­heit er­öff­net wor­den sei, dass das Fahr­zeug in der Ver­gan­gen­heit ei­nen er­heb­li­chen, mit Re­pa­ra­tur­kos­ten „von we­nigs­tens 6.000 €“ ver­bun­de­nen Un­fall­scha­den er­lit­ten ha­be.

Der Klä­ger ver­lang­te ei­nen Nach­lass auf den Kauf­preis von 2.500 €; wer­de die­ser nicht ge­währt, wer­de er den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klä­ren. Mit Schrei­ben sei­ner Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 08.08.2012 teil­te der Be­klag­te mit, dass er oh­ne An­er­ken­nung ei­ner Rechts­pflicht zur Rück­zah­lung von 750 € be­reit sei, wenn da­mit „al­le An­sprü­che aus dem Kauf­ver­trag, sei­en sie be­kannt oder un­be­kannt, er­le­digt sind“. Nach­dem der Klä­ger mit Schrei­ben vom 03.09.2012 ei­ne Er­stat­tung von 1.500 € be­an­sprucht hat­te, er­klär­te sich der Be­klag­te mit Schrei­ben sei­ner Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 05.09.2012 be­reit, den an­ge­bo­te­nen Be­trag un­ter der Vor­aus­set­zung auf 1.150 € zu er­hö­hen, „dass nach ei­ner sol­chen Zah­lung al­le An­sprü­che aus dem Kauf­ver­trag, sei­en sie be­kannt oder un­be­kannt, er­le­digt sind“. Mit Schrei­ben sei­nes Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 28.09.2012 er­klär­te sich der Klä­ger mit dem Ver­gleichs­an­ge­bot des Be­klag­ten ein­ver­stan­den. In dem Schrei­ben, das bei dem Be­klag­ten­ver­tre­ter am 01.10.2012 ein­ging, hieß es un­ter an­de­rem:

„Ihr Man­dant möch­te den an­ge­bo­te­nen Be­trag so­dann bin­nen ei­ner Wo­che nach Zu­gang die­ses Schrei­bens auf das un­ten ste­hen­de Kon­to des Un­ter­zeich­ners über­wei­sen. In­kas­so­voll­macht liegt Ih­nen vor. Im Fal­le nicht frist­ge­rech­ter An­wei­sung wird mein Man­dant sei­ne An­sprü­che wei­ter­ver­fol­gen.“.

Der Be­klag­te über­wies dar­auf­hin 1.150 € auf das an­ge­ge­be­ne Kon­to, dem der Be­trag am 09.10.2012 gut­ge­schrie­ben wur­de.

Mit Schrei­ben sei­nes Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 25.10.2012 er­klär­te der Klä­ger die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung und den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Er hat be­haup­tet, der Be­klag­te ha­be ihm auf Nach­fra­ge aus­drück­lich zu­ge­si­chert, dass das Fahr­zeug un­fall­frei sei. Tat­säch­lich ha­be es je­doch ei­nen er­heb­li­chen Un­fall­scha­den er­lit­ten, den der Be­klag­te arg­lis­tig ver­schwie­gen ha­be.

Die im We­sent­li­chen auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ge­rich­te­te Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Das LG Es­sen ist ge­mäß § 29 ZPO zu­stän­dig.

Nach § 29 I ZPO be­steht für Strei­tig­kei­ten aus ei­nem Ver­trags­ver­hält­nis ein be­son­de­rer Ge­richts­stand an dem Ort, an dem die strei­ti­ge Ver­trags­pflicht zu er­fül­len ist. Bei ge­gen­sei­ti­gen Ver­trä­gen ist der Er­fül­lungs­ort für die Ver­bind­lich­kei­ten bei­der Ver­trags­tei­le grund­sätz­lich ein­zeln und ge­son­dert zu be­stim­men; nur aus­nahms­wei­se kann ein ein­heit­li­cher Ge­richts­stand an­ge­nom­men wer­den (vgl. OLG Schles­wig, Urt. v. 04.09.2012 – 3 U 99/11). Die strei­ti­ge Ver­trags­pflicht ist hier der Kauf­preis­rück­zah­lungs­an­spruch, der sich aus §§ 812 I 1 Fall 1, 142 I BGB oder aus §§ 346 I, 326 V, § 437 Nr. 2, § 440 BGB er­ge­ben kann. Ob ent­spre­chen­de An­sprü­che tat­säch­lich be­ste­hen, ist erst im Rah­men der Be­grün­det­heit zu prü­fen.

Der Er­fül­lungs­ort für den Kauf­preis­rück­zah­lungs­an­spruch be­stimmt sich man­gels ge­setz­li­cher Son­der­re­ge­lung nach § 269 BGB. Ge­mäß Ab­satz 1 die­ser Vor­schrift kann sich der Er­fül­lungs­ort aus den Um­stän­den, ins­be­son­de­re aus der Na­tur des Schuld­ver­hält­nis­ses, er­ge­ben, wenn ei­ne Ver­ein­ba­rung über den Er­fül­lungs­ort nicht ge­trof­fen wur­de. Ei­ne aus­drück­li­che Ver­ein­ba­rung gibt es nicht. Auch ei­ne kon­klu­den­te Ver­ein­ba­rung ist nicht er­sicht­lich. Die Um­stän­de er­ge­ben je­doch, dass Er­fül­lungs­ort für den Kauf­preis­rück­zah­lungs­an­spruch bei ei­nem Rück­tritt vom Ver­trag der Ort ist, an dem sich die Kauf­sa­che bei Zu­gang der Rück­tritts­er­klä­rung ver­trags­ge­mäß be­fun­den hat. Dies ist der Wohn­sitz des Klä­gers in F.

Das Ge­richt folgt da­mit der wei­ter­hin herr­schen­den Mei­nung in der ober­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung (z. B. OLG Schles­wig, Urt. v. 04.09.2012 – 3 U 99/11; OLG Bam­berg, Urt. v. 18.08.2010 – 8 U 51/10; OLG Hamm, Beschl. v. 16.03.2012 – 32 SA 12/12, OLG Köln, Beschl. v. 28.03.2011 – 3 U 174/10; an­ders z. B. LG Stral­sund, Beschl. v. 13.10.2011 – 6 O 211/11; AG Hechin­gen, Urt. v. 02.02.2012 – 2 C 463/11; AG Ber­gen, Beschl. v. 08.08.2012 – 23 C 334/12). Bei ei­nem Rück­tritt be­steht ein Rück­ge­währ­schuld­ver­hält­nis, bei dem der An­spruch auf bei­der­sei­ti­ger Rück­ge­währ der er­folg­ten Leis­tun­gen be­son­ders eng zu­sam­men­hän­gen. Da grund­sätz­lich von ei­ner Ver­ant­wor­tung des Ver­käu­fers für den Rück­tritt aus­zu­ge­hen ist, er­scheint ei­ne Pri­vi­le­gie­rung des Käu­fers auch sach­ge­recht (vgl. zu die­sen und wei­te­ren Ar­gu­men­ten OLG Schles­wig, Urt. v. 04.09.2012 – 3 U 99/11).

Da ei­ne Zu­stän­dig­keit des LG Es­sen im Hin­blick auf den er­klär­ten Rück­tritt ge­ge­ben ist, ist die­ses auch um­fas­send für die Prü­fung sämt­li­cher An­spruchs­grund­la­gen zu­stän­dig.

Die Kla­ge ist aber nicht be­grün­det. Der Klä­ger hat we­der An­sprü­che aus § 812 I 1 Fall 1, § 142 I BGB noch aus §§ 346 I, 326 V BGB, § 437 Nr. 2, § 440 BGB. Even­tu­el­le Ge­währ­leis­tungs­rech­te oder An­fech­tungs­rech­te sind durch den zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Ver­gleich aus­ge­schlos­sen.

Ein Ver­gleich ist zu­stan­de ge­kom­men.

Das Schrei­ben des Klä­gers vom 28.09.2012 stell­te ei­ne mo­di­fi­zier­te An­nah­me ei­nes Ver­gleichs­an­ge­bo­tes des Be­klag­ten vom 05.09.2012 und da­mit ein neu­es An­ge­bot dar (§ 150 II BGB). Die An­nah­me-/Ein­ver­ständ­nis­er­klä­rung vom 28.09.2012 war mit der Ein­schrän­kung/Be­din­gung ver­bun­den, dass die An­sprü­che wei­ter­ver­folgt wür­den, wenn nicht ei­ne Über­wei­sung bin­nen ei­ner Wo­che nach Zu­gang er­fol­gen wür­de.

Der Be­klag­te hat das An­ge­bot kon­klu­dent an­ge­nom­men durch die Zah­lung des Ver­gleichs­be­tra­ges. In der Zah­lung wur­de für den Klä­ger be­stimmt und er­kenn­bar – an­ge­sichts sei­nes An­ge­bots – zum Aus­druck ge­bracht, dass auch der Be­klag­te den Ab­schluss des Ver­gleichs woll­te.

Die An­nah­me er­folg­te auch recht­zei­tig. Nach § 148 BGB kann ei­ne An­nah­me nur in­ner­halb ei­ner vom An­tra­gen­den ge­setz­ten Frist er­fol­gen. Selbst wenn man in dem Set­zen der Zah­lungs­frist ei­ne sol­che An­nah­me­frist se­hen wür­de und nicht nur ei­ne Be­din­gung i. S. des § 158 BGB, wä­re die Frist hier ge­wahrt. Zur Wah­rung der Frist ge­nüg­te näm­lich die Über­wei­sung des Be­klag­ten bin­nen Wo­chen­frist. Ei­ne Gut­schrift auf dem Kon­to des Be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers war nicht er­for­der­lich.

Ei­ne Wil­lens­er­klä­rung ge­gen­über Ab­we­sen­den wird zwar erst mit Zu­gang wirk­sam (§ 130 I BGB), so­dass grund­sätz­lich zur Wah­rung der An­nah­me­frist im Rah­men des § 148 BGB ein Zu­gang der An­nah­me beim An­tra­gen­den (bzw. sei­nem Be­voll­mäch­tig­ten) wirk­sam wird. Im Ein­zel­fall kann aber auch schon die Ab­ga­be der Er­klä­rung zur Frist­wah­rung ge­nü­gen. Der An­tra­gen­de ist bei Be­stim­mung der An­trags­frist grund­sätz­lich frei. Es ist ei­ne Fra­ge der Aus­le­gung der Wil­lens­er­klä­rung des An­tra­gen­den, wie ei­ne Frist zu ver­ste­hen ist.

Hier ist an­zu­neh­men, dass die Ab­ga­be des Über­wei­sungs­auf­trags bei der Bank schon zur Frist­wah­rung aus­reich­te. Hier­für spricht schon der Wort­laut des Schrei­bens vom 28.09.2012. Ei­ne Gut­schrift auf dem Kon­to des Klä­ger­ver­tre­ters – wie vom Klä­ger vor­ge­tra­gen – wur­de in die­sem Schrei­ben ge­ra­de nicht ge­for­dert, son­dern ei­ne Über­wei­sung durch den Be­klag­ten. Im all­täg­li­chen Sprach­ge­brauch wird un­ter ei­ner Über­wei­sung die Ab­ga­be des Über­wei­sungs­auf­trags bei der Bank ver­stan­den und nicht mehr der Er­folg der Über­wei­sung durch Gut­schrift auf dem Emp­fän­ger­kon­to. Auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Treu und Glau­ben (§ 157 BGB) ist die Er­klä­rung des Klä­gers da­hin ge­hend aus­zu­le­gen, dass die Ab­ga­be des Über­wei­sungs­auf­trags zur Frist­wah­rung reich­te. Bei der Frist von ei­ner Wo­che han­del­te es sich um ei­ne sehr kur­ze Frist. Schon die Zeit von ei­ner Wo­che an sich ist kurz. Hin­zu kommt noch, dass der Schrift­ver­kehr nicht an den Be­klag­ten er­folg­te, son­dern an des­sen Ver­tre­ter. Nach Zu­gang des An­ge­bots muss­te al­so der Be­klag­te in­ner­halb der Frist zu­nächst noch in­for­miert wer­den, be­vor er ei­ne Über­wei­sung vor­neh­men konn­te. Wenn man noch be­denkt, dass in­ner­halb der Wo­chen­frist vor­aus­sicht­lich auch noch ein Wo­chen­en­de und ein Fei­er­tag (03.10.) lie­gen wür­den, an de­nen ein Über­wei­sungs­ver­kehr nicht statt­fin­det, dann war ab­seh­bar, dass selbst bei un­ver­züg­li­chem Han­deln der Be­voll­mäch­tig­ten des Be­klag­ten und des Be­klag­ten selbst schon die Ein­hal­tung ei­ner Er­tei­lung des Über­wei­sungs­auf­trags schwer wür­de; die Si­cher­stel­lung ei­ner Gut­schrift in­ner­halb der Frist auf ei­nem Kon­to wä­re aber kaum mög­lich, da Banklauf­zei­ten auch nicht ge­nau vor­aus­ge­sagt wer­den kön­nen. Hin­zu kommt, dass es für den Be­klag­ten bei der Über­wei­sung je­den­falls kaum vor­aus­zu­sa­gen ge­we­sen wä­re, ob noch ei­ne Gut­schrift in­ner­halb der Wo­chen­frist er­fol­gen wür­de.

Durch den Ver­gleich wur­den das spä­ter gel­tend ge­mach­te An­fech­tungs­recht und das Rück­tritts­recht aus­ge­schlos­sen. Das An­ge­bot des Klä­gers be­inhal­te­te näm­lich durch die Ein­ver­ständ­nis­er­klä­rung mit dem vor­he­ri­gen Ver­gleichs­an­ge­bot des Be­klag­ten auch die Klau­sel, dass nach der Zah­lung al­le An­sprü­che aus dem Kauf­ver­trag, sei­en sie be­kannt oder un­be­kannt, er­le­digt sind.

Ge­währ­leis­tungs­rech­te wur­den durch den Ver­gleich ab­be­dun­gen. Aus der wei­ten Fas­sung der Klau­sel mit der An­ga­be, dass al­le – auch un­be­kann­te – An­sprü­che er­le­digt sein soll­ten er­gibt sich, dass ei­ne ab­schlie­ßen­de Re­ge­lung et­wai­ger An­sprü­che aus dem Kauf­ver­trag er­fol­gen soll­te. Die­se An­sprü­che aus dem Kauf­ver­trag um­fas­sen auch Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che. Der Be­klag­te hat­te zu­vor auch ge­ra­de nur sei­ne Ver­gleichs­be­reit­schaft un­ter die­ser Be­din­gung er­klärt und da­mit deut­lich zum Aus­druck ge­bracht, dass er sich nicht nur hin­sicht­lich des kon­kret ge­rüg­ten Man­gels ver­glei­chen woll­te.

Aus den glei­chen Er­wä­gun­gen um­fasst der Ver­gleich auch den Aus­schluss des gel­tend ge­mach­ten An­fech­tungs­rechts. Hier­bei han­delt es sich zwar nicht im en­ge­ren Sinn um ein Recht aus dem Kauf­ver­trag, da durch die Aus­übung des An­fech­tungs­rechts die Wirk­sam­keit des Kauf­ver­tra­ges be­sei­tigt wird. Die Klau­sel ist aber je­den­falls hier so aus­zu­le­gen, dass auch das An­fech­tungs­recht von ihr um­fasst wer­den soll­te. Ent­spre­chend den obi­gen Aus­füh­run­gen soll­te es sich um ei­ne end­gül­ti­ge Re­ge­lung be­züg­lich des Kauf­ver­trags han­deln und zwi­schen den Par­tei­en kei­ne wei­te­ren Rech­te be­ste­hen. Für die Par­tei­en ist es in­so­weit kein er­heb­li­cher Un­ter­schied, ob es um ei­ne be­rei­che­rungs­recht­li­che Rück­ab­wick­lung ei­nes nich­ti­gen Kauf­ver­trags geht oder um ein Rück­ge­währ­schuld­ver­hält­nis auf­grund ei­nes Rück­tritts vom wirk­sa­men Kauf­ver­trag.

Der Ver­gleich ist auch nicht nach §§ 134, 475 I 1 BGB un­wirk­sam. Die Vor­schrift des § 475 I 1 BGB sieht als Rechts­fol­ge nicht die Un­wirk­sam­keit ei­ner Ver­ein­ba­rung vor. Es ist le­dig­lich so, dass der Un­ter­neh­mer sich nicht auf ei­ne Ver­ein­ba­rung be­ru­fen kann, die zum Nach­teil des Ver­brau­chers von be­stimm­ten Vor­schrif­ten ab­weicht. Der Ge­setz­ge­ber hat in­so­weit im Rah­men des Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­rens be­wusst ei­ne an­de­re Rechts­fol­ge ge­wählt als zu­nächst vor­ge­se­hen (vgl. BT-Drs. 14/7052, S. 199).

Dem Be­klag­ten ist es aber auch nicht nach § 475 I 1 BGB ver­wehrt, sich … auf den Ver­gleich zu be­ru­fen. § 475 I 1 BGB rich­tet sich nur ge­gen Ver­ein­ba­run­gen, die vor Mit­tei­lung ei­nes Man­gels ge­trof­fen wur­den. Der Ver­gleich wur­de hier aber ge­schlos­sen, nach­dem be­reits im Au­gust durch den Klä­ger … ei­ne Män­gel­an­zei­ge er­folgt war.

Es wird zwar die Mei­nung ver­tre­ten, dass sich ei­ne nach Mit­tei­lung des an­ge­zeig­ten Man­gels ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­rung nur auf den an­ge­zeig­ten Man­gel be­zie­hen darf und die Ver­ein­ba­rung für an­de­re – ins­be­son­de­re un­ent­deck­te – Män­gel un­zu­läs­sig bleibt (vgl. Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 72. Aufl. [2013], § 475 Rn. 3a, MünchKomm-BGB/Lo­renz, 6. Aufl. [2012], § 475 Rn. 11, Stau­din­ger/Ma­tu­sche-Beck­mann, BGB, Neu­be­arb. 2004, § 475 Rn. 35). Die­se Mei­nung ver­mag aber nicht zu über­zeu­gen. Auch ein um­fas­sen­der Ver­gleich ist nach Mit­tei­lung ei­nes Man­gels mög­lich (vgl. Er­man/Gru­ne­wald, BGB, 13. Aufl. [2011], § 475 Rn. 2).

Nach dem Wort­laut der Vor­schrift kann sich der Un­ter­neh­mer nur auf vor Mit­tei­lung ei­nes Man­gels ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­run­gen nicht be­ru­fen, die zum Nach­teil des Ver­brau­chers von den §§ 433 bis 435, 437, 439 bis 443, 474 bis 479 BGB ab­wei­chen. Re­ge­lun­gen für die Ver­ein­ba­rung nach Mit­tei­lung ei­nes Man­gels ent­hält die Vor­schrift dem Wort­laut nach nicht.

Die Sys­te­ma­tik des Ge­set­zes spricht auch nicht da­für, dass Ver­ein­ba­run­gen nach Mit­tei­lung ei­nes Man­gels nur ein­ge­schränkt mög­lich sein sol­len. Bei § 475 I 1 BGB han­delt es sich um ei­ne Aus­nah­me­vor­schrift, die die grund­sätz­lich ge­währ­leis­te­te Ver­trags­frei­heit (Art. 2 I GG) ein­schränkt. Aus­nah­me­vor­schrif­ten sind aber grund­sätz­lich eng aus­zu­le­gen. Die Aus­nah­me ist hier schon das Ab­wei­chen vom Prin­zip der Ver­trags­frei­heit und der Dis­po­si­ti­vi­tät zi­vil­recht­li­cher Re­ge­lun­gen.

Der Sinn und Zweck der Vor­schrift ge­bie­tet es auch nicht, nur auf den kon­kre­ten Man­gel be­zo­ge­ne Ab­wei­chun­gen von den ge­nann­ten kauf­recht­li­chen An­sprü­chen zu­zu­las­sen. Bei § 475 I 1 BGB han­delt es sich um ei­ne ver­brau­cher­schüt­zen­de Vor­schrift. Im vor­lie­gen­den Fall wür­de der Ver­brau­cher da­von pro­fi­tie­ren, wenn nur man­gel­be­zo­ge­ne Ver­ein­ba­run­gen zu­läs­sig wä­ren. Es gibt aber kei­nen all­ge­mei­nen Grund­satz, dass ver­brau­cher­schüt­zen­de Vor­schrif­ten im­mer zu­guns­ten des Ver­brau­chers aus­ge­legt wer­den müs­sen. Es ist al­ler­dings der an­ge­streb­te Ver­brau­cher­schutz zu be­rück­sich­ti­gen. Der Ge­sichts­punkt des Ver­brau­cher­schut­zes spricht nicht au­to­ma­tisch da­für, dass nur be­züg­lich des ein­zel­nen Man­gels Ver­ein­ba­run­gen in Ab­wei­chung der ge­nann­ten Vor­schrif­ten zu­läs­sig sind. Es kann durch­aus auch im Sin­ne des Ver­brau­chers lie­gen, dass ein um­fas­sen­der Ver­gleich ge­schlos­sen wird, auch für die Zu­kunft. Häu­fig macht ein Ver­gleich für den Un­ter­neh­mer kei­nen Sinn, wenn er sich et­wai­gen wei­te­ren An­sprü­chen des Ver­brau­chers in der Zu­kunft aus­set­zen wür­de. Den Par­tei­en ei­nes Rechts­streits ist häu­fig an ei­ner end­gül­ti­gen Er­le­di­gung ge­le­gen, und das Ge­richt wirkt auf sol­che Er­le­di­gun­gen selbst häu­fig hin. Es kann dann aber durch­aus auch sein, dass ein Ver­brau­cher die ein­mal ge­kauf­te und in Ge­brauch be­find­li­che Sa­che be­hal­ten will. Ei­ne end­gül­ti­ge Re­ge­lung kann dann nur er­zielt wer­den, wenn auch auf wei­te­re Rech­te durch den Ver­brau­cher – wie zum Bei­spiel Ge­währ­leis­tungs­rech­te – ver­zich­tet wird. Ei­ne sol­che Ei­ni­gung kann auch in sei­nem In­ter­es­se sein.

Der Ver­brau­cher be­fin­det sich auch in ei­ner an­de­ren Si­tua­ti­on als beim Kauf. Er weiß be­reits, dass ein Man­gel (wohl) vor­liegt, und es muss ihm da­durch klar sein, dass auch an­de­re Män­gel vor­han­den sein kön­nen. Er ist in­so­weit schon ge­warnt, an­ders als beim Kauf, bei dem man re­gel­mä­ßig noch gar nicht an die Mög­lich­keit ei­ner Man­gel­haf­tig­keit denkt.

Die Si­tua­ti­on ist auch an­ders als beim Kauf, da nicht die Ge­fahr be­steht, dass durch den Un­ter­neh­mer prak­tisch be­stimm­te, vom Ge­setz ab­wei­chen­de Ver­trags­be­stand­tei­le vor­ge­ge­ben wer­den. Wenn ein Un­ter­neh­mer zum Ver­kauf nur zu be­stimm­ten Be­din­gun­gen be­reit ist, ist man als Ver­brau­cher even­tu­ell ge­zwun­gen, auf die­se ein­zu­ge­hen, um über­haupt ei­nen Ver­trags­schluss zu er­rei­chen. Bei ei­ner er­folg­ten Man­gel­an­zei­ge be­steht der Ver­trag aber schon. Es ist die freie Wil­lens­ent­schei­dung des Ver­brau­chers, ob er sich auf ei­ne Ver­ein­ba­rung ein­lässt oder sich dar­auf be­schränkt, die ihm zu­ste­hen­den Rech­te we­gen ei­nes Man­gels wei­ter­zu­ver­fol­gen.

Auch die Ge­setz­ge­bungs­ma­te­ria­li­en spre­chen für die un­ein­ge­schränk­te Zu­läs­sig­keit von Ver­ein­ba­run­gen ins­be­son­de­re im We­ge des Ver­gleichs. In der BT-Drs. 14/6040, S. 244 zu § 475 BGB heißt es: „Da­mit wer­den ins­be­son­de­re Ver­glei­che von dem Ver­bot ab­wei­chen­der Ver­ein­ba­run­gen nicht er­fasst.“.

Aus der dem § 475 BGB zu­grun­de lie­gen­den Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie er­gibt sich auch kein Ar­gu­ment ge­gen die hier ver­tre­te­ne Auf­fas­sung. Art. 7 der Richt­li­nie, wel­cher die „Un­ab­ding­bar­keit“ re­gelt, be­zieht sich auch nur auf vor Un­ter­rich­tung über die Ver­trags­wid­rig­keit ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­run­gen und nicht auf da­nach ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­run­gen.

Im Üb­ri­gen könn­te sich der Be­klag­te hier selbst auf den Ver­gleich be­ru­fen, wenn er sich be­züg­lich nicht an­ge­zeig­ter Män­gel nicht auf die­sen be­ru­fen dürf­te. Die vom Klä­ger gel­tend ge­mach­ten Män­gel sind näm­lich nach Auf­fas­sung des Ge­richts von den be­reits zu­vor ge­rüg­ten Män­geln er­fasst. Bei den zu­vor ge­rüg­ten Män­geln ging es dar­um, dass der Wa­gen be­reits ver­un­fallt war. Auch bei den nach dem Vor­trag des Klä­gers neu ent­de­cken Män­geln han­delt es sich um Un­fall­schä­den. Dass der Un­fall­scha­den mög­li­cher­wei­se in­ten­si­ver war, wei­te­re Be­rei­che des Au­tos um­fass­te (auch vor­de­res Dach statt nur hin­te­res) und schlech­ter re­pa­riert war als ge­dacht, be­grün­det kei­nen neu­en Man­gel. An­sons­ten könn­te man sich nach An­zei­ge ei­nes Man­gels nie ver­glei­chen, da der Man­gel im­mer in­ten­si­ver sein könn­te als ge­dacht. Die­se Un­klar­heit soll ja auch ge­ra­de durch den Ver­gleich ge­re­gelt wer­den.

Im Üb­ri­gen spricht die­se Schwie­rig­keit der Ab­gren­zung des ent­deck­ten Man­gels von nicht ent­deck­ten Män­geln da­für, dass auch un­ein­ge­schränkt Ver­ein­ba­run­gen nach An­zei­ge ei­nes Man­gels mög­lich sein müs­sen. Rechts­si­che­re Ver­ein­ba­run­gen wür­den an­sons­ten na­he­zu un­mög­lich ge­macht.

Der Ver­gleich ist auch nicht nach §§ 142 I, 123 I BGB un­wirk­sam. Es ist nicht er­sicht­lich, dass … durch ei­ne Täu­schung des Be­klag­ten der Klä­ger zum Ab­schluss des Ver­gleichs be­stimmt wor­den ist. Im Rah­men des Ver­gleichs­schlus­ses war dem Klä­ger nach sei­nem Vor­trag be­kannt, dass der Wa­gen ei­nen Un­fall­scha­den hat­te. Der Be­klag­te hat beim Ver­gleichs­schluss kei­ne Ak­ti­vi­tä­ten ent­fal­tet, um den Klä­ger über den Um­fang ei­nes et­wai­gen Un­fall­scha­dens zu täu­schen. So­weit der Be­klag­te den Klä­ger zu­vor beim Ab­schluss des Ver­trags ge­täuscht ha­ben soll­te, be­rech­tigt die­se nicht zur An­fech­tung des Ver­gleichs, da die Par­tei­en sich über die mög­li­che Täu­schung bei Ab­schluss des Ver­trags ver­gli­chen ha­ben. …

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