Klagt ein Käufer, nachdem er von einem beiderseits erfüllten Kaufvertrag zurückgetreten ist, auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache, dann ist einheitlicher Erfüllungsort für sämtliche Rückgewähransprüche und damit Gerichtsstand der Ort, an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet. Dies gilt auch dann, wenn der Kaufpreis aufgrund einer Teilzahlungsvereinbarung noch nicht in voller Höhe geleistet ist.
OLG Hamm, Beschluss vom 16.03.2012 – 32 SA 12/12
Sachverhalt: Der Kläger schloss am 09.10.2010 mit der Beklagten einen Kaufvertrag über eine Couchgarnitur zum Preis 3.250 €. Die Parteien vereinbarten bei Vertragsschluss eine Anzahlung in Höhe von 1.000 €. Im Übrigen sollte der Kaufpreis in Raten von monatlich 30,90 € gezahlt werden. Zur Finanzierung schloss der Kläger einen Darlehensvertrag mit der C-AG.
Der Kläger beanstandete in der Folgezeit Flecken an der Couchgarnitur. Die Beklagte holte daraufhin die Couchgarnitur am 17.02.2011 beim Kläger ab und brachte sie zur Beseitigung des behaupteten Mangels ins Herstellerwerks. Der Kläger verweigerte am 11.05.2011 die Rücknahme der Couchgarnitur unter Hinweis darauf, dass die Flecken noch zu sehen seien. Derzeit befindet sich die Couchgarnitur bei der Beklagten.
Mit seiner vor dem Amtsgericht M. erhobenen Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung der von ihm bislang geleisteten Kaufpreisraten in Höhe von insgesamt 1.241,50 € sowie die „Aufhebung des Kaufvertrags“.
Mit Verfügung vom 07.01.2011 hat das Amtsgericht M. die Parteien darauf hingewiesen, dass es für die Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises örtlich nicht zuständig sei und angefragt, ob die Verweisung an das Amtsgericht C. beantragt werde.
Mit Schriftsatz vom 14.11.2011 hat die Beklagte die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts M. gerügt.
Mit Verfügung vom 16.11.2011 hat das Amtsgericht M. dem Kläger mitgeteilt, dass es beabsichtige, die Sache an das Amtsgericht C. zu verweisen, sofern ein Antrag gestellt werde. Mit Verfügung vom 06.12.2011 hat das Amtsgericht M. dem Kläger mitgeteilt, dass die Klage mangels örtlicher Zuständigkeit des Gerichts unzulässig sei. Sofern kein Verweisungsantrag gestellt werde, sei mit einer Klageabweisung zu rechnen. Das Gericht hat ferner angefragt, ob ein Verweisungsantrag gestellt werde oder Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt werden solle.
Mit Schriftsatz vom 11.12.2011 hat der Kläger daraufhin die Verweisung an das Amtsgericht C. beantragt.
Durch Beschluss vom 28.12.2011 hat sich das Amtsgericht M. nach Anhörung der Beklagten für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit mit Zustimmung der Beklagten ohne weitere Begründung an das Amtsgericht C. verwiesen.
Das Amtsgericht C. hat die Sache mit Verfügung vom 10.01.2012 dem OLG Hamm zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 I Nr. 6 ZPO vorgelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es sei für eine Entscheidung des Rechtsstreits örtlich nicht zuständig. Zuständig sei gemäß § 29 ZPO das Amtsgericht M. Dessen Verfahrensweise erscheine rechtsmissbräuchlich; die Verweisung sei deshalb nicht bindend.
Das OLG Hamm hat als zuständiges Gericht das Amtsgericht M. bestimmt.
Aus den Gründen: B. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 I Nr. 6 ZPO liegen vor.
I. Die Amtsgerichte in M. und C. haben sich beide rechtskräftig für örtlich unzuständig erklärt, ersteres durch den nach § 281 II ZPO unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 28.12.2011 und letzteres durch die seine Zuständigkeit abschließend verneinende Verfügung vom 10.01.2012.
Auch letztere genügt den Anforderungen, die an das Merkmal „rechtskräftig“ i. S. von § 36 I Nr. 6 ZPO zu stellen sind. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der ganz herrschenden Auffassung in der Fachliteratur stellen gerichtsinterne Vorgänge, wie nicht mitgeteilte Verweisungen, Ab- und Rückgabeverfügungen oder Rücksendungen der Akte mit der Anregung, den Verweisungsbeschluss abzuändern bzw. aufzuheben, keine tauglichen Entscheidungen für das Bestimmungsverfahren nach § 36 I Nr. 6 ZPO dar (BGH, NJW-RR 1995, 641; Musielak/Heinrich, ZPO, 8. Aufl., § 36 Rn. 30; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 36 Rn. 24, jeweils m. w. Nachw.). Als Unzuständigkeitserklärung ausreichend wird jedoch angesehen ein die eigene Zuständigkeit abschließend verneinender Vorlagebeschluss an das für die Zuständigkeitsbestimmung zuständige Gericht (OLG Dresden, NJW 2006, 2128; OLG Brandenburg, NJW-RR 2011, 1213 [1214]). Zwar hat das Amtsgericht C. als Entscheidungsform keinen Beschluss gewählt. Nach Auffassung des Senats erfüllt die Verfügung, durch welche die Vorlage an das OLG Hamm erfolgt ist, gleichwohl die Voraussetzungen einer rechtskräftigen Unzuständigkeitserklärung, weil es insoweit maßgeblich darauf ankommt, dass eine den Parteien bekannt gemachte beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt. Das Amtsgericht C. hat seine Entscheidung den Verfahrensbeteiligten bekannt gegeben. Dieses Vorgehen erfüllt daher die Voraussetzungen für eine rechtskräftige Unzuständigkeitserklärung im Sinne des Gesetzes.
II. Das OLG Hamm ist gemäß § 36 I ZPO als das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht zu der Zuständigkeitsbestimmung berufen.
C. Als zuständiges Gericht ist das Amtsgericht M zu bestimmen.
I. Das Amtsgericht M. ist gemäß § 29 I ZPO als Gericht des Erfüllungsortes örtlich zuständig.
Gemäß § 29 I ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Die Vorschrift verweist auf die Regelung des materiellen Rechts. Danach hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte, sofern nicht ein anderer Ort von den Parteien bestimmt oder aus den Umständen, insbesondere der Natur des Rechtsverhältnisses, zu entnehmen ist (§ 269 I BGB). Bei gegenseitigen Verträgen besteht danach im Allgemeinen kein einheitlicher Leistungsort; dieser muss grundsätzlich für jede Verpflichtung gesondert bestimmt werden.
Die Klageanträge sind bei verständiger Würdigung dahin gehend auszulegen, dass der Kläger nach Rücktritt vom Kaufvertrag die Rückabwicklung des Kaufvertrags begehrt. Nach herrschender Auffassung ist für Rückabwicklungsschuldverhältnisse beim Kauf einheitlicher Erfüllungsort und damit Gerichtsstand der Ort, wo sich die Kaufsache nach dem Vertrag befindet, sofern der Käufer bei beiderseitiger Vertragserfüllung nach Rückgängigmachung des Kaufs auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache klagt (BGH, NJW-RR 2008, 724 Tz. 13; OLG München, Urt. v. 12.10.2005 – 15 U 2190/05, NJW 2006, 449 [450]; MünchKomm-ZPO/Patzina, 3. Aufl., § 29 Rn. 62; Musielak/Heinrich, a. a. O., § 29 Rn. 28; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 29 Rn. 25 [„Kaufvertrag“] m. w. Nachw.). Dies gilt auch dann, wenn der Kaufpreis – wie im Streitfall – aufgrund einer Teilzahlungsvereinbarung noch nicht in voller Höhe geleistet ist.
Der Umstand, dass sich die Couchgarnitur derzeit bereits bei der Beklagten befindet und nur noch die Rückzahlung des Kaufpreises begehrt werden kann, ändert an dem Ergebnis nichts. Denn der Käufer darf durch den Verlust des ihm günstigen Gerichtsstandes nicht schlechter gestellt sein, wenn er die mangelhafte Kaufsache dem Verkäufer bereits zum Zwecke der Nacherfüllung zurückgegeben hat (vgl. Musielak/Heinrich, a. a. O., § 29 Rn. 28; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 29 Rn. 25 [„Kaufvertrag“]).
II. Eine Zuständigkeit des Amtsgerichts C. folgt hiervon abweichend nicht aus § 281 II 4 ZPO, da der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts M. vom 28.12.2011 im Streitfall ausnahmsweise keine Bindungswirkung entfaltet.
1. Die Bindungswirkung gemäß § 281 II 4 ZPO wird zwar nicht schon durch die bloße Unrichtigkeit der Beurteilung der Zuständigkeitsfrage infolge eines einfachen Rechtsirrtums des verweisenden Gerichts infrage gestellt. Unbeachtlich ist ein solcher Beschluss jedoch dann, wenn er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht oder wenn er schwere offensichtliche Rechtsmängel aufweist oder gar jeder Rechtsgrundlage entbehrt und aus diesen Gründen objektiv willkürlich ist (BGH, NJW 2002, 3634; 1993, 1273; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 281 Rn. 17; Fischer, MDR 2005, 1091; Endell, DRiZ 2003, 133; Tombrink, NJW 2003, 2364, jeweils m. w. Nachw.). Dies ist hier der Fall.
2. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts M. setzt sich nicht mit dem Umstand auseinander, dass der Kläger die Klage beim Amtsgericht M. erhoben hat und damit sein Wahlrecht zwischen dem Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) beim Amtsgericht M. und dem allgemeinen Gerichtsstand juristischer Personen (§ 17 ZPO) beim Amtsgerichts C. in Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen ausgeübt hat. Die auf diese Weise gemäß § 35 ZPO einmal getroffene Wahl eines Gerichtsstands ist unwiderruflich und bindend (Senat, Beschl. v. 10.02.2012 – 32 SA 3/12, juris; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 35 Rn. 2).
3. Vor diesem Hintergrund vertritt der Senat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass Verweisungsbeschlüsse, die im Widerspruch zu der verbindlichen und unwiderruflichen Ausübung des Wahlrechts gemäß § 35 ZPO stehen, wegen willkürlicher Rechtsanwendung nicht bindend sind, wenn sie sich – wie im vorliegenden Fall – mit der entscheidenden Frage der Bindung der klagenden Partei an die Zuständigkeitswahl nicht auseinandersetzen (zuletzt Senat, Beschl. v. 10.02.2012 – 32 SA 3/12, juris).
4. Auch der Umstand, dass der Kläger einen Verweisungsantrag gestellt hat und die Beklagte mit der Verweisung einverstanden gewesen ist, schließt Willkür vorliegend nicht aus (vgl. hierzu Zöller/Greger, a. a. O., § 281 Rn. 17), weil das unzweifelhaft zuständige Amtsgericht M. die Parteien, die sich bis dahin zur Frage einer Verweisung noch nicht geäußert hatten, von sich aus auf die angeblich bestehende Möglichkeit einer Verweisung hingewiesen hat. Wenn die Parteien daraufhin die Verweisung beantragen bzw. sich mit ihr einverstanden erklären, liegt die Annahme nicht fern, dass sie durch die rechtlich unzutreffende Information dazu veranlasst worden sind (vgl. BGH, NJW 2002, 3634 [3636]).