1. Der Käu­fer ei­nes Neu­wa­gens muss stö­ren­de Quietsch­ge­räu­sche, die ins­be­son­de­re bei Last­wech­seln, beim Be­schleu­ni­gen und Brem­sen, bei Kur­ven­fahr­ten und dem Über­fah­ren von Un­eben­hei­ten im Fahr­zeu­gin­nen­raum auf­tre­ten, nicht hin­neh­men.
  2. Für die Be­ur­tei­lung, ob die in der Lie­fe­rung ei­nes man­gel­haf­ten Fahr­zeugs lie­gen­de Pflicht­ver­let­zung un­er­heb­lich ist und des­we­gen das Rück­tritts­recht des Käu­fers aus­schließt, ist auf den Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung des Käu­fers ab­zu­stel­len.

OLG Ko­blenz, Be­schluss vom 10.04.2013 – 3 U 1498/12

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en strei­ten um die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kfz-Kauf­ver­trags.

Mit Ver­trag vom 08.04.2009 kauf­te der Klä­ger bei der Be­klag­ten ein Neu­fahr­zeug, das so­wohl mit Ben­zin als auch mit Gas be­trie­ben wer­den kann, zum Preis von 12.000 €. Das Fahr­zeug wur­de ihm am 27.04.2009 ge­lie­fert.

Der Klä­ger, der vor­ge­richt­lich ei­ne Viel­zahl von Män­geln ge­rügt hat, be­merk­te von An­fang an Quietsch­ge­räu­sche des Fahr­zeugs, de­ren Be­sei­ti­gung der Be­klag­ten nicht ge­lang. Nach Durch­füh­rung ei­nes selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­rens trat der Klä­ger des­halb mit Schrei­ben vom 13.12.2010 vom Kauf­ver­trag zu­rück, nach­dem er dies zu­vor der Be­klag­ten an­ge­droht hat­te.

Das Land­ge­richt hat die Be­klag­te ver­ur­teilt, an den Klä­ger, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Pkw, 10.462,72 € nebst Zin­sen zu zah­len. Es hat fer­ner fest­ge­stellt, dass sich die Be­klag­te im An­nah­me­ver­zug be­fin­det, und die­se dar­über hin­aus ver­ur­teilt, an den Klä­ger wei­te­re 430,66 € so­wie wei­te­re 104,10 € nebst Zin­sen zu zah­len.

Da­ge­gen wen­det sich die Be­klag­te mit ih­rer Be­ru­fung. Der Se­nat hat dar­auf hin­ge­wie­sen, dass er be­ab­sich­ti­ge, das Rechts­mit­tel man­gels Er­folgs­aus­sicht größ­ten­teils ge­mäß § 522 II ZPO zu­rück­zu­wei­sen.

Aus den Grün­den: II. … 1. Das Land­ge­richt hat der Kla­ge zu Recht wei­test­ge­hend ent­spro­chen.

Dem Klä­ger steht ge­gen die Be­klag­te ge­mäß §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 I und II, 346 I, 348 BGB ein An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich ge­zo­ge­ner Ge­brauchs­vor­tei­le Zug um Zug ge­gen Rück­ge­währ des ge­kauf­ten Fahr­zeugs zu, weil die Be­sei­ti­gung des Man­gels durch die Be­klag­te zum Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung nach ver­geb­li­chen Be­sei­ti­gungs­ver­su­chen fehl­ge­schla­gen war. Lie­gen min­des­tens zwei fehl­ge­schla­ge­ne Nach­bes­se­rungs­ver­su­che vor, ist der Käu­fer zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag be­rech­tigt (OLG Ko­blenz, Beschl. v. 01.04.2010 – 2 U 1120/09, ZGS 2010, 378 = MDR 2010, 921 = NJW-RR 2010, 1501). Nach den fehl­ge­schla­ge­nen Nach­bes­se­rungs­ver­su­chen war der Klä­ger nicht ver­pflich­tet, wei­te­re Nach­bes­se­rungs­ver­su­che der Be­klag­ten hin­zu­neh­men.

Der Sach­ver­stän­di­ge Dipl.-Ing. A hat auch für den Se­nat in sei­nem Gut­ach­ten vom 02.12.2010 im selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­ren … über­zeu­gend nach­ge­wie­sen, dass im Gas­be­trieb bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw ins­be­son­de­re bei Last­wech­seln, beim Be­schleu­ni­gen und Brem­sen, bei Kur­ven­fahr­ten und dem Über­fah­ren von Un­eben­hei­ten im Fahr­zeu­gin­nen­raum stö­ren­de Quietsch­ge­räu­sche auf­tre­ten. Die­se Ge­räu­sche sind – so der Sach­ver­stän­di­ge – be­reits beim An­fah­ren mit wech­seln­der Fre­quenz hör­bar ge­we­sen. Das Ne­ben­ge­räusch tre­te in stö­ren­der Wei­se ins­be­son­de­re im Stadt­ver­kehr mit den wech­seln­den Fahr­ma­nö­vern auf. Ein sol­ches Ge­räusch sei stö­rend und beim Be­trieb mo­der­ner Fahr­zeu­ge nicht ver­brei­tet und ent­spre­che da­mit all­ge­mein nicht dem Stand der Tech­nik (vgl. zu Ei­gen­schafts­zu­si­che­rung und Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung ei­nes Gas­tanks in ei­nem Kas­ten­wa­gen OLG Ko­blenz, Beschl. v. 28.10.2010 – 2 U 1487/09, BeckRS 2011, 00451). Sol­che quiet­schen­den Ge­räu­sche muss der Käu­fer ei­nes Neu­fahr­zeugs eben­so we­nig hin­neh­men, wie et­wa anor­ma­le Ge­ruchs­be­läs­ti­gun­gen in ei­nem jun­gen Ge­braucht­wa­gen (vgl. hier­zu OLG Saar­brü­cken, Urt. v. 10.10.2012 – 1 U 475/11-141, ju­ris).

Der Se­nat hat kei­nen An­lass, an den von Sach­kun­de ge­tra­ge­nen Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen Dipl.-Ing. A zu zwei­feln. Mit dem Land­ge­richt ist an­zu­neh­men, dass die quiet­schen­de Ge­räu­sche beim Be­trieb des Fahr­zeugs ein stö­ren­des Maß über­schrei­ten, wel­ches als er­heb­li­cher tech­ni­scher Man­gel an­zu­se­hen ist und im Ta­ges­be­trieb des Fahr­zeugs, das als Neu­fahr­zeug und nicht et­wa als al­tes Ge­braucht­fahr­zeug er­wor­ben wur­de, als un­zu­mut­bar ein­zu­stu­fen ist.

Die Be­klag­te wen­det hier­ge­gen mit ih­rer Be­ru­fung ein, Ge­räu­sche sei­en auf­grund der Kon­struk­ti­on der im Chev­ro­let ein­ge­bau­ten Gas­an­la­ge der­zeit nicht ver­meid­bar. So­weit der Sach­ver­stän­di­ge aus­ge­führt ha­be, dass ein un­re­gel­mä­ßi­ges Quiet­schen in mo­der­nen Fahr­zeu­gen nicht an­zu­tref­fen sei, ha­be der Sach­ver­stän­di­ge kei­nen Ver­gleich zu Fahr­zeu­gen mit ein­ge­bau­ter Gas­an­la­ge an­ge­stellt. Sei­ne Schluss­fol­ge­run­gen sei­en nicht ge­eig­net, ei­nen Man­gel des Pkw zu be­wei­sen. Die Be­ru­fung ar­gu­men­tiert, bei dem ein­ge­bau­ten Gas­tank han­de­le es sich um ein so­ge­nann­tes Ver­damp­fungs­sys­tem mit Tank und Mul­tiv­en­til, das dem Stand der Tech­nik ent­spre­che. Die­se Mul­tiv­en­ti­le ver­füg­ten über ei­nen Schwim­mer, ein be­weg­li­ches Teil, mit­tels des­sen über ei­ne me­cha­ni­sche/elek­tro­ni­sche Tank­uhr und ein Sen­sor­ka­bel der Füll­stand an die Ben­zin­uhr am Fah­rer­platz über­mit­telt wer­de. Ein voll­kom­men ge­räusch­lo­ses Ar­bei­ten die­ses Schwim­mers, al­so des be­weg­li­chen Ven­tils im Gas­tank, sei tech­nisch nicht mög­lich. Im Schrift­satz vom 21.02.2011 sei un­ter Be­weis­an­tritt (Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten) die Ar­beits­wei­se des Gas­tanks dar­ge­legt.

Die Aus­füh­run­gen der Be­ru­fung sind nicht ge­eig­net, die Be­wer­tun­gen des Sach­ver­stän­di­gen Dipl.-Ing A ernst­haft in Zwei­fel zu zie­hen. Es geht vor­lie­gend nicht dar­um, dass ein voll­kom­men ge­räusch­lo­ses Ar­bei­ten des Schwim­mers zu ge­währ­leis­ten ist. Die ent­ste­hen­den Ge­räu­sche dür­fen aber nicht un­zu­mut­bar sein. So­weit der Sach­ver­stän­di­ge in sei­nem Gut­ach­ten vom 02.12.2010 aus­ge­führt hat, dass die Art der Ge­räusch­bil­dung sich durch­aus mit der „Schwall­be­we­gung“ der im Tank be­find­li­chen Flüs­sig­keits­men­ge in Ver­bin­dung brin­gen las­se, die bei den Be­we­gun­gen der Fahr­zeug­ka­ros­se­rie, et­wa bei Last­wech­seln oder beim Über­fah­ren von Un­eben­hei­ten, ent­stün­den, spricht dies nicht ge­gen ei­nen Kon­struk­ti­ons­feh­ler des Fahr­zeugs. Die Be­klag­te hat kein ein­zi­ges Bei­spiel an­de­rer Her­stel­ler auf­ge­führt, bei de­nen mit Gas be­trie­be­ne Fahr­zeu­ge in dem hier fest­ge­stell­ten Ma­ße quiet­schen.

So­weit die Be­klag­te ge­gen das Gut­ach­ten des Sach­ver­stän­di­gen Dipl.-Ing. A ein­wen­det, der Sach­ver­stän­di­ge ha­be das Fahr­zeug bei der Pro­be­fahrt be­son­ders prä­pa­riert, weil er die „Hut­ab­la­ge“, die den Kof­fer­raum be­de­cke, ent­fernt ha­be in der Ab­sicht, even­tu­el­le Ge­räu­sche aus dem Kof­fer­raum mög­lichst gut hör­bar zu ma­chen, ver­fängt die­ser An­griff nicht. Der Klä­ger be­strei­tet mit sei­ner Be­ru­fungs­er­wi­de­rung dies­be­züg­lich, dass das Fahr­zeug prä­pa­riert wor­den sei, und wen­det zu Recht ein, dass es ihm frei­ste­he, ei­ne „Hut­ab­la­ge“ mit­zu­füh­ren.

Das Land­ge­richt führt mit Recht aus, dass der Rück­tritt vom Ver­trag nicht ge­mäß § 323 V 2 BGB aus­ge­schlos­sen ist. Da­nach kann der Gläu­bi­ger nicht vom Ver­trag zu­rück­tre­ten, wenn der Schuld­ner die Leis­tung nicht be­wirkt hat, die Pflicht­ver­let­zung aber un­er­heb­lich ist. Die Pflicht­ver­let­zung ist vor­lie­gend je­doch nicht be­reits des­halb un­er­heb­lich, weil mög­li­cher­wei­se der Man­gel mit ei­nem Kos­ten­auf­wand von nur 49 €, mit­hin we­ni­ger als fünf Pro­zent des Fahr­zeug­kauf­prei­ses, re­pa­riert wer­den kann. Der Klä­ger hat mit Nicht­wis­sen be­strit­ten, dass an­geb­lich der Man­gel mit die­sem Kos­ten­auf­wand be­sei­tigt wer­den kann. Ge­gen die­se Be­haup­tung der Be­klag­ten spricht, dass es ihr trotz meh­re­rer Nach­bes­se­rungs­ver­su­che nicht ge­lun­gen ist, den aus ih­rer Sicht ge­ring­fü­gi­gen Man­gel zu be­sei­ti­gen.

Wie das Land­ge­richt rich­tig be­merkt, kommt es für die Be­ur­tei­lung der Fra­ge, ob die in der Lie­fe­rung ei­nes man­gel­haf­ten Fahr­zeugs lie­gen­de Pflicht­ver­let­zung un­er­heb­lich ist und des­we­gen das Rück­tritts­recht des Käu­fers aus­schließt, auf den Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung an (vgl. BGH, Urt. v. 05.11.2008 – VI­II ZR 166/07, NJW 2009, 508 = MDR 2009, 140 = ZIP 2009, 524; Urt. v. 15.06.2011 – VI­II ZR 139/09, NJW 2011, 3708 = MDR 2011, 1159 = ZIP 2011, 2063 = WM 2011, 2148). Zum Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung war die Ur­sa­che der Ge­räu­sche trotz meh­re­rer Nach­bes­se­rungs­ver­su­che der Be­klag­ten noch nicht be­kannt und des­halb nicht ab­seh­bar, ob und mit wel­chem Auf­wand der Man­gel be­sei­tigt wer­den könn­te. Die Er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung kann des­halb nicht ver­neint wer­den. Un­er­heb­lich da­bei ist, dass die Be­klag­te im Ver­lau­fe des Haupt­sa­che­ver­fah­rens un­ter Be­weis­an­tritt vor­ge­tra­gen hat, sie sei da­von über­zeugt, die Ge­räu­sche könn­ten mit ei­nem Auf­wand in Hö­he von 49 € net­to be­sei­tigt wer­den. Je­den­falls ist ihr das mit ih­rer Fach­werk­statt trotz meh­re­rer Nach­bes­se­rungs­ver­su­che zu­vor nicht ge­lun­gen.

Das Land­ge­richt hat aus­ge­hend von Fest­stel­lun­gen des Sach­ver­stän­di­gen Dipl.-Ing. A in sei­nem Er­gän­zungs­gut­ach­ten vom 10.04.2012 … ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung in Hö­he von 1.537,28 € von dem zu er­stat­ten­den Kauf­preis von 12.000 € in Ab­zug ge­bracht … An­grif­fe sei­tens der Be­ru­fung wer­den hier­ge­gen nicht ge­führt.

2. Die Be­ru­fung wen­det sich al­ler­dings zu Recht ge­gen die Ver­ur­tei­lung zur Zah­lung von vier Pro­zent Zin­sen aus 12.000 € für den Zeit­raum vom 01.06.2009 bis zum 24.01.2011. Nach dem ge­wöhn­li­chen Lauf der Din­ge kann nicht mit Wahr­schein­lich­keit er­war­tet wer­den, dass sich ein zur Ver­fü­gung ste­hen­der Geld­be­trag zu­min­dest in Hö­he des ge­setz­li­chen Zins­sat­zes von vier Pro­zent ver­zinst (BGH, Urt. v. 24.04.2012 – XI ZR 360/11, VersR 2012, 1045). Der Se­nat regt des­halb zur Ver­mei­dung von Kos­ten, die mit der Durch­füh­rung der münd­li­chen Ver­hand­lung ent­ste­hen, an, dass der Klä­ger … die Kla­ge teil­wei­se zu­rück­nimmt und die Be­klag­te der Kla­ge­rück­nah­me in­so­weit zu­stimmt.

Das Land­ge­richt hat zu Recht dem Klä­ger als Ver­zugs­scha­den die Er­stat­tung der vor­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten zu­ge­spro­chen. Die­se sind so­wohl durch die Rück­tritts­er­klä­rung nach Be­en­di­gung des selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­rens als auch durch das Ein­schrei­ben mit Rück­schein durch den Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers vom 13.12.2010 ent­stan­den. …

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