Heißt es in ei­nem Pkw-Ver­kaufs­pro­spekt oh­ne je­de Ein­schrän­kung, das Fahr­zeug kön­ne mit­tels ei­nes „Smart-Key-Sys­tems“ schlüs­sel­los ge­öff­net, ver­schlos­sen und ge­star­tet wer­den, muss ein Käu­fer nicht da­mit rech­nen, dass die Funk­ti­on die­ses Sys­tems zum Bei­spiel in der Nä­he von Mo­bil­funk­mas­ten ge­stört sein kann und er in die­sen Fäl­len auf den Not­schlüs­sel zu­rück­grei­fen muss. Es ist näm­lich nicht all­ge­mein be­kannt, dass sich Fahr­zeu­ge un­ter un­güns­ti­gem Ein­fluss von Funk­wel­len nicht mehr elek­tro­nisch öff­nen, schlie­ßen und star­ten las­sen.

OLG Mün­chen, Ur­teil vom 10.04.2013 – 20 U 4749/12

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin be­gehrt die Rück­ab­wick­lung ei­nes Pkw-Kaufs.

Sie er­warb von der Be­klag­ten am 05.03.2011 zum Preis von 15.000 € ei­nen Neu­wa­gen To­yo­ta Ya­ris, der ihr am 10.06.2011 über­ge­ben wur­de. Am 17.08.2011 rüg­te die Klä­ge­rin di­ver­se Män­gel und er­klär­te mit Schrei­ben vom 26.10.2011 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag, nach­dem die Be­klag­te un­ter dem 27.09.2011 ei­ne Nach­bes­se­rung über­wie­gend ab­ge­lehnt hat­te.

Die Klä­ge­rin be­haup­tet un­ter an­de­rem, das Smart-Key-Sys­tem des Fahr­zeugs funk­tio­nie­re nicht; der Pkw las­se sich da­mit zeit­wei­se – ins­be­son­de­re vor dem Fir­men­ge­bäu­de, in dem ihr Le­bens­ge­fähr­te ar­bei­tet – nicht auf­schlie­ßen.

Das Land­ge­richt Lands­hut (Urt. v. 24.10.2012 – 55 O 3191/11) hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen und ge­meint, die ein­ge­schränk­te Funk­ti­on des Smart-Key-Sys­tems stel­le kei­nen Man­gel i. S. von § 434 I BGB dar. Dies­be­züg­lich hat es aus­ge­führt:

1. Nach Durch­füh­rung der Be­weis­auf­nah­me geht das Ge­richt … von fol­gen­dem Sach­ver­halt aus:

Das Smart-Key-Sys­tem funk­tio­niert vor dem Fir­men­ge­bäu­de des Ar­beit­ge­bers des Le­bens­ge­fähr­ten der Klä­ge­rin, des Zeu­gen Z, … in der über­wie­gen­den Zahl der Fäl­le nicht, so­dass der Zeu­ge Z zum Öff­nen des Fahr­zeugs auf den Not­schlüs­sel zu­rück­grei­fen und das Fahr­zeug per Hand auf­sper­ren muss. In die­sen Fäl­len muss der Zeu­ge Z zu­dem noch zur De­ak­ti­vie­rung der Weg­fahr­sper­re den Schlüs­sel 20–30 Se­kun­den vor den Start­knopf hal­ten, be­vor er das Fahr­zeug star­ten kann. An an­de­ren Or­ten funk­tio­niert das Smart-Key-Sys­tem; es ist in der Zeit von der Über­ga­be des Fahr­zeugs am 10.06.2011 bis zum Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung am 10.10.2012 nur ein ein­zi­ger Fall … be­kannt ge­wor­den, in dem das Smart-Key-Sys­tem zu­sätz­lich nicht funk­tio­niert hat.

Die­se Fest­stel­lung trifft das Ge­richt auf­grund der An­ga­ben des Zeu­gen Z, die vom Sach­ver­stän­di­gen durch des­sen ei­ge­ne Über­prü­fung be­stä­tigt wur­den …

2. Die fest­ge­stell­ten Um­stän­de stel­len je­doch kei­nen Man­gel im recht­li­chen Sin­ne dar. In Be­tracht kommt hier le­dig­lich ein Sach­man­gel i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB, nach­dem An­halts­punk­te für ei­ne ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit im Hin­blick auf das Smart-Key-Sys­tem oder ei­ne nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setz­te Ver­wen­dung nicht vor­lie­gen. Ent­schei­dend ist da­her, ob sich die Sa­che für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).

Al­ler­dings hat der Sach­ver­stän­di­ge er­läu­tert, dass das Smart-Key-Sys­tem in der vor­ge­fun­de­nen Form dem Stand der Tech­nik ent­spre­che. Die Funk­ti­ons­stö­rung am Ar­beits­platz des Zeu­gen Z re­sul­tie­re dar­aus, dass das Smart-Key-Sys­tem dort durch Stör­ein­flüs­se von Funk­wel­len oder ähn­li­chem be­ein­träch­tigt wer­de. Der Zeu­ge Z hat hier­zu be­stä­tigt, dass in der Nä­he sei­nes Ar­beit­ge­bers wohl Mo­bil­funk­mas­ten sei­en und auch die Bahn­lei­tung in der Nä­he sei. Nach den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen, de­nen das Ge­richt folgt, liegt die­ses Pro­blem bei fast al­len Her­stel­len in un­ter­schied­li­cher Form vor. Nach der Er­fah­rung des Sach­ver­stän­di­gen ma­chen hier­bei ins­be­son­de­re die Sys­te­me bei Fahr­zeu­gen der sog. 0- oder A-Klas­se, un­ter die das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug fällt, Pro­ble­me, wäh­rend bei Fahr­zeu­gen der Mit­tel- oder der ge­ho­be­nen Klas­se die Pro­ble­me ge­rin­ger sei­en.

Ent­spricht das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug aber … dem Stand der Tech­nik, so liegt kein Man­gel i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB vor, denn in tech­ni­scher Hin­sicht kann der Käu­fer als üb­li­che Be­schaf­fen­heit grund­sätz­lich nicht mehr er­war­ten (BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VI­II ZR 160/08, NJW 2009, 2056; KG, Urt. v. 01.03.2010 – 12 U 126/09, NZV 2011, 33; Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 11. Aufl., Rn. 455) …

Ob hier­bei das er­wor­be­ne Fahr­zeug hin­ter der Er­war­tung der Käu­fe­rin zu­rück­bleibt, ist ir­re­le­vant. Denn Maß­stab ist die ob­jek­tiv be­rech­tig­te Käu­fe­rer­war­tung, die sich an der üb­li­chen Be­schaf­fen­heit gleich­ar­ti­ger Sa­chen ori­en­tiert. Als üb­li­che Be­schaf­fen­heit kann der Käu­fer in tech­ni­scher Hin­sicht aber grund­sätz­lich nicht mehr er­war­ten, als dass die Kauf­sa­che dem je­wei­li­gen Stand der Tech­nik ent­spricht (BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VI­II ZR 160/08, NJW 2009, 2056). Selbst ei­ne ver­bes­se­rungs­wür­di­ge Tech­nik, die aber dem ak­tu­el­len Stand der Tech­nik ent­spricht, ist da­her kein Man­gel im recht­li­chen Sin­ne (OLG Hamm, Urt. v. 09.06.2009 – 28 U 57/08; Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 457) …

Die Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … 1. Die Klä­ge­rin hat ge­gen die Be­klag­te ei­nen An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags aus §§ 434 I 3, 437 Nr. 2, 323 I, II Nr. 1 BGB, weil der ge­kauf­te To­yo­ta Ya­ris hin­sicht­lich des Smart-Key-Sys­tems nicht die Ei­gen­schaft auf­weist, die die Klä­ge­rin auf­grund der Pro­spekt­an­ga­ben er­war­ten konn­te.

Es ist in­zwi­schen un­strei­tig, dass das Smart-Key-Sys­tem Teil der ex­klu­si­ven Se­ri­en­aus­stat­tung … und im Pro­spekt wie folgt be­schrie­ben war: „Smart-Key-Sys­tem: schlüs­sel­lo­ses Öff­nen/Ver­schlie­ßen der Tü­ren und Star­ten des Mo­tors per Start-Stop-Knopf.“ Auf­grund die­ser An­ga­be darf der Käu­fer … er­war­ten, dass sich der Pkw tat­säch­lich und ein­schrän­kungs­los oh­ne Schlüs­sel öff­nen, ver­schlie­ßen und star­ten lässt.

Zwar ge­hö­ren gem. § 434 I 3 BGB Ei­gen­schaf­ten, die der Käu­fer auf­grund der Pro­spekt­an­ga­ben er­war­ten kann, „zu der Be­schaf­fen­heit nach Satz 2 Nr. 2 BGB“. Das be­deu­tet al­ler­dings nicht, dass der Käu­fer, der ei­ne Sa­che kauft, de­ren Ei­gen­schaf­ten in ei­nem Pro­spekt be­schrie­ben sind, im Ge­währ­leis­tungs­schutz ei­nem Käu­fer gleich­ge­stellt ist, der oh­ne ge­son­der­te Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung und Pro­spekt­an­ga­ben nur die üb­li­che Be­schaf­fen­heit er­war­ten darf, die nach der Recht­spre­chung des BGH(Urt. v. 04.03.2009 – VI­II ZR 160/08, NJW 2009, 2056) be­grenzt ist durch das, was Stand der Tech­nik ist. Denn die Er­war­tungs­hal­tung in § 434 I 2 Nr. 2 BGB wird durch das be­stimmt, was der Käu­fer „nach der Art der Sa­che“ er­war­ten kann, wäh­rend sie in § 434 I 3 BGB durch das be­stimmt ist, was der Käu­fer auf­grund be­stimm­ter Pro­spekt­an­ga­ben er­war­ten kann. Ent­hält die je­wei­li­ge Pro­spekt­an­ga­be al­so nicht ei­ne Be­schrän­kung auf die üb­li­che Be­schaf­fen­heit und den Stand der Tech­nik, so wird gem. § 434 I 3 BGB die ge­schul­de­te Be­schaf­fen­heit über die üb­li­che Be­schaf­fen­heit des § 434 I 2 Nr. 2 BGB an­ge­ho­ben. Die Soll-Be­schaf­fen­heit wird dann um Ei­gen­schaf­ten er­wei­tert, die an sich nicht zur üb­li­chen Be­schaf­fen­heit ge­hö­ren; denn ein Käu­fer, der die Pro­spekt­an­ga­ben ernst neh­men darf, darf die dort be­schrie­be­nen Ei­gen­schaf­ten auch er­war­ten (Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 72. Aufl. [2013], § 434 Rn. 31, 32; Be­ckOK-BGB/Faust, § 434 Rn. 55, 76; MünchKomm-BGB/H. P. Wes­ter­mann, 6. Aufl. [2012], § 434 Rn. 27).

Der vor­lie­gen­de Pro­spekt ver­spricht, dass dank des Smart-Key-Sys­tems das Fahr­zeug schlüs­sel­los ge­öff­net, ver­schlos­sen und ge­star­tet wer­den kann. Da er kei­ner­lei Ein­schrän­kun­gen da­hin ge­hend ent­hält, dass bei Stör­ein­flüs­sen von Funk­wel­len (z. B. durch Mo­bil­funk­mas­ten oder Bah­no­ber­lei­tun­gen) das Sys­tem aus­fal­len kann und in die­sen Fäl­len auf den Not­schlüs­sel zu­rück­ge­grif­fen wer­den muss, muss ein Käu­fer mit die­sen Ein­schrän­kun­gen auch nicht rech­nen. Viel­mehr darf er die Be­schrei­bung ernst neh­men. Es mag dem Fach­mann be­kannt sein, dass ins­be­son­de­re bei Fahr­zeu­gen der A- und 0-Klas­se das Smart-Key-Sys­tem stör­an­fäl­lig ist … Ein durch­schnitt­li­cher Käu­fer muss dies je­doch nicht wis­sen, ins­be­son­de­re muss er nicht da­mit rech­nen, dass in sol­chen Si­tua­tio­nen sich das Fahr­zeug nicht ein­mal mehr über die nor­ma­le Funk­fern­be­die­nung ent­rie­geln und ver­rie­geln lässt, son­dern auf ei­nen Not­schlüs­sel zu­rück­ge­grif­fen wer­den muss, wie es hier der Fall ist … Wäh­rend all­ge­mein be­kannt ist, dass bei­spiels­wei­se Mo­bil­funk­te­le­fo­ne in Funk­lö­chern ver­sa­gen kön­nen, ist nicht all­ge­mein be­kannt, dass un­ter un­güns­ti­gem Ein­fluss von Funk­wel­len Fahr­zeu­ge nicht mehr elek­tro­nisch schließ­bar sind.

Nach den für den Se­nat gem. § 529 I Nr. 1 ZPO bin­den­den Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts funk­tio­niert das Smart-Key-Sys­tem des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw vor dem Fir­men­ge­bäu­de in Eching, in dem der Le­bens­ge­fähr­te der Klä­ge­rin tä­tig ist, in der über­wie­gen­den Zahl der Fäl­le nicht, viel­mehr muss auf den Not­schlüs­sel zu­rück­ge­grif­fen wer­den. Der Um­stand, dass nicht die Klä­ge­rin als Käu­fe­rin, son­dern ihr Le­bens­ge­fähr­te das Fahr­zeug nutzt, ist un­be­acht­lich, da ein Käu­fer frei ist, das Fahr­zeug an­de­ren zur Nut­zung zu über­las­sen; die Pro­spekt­an­ga­ben ver­lie­ren da­mit frei­lich ih­re Gel­tung nicht.

An­halts­punk­te da­für, dass die Pro­spekt­an­ga­ben die Kauf­ent­schei­dung der Klä­ge­rin nicht be­ein­flus­sen konn­ten (s. § 434 I 3 BGB), die dies­be­züg­li­che Kau­sa­li­tät al­so aus­ge­schlos­sen ist (Pa­landt/Wei­den­kaff, a. a. O., § 434 Rn. 39), sind we­der er­sicht­lich noch von der in­so­weit dar­le­gungs- und be­weis­pflich­ti­gen Be­klag­ten vor­ge­tra­gen.

Da die Be­klag­te be­reits mit Schrei­ben vom 27.09.2011 (wie auch in der Fol­ge­zeit) auf ei­ne ent­spre­chen­de Män­gel­rü­ge der Klä­ge­rin er­klär­te, dass das Smart-Key-Sys­tem man­gel­frei sei, be­durf­te es ei­ner Frist­set­zung für ei­ne Nach­bes­se­rung nicht (§ 437 Nr. 2 BGB i. V. mit § 323 II Nr. 1 BGB).

Der Rück­tritt der Klä­ge­rin war auch nicht we­gen Un­er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung gem. § 323 V  2 BGB aus­ge­schlos­sen. Zwar tritt das Pro­blem bis­lang fast aus­schließ­lich auf dem Fir­men­ge­län­de in Eching auf, dort al­ler­dings – wie vom Land­ge­richt fest­ge­stellt – in der über­wie­gen­den Zahl der Fäl­le. Die vom Sach­ver­stän­di­gen ge­nann­ten wahr­schein­li­chen Ur­sa­chen (Stör­ein­flüs­se durch Mo­bil­funk­mast, Bah­no­ber­lei­tung) sind auch nicht so au­ßer­ge­wöhn­lich, dass nicht auch mit Aus­fäl­len an an­de­ren Or­ten mit ähn­li­chen Stör­ein­flüs­sen ge­rech­net wer­den muss. Vor al­lem aber ist die Pflicht­ver­let­zung des­halb er­heb­lich, weil im Fal­le des Aus­falls des Smart-Key-Sys­tems nicht ein­mal mehr die nor­ma­le Fern­be­die­nung ver­wen­det wer­den kann, son­dern auf ei­nen ver­hält­nis­mä­ßig klei­nen Not­schlüs­sel zu­rück­ge­grif­fen wer­den muss, und es fer­ner ei­ni­ger Zeit be­darf, bis die Weg­fahr­sper­re de­ak­ti­viert ist.

Der Rück­tritt der Klä­ge­rin vom 26.10.2011 war da­her be­rech­tigt …

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