1. Es ist bei einem Fahrzeug, das aus dem EU-Ausland nach Deutschland importiert wird („EU-Neuwagen“), üblich, dass eine Herstellergarantie schon einige Zeit vor der Übergabe an den inländischen Käufer zu laufen beginnt. Denn „EU-Neufahrzeuge“ werden im Ausland zumindest für einen Tag für den Verkehr zugelassen, und die Herstellergarantie beginnt an diesem Tag.
  2. Ein potenzieller Käufer, der ein „EU-Neufahrzeug“ erwerben möchte, muss sich insoweit sachkundig machen. Der Verkäufer ist jedenfalls nicht verpflichtet, ungefragt darüber aufzuklären, dass die Herstellergarantie bereits mit der Zulassung des Fahrzeugs im Ausland beginnt. Ebenso ist ein EU-Importfahrzeug nicht deshalb mangelhaft, weil dem inländischen Käufer nur eine verkürzte Garantiezeit zur Verfügung steht, denn dies ist bei einem solchen Fahrzeug zu erwarten.

LG Berlin, Urteil vom 05.11.2012 – 28 O 220/12

Sachverhalt: Der Kläger bestellte am 10.01.2012 bei der Beklagten ein „EU-Importfahrzeug“. In dem Bestellformular wurde seitens der Verkäuferin handschriftlich vermerkt: „Das Fahrzeug verfügt über eine Herstellergarantie …“.

Das Fahrzeug musste seitens der Beklagten bestellt und nach Berlin überführt werden, wo es am 24.01.2012 auf den Kläger zugelassen wurde. Der Kläger zahlte den vereinbarten Kaufpreis von 17.250 €.

Ein Serviceheft für das Fahrzeug übergab die Beklagte dem Kläger zunächst nicht. Der Kläger forderte sie deshalb mit Schreiben vom 09.02.2012 sowie mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 24.02.2012 auf, ihm das Serviceheft zu übergeben.

Nachdem die Beklagte dem Kläger das Serviceheft dann am 08.03.2012 übermittelt hatte, erklärte der Kläger mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 14.03.2012 die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung. Er begründete dies damit, dass er über den Umfang der Garantiezeit – die bereits im Juni 2011 begonnen hatte – getäuscht worden sei. In dem Serviceheft sei das Auslieferungsdatum überklebt und auf den 24.01.2012 ausgeschrieben worden, obwohl das Heft ursprünglich ein anderes, früheres Datum enthalten habe.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger die Rückgewähr des geleisteten Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des erworbenen Fahrzeugs. Außerdem heißt es in der Klageschrift: „Mit der Anfechtungserklärung wegen arglistiger Täuschung hat der Kläger seine Rücktrittserklärung abgegeben. Es liegt auch ein Rücktrittsgrund vor, da der Sachmangel am Wagen nicht behebbar ist.“

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Dem Kläger stehen Rückabwicklungsansprüche hinsichtlich des mit Bestellung vom 10.01.2012 geschlossenen Kaufvertrags nicht zu (§§ 433, 123, 812 BGB; §§ 434, 437, 440, 323, 346 ff. BGB).

Der Kläger hat schon das Bestehen eines Anfechtungsgrunds nicht hinreichend dargelegt.

Soweit die Beklagte in der Bestellung schriftlich zugesichert hat, dass das Fahrzeug über eine Garantie … verfüge, trifft dies zu, sodass insoweit keine Täuschung vorliegt. Der Kläger ist inzwischen in den Händen auch des Servicehefts, sodass es letztlich nicht darauf ankommt, ob die Herstellergarantie auch ohne das Vorliegen des Hefts, welches letztlich nur der Dokumentation der Durchführung von Reparatur- und Servicearbeiten bei den Vertragshändlern gewährleisten soll, gegeben gewesen wäre. Im Übrigen trägt der Kläger selbst vor, dass die Herstellergarantie für Deutschland aufgrund des Antrags des Klägers im April 2012 erteilt worden sei.

Dass die erteilte Herstellergarantie hier etwa tatsächlich bereits seit Juni 2011 läuft, mithin schon einige Zeit vor der Übergabe an den Erstkäufer, ist für ein EU-Importfahrzeug üblich, denn EU-Importfahrzeuge „werden im Ausland vor ihrer Auslieferung (an den inländischen Verkäufer) zumindest für einen Tag für den Verkehr zugelassen“, und die „Werksgarantie … beginnt an diesem Tag“ (vgl. BGH, NJW 1999, 3267).

Der Kläger, der ein solches Fahrzeug erwerben wollte, hätte sich insoweit sachkundig machen können und müssen, denn die Beklagte war nicht verpflichtet, ungefragt über diesen Umstand aufzuklären (weitergehend insoweit LG Kiel, Urt. v. 17.02.2012 – 12 O 277/11, BeckRS 2012, 16861, das eine Aufklärungspflicht nicht einmal hinsichtlich des Umstands, dass es sich um ein EU-Importfahrzeug handelt, annimmt).

Die Beklagte wendet auch unbestritten ein, über die Zulassungsdaten bei dem Verkauf keine Kenntnis gehabt zu haben, sodass ihr ein arglistiges Verhalten nicht vorgeworfen werden kann.

Soweit die Beklagte das Datum in dem Serviceheft nachträglich geändert hat, hat ihr Vertreter in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass damit das Datum der inländischen Erstzulassung habe dokumentiert werden sollen. Selbst wenn man hier von einer falschen Angabe im Sinne einer Täuschung ausgehen wollte, konnte diese aber nicht mehr ursächlich für den Kaufentschluss des Klägers sein.

Die Beklagte hat den Kläger auch nicht insoweit getäuscht, als dieser nunmehr davon ausgeht, kein Neufahrzeug erhalten zu haben. Das Fahrzeug hatte nämlich eine Standzeit von weniger als zwölf Monaten, als es dem Kläger übergeben wurde, und der Kläger ist als erster Halter bei einem Kilometerstand von 600 eingetragen worden, weshalb die Beklagte das Fahrzeug ohne Weiteres als Neufahrzeug bezeichnen durfte.

Der Kläger kann auch im Rahmen der Gewährleistungsvorschriften eine Rückabwicklung nicht verlangen.

Soweit wegen der verkürzten Herstellergarantie das Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit anzunehmen wäre, greift hier jedenfalls die Bestimmung in § 323 V 2 BGB.

Das Gericht geht davon aus, dass das Fahrzeug die vereinbarte Beschaffenheit tatsächlich hat, denn es verfügt über die Herstellergarantie … Dass diese im vorliegenden Fall verkürzt sein mag, liegt, wie dargestellt, bei einem EU-Importfahrzeug in der Natur der Sache, sodass die Herstellergarantie in einem Umfang, wie sie bei einem EU-Importfahrzeug zu erwarten ist, tatsächlich vorliegt.

Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, wäre die mit der Verkürzung der fünfjährigen Frist um sieben Monate verbundene Pflichtverletzung unerheblich i. S. von § 323 V 2 BGB, sodass der Rücktritt ausgeschlossen ist.

Die kürzere Garantiezeit führt dazu, dass ein möglicherweise in den letzten Monaten vor Ablauf von fünf Jahren nach Übernahme des Fahrzeugs durch den Kläger eintretender Garantiefall nicht mehr seitens des Herstellers übernommen würde. Die Herstellergarantie umfasst indes nur die Fehlerfreiheit, insbesondere nicht den Verschleiß, sodass der Eintritt des Garantiefalls am Ende der Garantiezeit eher unwahrscheinlich ist, da sich ein Fehler in der Regel früher zeigt.

Soweit insoweit gleichwohl eine Minderung des Kaufpreises in Betracht gekommen wäre, hat sie der Kläger nicht geltend gemacht …

PDF erstellen