In einer Gebrauchtwagengarantie, die der Verkäufer dem Käufer ohne zusätzliches Entgelt gewährt, ist eine vorformulierte Klausel, wonach Garantieansprüche davon abhängen, dass der Käufer die nach den Herstellerangaben erforderlichen Wartungsarbeiten beim Verkäufer oder in einer Vertragswerkstatt des Herstellers durchführen lässt, als negative Anspruchsvoraussetzung einzuordnen. Die Klausel unterliegt deshalb keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle.
LG Freiburg, Urteil vom 10.11.2011 – 3 S 77/11
(nachfolgend: BGH, Beschluss vom 09.10.2012 – VIII ZR 349/11)
Sachverhalt: Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers aus einer Garantievereinbarung.
Am 23.10.2009 kaufte der Kläger bei der B-GmbH einen Pkw Rover LT mit einem Kilometerstand von 116.433. Zugleich schloss er mit der B-GmbH, die keine Rover-Vertragshändlerin ist, eine Garantievereinbarung, deren technische Abwicklung ausweislich des schriftlichen Garantievertrages die Beklagte übernahm. Für die Übernahme dieser Garantie entrichtete der Kläger keine gesonderte, über den Kaufpreis von 5.000 € hinausgehende Vergütung an die Verkäuferin. In den Garantiebedingungen ist unter anderem bestimmt:
„§ 1 Inhalt der Garantie
Der Verkäufer/Garantiegeber gibt dem Käufer/Garantienehmer eine Garantie, die die Funktionsfähigkeit der in § 2 Ziffer 1 genannten Bauteile ab Garantiebeginn für die vereinbarte Dauer umfasst. Ein Garantiefall tritt ein, wenn eines der garantierten Teile innerhalb der vereinbarten Garantielaufzeit unmittelbar und nicht infolge eines Fehlers anderer Teile seine Funktionsfähigkeit verliert und dadurch eine Reparatur erforderlich wird. Sie gilt im Inland, bei vorübergehenden Fahrten, etwa Urlaubs- oder Geschäftsfahrten, auch im europäischen Ausland. Eine vorübergehende Fahrt liegt dann nicht vor, wenn sich das Fahrzeug für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen vorwiegend im Ausland befindet. Die Garantie begründet keine Ansprüche auf Rücktritt vom Kaufvertrag oder Minderung (Herabsetzung des Kaufpreises). Schlägt die Reparatur zweimal fehl, so kann der Käufer/Garantiegeber verlangen, dass eine andere Fachwerkstatt mit der Durchführung der Reparatur beauftragt wird. Eventuelle Ansprüche des Käufers aus der gesetzlichen Gewährleistung werden durch die Garantie nicht ausgeschlossen. Weitere Voraussetzung für Garantieansprüche ist die Beachtung der Vorgaben aus § 4.
Die Z-Garantie AG übernimmt die technische Abwicklung der Garantie …
§ 4 Pflichten des Käufers/Garantienehmers
Voraussetzung für jegliche Garantieansprüche ist, dass der Käufer/Garantienehmer:
1. vor dem Schadenfall
a) die an seinem Fahrzeug vom Hersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs- oder Pflegearbeiten beim Verkäufer/Garantiegeber oder bei einer vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen lässt; …“
Im Mai 2010 fiel an dem vom Kläger gekauften Kraftfahrzeug das Ölpumpenrad wegen einer defekten Schraube ab. Infolgedessen kam es zu einem Motorschaden. Am 28.05.2010 wurde das Fahrzeug zu der Verkäuferin (der B-GmbH) geschleppt; am gleichen Tag zeigte der Kläger gegenüber der Beklagten den Motorschaden an. Am 09.06.2010 ließ der Kläger beim Autohaus A einen Austauschmotor einbauen. Von der Reparaturrechnung in Höhe von 4.623,17 € verlangt der Kläger einen Betrag von 1.500 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten von der Beklagten.
Mit Urteil vom 25.01.2011 hat das AG Ettenheim die Klage mit der Begründung abgewiesen, § 4 Nr. 1a der Garantiebedingungen sei nicht erfüllt. Der Kläger habe die vorgeschriebenen Wartungs- und Pflegearbeiten weder beim Händler noch bei einer von Hersteller (Rover) anerkannten Vertragswerkstatt durchführen lassen. Die Firma D, die am 07.04.2010 eine Inspektion durchgeführt habe, sei keine vom Hersteller anerkannte Vertragswerkstatt. Bei § 4 Nr. 1a der Garantiebedingungen der Beklagten handle es sich um eine negative Anspruchsvoraussetzung, die einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 III BGB nicht unterliege.
Die Berufung des Klägers gegen diese Entscheidung blieb ohne Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Zutreffend hat das Amtsgericht entschieden, dass es sich bei der Klausel des § 4 Nr. 1a der streitgegenständlichen Garantiebedingungen um eine negative Anspruchsvoraussetzung handelt, die der Inhaltskontrolle nicht unterliegt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der folglich wirksamen Klausel hat der Kläger – unstreitig – nicht erfüllt.
1. Bei § 4 Nr. 1a der Garantiebedingungen der Beklagten handelt es sich um eine Abrede, die Art und Umfang der zwischen dem Kläger und der Verkäuferin vereinbarten vertraglichen Garantie-Hauptleistung und den dafür zu zahlenden Preis unmittelbar regelt; sie unterliegt daher gem. § 307 III 1 BGB nicht der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle.
a) Die Freistellung nach der Vorschrift des § 307 III 1 BGB gilt nach ständiger Rechtsprechung des BGH nur für den unmittelbaren Leistungsgegenstand. Dagegen werden Regelungen, die die Leistungspflicht des Verwenders einschränken, von der Freistellung nicht erfasst, so dass Allgemeine Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle unterworfen sind, wenn sie anordnen, dass der Verwender unter bestimmten Voraussetzungen die versprochene Leistung nur modifiziert oder überhaupt nicht zu erbringen hat. Für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung bleibt deshalb nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (vgl. nur BGH, Urt. v. 06.07.2011 – VIII ZR 293/10, juris m. w. Nachw.). Von diesen zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung gehörenden und deshalb nicht der Inhaltskontrolle unterliegenden Abreden sind die kontrollfähigen Nebenabreden zu unterscheiden, also Abreden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann. Anders als die unmittelbaren Leistungsabreden bestimmen sie nicht das Ob und den Umfang der zu erbringenden Leistungen, sondern treten als ergänzende Regelungen, die lediglich die Art und Weise der Leistungserbringung und/oder etwaige Leistungsmodifikationen zum Inhalt haben, „neben“ eine bereits bestehenden Leistungshauptabrede (vgl. BGH, Urt. v. 06.07.2011 – VIII ZR 293/10, juris m. w. Nachw.).
Die Frage, ob eine als negative Anspruchsvoraussetzung formulierte Garantieklausel, die Leistungen aus einer Garantie nicht durch die Aufstellung bestimmter Obliegenheiten einschränkt, sondern nach der gewählten Formulierung von vornherein nur unter der Voraussetzung durchgeführter Wartungsarbeiten verspricht, als eine der Inhaltskontrolle entzogene Leistungsbeschreibung zu qualifizieren ist, hat der BGH dahin gehend beantwortet, dass es entscheidend darauf ankommt, ob die Erfüllung der betreffenden Wartungsverpflichtung bei wirtschaftlicher Betrachtung aus Kundensicht die „Gegenleistung“ für die Garantiegewährung darstellt. Ist die Frage zu bejahen, so findet eine Inhaltskontrolle nicht statt, weil der Kernbereich des wesentlichen Vertragsinhalts betroffen ist. Entrichtet hingegen der Kunde für die Gewährung der Garantie ein gesondertes Entgelt, so stellt dieses die Gegenleistung für das Hauptleistungsversprechen (die Garantie) des Garantiegebers dar mit der Folge, dass eine Inhaltskontrolle der fraglichen Klausel stattzufinden hat (vgl. BGH, Urt. v. 06.07.2011 – VIII ZR 293/10, juris).
b) Nach diesen Grundsätzen ist die streitbefangene Klausel als kontrollfreie negative Anspruchsvoraussetzung einzuordnen.
Zunächst ist sie eindeutig in diesem Sinne formuliert, wenn es heißt, dass es „Voraussetzung für jegliche Garantieansprüche“ sei, dass der Käufer/Garantienehmer vor dem Schadenfall die an seinem Fahrzeug vom Hersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- oder Pflegearbeiten beim Verkäufer/Garantiegeber oder in einer vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen lasse.
Der Kläger hat auch kein gesondertes Entgelt für die Gewährung dieser Garantie entrichtet, welches als Gegenleistung für das Garantieversprechen der Verkäuferin in Frage käme. Es liegt vielmehr eine – durchaus typische – Konstellation vor, in welcher die Verkäuferin die Gewährung einer (begrenzten) Garantie lediglich als absatzfördernde Werbemaßnahme eingesetzt hat. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger vor die Wahl gestellt worden wäre, das Fahrzeug ohne Garantie oder aber – zu einem höheren Preis – mit Garantie zu erwerben, oder dass er durch Modifikation des Kaufpreises Einfluss auf den Umfang der Garantie hätte nehmen können. Dementsprechend bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass ein zahlmäßig bestimmbarer Teil des Kaufpreises auf die Gewährung der Garantie entfallen wäre. Vor diesem Hintergrund kann von einer zahlenmäßig bestimmbaren Entgeltleistung als Gegenleistung für das Garantieversprechen im Sinne der referierten Rechtsprechung des BGH nicht gesprochen werden. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass – wie der Kläger sicherlich zu Recht geltend macht – davon ausgegangen werden muss, dass die Beklagte als Kooperationspartnerin der Verkäuferin durchaus von Letzterer ein Entgelt für die „technische Abwicklung“ der Garantie erhalten hat.
Nach alledem ist dem Kunden, der einen Gebrauchtwagen mit einer Garantie nach der hier vorliegenden Art erwirbt, nach Auffassung der Kammer klar, dass die Durchführung der in § 4 Nr. 1a vorgeschriebenen Wartungs- und Pflegarbeiten einen Teil dessen darstellt, was von ihm verlangt wird, um in den Genuss der Garantie zu kommen (Gegenleistung). Die Klausel zielt nach ihrer Formulierung ersichtlich darauf ab, dass der Kunde diese Arbeiten in erster Linie beim Verkäufer durchführen lässt, was für diesen von unmittelbarem wirtschaftlichen Vorteil ist. Die Kammer ist auch nicht der Auffassung, dass dieser Charakter der Klausel entscheidend infrage gestellt wird durch die ebenfalls vorgesehene Möglichkeit, die betreffenden Arbeiten bei einer vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen zu lassen. Auch dies ist noch im (mittelbaren) wirtschaftlichen Interesse des Verkäufers, wenn dieser selbst eine vom Hersteller anerkannte Vertragswerkstatt betreibt. Ist Letzteres – wie hier – nicht der Fall, so begrenzt dieser Teil der Klausel zumindest die „Ausweichmöglichkeiten“ des Kunden, ohne dessen Rechte gleichzeitig so stark einzuschränken, dass die Sinnhaftigkeit der Garantie für ihn fraglich würde – wie es etwa der Fall wäre, wenn eine strikte, ausschließliche Bindung an den verkaufenden Autohändler stattfände.
2. Nur der Vollständigkeit halber ist danach noch darauf hinzuweisen, dass die Kammer auch beim Eingreifen einer Inhaltskontrolle die betreffende Klausel entsprechend ihrer bisherigen ständigen Rechtsprechung für wirksam erachten würde, weil sie den Kunden nicht unangemessen benachteiligt. Angesichts des legitimen Interesses des Gebrauchtwagenverkäufers an einer gewissen Kundenbindung und der Tatsache, dass die Gewährung der Garantie nicht von der Zahlung einer über den reinen Kaufpreis hinausgehenden Vergütung abhängig ist, widerspricht die Klausel nach Auffassung der Kammer nicht dem Schutzzweck der Vorschriften über die AGB-Kontrolle und den berechtigten Erwartungen des Kunden. Die Kammer nimmt insofern Bezug auf ihren Hinweisbeschluss vom 15.08.2011 und das Urteil des OLG Karlsruhe vom 11.04.2006 – 13 U 111/05, NJW-RR 2006, 1464.
Nachdem die Voraussetzungen der hier diskutierten Klausel im Streitfall unstreitig nicht eingehalten worden sind, weil die für 120.000 Kilometer vorgeschriebene Inspektion nicht bei einer anerkannten Vertragswerkstatt stattgefunden hat, kann der Kläger von der Beklagten eine Zahlung aus der Garantievereinbarung nicht verlangen. Entsprechend hat er auch nicht unter Verzugsgesichtspunkten Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten. Das amtsgerichtliche Urteil erweist sich mithin in jeder Hinsicht als richtig.
III. … Die Kammer lässt die Revision gemäß § 543 I Nr. 1, II ZPO zu, da aus Sicht der Kammer hinsichtlich der Einordnung der hier diskutierten Klausel als negative Anspruchsvoraussetzung noch Raum für weitere revisionsgerichtliche Klärung besteht …
Hinweis: Der Kläger hat seine Revision zurückgenommen, nachdem der BGH ihn darauf hingewiesen hatte, dass besabsichtigt sei, die Revision durch einstimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen (s. BGH, Beschl. v. 09.10.2012 – VIII ZR 349/11).