1. Ein Neuwagen ist auch dann noch „fabrikneu“, wenn er bei der Übergabe an den Käufer eine Laufleistung von wenigen Dutzend Kilometern (hier: 57 km) aufweist, aber noch nicht im öffentlichen Verkehr bewegt wurde.
  2. Ein Neuwagen kann auch dann noch „fabrikneu“ sein, wenn er Mängel aufweist, denn „fabrikneu“ bedeutet nicht mangelfrei.

LG Augsburg, Urteil vom 25.11.2010 – 013 O 3460/10

Sachverhalt: Der Kläger bestellte am 27.08.2009 bei der Beklagten einen neuen Audi A4 Avant 2.0 TFSI (132 kW). Die Beklagte nahm diese Bestellung unter dem 31.08.2009 an. Den Kaufpreis in Höhe von 39.694,98 € zahlte der Kläger, bevor er das Fahrzeug am 21.11.2009 im Herstellerwerk in Ingolstadt abholte. Der Pkw, der ihm dort übergeben wurde, wies eine Laufleistung von 57 km auf.

Der Kläger hat behauptet, dass er noch vor Ort diverse Unregelmäßigkeiten beanstandet habe. So habe der Innenraum des Fahrzeugs Flecken aufgewiesen, die eine Audi-Mitarbeiterin mit einer Sprühflasche und einem Mikrofasertuch beseitigt habe. Außerdem habe sich die Abdeckung des Warndreiecks nicht verschließen lassen; dieser Defekt sei noch im Herstellerwerk behoben worden. Schließlich habe der Pkw einen Mangel an einem Schweller aufgewiesen, und sofort nach dem Verlassen des Werksgeländes seien Schepper- und Klappergeräusche zu hören gewesen, was den Austausch verschiedener Teile notwendig gemacht habe. Er, der Kläger, habe auch nachgefragt, warum das Fahrzeug eine so hohe Laufleistung aufweise. Auf diese Frage habe er aber keine befriedigende Antwort erhalten.

Der Kläger hat gemeint, dass es sich bei dem ihm übergebenen Fahrzeug angesichts der Gesamtumstände nicht um einen Neuwagen gehandelt habe, zumal ihm keine befriedigende Erklärung für die Laufleistung gegeben worden sei. Er habe aber ein fabrikneues Fahrzeug bestellt und deshalb Anspruch auf Ersatzlieferung.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Ersatzlieferung gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2, 434 BGB zu, weil das Fahrzeug zur Überzeugung des Gerichts nicht mangelhaft ist.

Das vom Kläger erworbene Fahrzeug ist auch unter Berücksichtigung der vom Kläger geschilderten Gesamtumstände und der Laufleistung von 57 km bei Auslieferung „fabrikneu“ und weicht damit nicht von der zwischen den Parteien vereinbarten Beschaffenheit ab.

1. Der Kläger beruft sich zum einen darauf, dass das von ihm erworbene Fahrzeug angesichts der Kilometerleistung eine Beschaffenheit aufweise, die der Vereinbarung über ein fabrikneues Auto widerspreche (§ 434 I 1 BGB) und auch gewöhnlich nicht zu erwarten sei (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).

Eine Laufleistung von wenigen Dutzend Kilometern ist aber auch bei fabrikneuen Fahrzeugen nicht völlig ungewöhnlich. Es ist gerichtsbekannt, dass ein Fahrzeug im Werk verschiedenen Tests unterzogen wird, bei denen auch der Motor überprüft wird. Damit stellt sich zwangsläufig eine gewisse Laufleistung bei fabrikneuen Fahrzeugen ein, die aber die Beschaffenheit „fabrikeu“ nicht berührt. Dass es für den Kläger unbefriedigend ist, nicht darüber aufgeklärt zu werden, wie genau es zu dieser Laufleistung gekommen ist, kann das Gericht nachvollziehen. Einen Mangel im Rechtssinne stellt die Laufleistung von 57 km jedoch nicht dar (vgl. in diesem Sinne auch BGH, Urt. v. 18.06.1980 – VIII ZR 185/79, sowie OLG Dresden, Urt. v. 04.10.2006 – 8 U 1462/06).

Letztlich ist es eine bloße Vermutung vonseiten des Klägers, dass das von ihm erworbene Fahrzeug bereits im öffentlichen Verkehr bewegt wurde und damit nicht mehr fabrikneu ist. Eine Laufleistung aber, die deutlich unter 100 km liegt, kann durchaus auch auf dem Fabrikgelände erzielt werden. So wäre es denkbar, dass bei der internen Qualitätskontrolle des Herstellers Probleme entdeckt wurden, die behoben werden mussten, und das Fahrzeug sodann einer weiteren Überprüfung unterzogen werden musste, die zu mehr Kilometern führte. Es ist aber gerade im Sinne des Kunden, dass das Fahrzeug getestet wird und entdeckte Fehler bereits vom Hersteller behoben werden.

2. Auch unter Berücksichtigung der sonstigen vom Kläger vorgetragenen und von der Beklagten bestrittenen Umstände – verschmutzter Innenraum, Befestigung des Warndreiecks u. a. – liegt kein Mangel i. S. des § 434 I 2 BGB vor. Auch fabrikneue Fahrzeuge können Mängel aufweisen, denn „fabrikneu“ bedeutet eben nicht mangelfrei. Insbesondere reichen die vom Kläger vorgetragenen Umstände nicht aus, um zwingend von einer Nutzung des Autos im öffentlichen Raum auszugehen, wodurch der Wagen die Eigenschaft „fabrikneu“ wohl verloren hätte.

3. Aber selbst wenn man von einem Mangel ausginge, wäre eine Ersatzlieferung wohl i. S. des § 439 III 1 BGB für die Beklagte unzumutbar. Insofern ist nämlich zu bedenken, dass das Fahrzeug nunmehr bereits mehrere tausend Kilometer gefahren wurde und sich nur mit einem erheblichen Wertverlust verkaufen ließe. Wenn man von einem Mangel ausginge, so wäre jedenfalls der Minderungsbetrag nicht unerheblich, sodass sich der Austausch des Fahrzeuges letztlich für die Beklagtenseite, die sich gegen die Ersatzlieferung wehrt, als unzumutbar und unverhältnismäßig darstellt (vgl. insoweit nur Palandt/Weidenkaff, BGB, 69. Aufl. [2010], § 439 Rn. 16) …

PDF erstellen