Ein Neuwagen zum Preis von über 50.000 € weist einen Mangel auf, der den Käufer nach erfolglosen Nachbesserungsversuchen zum Rücktritt berechtigt, wenn sich während der Fahrt der elektrisch einstellbare Fahrersitz immer wieder selbstständig verstellt.
LG Coburg, Urteil vom 25.08.2010 – 13 O 637/08
Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises für einem Pkw, nachdem er wegen behaupteter Mängel des Fahrzeugs den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hat.
Die Beklagte betreibt als Vertragshändlerin einen Kraftfahrzeughandel mit Reparaturwerkstatt. Am 09.05.2007 erwarb der Kläger bei ihr ein Neufahrzeug zum Preis von 51.300,07 €. Das Fahrzeug verfügt über eine umfangreiche Sonderausstattung, unter anderem über die Sonderausstattungsmerkmale „Komfortzugang“ und „elektrische Sitzverstellung“. In der Werbebroschüre ist das Sonderausstattungspaket „Komfortzugang“ beschrieben als
„Komfortzugang für das Öffnen und Schließen des Fahrzeugs, ohne die Funkfernbedienung in die Hand nehmen zu müssen. Es genügt, wenn sich der Zündschlüssel z. B. in der Hosen-, Akten- oder Handtasche befindet. Zudem lässt sich der Motor sofort schlüssellos über den Start-/Stop-Knopf starten …“
Das Sonderausstattungsmerkmal „elektrische Sitzverstellung“ ist beschrieben als
„Sitzverstellung, elektrisch, für Fahrer- und Beifahrersitz mit elektrischer Sitzhöhen- und Lehnenverstellung sowie Längs- und Neigungsverstellung, inkl. Memory-Funktion für Fahrersitz und Außenspiegel (inkl. Bordsteinautomatik). Zwei individuelle Positionen für Fahrersitz- und Außenspiegeleinstellungen können gespeichert werden …“
Bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger wurde der Fahrersitz auf die Körpergrößen des Klägers und seiner Ehefrau angepasst. Der Kläger hat eine Körpergröße von 1,84 m, sodass der Sitz für den Kläger ziemlich weit in eine hintere Position fahren muss. Die Körpergröße seiner Ehefrau beträgt hingegen 1,60 m, sodass die automatische Sitzverstellung für sie so programmiert wurde, dass der Sitz bei der Benutzung des Fahrzeugs durch sie automatisch in eine vordere Position nahe am Lenkrad fährt. Der Kläger und seine Ehefrau benutzen jeweils einen separaten Schlüssel für das Fahrzeug, sodass der Fahrersitz beim Öffnen des Fahrzeugs mit dem Funkschlüssel des Klägers bzw. seiner Ehefrau automatisch in die jeweilige Position für ihn bzw. für seine Ehefrau fährt.
Die Sitzposition für Fahrer- und Beifahrersitz kann darüber hinaus auch manuell über ein Tastenfeld eingestellt werden, das sich beim Fahrersitz an der linken Seite unter einer Leiste befindet. Es handelt sich dabei um drei Tasten, von denen zwei mit „1“ für Position 1 bzw. mit „2“ für Position 2 beschriftet sind. Die dritte Taste ist mit „M“ beschriftet und ermöglicht die manuelle Einstellung des Sitzes. Eine Bedienung dieses Tastenfelds ist während der Fahrt nicht möglich. Der bei geschlossener Fahrertür verbleibende Spalt zwischen Tür und Sitz ist zwar schmal, es kann aber eine Hand in den Spalt geschoben werden. Eine Sicherheitseinrichtung verhindert jedoch, dass die Position des Fahrersitzes über das Tastenfeld während der Fahrt verstellt werden kann.
Zwischen Juli 2007 und August 2008 befand sich der Pkw des Klägers mehrfach in der Werkstatt der Beklagten. Der Kläger rügte jeweils, dass sich die elektrische Sitzverstellung selbsttätig in Betrieb gesetzt habe, ohne dass sie vom Fahrer dazu aufgefordert worden sei. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Fälle:
Bereits am 31.07.2007 beanstandete der Kläger, dass der Sitzpositionsspeicher nicht ordnungsgemäß funktioniere. Das Fahrzeug sei zuvor von der Ehefrau des Klägers mit ihrem Schlüssel benutzt worden. Beim Aufsperren der Fahrertür mit dem Schlüssel des Klägers fahre der Sitz zwar auf die für ihn gespeicherte Position 1. Nach dem Öffnen der Tür bewege sich der Sitz aber wieder auf die Position 2. Daraufhin tauschte die Beklagte am 09.08.2007 das Sitzmemory-System aus. Am 16.10.2007 beanstandete der Kläger die gleiche Fehlfunktion der elektrischen Sitzverstellung. Er behauptete, dass sich der Fahrersitz während der Fahrt selbstständig verstellt habe. Bei der Untersuchung des Fahrzugs stellte sich heraus, dass das Sitzmemory-System vollständig ohne Funktion war, sodass das Memory-Modul erneut ausgetauscht und für den Schlüssel des Klägers und den seiner Ehefrau neu programmiert wurde. Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass es zwar möglich sei, beide Schlüssel gleichzeitig im Fahrzeug mitzunehmen, jedoch könne dies zu Irritationen führen, da das System nicht erkenne könne welche Person sich der Fahrertüre nähere. Als der Kläger am 07.01.2008 wegen einer Störung in der Elektronik seines Fahrzeugs die Werkstatt der Beklagten aufsuchte, bemängelt er erneut, dass sich der Fahrersitz während der Fahrt verstellt habe. Die Beklagte überprüfte die Elektronik, baute die Vordersitze aus und wieder ein, ohne einen Funktionsfehler im Memory-System nachvollziehen zu können. Auf Vorschlag der Beklagten wurde am 13.02.2008 ein Messgerät in das Fahrzeug des Klägers installiert, um über einen Knopfdruck bei erneutem Auftreten der Fehlfunktion eine Aufzeichnung der im Fahrzeug vorhandenen elektrischen Bewegungen und Ströme zu veranlassen. Der Kläger meldete daraufhin am 10.03.2008 und 16.04.2008 telefonisch der Beklagten, dass die Fehlfunktion der elektrischen Sitzverstellung erneut aufgetreten sei, und zwar während der Fahrt. Am 30.04.2008 wertete die Beklagte die Messaufzeichnungen aus. Daraufhin meldete der Kläger eine erneute Fehlfunktion der elektrischen Sitzverstellung, nachdem eine beim Ausbau des Messgerätes versehentlich vergessene Sicherung wieder eingesetzt worden war. Vom 04.08.2008 bis 11.08.2008 befand sich das Fahrzeug des Klägers für eine Woche zur Durchsicht bei der Beklagten. Nachdem der Kläger sein Fahrzeug wieder erhalten hatte, meldete er sogleich die nächste Fehlfunktion der elektrischen Sitzverstellung. Noch am 11.08.2008 habe sich der Sitz selbsttätig von Position 2 in die Liegeposition bewegt, als das Fahrzeug seine Ehefrau benutzt habe. Sie habe mit dem Pkw in die Garage fahren wollen. Vor der Garage habe sie den Motor abgestellt, um das Tor zu öffnen. Nach dem erneuten Starten des Fahrzeugs sei der Fahrersitz ohne Veranlassung seiner Ehefrau selbsttätig von Position 2 in die Liegeposition gewechselt. Der Kläger wandte sich daher an die Firma F, deren Mitarbeiter am 26.08.2008 in den Betriebsräumen der Beklagten das Fahrzeug des Klägers untersuchten. Auch nach dieser Untersuchung bemängelte der Kläger, dass das Problem nicht behoben worden sei.
Mit Schreiben vom 29.08.2008 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag über den Pkw und forderte die Beklagte auf, an den Kläger den Kaufpreis in Höhe von 51.300,07 € zurückzubezahlen. Die Beklagte wies das Rücktrittsbegehren des Klägers mit Schreiben vom 05.09.2008 zurück. Der Kläger wies darauf hin, dass die Mängel der elektronischen Sitzverstellung nach wie vor nicht behoben seien. Am 28.09.2008 kam es zu einem erneuten Vorfall, bei dem der Fahrersitz selbsttätig von Position 1 auf Position 2 wechselte, während der Kläger den Pkw im öffentlichen Straßenverkehr führte. Mit Schreiben vom 01.10.2008 forderte der Kläger die Beklagte daher erneut auf, dem Rücktritt und der Rückabwicklung des Kaufvertrags zuzustimmen.
Die Klage hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte nach erklärtem Rücktritt vom Kaufvertrag ein Zahlungsanspruch in Höhe von 43.912,85 € Zug um Zug gegen Rückgabe des … Pkw zu (§§ 346 I, 347 I, 348, 433, 434 I 1 und 2, 437 Nr. 2, 440, 323 I, 439 BGB).
Der Anspruch setzt voraus, dass die Parteien über einen Kaufvertrag gemäß § 433 BGB miteinander verbunden sind, der am 09.05.2007 an den Kläger übergebene Pkw einen Mangel i. S. des § 434 I BGB bei Übergabe aufwies, dessen Beseitigung im Rahmen der Nachbesserung durch die Beklagte fehlgeschlagen und der auch nicht unerheblich ist (§§ 440, 439, 323 V 2 BGB). Weiterhin setzt der Anspruch voraus, dass der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag gegenüber der Beklagten gemäß § 349 BGB erklärt hat. Schließlich sind bei der Rückabwicklung des Kaufvertrags auch die vom Kläger gezogenen Nutzungen von dem vom Kläger zurückgeforderten Kaufpreis in Abzug zu bringen (§ 347 BGB).
1. Unzweifelhaft haben die Vertragsparteien spätestens mit der Übergabe des vom Kläger erworbenen Kraftfahrzeugs am 09.05.2007 einen Kaufvertrag gemäß § 433 BGB abgeschlossen. Gemäß der vom Kläger vorgelegten Rechnung der Beklagten vom 09.05.2007 ist vorliegend davon auszugehen, dass der Kläger das Kraftfahrzeug für seinen Gewerbebetrieb erwarb und er damit der Beklagten als Unternehmer gegenübertrat.
2. Der an den Kläger übergebene Pkw … war auch bei Übergabe an den Kläger mangelhaft i. S. des § 434 I BGB.
Die verkaufte Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 I 2 Nr. 1 BGB). Im Übrigen ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).
Im vorliegenden Fall eignete sich der streitgegenständliche Pkw des Klägers weder für die nach dem Vertrag vorausgesetzte noch für die gewöhnliche Verwendung, weil der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen hat, dass die Sitzverstellung auf der Fahrerseite sich mehrfach während der Fahrt in Gang setzte, indem sie auf die jeweils andere Sitzposition wechselte, ohne dass der Fahrer oder der Beifahrer dies durch die Eingabe eines entsprechenden Befehls über die Fernbedienung oder das Tastenfeld an der linken Seite des Fahrersitzes veranlasst hat. Diese Funktionsstörung widerspricht letztendlich nicht nur der von der Beklagten verwendeten Prospektbeschreibung der Sonderausstattungsmerkmale „Komfortzugang“ und „elektrische Sitzverstellung“ …, sondern führt darüber hinaus zu einem Fahrzeugzustand, in dem sich der Pkw für die gewöhnliche Verwendung im Straßenverkehr nicht mehr eignet. Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass es bei der Benutzung des Pkw im öffentlichen Straßenverkehr für den Fahrer und andere Verkehrsteilnehmer zu nicht mehr beherrschbaren Gefahrenlagen kommen kann, wenn sich die elektrische Sitzverstellung unmotiviert und für den Fahrer nicht vorhersehbar in Gang setzt und dabei der Sitz den Fahrer in eine Sitzposition transportiert, in denen es ihm nicht mehr bzw. nur noch unter allergrößten Anstrengungen möglich ist, das Fahrzeug zu steuern.
Dass sich die elektrische Sitzverstellung im Pkw des Klägers während der Fahrt mehrfach in Gang setzte, ohne dass dies Fahrer oder Beifahrer über eine Befehlseingabe über die Fernbedienung oder dem Tastenfeld an der linken Seite des Fahrersitzes veranlasst hatte, ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus der Aussage der Zeugin E. Sie bekundete glaubhaft, dass es sowohl während der Nutzung des Fahrzeugs durch sie als auch durch ihren Ehemann mehrfach passierte, dass der Fahrersitz während der Fahrt von der beim Entriegeln eingestellten Position des jeweiligen Fahrers auf die jeweils andere Position wechselte, ohne dass dies Fahrer oder Beifahrer über die Fernbedienung oder das Tastenfeld an der linken Seite des Fahrersitzes veranlasst hätte. Die Zeugin E bekundete glaubhaft, ihr Ehemann sei mit dem Oberkörper gegen das Lenkrad gedrückt worden und habe die Pedale im Fußraum nicht mehr bedienen können, als der Fahrersitz plötzlich auf die für ihre Körpergröße abgespeicherte Position 2 gewechselt sei. Soweit sie den Pkw benutzt habe, sei der Sitz von Position 2 auf die für ihren Ehemann eingestellte Position 1 gewechselt. Dabei sei der Sitz so weit zurückgefahren, dass sie mit ihren Füßen die Pedale im Fußraum nicht mehr habe erreichen können. Die Zeugin E war auch glaubwürdig. Sie hat zwar als Ehegattin des Klägers mittelbar auch ein Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits. Gleichwohl ist das Gericht aufgrund der Schlüssigkeit ihrer Angaben davon überzeugt, dass diese auch der Wahrheit entsprechen. Schließlich liegen auch keinerlei Anknüpfungstatsachen dafür vor, dass die vom Kläger und seiner Ehefrau behaupteten Fehlfunktionen der elektrischen Sitzverstellung nur als Vorwand dienen, um letztendlich eine Vertragsreue oder andere rechtlich unbeachtliche Motive, sich vom Kaufvertrag zu lösen, zu verdecken.
Die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin E wird darüber hinaus auch weder durch die Aussagen der Zeugen X und Y erschüttert, noch widersprechen die Angaben der Zeugin den Feststellungen des Sacherständigen S.
Die Zeugen X und Y bestätigten letztendlich übereinstimmend, dass es in ihrer Gegenwart zu einer Fehlfunktion der Sitzverstellung gekommen war. Beide bekundeten, dass der Kläger das Fahrzeug einmal zur Werkstatt der Beklagten gebracht habe. Sein Pkw sei zunächst mit dem von ihm überlassenen Schlüssel verschlossen worden. Beim erneuten Entriegeln der Fahrertür … sei dann der Sitz nach hinten gefahren, obwohl er eigentlich in seiner ursprünglichen Position hätte verharren müssen. Die Fehlerursache sei jedoch mit den der Beklagten zur Verfügung stehenden Diagnosegeräten nicht aufklärbar gewesen. Aus den Angaben des Zeugen X ergeben sich in diesem Zusammenhang keine weiteren Anhaltspunkte dafür, dass sich zu diesem Zeitpunkt auch der Schlüssel der Ehefrau des Klägers in Empfängerreichweite befunden hatte. Weiterhin räumte der Zeuge X auch ein, es sei nicht auszuschließen, dass es zu Fehlfunktionen kommen könne, wenn man sich mit beiden zu dem Fahrzeug gehörenden Schlüsseln in die Empfängerreichweite des Fahrzeugs begebe, insbesondere dann, wenn man auf dem Schlüssel, mit dem das Fahrzeug nicht in Betrieb genommen worden sei, unbeabsichtigt eine Taste drücke. Gleichwohl sei es aber nach den Empfehlungen der Herstellerfirma erlaubt, sich mit beiden Schlüsseln gleichzeitig dem Fahrzeug zu nähern. Es dürfe auch nicht sein, dass durch das unbeabsichtigte Drücken einer Taste auf dem Schlüssel, mit dem das Fahrzeug nicht in Betrieb genommen worden sei, während der Fahrt irgendwelche Funktionen im Fahrzeug ausgelöst werden könnten. Die Angaben der Zeugen X und Y waren durchaus glaubhaft. Auch wenn letztendlich genau die vom Kläger beschriebene Fehlfunktion – unmotiviertes Verändern der Position des Fahrersitzes durch die elektrische Sitzverstellung während der Fahrt – während des Werkstattaufenthalts bei der Beklagten nicht reproduziert werden konnte, ergibt sich doch aus ihren Angaben glaubhaft, dass zumindest eine Fehlfunktion der elektrischen Sitzverstellung offensichtlich vorgelegen hat, deren Ursache die Beklagte nicht aufzuklären vermochte.
Die Angaben der Zeugin E werden letztendlich auch nicht durch die Feststellungen des Sachverständigen S widerlegt. Zwar vermochte auch der Sachverständige die vom Kläger beschriebene Fehlfunktion weder während der Untersuchung des Fahrzeugs zu reproduzieren, noch konnte er deren Ursache angeben. Jedoch hatte er mit dem Pkw des Klägers offensichtlich nur eine Distanz von 20 km Fahrtstrecke während der Untersuchung zurückgelegt. Die Untersuchung dauerte auch nur wenige Stunden. Der Sachverständige musste daher letztendlich einräumen, auch nicht ausschließen zu können, dass die elektrische Sitzverstellung im Pkw des Klägers die von ihm beschriebenen Fehlfunktionen aufweisen könne.
Schließlich hat die Beklagte zur Überzeugung des Gerichts auch nicht nachweisen können, dass die vom Kläger beschriebene Fehlfunktion der elektrischen Sitzverstellung letztendlich eine Folge einer vom Kläger bzw. seiner Ehefrau veranlassten Fehlbedienung ist. Soweit die Beklagte dazu auf eine Messaufzeichnung Bezug nimmt, die belegt, dass der Fahrertür in kurzen Abständen erst mit dem Schlüssel des Klägers entriegelt und das Fahrzeug gestartet und anschließend mit dem Schlüssel seiner Ehefrau erneut entriegelt worden sei, vermag darin das Gericht eine dem Kläger bzw. seiner Ehefrau zuzurechnende Fehlbedienung nicht zu erkennen. Wenn die streitgegenständlichen Fehlfunktionen der elektrischen Sitzverstellung – was durchaus naheliegt – ihre Ursache darin haben sollten, dass sich beide Schlüssel im Empfangsbereich des Fahrzeugs befanden und nach dem Starten des Fahrzeugs über den anderen, zum Starten des Fahrzeugs nicht verwendeten Schlüssel – möglicherweise unbeabsichtigt – Entriegelungsbefehle an die im Fahrzeug vorhandenen Empfänger gesendet worden sein sollten, sodass dadurch die elektrische Sitzverstellung in Gang gesetzt wurde, wäre dies gleichwohl ein eklatanter Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 1 BGB. Nach den Empfehlungen der Herstellerfirma soll es nämlich auf den Betrieb des Fahrzeugs keinen Einfluss haben, wenn man sich mit beiden Fahrzeugschlüsseln in die Empfangsreichweite des Pkw begibt. Die von der Zeugin E glaubhaft geschilderten Fehlfunktionen der elektrischen Sitzverstellung legen dann zumindest den Schluss nahe, dass es der Herstellerfirma bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug offensichtlich nicht gelungen ist, die Steuerung und Regelung der elektrischen Sitzverstellung so zu programmieren und die notwendigen Einrichtungen im Fahrzeug dafür zu schaffen, dass – wenn sich beide Fahrzeugschlüssel in Empfängerreichweite des Pkw befinden – demjenigen Schlüssel eine Dominanz zugewiesen wird, mit dem das Fahrzeug in Betrieb genommen worden ist.
Weiterhin ist eine Fernbedienung der elektrischen Sitzverstellung zur Überzeugung des Gerichts auch dadurch ausgeschlossen, dass während der Fahrt im Spalt zwischen Türverkleidung und Tastenfeld Gegenstände eingeklemmt waren, so dass bei Lastreaktionen des Fahrzeugs (Abbremsen, Beschleunigen, Zentrifugalkräfte bei Kurvenfahrt) unbeabsichtigt die Tasten für die manuelle Sitzverstellung gedrückt und dadurch die elektrische Sitzverstellung ausgelöst worden wären. Insoweit führte der Sachverständige S aus, dass an den Tasten der manuellen Sitzverstellung keinerlei Druck- oder Kratzspuren erkennbar seien. Derartige Spuren seien aber zu erwarten, wenn die elektrische Sitzverstellung durch einen eingeklemmten Gegenstand in Gang gesetzt worden sein sollte.
Der Mangel an der elektrischen Sitzverstellung lag auch bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des Pkw an den Kläger am 09.05.2007 vor. Der Mangel braucht zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgetreten zu sein. Entscheidend ist vielmehr, dass die Ursache des Mangels zu diesem Zeitpunkt bereits bestand … Im vorliegenden Fall kommt wird zwar nicht nach § 476 BGB vermutet, dass der Pkw des Klägers bereits zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger am 09.05.2007 mit dem Mangel an der elektrischen Sitzverstellung behaftet war. Insoweit fehlt es vorliegend an den Voraussetzungen eines Verbrauchsgüterkaufs, da der Kläger das Fahrzeug zu gewerblichen Zwecken erwarb, wie sich bereits aus der vom Kläger vorgelegten Rechnung vom 09.05.2007 ergibt. Der Mangel wurde vom Kläger erstmals im Juli 2007 gerügt. Die Beklagte hat auch zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass der Mangel an der elektrischen Sitzverstellung zum Zeitpunkt der Übergabe nicht vorgelegen hat. Vielmehr hat sie mit der Vornahme zahlreicher – wenn auch im Ergebnis erfolgloser – Nachbesserungsversuche konkludent zu erkennen gegeben, dass auch sie von der Mangelhaftigkeit zum Zeitpunkt der Übergabe des dem Kläger am 09.05.2007 überlassenen Kraftfahrzeugs ausgegangen ist.
Im Ergebnis hat damit der Kläger zur Überzeugung des Gerichts einen Mangel i. S. des § 434 I 2 Nrn. 1 und 2 BGB an der elektrischen Sitzverstellung zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger nachgewiesen.
3. Die Beseitigung des Mangels ist auch nach § 440 Satz 2 BGB fehlgeschlagen, so dass die Beklagte zur Nacherfüllung nicht mehr berechtigt ist und es daher auch keiner weiteren Fristsetzung für eine Nacherfüllung nach § 439 BGB zur Ausübung des Rücktrittsrechts nach § 323 I BGB mehr bedarf.
Die Ausübung des Rücktrittsrechts setzt nach § 323 I BGB voraus, dass dem Schuldner der nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt werden muss. Hiervon kann über die in § 323 II BGB genannten Fälle hinaus nach § 440 Satz 1 BGB abgesehen werden, wenn die dem Schuldner nach § 439 BGB einzuräumende Nacherfüllung fehlgeschlagen ist. Von einem Fehlschlagen der Nacherfüllung ist nach § 440 Satz 2 BGB insbesondere dann auszugehen, wenn auch nach dem zweiten Versuch der Mangel nicht beseitigt worden ist. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte in weit mehr als zwei Versuchen sich erfolglos bemüht, den vom Kläger geschilderten Mangel der elektrischen Sitzverstellung zu beheben. Es ist daher zwanglos von einem Fehlschlagen der von der Beklagten betriebenen Nacherfüllung auszugehen.
4. Bei dem vom Kläger eingewandten Mangel an der elektrischen Sitzverstellung handelt es sich auch nicht um eine unerheblichen Mangel i. S. des § 323 V 2 BGB, sodass mit der Erklärung des Rücktritts durch den Kläger mit Schreiben vom 29.08.2008 gemäß § 349 BGB die Rücktrittsvoraussetzungen erfüllt sind.
Ob der vom Kläger geltend gemachte Mangel an der elektrischen Sitzverstellung eine unerhebliche Pflichtverletzung i. S. des § 323 V 2 BGB ist, hängt davon ab, wie bei einem nicht behebbaren Mangel die von ihm ausgehende funktionelle Beeinträchtigung zu bewerten ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 323 Rn. 32 m. w. Nachw.).
Unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen S getroffenen Feststellungen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit des Pkw des Klägers anzunehmen, wenn davon auszugehen ist, dass die vom Kläger bemängelte Fehlfunktion der elektrischen Sitzverstellung auch unvermittelt während der Fahrt auftritt. Insoweit ergibt sich zwanglos, dass die Gebrauchsbeeinträchtigung durch die Fehlfunktion der elektrischen Sitzverstellung sich in hohem Maße auf die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs auswirkt, da dann ein sicheres Steuern des Pkw im öffentlichen Straßenverkehr nicht mehr gewährleistet ist.
Mithin hat der Kläger mit der Erklärung des Rücktritts mit Schreiben vom 29.08.2008 sämtliche Rücktrittsvoraussetzungen erfüllt, sodass nach § 348 BGB die Rückabwicklung des Kaufvertrags Zug um Zug zu erfolgen hat.
5. Die Beklagte ist vorliegend nach §§ 346 I, 348 BGB zur Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 51.300,07 € an den Kläger und der Kläger nach §§ 346 I, 347 I, 348 BGB zur Rückgabe des Pkw … und der Herausgabe der bis zur Rückgabe gezogenen Nutzungen aus dem Gebrauch des Fahrzeugs verpflichtet. Soweit dem Kläger die Herausgabe der gezogenen Nutzungen nicht mehr möglich ist, hat er nach § 347 I BGB Wertersatz zu leisten. Der Wert der vom Kläger gezogenen Nutzungen beläuft sich vorliegend auf 7.387,22 €.
Der Wert der vom Kläger gezogenen Nutzungen ist vorliegenden anhand der zeitanteiligen linearen Wertminderung zu berücksichtigen (vgl. Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 346 Rn. 10 m. w. Nachw.). Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der vom Kläger angeschaffte Neuwagen … eine Gesamtkilometerlaufleistung von 250.000 km besitzt. Die tatsächliche Laufleistung dieses Fahrzeugs zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung schätzt das Gericht auf 40.000 km … Beim Kaufpreis ist jedoch im Rahmen der Berechung der Nutzungsentschädigung ein Abzug von 10 % vorzunehmen, da der Kläger in der Nutzung des Fahrzeugs durch den Mangel beeinträchtigt worden ist … Mithin ist im Rahmen der zeitanteiligen linearen Wertminderung nicht der vom Kläger gezahlte Kaufpreis in Höhe von 51.300,07 € sondern der um 10 % geminderte Kaufpreis in Höhe von 46.170,07 € in Ansatz zu bringen. Multipliziert mit dem Verhältnis aus tatsächlicher Laufleistung und Gesamtlaufleistung ergibt dies eine Nutzungsvergütung in Höhe von 7.387,22 €.
6. Im Ergebnis kann daher der Kläger von der Beklagten noch die Rückzahlung eines Kaufpreises in Höhe von 43.912,85 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw … beanspruchen …