1. Ein Steuergerät, das zwar den Zustand des Fahrzeugs überprüft, festgestellte Mängel (hier: einen zu niedrigen Ölstand) aber nicht dem Fahrzeugführer mitteilt, hat einen Fehler i. S. des § 3 I ProdHaftG. Der Hersteller des Steuergeräts haftet deshalb grundsätzlich für einen Schaden (hier: Motorschaden), der am Fahrzeug selbst entsteht und auf den Defekt des Steuergeräts zurückzuführen ist.
  2. Bei einem Pkw der gehobenen Klasse (hier: einem BMW der 5er-Reihe) ist regelmäßig von einer Motorlaufleistung von ca. 300.000 km auszugehen.

LG Chemnitz, Urteil vom 14.12.2009 – 2 O 1913/08

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen eines defekten Fahrzeugmotors.

Am 30.03.2004 erwarb der Kläger bei der Firma A einen BMW 525 TDS zum Preis von 13.950 €. Der Gebrauchtwagen hatte zu diesem Zeitpunkt ausweislich des Kaufvertrags einen Kilometerstand von 97.523 km.

Vom 10.05.2007 bis zum 14.05.2007 war das Fahrzeug wegen eines Defekts am ABS-System zur Reparatur in einer Niederlassung der Beklagten. Der Kilometerstand zu diesem Zeitpunkt betrug 174.950 km. Am 18.05.2007 und am 25.05.2007 fielen an dem Fahrzeug Motorgeräusche auf, und es wurde Öl nachgefüllt. Am 28.05.2007 brachte der Kläger sein Fahrzeug, wiederum wegen Motorgeräuschen, in eine Niederlassung der Beklagten und ließ es dort am 13.06.2007 unrepariert wieder abholen. Das Fahrzeug wurde in der Folgezeit bei der D-GmbH durch Einbau eines Austauschmotors repariert.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten den Ersatz der Reparaturkosten von 6.625,80 €. Er trägt vor, sein Fahrzeug sei – was zum Motorschaden geführt habe – über einen längeren Zeitraum mit zu niedrigem Ölstand gefahren worden, ohne dass er dies habe bemerken können. Die gelbe Ölstandskontrollleuchte und die Öldruckanzeige hätten den zu niedrigen Ölstand nicht registriert, und auch die Serviceintervallanzeige habe suggeriert, es seien keine Probleme vorhanden. Die Steuergeräteprogrammierung des Fahrzeugs habe auch nicht auf eine nicht ordnungsgemäße Funktion der Kontrollleuchten hingewiesen.

Die Klage hatte teilweise Erfolg.

Aus den Gründen: I. Die Beklagte haftet dem Kläger nach den Grundsätzen des Produkthaftungsgesetzes.

1. Zwischen den Parteien bestanden keine vertraglichen Beziehungen, da der Kläger das streitgegenständlich Fahrzeug nicht bei der Beklagten erworben hat. Die Beklagte hat jedoch ein schadhaftes Produkt in das streitgegenständliche Fahrzeug eingebaut und dieses damit in den Verkehr gebracht …

2. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, nämlich dem eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. S, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Steuergerät an dem streitgegenständlichen Fahrzeug dergestalt fehlerhaft ist, dass es zwar Zustände und Ausfälle überprüft, festgestellte Mängel, wie vorliegend einen zu niedrigen Ölstand, jedoch nicht dem Fahrzeugführer mitteilt. Der Gutachter hat definitiv festgestellt, dass keine Fehlfunktion der visuellen Warneinrichtung vorliegt, sondern das Steuergerät an sich defekt ist.

Zwar hat der Sachverständige … ausgeführt, für Fahrzeuge dieser Baujahre (2000) könne als „Stand der Technik“ nur eine eingeschränkte Selbstüberwachung der Steuergeräte attestiert werden; dies bedeutet aus Sicht des Gerichts jedoch keine Entlastung der Beklagten.

Gemäß § 3 I ProdHaftG hat ein Produkt einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung, des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, sowie des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden kann (BGH, Urt. v. 16.06.2009 – VI ZR 107/08). Von einem Sicherheitssystem wie dem vorliegenden durfte auch bereits im Jahre 2000 erwartet werden, dass der Ausfall von Kontrollleuchten und Systemen erkannt und mitgeteilt wird. Dies insbesondere deshalb, weil sich in der Fahrzeugbedienungsanleitung keinerlei Hinweis auf eine Einschränkung dieser Selbstüberwachung in irgendeiner Form befindet.

Vorliegend handelt es sich um einen Konstruktionsfehler, da das Produkt schon seiner Konzeption nach unter dem gebotenen Sicherheitsstandard bleibt. Es erfüllte nämlich genau die Aufgabe nicht, für welche es erfunden und konstruiert wurde.

3. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es auch nicht erforderlich, dass die in diesem Zeitraum hergestellten Diagnosegeräte, welche die Beklagte verwendet hat, generell fehlerhaft waren. Denn auch Fehler an einem Einzelstück, sogenannte „Ausreißer“, exkulpieren den Hersteller nicht (vgl. Palandt, BGB, 68. Aufl., vor § 1 ProdHaftG Rn. 5).

4. Die Beklagte ist insoweit Hersteller i. S. von § 4 II ProdHaftG, da sie das fehlerhafte Steuerungsgerät zum Zwecke des Verkaufs im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit als Teil einer anderen Sache (Fahrzeug) in den Verkehr gebracht hat.

5. Durch das fehlerhafte Produkt „Steuerungssystem“ wurde eine andere Sache des Klägers beschädigt, nämlich der Motor seines Fahrzeugs. Es handelt sich, wie der Kläger zutreffend ausführt, um einen sogenannten „weiterfressenden Schaden“. Damit besteht die grundsätzliche Haftung der Beklagten gem. § 1 ProdHaftG.

II. Der Kläger beziffert seinen Schaden auf 6.625,80 €. Er beruft sich insoweit auf eine Rechnung … vom 06.07.2007. Diese Rechnung weist allerdings lediglich einen Betrag in Höhe von 6.152,14 € brutto aus. Nach den Vermerken auf dem Rechnungsformular wurde auch lediglich ein derartiger Betrag vom Kläger bezahlt. Der Kläger hat damit lediglich einen Schaden in Höhe von 6.152,14 € nachgewiesen. Darüber hinaus sind von diesem Betrag Abzüge vorzunehmen wie folgt:

1. Der defekte Motor hatte zum Zeitpunkt des Austauschs eine Laufleistung von ca. 175.000 km. Bei einem Fahrzeug der gehobenen Pkw-Klasse, wie vorliegend einem BMW der 5er-Reihe, ist regelmäßig von einer Motorlaufleistung von ca. 300.000 km auszugehen. Durch Einbau eines neuen Motors hat der Kläger damit einen Vorteil erlangt, denn der alte Motor hatte bereits ca. 58 % seiner Laufleistung hinter sich. Der Kläger muss sich daher als Abzug „neu für alt“ 58 % der Kosten des Motors anrechnen lassen. Ausweislich der Rechnung … kostete der Austauschmotor 4.500 €. 58 % hiervon sind 2.610 €. Dieser Betrag ist in Abzug zu bringen. Bei den sonstigen Reparaturleistungen hat der Kläger hingegen keinen Vorteil erlangt.

2. Darüber hinaus ist gemäß § 11 ProdHaftG eine Selbstbeteiligung in Höhe von 500 € bei Sachbeschädigungen zu tragen. Auch dieser Betrag war daher abzuziehen.Es verbleibt eine Summe von 3.042,14 € …

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