- Ein als „fahrbereit“ verkaufter Gebrauchtwagen ist auch dann mangelhaft, wenn er sich zwar starten lässt und aus eigener Kraft fortbewegt, aber schon auf der ersten Fahrt nach lediglich 20–25 gefahrenen Kilometern liegen bleibt und abgeschleppt werden muss.
- Ein Gebrauchtwagen, der tatsächlich nicht die vertraglich vereinbarte Laufleistung von rund 105.000 km, sondern eine Laufleistung von mehr als 230.000 km hat, weist einen nicht unerheblichen Sachmangel auf.
- Ein pauschaler Gewährleistungsausschluss gilt auch gegenüber einem Käufer, der selbst mit Kraftfahrzeugen handelt, nicht, soweit einem Gebrauchtwagen eine vereinbarte Beschaffenheit fehlt und er deshalb mangelhaft ist (§ 434 I 1). Der Haftungsausschluss gilt vielmehr nur für Mängel i. S. des § 434 I 2 BGB.
LG Bonn, Urteil vom 14.12.2009 – 10 O 421/08
Sachverhalt: Der Kläger, ein in V. ansässiger Kfz-Händler, nimmt den Beklagten, der ebenfalls Kfz-Händler ist, auf Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags sowie Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger nahm an einer Auktion der C-GmbH in O. teil. In den Informationen der C-GmbH zum Ablauf der Auktion hieß es unter anderem, dass zu den Auktionen der C-GmbH nur Kfz-Händler zugelassen seien. Weiter hieß es:
„Nutzen Sie bitte die Ihnen zur Verfügung stehende Besichtigungszeit und schauen sich die zur Versteigerung stehenden Fahrzeuge genau an. … Die Fahrzeuge werden unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung gekauft ‚wie gesehen‘. …
I. Besonderer Hinweis
Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass auch bei einem schriftlichen Gebot … das Fahrzeug wie gesehen unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung gekauft wird. …“
In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der C-GmbH war unter „B. Einlieferungsbedingungen“ ausgeführt:
I. Daten, Angaben und Inhalt
Der Einlieferer stellt C zu dem zu vermarktenden Fahrzeug folgende Daten und Angaben zur Verfügung: … Ausstattung, Zustandsbeschreibung, Mindestpreis ….
II. Daten und Angaben, Richtigkeit und Vollständigkeit
Diese Daten und Angaben haben das Fahrzeug zutreffend und vollständig zu beschreiben. Hierbei muss der Einlieferer alle für die Kaufentscheidung im Verkehr als wesentlich angesehenen Eigenschaften und Merkmale sowie Mängel wahrheitsgemäß angeben. Insbesondere hat der Einlieferer … zu garantieren, dass das Fahrzeug fahrbereit und verkehrssicher ist. …“
Unter „D. Sachmängelhaftung“ hieß es sodann unter anderem:
„III. Gewährleistung
C ist nicht Eigentümer der Fahrzeuge … und übernimmt keine Gewähr für eine bestimmte Beschaffenheit oder Eigenschaft des Fahrzeugs. … Ebenso übernimmt C keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben des Einlieferers. Dies gilt insbesondere für Angaben über eine bestimmte Beschaffenheit oder Eigenschaft des Fahrzeugs … und deren Ausstattung. Für diese Angaben haftet ausschließlich der Einlieferer. …
Der Kläger interessierte sich für einen Pkw, den der Beklagte über die C-GmbH anbot. Laut Auktionskatalog ist der Pkw ein Reimport, der erstmals am 10.07.2000 zugelassen wurde und zum Zeitpunkt der Versteigerung eine Laufleistung von 104.413 km aufwies.
Da Probefahrten bei den Auktionen der C-GmbH nicht vorgesehen sind, nahm der Kläger den Pkw nur in Augenschein und startete den Motor. Er ersteigerte das Fahrzeug sodann für 7.600 € zuzüglich einer Käufergebühr in Höhe von 220,15 €.
Auf der Fahrt von O. zurück nach V. fing nach einer Fahrstrecke von 20–25 km der Motor des ersteigerten Pkw an zu stottern. Nachdem der Kläger festgestellt hatte, dass Öl aus dem Motor auslief, ließ er das Fahrzeug abschleppen und anschließend von der Firma T untersuchen. Diese vermerkte in ihrer Rechnung vom 11.07.2008, dass das Fahrzeug des Klägers vermutlich aufgrund eines Motorschadens liegen geblieben sei.
Für das Abschleppen und die Untersuchung des Fahrzeugs hatte der Kläger insgesamt 280,25 € zu zahlen.
Am 11.07.2008 schrieb der Kläger eine E-Mail an die C-GmbH, in der er von dem Vorfall berichtete. Die C-GmbH übermittelte dem Kläger unter dem 14.07.2008 das Antwortschreiben des Beklagten, in dem es unter anderem wörtlich heißt: „Deshalb wir lehnen den Reklamation ab.“
Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.07.2008 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten erstmals den Rücktritt vom Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung und verlangte unter Fristsetzung die Rückzahlung des Kaufpreises und den Ersatz der ihm entstandenen Kosten. In der Folgezeit stellte sich durch eine Anfrage des Klägers bei der Firma F heraus, dass der Pkw bereits am 23.10.2007 mit einer Laufleistung von 230.300 km registriert und bereits am 29.10.1999 zugelassen worden war. Der Kläger erklärte deshalb mit Anwaltsschreiben vom 11.08.2008 nochmals den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten – erfolglos – erneut zur Rückzahlung des Kaufpreises auf.
Der Kläger behauptet, der Pkw sei – wie die Firma T bestätigt habe – aufgrund eines Motorschadens, der bereits bei Übergabe des Fahrzeugs an ihn vorgelegen habe, liegen geblieben. Weiter behauptet der Kläger, der Beklagte habe das Fahrzeug bereits mit dem Motorschaden gekauft. Die damalige Verkäuferin, die auf US-Importe spezialisierte N-GmbH, habe Kenntnis von der Laufleistung, dem Baujahr und dem Motorschaden gehabt und den Beklagten darüber auch aufgeklärt.
Der Kläger meint, der Beklagte habe ihn arglistig getäuscht, und behauptet, er habe den Pkw bereits am 06.07.2008 zum Preis von 8.100 € weiterverkauft.
Die auf Zahlung von insgesamt 8.630,40 € nebst Zinsen und Kosten gerichtete Klage hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: Dem Kläger steht gegen den Beklagten insgesamt ein Anspruch auf Zahlung von 8.130,40 € nebst Zinsen zu.
Er kann vom Beklagten nach §§ 346 I, 348 BGB i. V. mit §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 323 BGB die Rückzahlung des Kaufpreises von 7.600 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs beanspruchen. …
Zwischen den Parteien wurde über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auktionshauses eine Garantie i. S. des § 443 BGB für die Fahrbereitschaft und Verkehrssicherheit des streitgegenständlichen Pkw übernommen. Die Fahrbereitschaft lag … bei Übergabe des Pkw nicht vor. Denn die Fahrbereitschaft setzt voraus, dass sich das Fahrzeug in einem Zustand befindet, der eine gefahrlose Benutzung im Straßenverkehr erlaubt (BGH, Urt. v. 21.04.1993 – VIII ZR 113/92, BGHZ 122, 256, 261). Das Fahrzeug muss im Hinblick auf seine wesentlichen technischen Funktionen so beschaffen sein, dass es überhaupt betrieben werden kann. Daran kann es fehlen, wenn ein Pkw schon im Zeitpunkt der Übergabe wegen gravierender technischer Mängel nicht imstande ist, eine auch nur minimale Fahrstrecke zurückzulegen (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2006 – VIII ZR 72/06, NJW 2007, 759 ff.; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18.05.1995 – 26 U 75/94, OLGR 1995, 265).
Zwar hat der BGH in der zitierten Entscheidung nicht abschließend zur Frage Stellung genommen, bis zu welcher Grenze ein Fahrzeug, das schon nach kürzester Strecke liegen bleibt, als bereits im Zeitpunkt der Übergabe betriebsunfähig – und somit nicht fahrbereit – anzusehen ist. Angesichts der Tatsache, dass der streitgegenständliche Pkw bereits auf der ersten Fahrt des Klägers nach lediglich 20–25 gefahrenen Kilometern liegen blieb, kann von einer Fahrbereitschaft des Pkw im Zeitpunkt der Übergabe allerdings nicht ausgegangen werden. Dabei kann dahinstehen, ob das Fahrzeug wegen eines Motorschadens oder eines sonstigen Defekts liegen blieb. Denn jedenfalls war der Defekt derart gravierend, dass der Kläger seine Fahrt mit dem Pkw nicht fortsetzen konnte und ihn abschleppen lassen musste.
Gemäß § 444 Fall 2 BGB hat die Übernahme der Garantie für die Fahrbereitschaft des Pkw seitens des Beklagten zur Folge, dass er sich insoweit nicht auf den Ausschluss der Sachmängelhaftung berufen kann. Einer Nachfristsetzung bedurfte es gemäß § 323 II Nr. 1 BGB nicht, da der Beklagte in seinem Antwortschreiben die Erfüllung („Reklamation“) endgültig und ernsthaft verweigerte. Zudem war die Pflichtverletzung des Beklagten, die darin zu sehen ist, dass er trotz garantierter Fahrbereitschaft ein Fahrzeug lieferte, das nicht fahrbereit ist, nicht unerheblich i. S. des § 323 V 2 BGB.
Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nach §§ 346 I, 348 BGB i. V. mit §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 323 BGB stünde dem Kläger allerdings auch unabhängig von dem Vorliegen einer Garantie für die Fahrbereitschaft des Pkw zu. Denn die Angabe über die Laufleistung (bzw. die Erstzulassung) stellt eine Vereinbarung dar, auf die sich der umfassende Ausschluss der Sachmängelhaftung nicht erstreckt.
Zur Frage, wie sich ein pauschaler Ausschluss der Sachmängelhaftung zu der im Verkaufsangebot getroffenen Angabe über die Laufleistung eines Pkw verhält, und ob es sich bei dieser Angabe um die Übernahme einer Garantie i. S. des § 444 Fall 2 BGB oder um eine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. des § 434 I 1 BGB handelt, hat der BGH in einem Urteil aus dem Jahre 2006 Stellung genommen (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 = NJW 2007, 1346). Da diesem Urteil ein Sachverhalt zugrunde liegt, in dem es um einen Kauf zwischen zwei Verbrauchern (privater Direktverkauf) über das Internetauktionshaus eBay ging, sind die dortigen Entscheidungsgründe zwar nur beschränkt auf den vorliegenden Fall anwendbar. Zwei grundsätzliche Gedanken der Entscheidung gelten nach Auffassung des Gerichts jedoch unabhängig davon, ob es sich um einen privaten Direktverkauf oder um ein Geschäft zwischen Händlern handelt:
1. Ob Angaben des Verkäufers zur Laufleistung eines gebrauchten Kfz lediglich als Beschaffenheitsangabe (§ 434 I 1 BGB) oder aber als Beschaffenheitsgarantie (§ 444 Fall 2 BGB) zu werten sind, ist unter Berücksichtigung der beim Abschluss eines Kaufvertrags über ein Gebrauchtfahrzeug typischerweise gegebenen Interessenlage zu beantworten.
2. Die Frage, ob ein vereinbarter Haftungsausschluss in uneingeschränktem Sinne aufzufassen ist, ist nicht nur nach dem Wortlaut der Ausschlussbestimmung, sondern nach dem gesamten Vertragstext zu beurteilen.
Daraus folgt für den vorliegenden Fall zunächst, dass in der Angabe der Laufleistung keine Beschaffenheitsgarantie zu sehen ist. Denn hier ist die Interessenlage dadurch gekennzeichnet, dass beide Parteien Händler sind, mithin über die gleiche Erfahrung und Sachkunde hinsichtlich eines Gebrauchtwagenkaufs verfügen. Es ist nicht ersichtlich, wieso der Kläger davon hätte ausgehen dürfen, der Beklagte wolle sich für die Kilometerangabe „stark machen“, mithin garantieren, dass die bisherige Laufleistung nicht wesentlich höher liege als die angegebene. Vielmehr musste der Kläger als „Kenner“ des Handels mit Gebrauchtwagen davon ausgehen, dass der Beklagte den Pkw nur als Zwischenhändler erwarb, um ihn möglichst bald wieder zu verkaufen, und dass er insoweit selbst auf die Richtigkeit der Angaben seines Vertragspartners sowie auf die Richtigkeit der Tachoanzeige vertraute, ohne diese einer eingehenden Überprüfung zu unterziehen. Darüber hinaus konnte der Kläger sich durch die Inaugenscheinnahme des Pkw sowie das Starten des Motors selbst von der Beschaffenheit des Fahrzeugs überzeugen. Er war den Angaben des Beklagten also nicht „schutzlos ausgeliefert“ und musste diesen nicht blind vertrauen.
In der Angabe der Laufleistung durch den Beklagten ist jedoch eine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. von § 434 I 1 BGB zu sehen. Diese wird von dem umfassenden Gewährleistungsausschluss nicht miterfasst. Denn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmen, dass für die Angaben über eine bestimmte Beschaffenheit der Einlieferer haftet. Dem steht nicht entgegen, dass an anderer Stelle davon die Rede ist, dass die von C zu den Fahrzeugen gemachten Angaben keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben und lediglich als Orientierungshilfe dienen. Denn dies betrifft lediglich das Verhältnis Käufer – Auktionshaus, nicht jedoch das Verhältnis Käufer – Verkäufer.
Damit stehen der Haftungsausschluss und die Beschaffenheitsvereinbarung – jedenfalls aus der Sicht des Käufers – gleichrangig nebeneinander. Für diesen Fall geht der BGH (Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 = NJW 2007, 1346 Rn. 31) davon aus, dass dies regelmäßig dahin auszulegen ist, dass der Haftungsausschluss nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit (§ 434 I 1 BGB), sondern nur für solche Mängel gelten soll, die darin bestehen, dass die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 I 2 Nr. 1) bzw. sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 I 2 Nr. 2). Diese Auslegungsregel muss auch auf die hier vorliegende Konstellation Händler – Händler Anwendung finden, denn es ist nicht ersichtlich, wieso sie nur bei einem Kauf zwischen Privaten zum Zuge kommen sollte. Die Situation bei einer unklaren bzw. widersprüchlichen Vertragsgestaltung gestaltet sich für einen (kaufenden) Händler nicht anders als für einen Privatkäufer.
Die Abweichung zwischen der vereinbarten Laufleistung von rund 105.000 km und der tatsächlichen Laufleistung von mehr als 230.000 km stellt einen Sachmangel dar (§ 434 I 1 BGB), der nicht unerheblich ist (§ 323 V 2 BGB). Die Fristsetzung war wegen § 326 V BGB entbehrlich. …
Die sonstigen vom Kläger geltend gemachten Positionen setzen als Schadensersatzansprüche über § 280 I BGB grundsätzlich ein Verschulden des Beklagten an dem zur Fahruntüchtigkeit des Pkw führenden Mangel voraus. Da der Beklagte … aber eine Garantie für die Fahrbereitschaft des Pkw i. S. des § 443 BGB übernommen hat, haftet er verschuldensunabhängig für alle Folgen des Fehlens der Fahrbereitschaft (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl. [2009], § 280 Rn. 19 und § 276 Rn. 29; Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Aufl. [2009], § 433 Rn. 11). Dem Kläger steht also grundsätzlich auch ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB zu. Hiervon umfasst sind die geltend gemachten Kosten für das Auktionshaus in Höhe von 220,15 €, die Abschlepp- und Werkstattkosten in Höhe von insgesamt 280,25 € sowie die Kosten für die Anfrage bei der Firma F in Höhe von 30 €.
Hinsichtlich des entgangenen Gewinns in Höhe von 500 € fehlt es an einem hinreichend substanziierten Vortrag des Klägers (vgl. § 138 III ZPO). …
Nicht [vom Schadensersatzanspruch] umfasst sind auch die außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 535,60 €, da diese als Kosten der den Verzug begründenden Erstmahnung nicht ersatzfähig sind. … Die außergerichtlichen Anwaltskosten können auch nicht als ein Schaden, der durch eine arglistige Täuschung seitens des Beklagten verursacht wurde, geltend gemacht werden. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht nicht der Überzeugung, dass der Beklagte den Kläger arglistig täuschte. … Der fehlende Nachweis geht zulasten des Klägers, denn dieser trägt als Käufer die Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich eine Täuschung ergibt. …