1. Das Recht des Käu­fers, we­gen ei­nes Sach­man­gels den Kauf­preis zu min­dern oder Scha­dens­er­satz zu ver­lan­gen, setzt re­gel­mä­ßig vor­aus, dass der Käu­fer dem Ver­käu­fer er­folg­los ei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung ge­setzt hat. Ein Frist­set­zung ist zwar aus­nahms­wei­se ent­behr­lich, wenn der Ver­käu­fer die Nach­er­fül­lung ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert. Un­ter die­sem Ge­sichts­punkt kann ei­ne Frist­set­zung aber grund­sätz­lich nur dann ent­behr­lich wer­den, wenn der Schuld­ner ei­ne Män­gel­be­sei­ti­gung be­reits ver­wei­gert hat, be­vor die­se durch den Käu­fer selbst er­folgt.
  2. Wie der Schuld­ner sich nach der Män­gel­be­sei­ti­gung durch den Käu­fer ver­hält, kann nur dann von Be­deu­tung sein, wenn die­ses Ver­hal­ten den si­che­ren Rück­schluss er­laubt oder hier­zu bei­trägt, dass schon vor der Män­gel­be­sei­ti­gung die Nach­bes­se­rung ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert war.

BGH, Ur­teil vom 20.01.2009 – X ZR 45/07

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin ver­langt von dem Be­klag­ten als ver­ein­bar­te Ver­gü­tung für die Her­stel­lung und Lie­fe­rung von Be­ton­fer­tig­tei­len die Zah­lung von 1.166,64 €. Ge­gen­über die­sem An­spruch und ei­nem wei­te­ren Zah­lungs­an­spruch, der nicht mehr Ge­gen­stand des Be­ru­fungs- und des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens war bzw. ist, hat der Be­klag­te mit ei­ner Zah­lungs­for­de­rung in Hö­he von 1.200 € die Auf­rech­nung er­klärt. Die nach ei­nem be­stimm­ten Ver­le­ge­plan her­zu­stel­len­den Be­ton­fer­tig­tei­le hät­ten nicht dem Schnitt die­ses Plans ent­spro­chen. In­fol­ge­des­sen ha­be er Aus­klin­kungs­ar­bei­ten an den ge­lie­fer­ten Be­ton­fer­tig­tei­len vor­neh­men las­sen müs­sen, wo­für ihm Kos­ten in Hö­he von 1.200 € ent­stan­den sei­en.

Das Amts­ge­richt hat die Kla­ge ein­schließ­lich des von der Klä­ge­rin zu­sätz­lich gel­tend ge­mach­ten Zah­lungs­an­spruchs ab­ge­wie­sen. Das Land­ge­richt hat die Be­ru­fung, die nur we­gen der Ver­gü­tung in Hö­he von 1.166,64 € nebst Zin­sen durch­ge­führt wor­den ist, zu­rück­ge­wie­sen. Die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin, mit der die­se ih­ren Zah­lungs­an­spruch in Hö­he von 1.166,64 € nebst Zin­sen wei­ter ver­folg­te, hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: [6]    II. Die … Re­vi­si­on … führt zur an­trags­ge­mä­ßen Ver­ur­tei­lung des Be­klag­ten, so­weit über die Kla­ge noch zu be­fin­den ist.

[7]    1. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat sei­ne Ent­schei­dung im We­sent­li­chen wie folgt be­grün­det: Der Ver­gü­tungs­an­spruch der Klä­ge­rin sei durch die vom Be­klag­ten er­klär­te Auf­rech­nung er­lo­schen. Die tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Amts­ge­richts zur Man­gel­haf­tig­keit der streit­ge­gen­ständ­li­chen Be­ton­fer­tig­tei­le sei­en von der Be­ru­fung nicht an­ge­grif­fen wor­den. Dem Be­klag­ten ste­he des­halb der zur Auf­rech­nung ge­stell­te Scha­dens­er­satz­an­spruch zu. Ei­ne Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung sei ent­behr­lich ge­we­sen. Denn das nach­hal­ti­ge Be­strei­ten der ge­rüg­ten Män­gel im Pro­zess stel­le ei­ne ernst­haf­te und end­gül­ti­ge Er­fül­lungs­ver­wei­ge­rung i. S. von § 281 II Fall 1 BGB dar. Dem ste­he nicht ent­ge­gen, dass der Be­klag­te den Man­gel ha­be be­he­ben las­sen, oh­ne ihn zu­vor der Klä­ge­rin über­haupt an­zu­zei­gen. Es sei­en kei­ner­lei Um­stän­de er­sicht­lich, die dar­auf schlie­ßen lie­ßen, dass die Klä­ge­rin auf ei­ne Frist­set­zung hin die gel­tend ge­mach­ten Män­gel – an­ders als spä­ter im Pro­zess – an­er­kannt und be­sei­tigt ha­ben wür­de.

[8]    2. Das hält ei­ner recht­li­chen Über­prü­fung nicht stand.

[9]    a) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat auf den Ver­trag, aus des­sen Schlechter­fül­lung der Be­klag­te die zur Auf­rech­nung ge­stell­te For­de­rung her­lei­tet, al­ler­dings zu Recht Kauf­recht an­ge­wen­det (§ 651 Satz 1 BGB). Die An­wen­dung die­ses Rechts hat je­doch zur Fol­ge, dass dem Be­klag­ten als Be­stel­ler kein auf­re­chen­ba­rer An­spruch we­gen der Aus­klin­kungs­ar­bei­ten und da­für auf­ge­wen­de­ter Kos­ten zu­steht, weil er der Klä­ge­rin als Un­ter­neh­mer ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Nach­er­fül­lung nicht ge­setzt hat.

[10]   b) Das Recht des Käu­fers (Be­stel­lers), we­gen ei­nes Sach­man­gels den Kauf­preis (die Ver­gü­tung) zu min­dern oder Scha­dens­er­satz zu ver­lan­gen, setzt vor­aus, dass der Käu­fer (Be­stel­ler) dem Ver­käu­fer (Un­ter­neh­mer) un­ter Set­zung ei­ner an­ge­mes­se­nen Nach­frist er­folg­los Ge­le­gen­heit zur Nach­er­fül­lung ge­ge­ben hat, be­vor er den be­haup­te­ten Man­gel selbst be­sei­tigt oder be­sei­ti­gen lässt (§ 437 BGB i. V. mit § 281 I BGB bzw. § 323 I BGB; BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VI­II ZR 100/04, BGHZ 162, 219; Urt. v. 21.12.2005 – VI­II ZR 49/05, NJW 2006, 1195). Auf die Er­fül­lung der sich für den Käu­fer (Be­stel­ler) hier­nach er­ge­ben­den Ob­lie­gen­heit kommt es frei­lich nicht an, wenn ei­ner der (nun­mehr auch) ge­setz­lich fest­ge­schrie­be­nen Tat­be­stän­de ge­ge­ben ist, in de­nen die Frist­set­zung ei­ne rei­ne För­me­lei dar­stell­te oder sonst­wie schlech­ter­dings un­zu­mut­bar wä­re. An­ge­sichts des grund­sätz­lich be­ste­hen­den Vor­rangs der Nach­er­fül­lung durch den Ver­käu­fer (Un­ter­neh­mer) kann der in­so­weit vom Land­ge­richt her­an­ge­zo­ge­ne Tat­be­stand der ernst­haf­ten und end­gül­ti­gen Leis­tungs­ver­wei­ge­rung (§ 281 II Fall 1 BGB bzw. § 323 II Nr. 1 BGB) je­doch sei­ner­seits nur ein­grei­fen, wenn fest­steht, dass der Ver­käu­fer (Un­ter­neh­mer) die Leis­tung be­reits ver­wei­gert hat, be­vor die Män­gel­be­sei­ti­gung durch den Käu­fer (Be­stel­ler) er­folgt. Ei­ne le­dig­lich nach­träg­li­che Leis­tungs­ver­wei­ge­rung kann nicht aus­rei­chen, weil aus dem grund­sätz­li­chen Vor­rang der Nach­er­fül­lung durch den Ver­käu­fer (Un­ter­neh­mer) ein Nach­er­fül­lungs­recht die­ser Ver­trags­par­tei folgt (BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VI­II ZR 100/04, BGHZ 162, 219 [227]) und die­ses zu­nich­te ge­macht wür­de, wenn der Käu­fer (Be­stel­ler) vor der Leis­tungs­ver­wei­ge­rung des Ver­käu­fers (Un­ter­neh­mers) auf des­sen Kos­ten zur Män­gel­be­sei­ti­gung schrei­ten dürf­te (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VI­II ZR 49/05, NJW 2006, 1195 [1197]). Wie der Ver­käu­fer (Un­ter­neh­mer) sich nach der Män­gel­be­sei­ti­gung durch den Käu­fer (Be­stel­ler) ver­hält, kann des­halb nur dann von Be­deu­tung sein, wenn die­ses Ver­hal­ten den si­che­ren Rück­schluss er­laubt oder hier­zu bei­trägt, dass schon vor der Män­gel­be­sei­ti­gung die Nach­er­fül­lung ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert war.

[11]   c) Die­sen Grund­sät­zen wird das an­ge­foch­te­ne Ur­teil nicht ge­recht. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat le­dig­lich fest­ge­stellt, dass die Klä­ge­rin im Pro­zess und da­mit erst nach Be­sei­ti­gung der be­haup­te­ten Män­gel durch den Be­klag­ten die Man­gel­haf­tig­keit ih­rer Lie­fe­rung nach­hal­tig be­strit­ten hat. Gleich­wohl hat es die­se Fest­stel­lung nicht da­hin ge­wür­digt, ob aus dem fest­ge­stell­ten nach­träg­li­chen Ver­hal­ten zwin­gend auf ei­ne Leis­tungs­ver­wei­ge­rung schon vor der Be­sei­ti­gung der be­haup­te­ten Män­gel zu schlie­ßen sei. Es hat dies viel­mehr als selbst­ver­ständ­lich be­han­delt, wie dar­an deut­lich wird, dass es für aus­rei­chend an­ge­se­hen hat, dass kei­ner­lei Um­stän­de er­sicht­lich sei­en, die dar­auf schlie­ßen lie­ßen, dass die Klä­ge­rin – an­ders als im Pro­zess – vor­pro­zes­su­al auf ei­ne Frist­set­zung hin den gel­tend ge­mach­ten Man­gel an­er­kannt und be­sei­tigt ha­ben wür­de.

[12]   3. Die un­ter­blie­be­ne Wür­di­gung kann der Se­nat selbst vor­neh­men, weil nicht zu er­war­ten ist, dass ei­ne Zu­rück­ver­wei­sung der Sa­che in­so­weit zur Fest­stel­lung wei­te­rer ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Tat­um­stän­de füh­ren könn­te. Die Wür­di­gung ist da­hin zu tref­fen, dass das Be­strei­ten des Be­klag­ten im Pro­zess im Streit­fall kei­ne ver­läss­li­chen Rück­schlüs­se dar­auf zu­lässt, dass die Klä­ge­rin vor der Be­sei­ti­gung der be­haup­te­ten Män­gel die Er­fül­lung ih­rer ver­trag­li­chen Pflich­ten ein­deu­tig und end­gül­tig ver­wei­gert hat. Nach der Recht­spre­chung des BGH (Se­nat, Urt. v. 12.01.1993 – X ZR 63/91, NJW-RR 1993, 882 [883]; BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VI­II ZR 49/05, NJW 2006, 1195) liegt in dem Be­strei­ten ei­nes Man­gels nicht oh­ne Wei­te­res ei­ne end­gül­ti­ge Ver­wei­ge­rung der Nach­er­fül­lung; denn das Be­strei­ten – auch das nach­hal­ti­ge – ist das pro­zes­sua­le Recht des Schuld­ners. Dies gilt ganz be­son­ders, wenn der Schuld­ner mit sei­nem Be­strei­ten erst­mals im Pro­zess her­vor­ge­tre­ten ist. In ei­nem sol­chen Fall müs­sen des­halb zu dem blo­ßen Be­strei­ten wei­te­re Um­stän­de hin­zu­tre­ten, die ei­ner von An­fang an be­ste­hen­den Wei­ge­rungs­hal­tung Aus­druck ge­ben, so­dass aus­ge­schlos­sen er­scheint, dass der Schuld­ner sich von ei­ner Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung hät­te um­stim­men las­sen. Sol­che Um­stän­de sind im Streit­fall je­doch nicht er­sicht­lich.

[13]   4. Ei­ne Zu­rück­ver­wei­sung der Sa­che ist auch nicht des­halb ge­bo­ten, weil tatrich­ter­li­che Fest­stel­lun­gen da­zu feh­len, ob im Streit­fall be­son­de­re Um­stän­de be­stan­den, die un­ter Ab­wä­gung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen das so­for­ti­ge Tä­tig­wer­den des Be­klag­ten recht­fer­tig­ten (§ 281 II Fall 2 BGB bzw. § 323 II Nr. 3 BGB). Die in­so­weit er­ho­be­ne Ge­gen­rü­ge des Be­klag­ten ist un­be­rech­tigt. Der Be­klag­te hat zwar mit Schrift­satz vom 15.05.2006 gel­tend ge­macht, die nach § 281 II Fall 2 BGB er­for­der­li­che In­ter­es­sen­ab­wä­gung müs­se zu sei­nen Guns­ten aus­fal­len, und die­se Be­ru­fung auf be­son­de­re Um­stän­de, die ei­ne Nach­frist­set­zung ent­behr­lich ma­chen, auch mit ei­ni­gen Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen be­grün­det. Man­gels Be­weis­an­tritts des Be­klag­ten hier­für be­stand aber schon für das Amts­ge­richt kei­ne Ver­an­las­sung, die­sem Vor­brin­gen nach­zu­ge­hen, weil die Klä­ge­rin in­ner­halb des Zeit­raums, in dem Schrift­sät­ze noch ein­ge­reicht wer­den konn­ten, mit ih­rem an die­sem Tag beim Amts­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz vom 12.06.2006 die­ses Vor­brin­gen be­strit­ten hat­te. Letzt­lich kann das aber auch da­hin­ste­hen. Je­den­falls dem Be­ru­fungs­ge­richt kann näm­lich nicht als Rechts­feh­ler vor­ge­wor­fen wer­den, das Vor­brin­gen des Be­klag­ten un­be­rück­sich­tigt ge­las­sen zu ha­ben, nach­dem die Klä­ge­rin ihr Be­strei­ten in der Be­ru­fungs­schrift wie­der­holt hat­te. Denn die Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung macht nicht gel­tend, dass in zwei­ter In­stanz der er­for­der­li­che Be­weis­an­tritt er­folgt wä­re. Für das Be­ru­fungs­ge­richt be­stand schließ­lich ent­ge­gen der im Ver­hand­lungs­ter­min vom Be­klag­ten ge­äu­ßer­ten An­sicht auch kei­ne Ver­an­las­sung, nach § 139 ZPO zu ver­fah­ren. In ei­nem als An­walt­s­pro­zess zu füh­ren­den Ver­fah­ren kann die Not­wen­dig­keit ge­eig­ne­ten Be­weis­an­tritts durch die be­weis­be­las­te­te Par­tei als auf der Hand lie­gend an­ge­se­hen wer­den, wenn Be­haup­tun­gen die­ser Par­tei wie­der­holt be­strit­ten wor­den sind.

[14]   5. Da ei­ne An­rech­nung der vom Ver­käu­fer (Un­ter­neh­mer) er­spar­ten Auf­wen­dun­gen für die Män­gel­be­sei­ti­gung auf den Kauf­preis (die Ver­gü­tung) ge­mäß § 326 II 2, IV BGB (ana­log) eben­falls nicht in Be­tracht kommt, wenn der Käu­fer (Be­stel­ler) den Man­gel oh­ne die er­for­der­li­che vor­he­ri­ge Nach­frist­set­zung be­sei­tigt hat (BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VI­II ZR 100/04, BGHZ 162, 219 [224 ff.]), hat mit­hin die Auf­rech­nung des Be­klag­ten nicht zum voll­stän­di­gen oder teil­wei­sen Er­lö­schen der Kla­ge­for­de­rung ge­führt. Die­se ist viel­mehr in Hö­he des in der Re­vi­si­ons­in­stanz noch strei­ti­gen Be­trags von 1.166,64 € ge­mäß §§ 651 Satz 1, 433 II BGB be­grün­det.

[15]   6. Die be­an­spruch­ten Zin­sen schul­det der Be­klag­te, weil er in Ver­zug ist (§§ 286 I 1, 288 I BGB) …

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