Eine ernsthafte Verweigerung der Nacherfüllung i. S. des § 323 II Nr. 1 BGB kann schon dann gegeben sein, wenn der Verkäufer das Vorliegen eines Mangels bei einer Überprüfung der Kaufsache nachhaltig leugnet. Auch das Prozessverhalten des Verkäufers ist in die rechtliche Prüfung einzubeziehen; doch wird man in einem bloßen Bestreiten des Mangels im Regelfall noch keine endgültige und ernsthafte Ablehnung der Nacherfüllung erblicken können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Verkäufer zugleich rügt, ihm sei keine Möglichkeit zur Nachbesserung gegeben worden.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.02.2011 – 4 U 557/09-160

Sachverhalt: Der Kläger nimmt das beklagte Autohaus auf Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags in Anspruch.

Am 21.01.2008 erwarb der Kläger bei der Beklagten einen Neuwagen zum Preis von 25.686 €. In der Folgezeit stellte er das Fahrzeug bei der Beklagten vor und rügte Mängel. Mit Anwaltsschreiben vom 12.03.2009 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte auf, den Kaufpreis bis spätestens 27.03.2009 an ihn zurückzuzahlen.

Der Kläger hat vorgetragen, innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe des Fahrzeugs seien an dem Fahrzeug verschiedene technische Mängel aufgetreten: So wechsele die Menüeinstellung automatisch in ein anderes Display; und das Radio schalte sich automatisch ein oder wechsele den Sender. Die Regensensoren seien fehlerhaft. Die Lichteinstellung stimme nicht. Die Scheiben öffneten sich automatisch, insbesondere wenn sich das Fahrzeug in einer Waschanlage befinde. Schließlich sei die automatische Gangauswahl fehlerhaft. Der Kläger hat behauptet, die Beklagte sei mehrfach, erstmals etwa sechs bis sieben Wochen nach Übergabe des Fahrzeugs, zur Beseitigung der aufgezeigten Mängel aufgefordert worden. Eine im Januar 2009 aufgespielte neue Software habe keine Besserung gebracht.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der zunächst seine erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt hat. Nachdem die Parteien hinsichtlich der Rückgabe des Fahrzeugs und der Rückzahlung des Kaufpreises eine kulanzweise Regelung getroffen hatten, hat der Kläger die Hauptsache insoweit für erledigt erklärt. Dem hat sich die Beklagte nicht angeschlossen.

Das Rechtsmittel hatte teilweise Erfolg.

Aus den Gründen: II. A. … 1. Nachdem nur der Kläger die Hauptsache [teilweise] für erledigt erklärt hat, war über den nunmehr gestellten Feststellungsantrag … zu entscheiden. Das erforderliche Feststellungsinteresse folgt aus dem Kosteninteresse des Klägers.

2. Die auf Feststellung gerichtete Klage hat teilweise Erfolg, da die Klage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses im tenorierten Umfang zulässig und begründet war.

a) Der Kläger hat die Beklagte unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der kaufvertraglichen Gewährleistung (§§ 433 I, 434 I, 437 Nr. 2, 323 BGB) auf Rückabwicklung eines Neuwagenkaufs in Anspruch genommen. An der Wirksamkeit des Rücktritts bestehen entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Bedenken.

aa) Nach dem Ergebnis der im Berufungsrechtszug durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das Fahrzeug sowohl bei Gefahrübergang als auch zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung unter einem Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB litt.

Die Zeugin Z hat anschaulich beschrieben, dass das Fahrzeug innerhalb der nach § 476 BGB maßgeblichen Frist und noch bis zur Rücktrittserklärung erhebliche Mängel im Bereich der Elektronik aufwies: Als gravierend ist zu gewichten, dass sich die Fenster des Fahrzeugs häufig ohne eigenes Zutun des Fahrers absenkten. Die Zeugin hat hierzu geschildert, sie habe das Fahrzeug vor Antritt einer Busurlaubsreise auf einem Parkplatz abgestellt und das Fahrzeug nach ihrer Rückkehr mit heruntergelassenem Fenster vorgefunden. Sie sei sich sicher, dass die Fenster vor Antritt der Reise geschlossen gewesen seien. Auch im täglichen Fahrbetrieb habe sie mehrfach festgestellt, dass die Fenster nach ihrer Rückkehr zum geparkten Fahrzeug offen gestanden hätten. Ihr Ehemann habe ihr berichtet, dass sich das Fahrerfenster einmal während eines Waschvorgangs in einer Autowaschanlage geöffnet habe.

Der Senat verkennt nicht, dass es für jedes einzelne von der Zeugin bekundete Ereignis Gründe für das offen stehende Fenster geben mag, die nicht zwingend auf einen Mangel des Fahrzeugs hindeuten. So ist es denknotwendig nicht ausgeschlossen, dass es ein Fahrer mitunter übersehen kann, offene Fenster zu schließen. Allerdings ist diese theoretische Möglichkeit nicht geeignet, die Häufigkeit der Ereignisse zu erklären. Gerade weil die Aufmerksamkeit der Zeugin schon durch das erste Ereignis auf den Schließzustand der Fenster gerichtet war, spricht alles dafür, dass die Zeugin bei späteren Fahrten mit dem Fahrzeug den Fenstern eine besondere Aufmerksamkeit schenkte. Auch die Möglichkeit, dass ein unachtsames Hantieren mit dem Fahrzeugschlüssel Auslöser für den Fenstermechanismus gewesen sein mag, entlastet die Beklagte nicht: Ein Schlüssel muss so konstruiert sein, dass nicht kleinste Erschütterungen zu unbeabsichtigten Betriebsvorgängen eines abgestellten Fahrzeugs führen. Überdies wäre ein solcher Zusammenhang keine hinreichende Erklärung dafür, weshalb sich das Fenster in der Waschanlage öffnete.

Ein weiterer Mangel bestand in der fehlerhaften Funktion der Regensensoren. Die Zeugin Z hat glaubhaft ausgesagt, dass die Regensensoren nicht bestimmungsgemäß funktionierten. Auch die von der Zeugin geschilderte Problematik beim Abschalten des Fahrlichts, das erst bei erneutem Starten des bereits abgestellten Fahrzeugs ausgeschaltet werden konnte, beeinträchtigte den vertragsgemäßen Fahrzeuggebrauch.

bb) Es kann dahinstehen, ob jeder einzelne Mangel die Grenze der Erheblichkeit (§ 323 V 2 BGB) übersteigt. Denn in jedem Fall erreichten die einzelnen Beeinträchtigungen des Gebrauchs der Kaufsache die Grenze, die ein Neuwagenkäufer unter Beschränkung auf die sonstigen kaufvertraglichen Gewährleistungsansprüche hinnehmen muss. Die Mängel in der Elektronik sind in ihrer Gesamtschau so gewichtig, dass das Rücktrittsbegehren des Klägers nicht unbillig erscheint.

cc) Soweit das Landgericht die Auffassung vertreten hat, der Rücktritt sei deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger der Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat (§ 323 I BGB), vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Das Landgericht hat die Anforderungen an das Vorliegen einer ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung i. S. von § 323 II Nr. 1 BGB, die vom Erfordernis der Fristsetzung zur Nacherfüllung suspendiert (§§ 437 Nr. 2, 323 I 1 BGB), überspannt:

Nach maßgeblicher Auffassung (BVerfG, Beschl. v. 26.09.2006 – 1 BvR 2389/04, ZGS 2006, 470; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 440 Rn. 20; Erman/Westermann, BGB, 12. Aufl., § 281 Rn. 16) kann eine ernsthafte Verweigerung der Nacherfüllung schon dann gegeben sein, wenn der Verkäufer das Vorhandensein eines Mangels nachhaltig leugnet. In die rechtliche Prüfung ist auch das Prozessverhalten des Verkäufers einzubeziehen (BVerfG, Beschl. v. 26.09.2006 – 1 BvR 2389/04, ZGS 2006, 470; vgl. BGH, Urt. v. 08.12.1983 – VII ZR 139/82, NJW 1984, 1460). Zwar wird man in dem bloßen Bestreiten des Mangels im Regelfall noch keine endgültige und ernsthafte Ablehnung der Nacherfüllung erblicken können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Verkäufer mit dem Bestreiten zugleich rügt, ihm sei keine Möglichkeit zur Nachbesserung gegeben worden (BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VIII ZR 49/05, MDR 2006, 677). Andererseits lässt die Zusammenschau von Prozessverhalten und außerprozessualem Geschehen den Rückschluss auf eine endgültige Erfüllungsverweigerung umso eher zu, je nachhaltiger der Verkäufer das Vorliegen der Mängel bestreitet. Auch ist zu würdigen, ob der Verkäufer die Einwendung der fehlenden Fristsetzung lediglich zum Erreichen seines Prozessziels erhebt, oder ob er zu erkennen gibt, auch auf der tatsächlichen Ebene zu einer erneuten Überprüfung der Mängelrüge nicht bereit zu sein.

Im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt durfte der Kläger das Verhalten der Beklagten als endgültige Erfüllungsverweigerung verstehen. Es steht außer Streit, dass der Kläger zumindest einmal bei der Beklagten vorstellig wurde und Mängel rügte. Bei dieser Vorführung wurde das Fahrzeug – so der Vortrag der Beklagten – untersucht und an das entsprechende Diagnosegerät angeschlossen. Nachdem sich hierbei keinerlei Fehler zeigten, gab die Beklagte das Fahrzeug dem Kläger offensichtlich mit dem Bemerken zurück, dass eine Nachbesserung mangels Vorhandensein von Fehlern (vgl. „Fahrzeug war mangelfrei“) nicht möglich sei. In einer solchen Situation durfte der Kläger das Verhalten der Beklagten als endgültige und ernstliche Erfüllungsverweigerung bewerten. Eine andere Sichtweise wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn die Beklagte das Fahrzeug dem Kläger mit dem Bemerken zurückgegeben hätte, er möge das Fahrzeug doch beim erneuten Auftreten der Fehler wieder vorstellen. Dass sich die Beklagte in diesem Sinne geäußert hätte, ist nicht vorgetragen. Dem steht der Wortlaut des Schreibens vom 18.03.2008 entgegen, in dem die Beklagte das Vorliegen von Mängeln nachhaltig abstritt und dem Wandlungsbegehren allein mit dem Hinweis auf die Mangelfreiheit aus Sicht des Klägers endgültig entgegentrat.

Dieses Verständnis deckt sich mit dem prozessualen Vortrag: Auch im Prozess beschränkt sich die Beklagte nicht darauf, das Vorhandensein von Mängeln mit Nichtwissen zu bestreiten. Die Beklagte verstärkt ihr Bestreiten mit dem Hinweis auf das negative Ausleseergebnis des Steuergeräts. Sie versteigt sich überdies zu der die Grenze des Betrugsvorwurfs erreichenden Vermutung, dass der Kläger das Fahrzeug wegen Kaufreue zurückgeben möchte. Die im Schriftsatz der Klägervertreter vom 06.08.2009 enthaltene Aufforderung, die Mängel binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zugang des Schriftsatzes zu beseitigen, griff die Beklagte nicht auf. In einer solchen Situation bestand aus Sicht des Klägers kein Anlass für das Vertrauen, dass die hinsichtlich der Mangelfreiheit offensichtlich schon festgelegte Beklagte durch das Setzen einer Nachfrist zu einer besseren Einsicht gelangt wäre und sich einer erneuten Überprüfung des Fahrzeugs, die nicht angeboten wurde, mit der erforderlichen Unvoreingenommenheit gewidmet hätte.

b) Nach dem wirksam erklärten Rücktritt stand dem Kläger gemäß § 346 I BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu. Allerdings hatte auch die Hilfsaufrechnung der Beklagten Erfolg, da der Kläger gemäß § 346 II BGB für die gezogenen Nutzungen Wertersatz leisten muss (vgl. BGH, Urt. v. 16.09.2009 – VIII ZR 243/08, BGHZ 182, 241). Die Höhe des für eine Laufleistung von 19.000 km geschuldeten Wertersatzes steht im Berufungsrechtszug außer Streit, nachdem die Parteien im Termin vom 24.09.2009 unstreitig gestellt haben, dass die tatsächliche Laufleistung sogar 19.800 km betrug. Gegen die Berechnung des Nutzungsausfalls (pro 1.000 km 0,67 % des Kaufpreises; im Sachverhalt 3.269,83 €) bestehen keine Bedenken. Mithin war die Klage vor Eintritt des erledigen Ereignisses lediglich in Höhe eines Betrags von 22.416,17 € begründet, weshalb der Feststellungsausspruch … auf diese Summe zu begrenzen war.

c) Darüber hinaus besaß der Kläger zur Vereinfachung der Vollstreckung (§ 765 Nr. 1 ZPO) ein Rechtsschutzinteresse an der begehrten Feststellung des Annahmeverzugs.

3. Hinsichtlich des im Berufungsrechtszug aufrechterhaltenen Antrags auf Erstattung der vorprozessualen Rechtsanwaltskosten unterliegt die Klage aus prozessualen Gründen der Abweisung, da die Antragstellung zu beanstanden ist: Der Kläger klagt die Nebenforderung als gewillkürter Prozessstandschafter der Rechtsschutzversicherung ein, die die außergerichtlichen Kosten bereits beglichen hat. Nachdem der Kläger die gewillkürte Prozessstandschaft mit Schriftsatz vom 04.09.2009 offengelegt hatte, war der Kläger gehalten, nicht Leistung an sich selbst, sondern Leistung an den Rechtsinhaber zu verlangen (vgl. BGHZ 32, 67 [71]; BGH, Urt. v. 05.07.1991 – V ZR 343/99, NJW-RR 1992, 61; Urt. v. 22.12.1988 – VII ZR 129/88, NJW 1989, 19 [32]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., vor § 50 Rn. 53; Gehrlein, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 2. Aufl., § 50 Rn. 45). Da der Kläger diesen Rechtsgrundsätzen keine Beachtung geschenkt hat, und das Gericht aufgrund § 308 I BGB daran gehindert ist, der Partei etwas anderes zusprechen, als sie selbst beantragt hat (in der Leistung an einen Dritten liegt kein „Weniger“, sondern ein aliud; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 308 Rn. 3), war die Klage hinsichtlich der Nebenforderung ohne weiteren Hinweis (§ 139 II 1 ZPO) abzuweisen …

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