- Durch den Rücktritt vom Kaufvertrag wird ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung auch insoweit nicht ausgeschlossen, als es um den Ersatz eines Nutzungsausfallschadens geht, der dadurch entstanden ist, dass dem Käufer infolge des Mangels der Kaufsache deren Nutzung entgeht; dies gilt auch für einen infolge der Rückgabe der mangelhaften Sache entstandenen Nutzungsausfall.
- Bei der Feststellung, ob dem Käufer durch die (aufgrund des Rücktritts erfolgte) Rückgabe der mangelhaften Sache ein Vermögensschaden wegen Nutzungsausfalls entstanden ist, sind die vermögensmäßigen Folgen des Rücktritts nach den allgemeinen Regeln zu berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 28.11.2007 – VIII ZR 16/07
Sachverhalt: Die Klägerin kaufte von der Beklagten am 01.09.2005 einen gebrauchten Pkw zum Preis von 7.900 €. Am 17.01.2006 verursachte der Ehemann der Klägerin bei Glatteis einen Unfall, bei dem das Fahrzeug erheblich beschädigt wurde. Eine am selben Tag durchgeführte Untersuchung durch einen Sachverständigen ergab, dass das Fahrzeug bereits vor dem Verkauf einen Unfall erlitten hatte. Die Klägerin sah daraufhin von einer Reparatur ab und erklärte mit Anwaltsschreiben vom 23.01.2006 den Rücktritt vom Kaufvertrag und die Anfechtung mit der Begründung, sie sei beim Kauf des Fahrzeugs arglistig darüber getäuscht worden, dass es sich um einen Unfallwagen gehandelt habe. Ferner wies sie darauf hin, dass der von Ihrem Ehemann verursachte Unfallschaden, dessen Höhe sich auf 4.000 € bis 5.000 € belaufe, nicht zu ihren Lasten gehe. Die Beklagte erklärte sich mit der Rückabwicklung des Vertrags einverstanden und nahm am 27.01.2006 das beschädigte Fahrzeug zurück. Zugleich überreichte sie dem Anwalt der Klägerin einen Verrechnungsscheck über 7.473,95 €, mit dem sie den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung (486,05 €) zurückzahlte und der Klägerin die entstandenen Kosten für die Anmeldung des Fahrzeugs (60 €) erstattete. Die Klägerin erwarb am 15.02.2006 ein anderes Fahrzeug. In der Zwischenzeit hatte sie vom 23.01. bis zum 14.02.2006 von einer Verwandten ein Ersatzfahrzeug gemietet.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung der für die Anmietung des Ersatzfahrzeugs aufgewendeten Kosten in Höhe von 1.100 €. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Auch die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihr Zahlungsbegehren weiterverfolgte, war erfolglos.
Aus den Gründen: [4] II. … Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für das angemietete Ersatzfahrzeug nicht zu.
[5] 1. Allerdings kann der Klägerin der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung versagt werden.
[6] Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt ein Anspruch des Käufers auf Ersatz eines Nutzungsausfallschadens nach § 437 Nr. 3 BGB i. V. mit §§ 440, 280, 281, 283 und 311a BGB auch dann in Betracht, wenn der Käufer nach § 437 Nr. 2 BGB i. V. mit §§ 440, 323 und 326 V BGB vom Kaufvertrag zurückgetreten ist. Das Recht, bei einem gegenseitigen Vertrag Schadensersatz zu verlangen, wird durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen (§ 325 BGB). Dies gilt auch für den Ersatz eines Nutzungsausfallschadens. Dem steht nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, entgegen, dass der Käufer im Falle einer Rückabwicklung des Kaufvertrags verpflichtet ist, Wertersatz für die Nutzung der Kaufsache zu zahlen (§ 346 I, II 1 Nr. 1 BGB).
[7] a) Aufgrund der Neuregelung des § 325 BGB wird es dem Gläubiger ermöglicht, vom Vertrag zurückzutreten und eine erbrachte Gegenleistung zurückzufordern, ohne den Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses zu verlieren (Staudinger/Otto, BGB, Neubearb. 2004, § 325 Rn. 1). Im Rahmen dieses Schadensersatzanspruchs ist der Gläubiger nach der Differenztheorie so zu stellen, wie er stünde, wenn der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (BGH, Urt. v. 25.03.1983 – V ZR 168/81, BGHZ 87, 156, 158), der Schuldner also seine Vertragspflichten nicht verletzt hätte.
[8] b) Im Falle der Lieferung einer mangelhaften Sache umfasst der auf das positive Interesse gerichtete Schadensersatzanspruch des Käufers typischerweise auch den Ersatz eines Nutzungsausfallschadens, der dadurch entsteht, dass dem Käufer infolge eines Mangels die Nutzung der Kaufsache entgeht (vgl. Senat, Urt. v. 05.07.1978 – VIII ZR 172/77, NJW 1978, 2241 unter I 2 a [zu § 463 BGB a.F.]; Urt. v. 02.06.1980 – VIII ZR 78/79, BGHZ 77, 215, 218; Urt. v. 15.06.1983 – VIII ZR 131/82, BGHZ 88, 11, 13 ff. [zu § 286 BGB a.F.]; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 352, 492, 1501, 1507, 1518; Staudinger/Otto, a. a.& O., § 280 Rn. E 34; MünchKomm-BGB/Ernst, 5. Aufl., § 280 Rn. 55 ff.; Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 437 Rn. 35). Dies gilt unabhängig von der Beantwortung der im Schrifttum umstrittenen Frage, welche der in § 437 Nr. 3 BGB aufgeführten Anspruchsgrundlagen (§§ 280, 281, 283, 311a BGB) für den Ersatz eines durch einen Sachmangel verursachten Nutzungsausfallschadens einschlägig ist (dazu Staudinger/Otto, a. a. O., § 280 Rn. E 26 ff.; MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 280 Rn. 55 ff.; beide m. w. Nachw.).
[9] c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt der Rücktritt vom Vertrag einen Anspruch des Käufers, Ersatz eines mangelbedingten Nutzungsausfallschadens zu verlangen, nicht entfallen. § 325 BGB beschränkt die Möglichkeit, neben dem Rücktritt Schadensersatz zu verlangen, nicht auf die Kompensation bestimmter Schäden, sondern umfasst auch einen Schadensersatzanspruch wegen entgangener Nutzungen. Die Bestimmungen der §§ 346, 347 BGB über eine vom Käufer infolge seines Rücktritts herauszugebende Nutzungsentschädigung stehen dem nicht, wie das Berufungsgericht meint, entgegen (Soergel/Gsell, BGB [2005], § 325 Rn. 3; MünchKomm-BGB/Gaier, 5. Aufl., vor § 346 Rn. 39).
[10] Der Rücktritt beseitigt den Vertrag nicht, sondern gestaltet ihn lediglich in ein Rückgewährschuldverhältnis um, wodurch die primären Leistungspflichten erlöschen (Staudinger/Otto, a. a. O., § 325 Rn. 3; Soergel/Gsell, a. a. O., § 325 Rn. 3). Die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 346 ff. BGB über die im Falle bereits erbrachter Leistungen durchzuführende Rückabwicklung des Vertrages zielen auf die Herstellung eines Zustands ab, der im Wesentlichen am negativen Interesse der Vertragsparteien ausgerichtet ist (vgl. Soergel/Gsell, a. a. O., § 325 Rn. 3). Darin liegt der Grund dafür, dass die vor dem Rücktritt tatsächlich gezogenen oder möglich gewesenen Nutzungen der Kaufsache nach Erlöschen der gegenseitigen Erfüllungsansprüche nicht mehr dem Käufer, sondern dem Verkäufer gebühren und deshalb der Käufer zur Herausgabe oder zum Wertersatz verpflichtet ist (§§ 346, 347 BGB). Dadurch soll aber nach der mit der Regelung des § 325 BGB getroffenen Entscheidung des Gesetzgebers gerade nicht ausgeschlossen werden, dass der schadensersatzberechtigte Käufer – auch nach dem Erlöschen seiner Erfüllungsansprüche – verlangen kann, vermögensmäßig so gestellt zu werden, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung durch den Verkäufer stünde (Soergel/Gsell, a. a. O., § 325 Rn. 3; Staudinger/Otto, a. a. O., § 325 Rn. 1; vgl. auch MünchKomm-BGB/Gaier, a. a. O., vor § 346 Rn. 37). Ersatz eines durch den Sachmangel der Kaufsache verursachten Nutzungsausfallschadens kann der Käufer daher auch dann verlangen, wenn er – wie im vorliegenden Fall die Klägerin – vom Vertrag zurückgetreten ist und gemäß § 346 I BGB den Kaufpreis gegen Rückgabe der mangelhaften Kaufsache zurückerhalten und für die bis zur Rückgabe gezogenen Nutzungen Wertersatz geleistet hat.
[11] 2. Das angefochtene Urteil stellt sich indes aus einem anderen Grund als richtig dar (§ 561 ZPO). Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vorbringen der Klägerin kommt hinsichtlich der geltend gemachten Mietwagenkosten zwar ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach § 437 Nr. 3 BGB i. V. mit § 311a II BGB in Betracht. Die Voraussetzungen hierfür sind aber jedenfalls deshalb nicht erfüllt, weil der Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen durch die Pflichtverletzung der Beklagten kein Nutzungsausfallschaden entstanden ist.
[12] a) Das Fahrzeug hat nach dem Vorbringen der Klägerin bei Abschluss des Vertrages einen Sachmangel aufgewiesen, weil es nicht unfallfrei war (§ 434 I BGB). Bei einem solchen Sachmangel eines Gebrauchtwagens ist eine Beseitigung des Mangels durch Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) nicht möglich (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64, 71) und scheidet auch eine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) in der Regel aus (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64, 75); dass hier ein Ausnahmefall vorgelegen hätte, ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Die Beklagte ist damit insoweit von ihrer Primärleistungspflicht nach § 275 I BGB frei, sodass die Klägerin ohne vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung berechtigt war, vom Vertrag zurückzutreten (§ 437 Nr. 2, §§ 326 V, 325 BGB) und wegen des schon bei Vertragsschluss vorhandenen Leistungshindernisses Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen (§ 437 Nr. 3, § 311a II BGB). Davon geht im vorliegenden Fall auch die Beklagte aus, die dem ohne vorheriges Nacherfüllungsverlangen erklärten Rücktritt der Klägerin nicht entgegengetreten ist, sondern die Rückabwicklung im Einvernehmen mit der Klägerin vollzogen hat. Da der Beklagten nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vorbringen der Klägerin die fehlende Unfallfreiheit bei Vertragsschluss bekannt war, sind auch insoweit die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 437 Nr. 3, § 311a II BGB erfüllt (vgl. Senat, Urt. v. 22.06.2005 – VIII ZR 281/04, BGHZ 163, 234, 244 f.).
[13] b) Gleichwohl kann die Klägerin eine Erstattung der geltend gemachten Mietwagenkosten nicht beanspruchen.
[14] Ein Nutzungsausfallschaden kann der Klägerin durch den Fahrzeugmangel und den darauf gestützten Rücktritt vom Kaufvertrag nur unter der Voraussetzung entstanden sein, dass die Klägerin im Falle ordnungsgemäßer Vertragserfüllung die Möglichkeit gehabt hätte, das gekaufte Fahrzeug in der Zeit, für welche sie Ersatz der Mietwagenkosten beansprucht, zu nutzen (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1507, 1518). Die Klägerin hätte das durch den Unfall vom 17.01.2006 beschädigte Fahrzeug ab dem 23.01.2006 aber nur dann wieder nutzen können, wenn sie zuvor den von ihrem Ehemann verursachten Unfallschaden hätte beseitigen lassen. Die Reparaturkosten hätten sich nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin auf 4.000 € bis 5.000 € belaufen. Da die Klägerin davon abgesehen hat, das bei dem Unfall vom 17.01.2006 beschädigte Fahrzeug reparieren zu lassen, hätte sie es folglich von diesem Zeitpunkt an auch dann nicht nutzen können, wenn es mangelfrei gewesen wäre. Hätte die Klägerin demnach aber 4.000 € bis 5.000 € investieren müssen, um das Fahrzeug nach dem 17.01.2006 weiter nutzen zu können, so muss sie sich nach der für die Schadensermittlung heranzuziehenden Differenztheorie auf den geltend gemachten Nutzungsausfallschaden die Ersparnis dieser Reparaturkosten anrechnen lassen. Andernfalls stünde sie wegen des für die Schadensersatzpflicht der Beklagten ursächlichen Mangels besser, als sie stünde, wenn das verkaufte Fahrzeug mangelfrei wäre.
[15] Der Umstand, dass die Klägerin nur aus dem Grund von einer Reparatur abgesehen hat, weil sie sich wegen des Fahrzeugmangels (fehlende Unfallfreiheit) zum Rücktritt vom Kaufvertrag entschlossen hatte und das Fahrzeug gemäß § 346 III 1 Nr. 3 BGB in beschädigtem Zustand zurückgeben konnte, ohne deswegen eine Schmälerung ihres Anspruchs auf Rückerstattung des gezahlten Kaufpreises hinnehmen zu müssen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn in die schadensersatzrechtliche Betrachtung sind auch die vermögensmäßigen Folgen des Rücktritts einzubeziehen, wenn der Käufer – wie hier die Klägerin – aufgrund desselben Umstands vom Vertrag zurücktritt, dessentwegen er Schadensersatz statt der Leistung verlangt (MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 325 Rn. 6; Staudinger/Otto, a. a. O., § 325 Rn. 25).
[16] Ersatz des Nutzungsausfallschadens könnte die Klägerin aber auch dann nicht beanspruchen, wenn die durch den Unfall vom 17.01.2006 verursachten Reparaturkosten nicht ihr selbst zur Last gefallen wären, sondern hierfür der Unfallverursacher – ihr Ehemann – ersatzpflichtig gewesen sein sollte. In diesem Fall wäre die Klägerin verpflichtet, die Ersatzleistung, die sie aufgrund der Beschädigung des Fahrzeugs erlangt hätte, an die Beklagte, der sie das Fahrzeug in beschädigtem Zustand zurückgegeben hat, nach § 346 III 2 BGB herauszugeben. Diese Vorschrift enthält eine Rechtsfolgenverweisung auf das in den §§ 812 ff. BGB geregelte Bereicherungsrecht (BT-Drs. 14/6040, S. 196; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2004, § 346 Rn. 192). Nach § 818 I BGB erstreckt sich die Verpflichtung zur Herausgabe auf dasjenige, was der Empfänger als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstandes erwirbt. Da die von der Klägerin an die Beklagte herauszugebende Ersatzleistung für den Unfallschaden vom 17.01.2006 höher wäre als die Mietwagenkosten, welche die Beklagte der Klägerin möglicherweise zu erstatten hätte, stünde der Klägerin auch bei dieser Sachverhaltsgestaltung ein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens nicht zu.