1. Grund­sätz­lich muss der Käu­fer dar­le­gen und be­wei­sen, dass ein Scha­den, der erst nach Ge­fahr­über­gang ein­ge­tre­ten ist („Haupt­man­gel“), auf ei­nem schon bei Ge­fahr­über­gang vor­han­de­nen „Grund­man­gel“ be­ruht. Sind meh­re­re Scha­den­sur­sa­chen mög­lich, ge­nügt der Käu­fer sei­ner Dar­le­gungs- und Be­weis­last, wenn je­de ein­zel­ne Ur­sa­che ei­ne ver­trags­wid­ri­ge Be­schaf­fen­heit der Kauf­sa­che dar­stellt und bei Über­ga­be be­reits vor­ge­le­gen ha­ben könn­te. Dass sich nicht auf­klä­ren lässt, wel­cher Grund­man­gel tat­säch­lich ur­säch­lich für den Haupt­man­gel ge­wor­den ist, ist dann un­er­heb­lich.
  2. Bei ei­nem Pkw der ge­ho­be­nen Mit­tel­klas­se (hier: Vol­vo C70 2.0 T Ca­brio) ist ei­ne vor­aus­sicht­li­che Ge­samt­fahr­leis­tung von 250.000 km an­zu­neh­men.

LG Köln, Ur­teil vom 27.06.2006 – 2 O 52/05

Sach­ver­halt: Der Klä­ger kauf­te am 08.06.2004 von der Be­klag­ten, ei­ner ge­werb­li­chen Kfz-Händ­le­rin, für sei­ne pri­va­te Nut­zung ei­nen Ge­braucht­wa­gen zum Preis von 23.400 €. Das Fahr­zeug wur­de dem Klä­ger am glei­chen Tag über­ge­ben. Zum Zeit­punkt der Über­ga­be wies es laut der ver­bind­li­chen Be­stel­lung des Klä­gers ei­ne Lauf­leis­tung von 35.000 km auf.

Am 28.08.2004 blieb der Klä­ger mit dem Fahr­zeug nach ei­nem Am­pel­stopp in Schwe­rin lie­gen und muss­te das Fahr­zeug, des­sen Ki­lo­me­ter­zäh­ler zu die­sem Zeit­punkt ei­nen Ki­lo­me­ter­stand von 43.538 an­zeig­te, ab­schlep­pen las­sen. Es wur­de zu der Fir­ma F in Schwe­rin ge­bracht. Die­se stell­te dem Klä­ger für das Ab­schlep­pen 174 € brut­to in Rech­nung.

Bei ei­ner Be­gut­ach­tung des Fahr­zeugs am 02.09.2004 wur­de ein De­fekt am Au­to­ma­tik­ge­trie­be fest­ge­stellt; ei­ne Re­pa­ra­tur des Au­to­ma­tik­ge­trie­bes er­wies sich als nicht mög­lich. Die Kos­ten für ei­nen Er­satz des Au­to­ma­tik­ge­trie­bes wur­den mit 4.641,16 € brut­to ver­an­schlagt.

Der Klä­ger in­for­mier­te die Be­klag­te über den Ge­trie­be­scha­den und for­der­te sie te­le­fo­nisch auf, ihn zu be­he­ben. In dem Te­le­fon­ge­spräch er­klär­te die Be­klag­te sich be­reit, ein Aus­tausch­ge­trie­be zu be­schaf­fen. Ei­ne kos­ten­lo­se Re­pa­ra­tur lehn­te sie je­doch ab; au­ßer­dem wies sie den Klä­ger dar­auf hin, dass sie nicht be­reit sei, die Kos­ten für die Rück­füh­rung des Fahr­zeugs nach Köln zu über­neh­men.

Mit Schrei­ben vom 27.09.2004 for­der­te der Klä­ger die Be­klag­te auf, ih­re Ein­stands­pflicht an­zu­er­ken­nen und das Fahr­zeug im Rah­men ih­rer Sach­män­gel­haf­tung zu re­pa­rie­ren. Dar­auf­hin mel­de­te sich der Rechts­an­walt der Be­klag­ten bei dem Klä­ger und bot an, dass die Be­klag­te das Fahr­zeug zum Selbst­kos­ten­preis in­stand set­zen kön­ne, wo­bei der Klä­ger die Kos­ten für Er­satz­tei­le und für die Rück­füh­rung des Fahr­zeugs nach Köln so­wie den Wert­ver­lust des Fahr­zeugs selbst zu tra­gen ha­be.

Mit Schrei­ben vom 13.10.2004 for­der­te der Klä­ger die Be­klag­te er­neut auf, ih­re Ein­stands­pflicht an­zu­er­ken­nen. Nach­dem er auf die­ses Schrei­ben kei­ne Ant­wort er­hal­ten hat­te, er­klär­te er mit Schrei­ben vom 01.11.2004 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und for­der­te die Be­klag­te gleich­zei­tig auf, ihm bis zum 08.11.2004 den Kauf­preis Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs zu er­stat­ten. Auf die­ses Schrei­ben re­agier­te die Be­klag­te eben­falls nicht.

Der Klä­ger be­haup­tet, dass es sich bei dem Ge­trie­be­scha­den um ei­nen Ent­wick­lungs­scha­den han­de­le, des­sen Ur­sa­chen be­reits im Zeit­punkt der Über­ga­be des Fahr­zeugs vor­ge­le­gen hät­ten. Bei ei­nem Au­to­ma­tik­ge­trie­be könn­ten Be­die­nungs­feh­ler als Ur­sa­che des Ge­trie­be­scha­dens aus­ge­schlos­sen wer­den. Ei­ne über­mä­ßi­ge Be­an­spru­chung des Ge­trie­bes auf­grund der Fahr­wei­se des Klä­gers oder ei­nes Öl­man­gels kä­me eben­falls nicht in Be­tracht. Der Öl­stand des Au­to­ma­tik­ge­trie­bes sei zum Scha­dens­zeit­punkt ord­nungs­ge­mäß ge­we­sen. Schließ­lich kön­ne der Ge­trie­be­scha­den auch nicht auf das Al­ter, die Lauf­leis­tung oder üb­li­chen Ver­schleiß des Fahr­zeugs zu­rück­zu­füh­ren sein.

Die Kla­ge hat­te zum größ­ten Teil Er­folg.

Aus den Grün­den: Dem Klä­ger steht ge­gen die Be­klag­te zu­nächst ein An­spruch auf Zah­lung von 22.432,32 € (23.400 € Kauf­preis ./. 967,68 € Ge­brauchs­vor­tei­le) Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be des Fahr­zeugs ge­mäß §§ 346 I, 348 BGB zu.

Der Klä­ger war ge­mäß §§ 433, 437 Nr. 2, 323 I BGB be­rech­tigt, von dem am 08.06.2004 mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag zu­rück­zu­tre­ten, weil das an ihn ver­kauf­te Ge­braucht­fahr­zeug zum Zeit­punkt der Über­ga­be man­gel­haft war und die der Be­klag­ten zur Nach­er­fül­lung ge­setz­te Frist er­folg­los ab­ge­lau­fen ist.

Der hier in Re­de ste­hen­de Ge­trie­be­scha­den, der da­zu führ­te, dass das Fahr­zeug nach dem Am­pel­stopp nicht mehr an­fah­ren konn­te und ab­ge­schleppt wer­den muss­te, stellt ei­nen Sach­man­gel dar. Die­ser Ge­trie­be­scha­den in sei­ner end­gül­ti­gen Aus­prä­gung – Bruch ei­ner oder meh­re­rer Fe­dern der La­mel­len­kupp­lung – lag in­des im Zeit­punkt der Über­ga­be des Fahr­zeugs an den Klä­ger noch nicht vor, son­dern ist erst un­mit­tel­bar vor dem Lie­gen­blei­ben des Fahr­zeugs am 28.08.2004 ent­stan­den, wie der Sach­ver­stän­di­ge über­zeu­gend aus­ge­führt hat.

Al­ler­dings steht zur Über­zeu­gung der Kam­mer auch fest, dass die Ur­sa­chen, die zum Bruch der Fe­dern ge­führt ha­ben, be­reits im Zeit­punkt der Über­ga­be vor­ge­le­gen ha­ben müs­sen. Es ist grund­sätz­lich Sa­che des Käu­fers, die Man­gel­haf­tig­keit der Kauf­sa­che dar­zu­le­gen und nach­zu­wei­sen (BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VI­II ZR 43/05, NJW 2006, 434; Urt. v. 14.09.2005 – VI­II ZR 363/04, NJW 2005, 3490; Urt. v. 02.06.2004 – VI­II ZR 329/03, NJW 2004, 2299). Der Käu­fer trägt auch die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für ei­nen Grund­man­gel, wenn der Haupt­man­gel erst nach Ge­fahr­über­gang ent­stan­den ist. Sind meh­re­re Scha­den­sur­sa­chen mög­lich, ge­nügt der Käu­fer sei­ner Dar­le­gungs- und Be­weis­pflicht, wenn je­de ein­zel­ne Ur­sa­che ei­ne ver­trags­wid­ri­ge Be­schaf­fen­heit dar­stellt und sie bei Über­ga­be be­reits vor­ge­le­gen ha­ben könn­te. Die Un­auf­klär­bar­keit der Fra­ge, wel­cher Feh­ler tat­säch­lich ur­säch­lich für den Haupt­man­gel ge­wor­den ist, ist dann un­er­heb­lich (BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VI­II ZR 43/05, NJW 2006, 434).

Nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me steht zur Über­zeu­gung des Ge­richts fest, dass die Ur­sa­che für den Ge­trie­be­scha­den, die ih­rer­seits eben­falls ei­ne ver­trags­wid­ri­ge Be­schaf­fen­heit des Fahr­zeugs dar­stellt, be­reits zum Zeit­punkt der Über­ga­be an den Klä­ger vor­han­den war.

Laut Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten kom­men für den Bruch der Fe­dern der La­mel­len­kupp­lun­gen nur zwei mög­li­che Ur­sa­chen in Be­tracht. Ers­tens kann der Bruch der Fe­dern auf vor­han­de­ne Fer­ti­gungs- bzw. Ma­te­ri­al­feh­ler zu­rück­zu­füh­ren sein, oder zwei­tens kön­nen die Fe­dern auf­grund vor­zei­ti­ger Ma­te­ri­al­er­mü­dung ge­bro­chen sein. Da­ne­ben ist auch ein Zu­sam­men­tref­fen bei­der Ur­sa­chen mög­lich. Der Um­stand, dass nicht mehr zu klä­ren ist, auf wel­cher ge­nau­en Ur­sa­che der Ge­trie­be­scha­den be­ruht, ist hier un­be­acht­lich. Soll­te der Bruch der Fe­dern der La­mel­len­kupp­lun­gen auf Fer­ti­gungs- oder Ma­te­ri­al­feh­lern be­ru­hen, han­delt es sich hier­bei um ei­ne ver­trags­wid­ri­ge Be­schaf­fen­heit des Fahr­zeugs, wel­che schon im Zeit­punkt der Fer­ti­gung des Fahr­zeugs, mit­hin auch im Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs, vor­han­den war. Im Fal­le der vor­zei­ti­gen Ma­te­ri­al­er­mü­dung als Ur­sa­che für den Bruch der Fe­dern der La­mel­len­kupp­lung bzw. im Fal­le ei­ner Kom­bi­na­ti­on bei­der Ur­sa­chen greift im Hin­blick auf das Vor­lie­gen des Sach­man­gels im Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs die Ver­mu­tung des § 476 BGB.

Die Ver­mu­tung, dass die Ur­sa­che für den Ge­trie­be­scha­den schon bei der Über­ga­be des Fahr­zeugs an den Klä­ger vor­han­den war, ist so­wohl mit der Art der Sa­che als auch mit der Art des Man­gels ver­ein­bar. Ins­be­son­de­re gilt die Ver­mu­tung des § 476 BGB grund­sätz­lich auch beim Kauf von Ge­braucht­fahr­zeu­gen (BGH, Urt. v. 14.09.2005 – VI­II ZR 363/04, NJW 2005, 3490; OLG Köln, Urt. v. 11.11.2003 – 22 U 88/03, DAR 2004, 91; OLG Cel­le, Urt. v. 04.08.2004 – 7 U 30/04, NJW 2004, 3566; KG, Urt. v. 16.07.2004 – 25 U 17/04 , ZGS 2005, 76; S. Lo­renz, NJW 2004, 3020 [3021]; Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 9. Aufl. [2005], Rn. 1307).

Dem Ein­grei­fen der Ver­mu­tungs­wir­kung ge­mäß § 476 BGB steht auch nicht ent­ge­gen, dass sich die Be­schä­di­gun­gen an dem Au­to­ma­tik­ge­trie­be in­ner­halb ei­nes kur­zen Zeit­raums aus­ge­bil­det ha­ben und der Klä­ger mit dem Fahr­zeug seit Über­ga­be über 8.000 km zu­rück­ge­legt hat.

Die An­wen­dung der Ver­mu­tung ist nicht da­durch aus­ge­schlos­sen, dass es sich um ei­nen Man­gel han­delt, der ty­pi­scher­wei­se je­der­zeit auf­tre­ten kann und der für sich ge­nom­men kei­nen hin­rei­chend wahr­schein­li­chen Rück­schluss auf sein Vor­lie­gen schon zum Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs zu­lässt (BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VI­II ZR 49/05, BB 2006, 686; Urt. v. 14.09.2005 – VI­II ZR 363/04, NJW 2005, 3490; zu­stim­mend Witt, NJW 2005, 3468 [469]). Schon der Wort­laut der Vor­schrift lässt er­ken­nen, dass die Ver­mu­tung im Re­gel­fall zu­guns­ten des Käu­fers ein­grei­fen und nur aus­nahms­wei­se we­gen der Art der Sa­che oder des Man­gels aus­ge­schlos­sen sein soll. Mit dem Re­gel-Aus­nah­me-Ver­hält­nis wä­re es aber nicht zu ver­ein­ba­ren, die Ver­mu­tung im­mer schon dann schei­tern zu las­sen, wenn es um ei­nen Man­gel geht, der je­der­zeit auf­tre­ten kann, und es des­halb an ei­ner hin­rei­chen­den Wahr­schein­lich­keit da­für fehlt, dass er be­reits bei Ge­fahr­über­gang vor­han­den war (BGH, Urt. v. 14.09.2005 – VI­II ZR 363/04, NJW 2005, 3490). Die Ver­mu­tungs­re­ge­lung wä­re dann näm­lich re­gel­mä­ßig in den Fäl­len aus­ge­schlos­sen, in de­nen der Ent­ste­hungs­zeit­punkt des Man­gels nicht zu­ver­läs­sig fest­ge­stellt wer­den kann. Durch ei­ne der­ar­ti­ge Ein­engung der Be­weis­last­um­kehr wür­de der mit der Re­ge­lung in­ten­dier­te Ver­brau­cher­schutz weit­ge­hend ins Lee­re lau­fen (BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VI­II ZR 49/05; Urt. v. 14.09.2005 – VI­II ZR 363/04, NJW 2005, 3490).

Dies gilt um­so mehr, als Ma­te­ri­al­er­mü­dung ein schlei­chen­der Pro­zess ist. Ma­te­ri­al­er­mü­dung ist ein „durch häu­fig wie­der­hol­te Be­an­spru­chung, un­ter an­de­rem durch pe­ri­odi­sche Dau­er­be­an­spru­chung (z. B. Vi­bra­tio­nen) be­wirk­tes lang­sa­mes Nach­las­sen der Dehn­bar­keit und Wi­der­stands­fä­hig­keit von (me­tal­li­schen) Werk­stof­fen in­fol­ge mi­kro­plas­ti­scher Form­än­de­run­gen und da­durch be­wirk­ter Bil­dung von mi­kro­sko­pisch fei­nen Ris­sen; die­se wach­sen all­mäh­lich und füh­ren schließ­lich bei ei­ner Be­las­tung, die un­ter der bei Kurz­zeit­prü­fun­gen er­mit­tel­ten Fes­tig­keit liegt, zum Er­mü­dungs­bruch“ (Brock­haus En­zy­klo­pä­die, 19. Aufl. [1988], un­ter „Er­mü­dung“). Ge­ra­de bei sol­chen schlei­chen­den Pro­zes­sen hat § 476 BGB sei­ne Be­rech­ti­gung.

Die Ma­te­ri­al­er­mü­dung stellt – ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten – auch kei­nen ge­wöhn­li­chen Ver­schleiß, son­dern ei­ne ver­trags­wid­ri­ge Be­schaf­fen­heit dar. Dem Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten ist zu ent­neh­men, dass mo­der­ne Au­to­ma­tik­ge­trie­be nach all­ge­mei­ner Er­fah­rung bei re­gel­mä­ßi­ger War­tung ei­ne Lauf­leis­tung von 200.000–300.000 km er­rei­chen. Zum Zeit­punkt des Ge­trie­be­scha­dens wies das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug erst ei­ne Lauf­leis­tung von 43.538 km auf.

Wei­te­re als die im Gut­ach­ten ge­nann­ten Ur­sa­chen kom­men nicht in Be­tracht. Of­fen­sicht­lich aus­ge­schlos­sen sind Be­dien- oder Fahr­feh­ler des Klä­gers, weil die­ser die Schalt­vor­gän­ge bei ei­nem Au­to­ma­tik­ge­trie­be nicht di­rekt be­ein­flus­sen kann. Auch ein zu ge­rin­ger Öl­stand kann aus­ge­schlos­sen wer­den, denn der Öl­stand ent­sprach der Norm.

Auch die üb­ri­gen Vor­aus­set­zun­gen der Aus­übung des Rück­tritts­rechts sind er­füllt. Die der Be­klag­ten vom Klä­ger ge­mäß § 323 I 1 BGB zu set­zen­de Frist zur Nach­er­fül­lung ist er­folg­los ab­ge­lau­fen. Der Klä­ger hat die Be­klag­te ab Sep­tem­ber 2004 mehr­mals zum Aus­tausch des de­fek­ten Au­to­ma­tik­ge­trie­bes auf­ge­for­dert. Die Be­klag­te hat die Nach­er­fül­lung nur un­ter der Be­din­gung an­ge­bo­ten, dass der Klä­ger die zum Zwe­cke der Nach­er­fül­lung er­for­der­li­chen Trans­port- und Ar­beits­kos­ten trägt. Ge­mäß § 439 II BGB sind die­se aber vom Ver­käu­fer zu tra­gen. Ob in dem Ver­hal­ten der Be­klag­ten ei­ne ernst­haf­te und end­gül­ti­ge Leis­tungs­ver­wei­ge­rung i. S. von § 323 II Nr. 1 BGB zu se­hen ist, kann da­hin­ste­hen, da der Klä­ger die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 13.10.2004 un­ter Frist­set­zung bis zum 20.10.2004 auf­ge­for­dert hat, ih­re Scha­dens­e­in­stands­pflicht an­zu­er­ken­nen. An­ge­sichts der er­folg­lo­sen Ver­hand­lun­gen seit An­fang Sep­tem­ber ist ei­ne Frist von sie­ben Ta­gen an­ge­mes­sen. Die­se Frist ist er­geb­nis­los ab­ge­lau­fen, denn die Be­klag­te hat auf das Schrei­ben vom 13.10.2004 nicht re­agiert. Die nach § 349 BGB er­for­der­li­che Rück­tritts­er­klä­rung ist durch das Schrei­ben des Klä­gers vom 01.11.2004 er­folgt.

Dem Klä­ger sind auf­grund der Nut­zung des Fahr­zeugs Ge­brauchs­vor­tei­le in Hö­he von 967,68 € ent­stan­den. Nach § 346 I BGB sind im Fal­le des Rück­tritts die „ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen“ her­aus­zu­ge­ben. Hier­zu ge­hö­ren die Vor­tei­le, die ihm aus dem Ge­brauch, der Sa­che er­wach­sen sind. Der Wert der durch den Ge­brauch ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen un­ter­liegt der rich­ter­li­chen Schät­zung gem. § 287 ZPO ana­log (Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 1455). An­ders als bei der Rück­ab­wick­lung von Neu­wa­gen­käu­fen ist bei der Be­rech­nung der Ge­brauchs­vor­tei­le beim Ge­braucht­wa­gen­kauf auf den kon­kre­ten Ge­braucht­wa­gen­preis und die vor­aus­sicht­li­che Rest­fahr­leis­tung ab­zu­stel­len.

Aus­gangs­punkt für die Er­mitt­lung und ers­ter An­halts­punkt für die Schät­zung nach § 287 ZPO ana­log ist der ver­ein­bar­te Brut­to­kauf­preis in Hö­he von 23.400 €. Die un­ter den Par­tei­en strei­ti­ge vor­aus­sicht­li­che Ge­samt­fahr­leis­tung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs ist nicht be­weis­be­dürf­tig, son­dern im We­ge der rich­ter­li­chen Schät­zung nach § 287 ZPO ana­log zu be­stim­men. Bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ist von ei­ner vor­aus­sicht­li­chen Ge­samt­fahr­leis­tung von 250.000 km aus­zu­ge­hen. Bei dem Fahr­zeug der Mar­ke Vol­vo mit ei­nem Ot­to­mo­tor mit ei­ner Leis­tung von 120 kW han­delt es sich um ein Fahr­zeug der ge­ho­be­nen Mit­tel­klas­se. Per­so­nen­kraft­wa­gen der mitt­le­ren und ge­ho­be­nen Klas­se er­rei­chen auf­grund des ho­hen Qua­li­täts­stan­dards heut­zu­ta­ge Ge­samt­fahr­leis­tun­gen von 200.000–300.000 km (Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 466). We­gen der Be­son­der­hei­ten bei der Nut­zung ei­nes Ca­brio­lets ist hier ein Wert im mitt­le­ren Be­reich der üb­li­chen Ki­lo­me­ter­span­ne für Wa­gen der mitt­le­ren und ge­ho­be­nen Klas­se an­ge­mes­sen. Zwar han­delt es sich bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug um ein Ca­brio­let, wel­ches mit ei­nem re­la­tiv klein­hu­bi­gen Zwei-Li­ter-Mo­tor aus­ge­stat­tet ist, der durch ei­nen Tur­bo­la­der zu­sätz­lich be­an­sprucht ist, was für ei­ne ge­rin­ge­re Ge­samt­lauf­leis­tung spricht, doch muss an­de­rer­seits den Be­son­der­hei­ten ei­nes Ca­brio­lets Rech­nung ge­tra­gen wer­den. Be­zugs­punkt für die Schät­zung der zu er­war­ten­den Ge­samt­fahr­leis­tung ist das Fahr­zeug in sei­ner Ge­samt­heit (Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 1456). Bei Fahr­ten mit of­fe­nem Ver­deck steht die Er­zie­lung von Höchst­ge­schwin­dig­kei­ten und da­mit die be­son­de­re Be­an­spru­chung des Mo­tors re­gel­mä­ßig nicht im Vor­der­grund der Nut­zung. Auf­grund der nicht ver­schlos­se­nen Ka­ros­se­rie kommt es auch bei ge­schlos­se­nem Ver­deck zu ei­ner er­heb­li­chen Lärm­be­las­tung bei zu­neh­men­der Ge­schwin­dig­keit, so­dass der Fah­rer auch bei die­sen Fahr­ten Höchst­ge­schwin­dig­kei­ten eher ver­mei­den wird.

Vom Zeit­punkt der Über­ga­be des Fahr­zeugs bis zu sei­nem Lie­gen­blei­ben hat der Klä­ger ei­ne Stre­cke von 8.538 km zu­rück­ge­legt. Un­ter Be­rück­sich­ti­gung des zwi­schen den Par­tei­en un­strei­ti­gen Ki­lo­me­ter­stands bei Über­ga­be des Fahr­zeugs von 35.000 km folgt hier­aus ei­ne zu er­war­ten­de Rest­lauf­leis­tung von 206.462 km. Nach der Me­tho­de der li­nea­ren Wert­schwund­be­rech­nung (vgl. Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 1455) er­ge­ben sich Ge­brauchs­vor­tei­le in Hö­he von ([23.400 € × 8.538 km] : 206.462 km =) 967,69 €.

Dem Klä­ger steht zu­dem ge­gen die Be­klag­te ein An­spruch auf Scha­dens­er­satz in Hö­he von 174 € ge­mäß §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB we­gen ei­nes Man­gel­fol­ge­scha­dens zu. Dem An­spruch auf Er­satz der Ab­schlepp­kos­ten steht nicht ent­ge­gen, dass der Klä­ger der Be­klag­ten in­so­weit kei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung ge­setzt hat, da die Frist­set­zung bei ei­nem Man­gel­fol­ge­scha­den ent­behr­lich ist.

Die Be­klag­te be­fin­det sich seit dem 09.11.2004 in An­nah­me­ver­zug ge­mäß § 293 BGB. Mit Schrei­ben vom 01.11.2004 er­klär­te der Klä­ger den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und for­der­te die Be­klag­te gleich­zei­tig un­ter Frist­set­zung bis zum 08.11.2004 auf, den Kauf­preis Zug um Zug ge­gen Über­ga­be des Fahr­zeugs zu er­stat­ten, wor­auf die Be­klag­te nicht re­agier­te. Ei­ne aus­drück­li­che Ver­wei­ge­rung der Leis­tung durch den Gläu­bi­ger ist nicht er­for­der­lich, blo­ßes Nicht­an­bie­ten ge­nügt (Pa­landt/Hein­richs, BGB, 64. Aufl. [2005], § 298, Rn. 2) …

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