1. Die Ver­mu­tungs­re­gel des § 476 BGB fin­det grund­sätz­lich auch beim Kauf ge­brauch­ter Sa­chen An­wen­dung, wenn­gleich die Ver­mu­tung we­gen „der Art des Man­gels“ viel­fach nicht ein­grei­fen wird.
  2. Da § 476 BGB ei­ne ge­setz­li­che Ver­mu­tung auf­stellt, reicht es nicht aus, dass der Ver­käu­fer die­se er­schüt­tert. Er muss viel­mehr nach § 292 ZPO den vol­len Be­weis des Ge­gen­teils er­brin­gen.

OLG Cel­le, Ur­teil vom 04.08.2004 – 7 U 30/04

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ver­langt von der be­klag­ten Ge­braucht­wa­gen­händ­le­rin die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses für ei­nen ge­brauch­ten Pkw Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs.

Die Par­tei­en schlos­sen am 22.10.2002 ei­nen Kauf­ver­trag über ei­nen ge­brauch­ten Opel Vec­tra zu ei­nem Preis von 6.600 €. Das Fahr­zeug war erst­mals am 04.02.1997 zu­ge­las­sen wor­den und wies bei Ver­trags­schluss ei­ne Lauf­leis­tung von 11.3000 km auf. Am 23.10.2002 ließ die Be­klag­te das Fahr­zeug ei­ner (tech­ni­schen) DE­KRA-Über­prü­fung un­ter­zie­hen. Aus­weis­lich des Prüf­pro­to­kolls, das dem Klä­ger am 25.10.2002 aus­ge­hän­digt wur­de, wies der Wa­gen kei­ne sei­ne Si­cher­heit be­ein­träch­ti­gen­den Män­gel auf. Ein Lack­scha­den auf dem Kof­fer­raum­de­ckel war so­wohl Ge­gen­stand des Pro­to­kolls als auch des Ver­kaufs­ge­sprächs. Die Be­klag­te über­gab das Fahr­zeug dem Klä­ger am 25.10.2002. Kurz dar­auf ließ der Klä­ger den Pkw un­ter Hin­weis auf ei­ni­ge Män­gel bei der Be­klag­ten vor­stel­len, die dar­auf­hin in ei­nem Nach­bes­se­rungs­ter­min Män­gel be­sei­tig­te. Nach Ab­ho­lung des Fahr­zeugs mo­nier­te der Klä­ger, dass nicht al­le Män­gel be­sei­tigt wor­den sei­en, und be­haup­te­te das Vor­lie­gen wei­te­rer Män­gel. Er for­der­te die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 27.11.2002 un­ter Frist­set­zung bis zum 05.12.2002 und un­ter An­ga­be der Män­gel zur Män­gel­be­sei­ti­gung auf. Die Be­klag­te bat den Klä­ger mit Schrei­ben vom 04.12.2002 um Vor­füh­rung des Fahr­zeugs. Das Schrei­ben ging dem Klä­ger am 06.12.2002 zu. Die­ser er­klär­te mit Schrei­ben vom 09.12.2002 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Die Be­ru­fung des Klä­gers blieb über­wie­gend oh­ne Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … 2. Der Haupt­an­trag des Klä­gers ist un­be­grün­det.

a) Der Klä­ger kann die Be­klag­te nicht auf­grund des von ihm er­klär­ten Rück­tritts ge­mäß §§ 346 ff. BGB auf Rück­ab­wick­lung des zwi­schen den Par­tei­en zu­stan­de ge­kom­me­nen Kauf­ver­trags über den ge­brauch­ten Pkw Opel Vec­tra in An­spruch neh­men. Denn die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Rück­tritt vom Kauf­ver­trag nach § 437 Nr. 2 BGB sind nicht ge­ge­ben.

aa) Zwar weist das Fahr­zeug Sach­män­gel i. S. des § 434 BGB und nicht le­dig­lich nor­ma­le Ver­schleiß- und Ab­nut­zungs­er­schei­nun­gen auf, wel­che kei­ne Feh­ler der Kauf­sa­che sind. Wäh­rend es sich nach der zu­tref­fen­den Ein­schät­zung des Sach­ver­stän­di­gen S bei dem de­fek­ten Aus­puff, dem un­dich­ten Stoß­dämp­fer so­wie der be­schä­dig­ten Dich­tung der Bei­fah­rer­tür um Ver­schleiß­er­schei­nun­gen han­delt, stel­len die un­zu­läs­si­ge Be­rei­fung, die un­fach­ge­mä­ße Ver­schwei­ßung am vor­de­ren Ab­gas­rohr so­wie der mil­chi­ge rech­te Schein­wer­fer Sach­män­gel dar.

Auf­grund der Ver­mu­tung des § 476 BGB muss da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die­se Män­gel be­reits bei Ge­fahr­über­gang (§ 446 BGB) vor­ge­le­gen ha­ben, nach­dem der Klä­ger be­reits ei­nen Mo­nat nach Über­ga­be des Fahr­zeugs die­se Feh­ler, de­ren Vor­han­den­sein der Sach­ver­stän­di­ge S be­stä­tigt hat, ge­rügt hat.

Nach § 476 BGB wird ver­mu­tet, dass die Sa­che be­reits bei Ge­fahr­über­gang man­gel­haft war, es sei denn, die­se Ver­mu­tung ist mit der Art der Sa­che oder des Man­gels un­ver­ein­bar. Die­se Re­ge­lung fin­det nach all­ge­mei­ner An­sicht auch auf ge­brauch­te Sa­chen An­wen­dung (Pa­landt/Putzo, BGB, 62. Aufl., § 476 Rn. 3), wo­bei al­ler­dings die Ver­mu­tungs­wir­kung des § 476 BGB we­gen „der Art des Man­gels“ viel­fach nicht ein­grei­fen wird. Dies ist hier be­züg­lich der von dem Sach­ver­stän­di­gen fest­ge­stell­ten wei­te­ren Män­gel, näm­lich der her­vor­ste­hen­den Stoß­leis­ten und des ab­ste­hen­den Stoß­fän­gers der Fall. Denn die­se Feh­ler sind, wie den von dem Sach­ver­stän­di­gen ge­fer­tig­ten Fo­tos zu ent­neh­men ist, der­art of­fen­kun­dig, dass sie, wenn sie be­reits bei der Über­ga­be des Fahr­zeugs am 25.10.2002 vor­han­den ge­we­sen wä­ren, dem Klä­ger an­läss­lich der Er­stel­lung sei­ner Män­gel­lis­te vom 30.10.2002 zwangs­läu­fig hät­ten auf­fal­len müs­sen.

Da­ge­gen bleibt es bei den vor­be­zeich­ne­ten drei wei­te­ren Män­geln (Be­rei­fung, Ab­gas­rohr, Schein­wer­fer) bei der Ver­mu­tung des § 476 BGB. Denn der Be­klag­ten ist es nicht ge­lun­gen, die­se zu wi­der­le­gen. Hier­für ist, da es um ei­ne ge­setz­li­che Ver­mu­tung geht, nicht aus­rei­chend, dass der Ver­käu­fer die­se er­schüt­tert. Er muss ge­mäß § 292 ZPO viel­mehr den vol­len Be­weis des Ge­gen­teils er­brin­gen. Den Ge­gen­be­weis ver­moch­te die Be­klag­te mit der Aus­sa­ge des Zeu­gen Z nicht zu füh­ren. Der Zeu­ge hat­te, wie er ein­räu­men muss­te, kei­ne Er­in­ne­rung mehr an das Fahr­zeug. Er hat zwar wei­ter an­ge­ge­ben, dass er die Män­gel, wenn sie vor­ge­le­gen hät­ten, bei der Über­prü­fung des Wa­gens auch wahr­ge­nom­men und in sei­nen Be­richt mit auf­ge­nom­men hät­te. Dies schließt aber nicht aus, dass dem Zeu­gen die Män­gel ent­gan­gen sind. Hin­zu kommt, be­zo­gen auf die Be­rei­fung und die ge­schweiß­te Um­man­te­lung des vor­de­ren Ab­gas­rohrs, dass die Zeu­gin K aus­ge­sagt hat, dass sie aus­schlie­ßen kann, dass an dem Fahr­zeug ein Rei­fen­wech­sel oder Schweiß­ar­bei­ten durch­ge­führt wor­den sind. Da­nach ver­blei­ben Zwei­fel an der Rich­tig­keit und Voll­stän­dig­keit des Prüf­be­richts des Zeu­gen Z, was zu­las­ten der Be­klag­ten geht.

Dar­über hin­aus be­fin­det sich ein Lack­scha­den auf dem Kof­fer­raum­de­ckel des Fahr­zeugs, der un­strei­tig be­reits bei Ver­trags­ab­schluss vor­han­den war und des­sen Be­sei­ti­gung die Be­klag­te zu­ge­sagt hat­te. Da die­ser bei Über­ga­be des Wa­gens wei­ter­hin vor­lag, ist, da der Pkw in­so­weit nicht die ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit auf­weist, eben­falls ein Sach­man­gel i. S. des § 434 BGB ge­ge­ben. Dass die­ser Lack­scha­den, wie die Be­klag­te vor­trägt, kei­ne Aus­wir­kung auf die Ge­brauchs­taug­lich­keit hat, ist un­er­heb­lich, nach­dem sie ver­trag­lich die Be­sei­ti­gung die­ses Scha­dens über­nom­men hat­te. Ent­ge­gen der An­sicht des Klä­gers fin­det auch dies­be­züg­lich Kauf­ver­trags­recht An­wen­dung. Nach § 433 I 2 BGB hat der Ver­käu­fer dem Käu­fer die Sa­che frei von Sach- und Rechts­män­geln zu ver­schaf­fen. Mit der Über­nah­me der Be­sei­ti­gung des Lack­scha­dens ist die Be­klag­te kei­ne über § 433 I 2 BGB hin­aus­ge­hen­de Ver­pflich­tung ein­ge­gan­gen, zu­mal mit der Aus­bes­se­rung der klei­nen Lack­stel­le nur ei­ne als ge­ring ein­zu­stu­fen­de hand­werk­li­che Ar­beits­leis­tung ver­bun­den ist.

bb) Trotz der vor­lie­gen­den Män­gel ist es dem Klä­ger ver­wehrt, auf­grund sei­ner Rück­tritts­er­klä­rung vom 09.12.2002 die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags zu ver­lan­gen. Denn es fehlt an dem er­folg­lo­sen Ab­lauf ei­ner dem Ver­käu­fer vom Käu­fer ge­setz­ten an­ge­mes­se­nen Frist zur Nach­er­fül­lung (§ 437 Nr. 2 BGB i. V. mit § 323 I BGB).

Der Käu­fer, der we­gen ei­nes Man­gels vom Kauf­ver­trag zu­rück­tre­ten will, ist ge­hal­ten, dem Ver­käu­fer vor Aus­spruch des Rück­tritts ei­ne Frist zur Nach­bes­se­rung ein­zu­räu­men. Dies ist hier nicht der Fall. Der Klä­ger hat den Rück­tritt schon vor Ab­lauf ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist er­klärt, so­dass die­ser kei­ne Wir­kung ent­fal­ten konn­te.

Mit Schrei­ben vom 27.11.2002 hat der Klä­ger die Be­klag­te zwar un­ter Frist­set­zung bis zum 05.12 2002 auf­ge­for­dert, die vor­be­zeich­ne­ten Män­gel zu be­sei­ti­gen. Die Be­klag­te hat es auch un­ter­las­sen, in­ner­halb der ihr ge­setz­ten Frist tä­tig zu wer­den; ihr Ant­wort­schrei­ben vom 04.12.2002 ist erst am 06.12.2002 bei dem Klä­ger ein­ge­gan­gen. Die Frist ist in­des un­ter Be­rück­sich­ti­gung des ent­hal­te­nen Wo­chen­en­des vor dem Hin­ter­grund, dass die un­zu­läs­si­ge Be­rei­fung und die un­fach­ge­mä­ße Ver­schwei­ßung am vor­de­ren Ab­gas­rohr erst­mals mit Schrei­ben vom 27.11.2002 ge­rügt wor­den sind, und dass zu­dem, wor­auf der Klä­ger in sei­nem Schrei­ben selbst hin­ge­wie­sen hat, ein Ter­min über die Vor­füh­rung des Wa­gens ver­ein­bart wer­den muss­te, zu kurz be­mes­sen ge­we­sen. Ei­ne zu kur­ze Frist ist zwar nicht wir­kungs­los, son­dern setzt ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist in Lauf. Die­se war hier bei Ein­gang des Ant­wort­schrei­bens der Be­klag­ten am 06.12.2002, in dem sie um ei­ne Vor­füh­rung des Wa­gens bat, noch nicht ab­ge­lau­fen, wo­bei das ge­naue Fris­ten­de da­hin­ste­hen kann. Denn der Klä­ger ist dem An­lie­gen der Be­klag­ten nicht nach­ge­kom­men, son­dern hat so­gleich mit Schrei­ben vom 09.12.2002 und da­mit ver­früht den Rück­tritt vom Ver­trag er­klärt.

Nach § 323 II Nr. 1 BGB ist ei­ne Frist­set­zung zwar ent­behr­lich, wenn der Schuld­ner die Leis­tung ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert hat. An ihr Vor­lie­gen wer­den aber stren­ge An­for­de­run­gen ge­stellt. Hier­für ist nicht aus­rei­chend, dass die Be­klag­te trotz ih­rer Zu­sa­ge den Lack­scha­den nicht be­sei­ti­gen ließ, wo­zu sie nach Über­ga­be des Wa­gens oh­ne­hin erst durch das Schrei­ben vom 27.11.2002 auf­ge­for­dert wor­den ist. Glei­ches gilt für die un­ter­las­se­ne Re­pa­ra­tur des rech­ten Schein­wer­fers, auch wenn der Klä­ger die­sen Feh­ler nach sei­nem Vor­brin­gen in der Kla­ge­schrift schon vor sei­nem Schrei­ben vom 27.11.2002 münd­lich ge­rügt hat. Denn die Nicht­vor­nah­me von Nach­bes­se­rungs­ar­bei­ten kann al­lein nicht als end­gül­ti­ge Er­fül­lungs­ver­wei­ge­rung auf­ge­fasst wer­den. Dies gilt hier um­so mehr, als die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 04.12.2002 ei­ne Nach­er­fül­lung nicht ab­ge­lehnt hat, son­dern sich be­reit­er­klärt hat, den Wa­gen im Hin­blick auf die in dem Schrei­ben vom 27.11.2002 ge­rüg­ten Män­gel zu über­prü­fen. Auch das Ver­hal­ten der Be­klag­ten wäh­rend des Rechts­streits lässt nicht auf ei­ne end­gül­ti­ge Leis­tungs­ver­wei­ge­rung schlie­ßen. Ih­ren Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag hat die Be­klag­te vor­ran­gig da­mit be­grün­det, dass ihr die Mög­lich­keit ei­ner (wei­te­ren) Nach­bes­se­rung nicht ge­ge­ben wor­den sei. Dass die Be­klag­te, von dem Lack­scha­den ab­ge­se­hen, die von dem Klä­ger vor­ge­tra­ge­nen Män­gel zu­sätz­lich be­strit­ten hat, ist er­sicht­lich aus rein pro­zesstak­ti­schen Grün­den er­folgt. In der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat hat die Be­klag­te klar­ge­stellt, dass sie nach wie vor be­reit ist, vor­han­de­ne Män­gel am Fahr­zeug zu be­he­ben.

b) Steht dem Klä­ger nach al­le­dem le­dig­lich der vor­ran­gi­ge Nach­er­fül­lungs­an­spruch aus §§ 437 Nr. 1, 439 BGB zu (der von der Be­klag­ten so­fort nach An­trags­stel­lung an­er­kannt wor­den ist), kann er die Be­klag­te auch nicht ge­mäß § 437 Nr. 3 BGB i. V. mit §§ 280, 281 BGB auf Scha­dens­er­satz in An­spruch neh­men …

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