Die in § 476 BGB angeordnete Beweislastumkehr gilt grundsätzlich auch bei gebrauchten Sachen, insbesondere bei gebrauchten Kraftfahrzeugen.
OLG Köln, Urteil vom 11.11.2003 – 22 U 88/03
Sachverhalt: Der Kläger kaufte von dem Beklagten einen rund zehn Jahre alten Porsche, der schon einen Tag nach der Auslieferung einen Motorschaden erlitt. Grund für den Motorschaden war der Bruch einer Ventilfeder. Da der Beklagte eine Nacherfüllung ablehnte, erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und behauptete, zum Bruch der Ventilfeder sei es dadurch gekommen, dass schon bei der Übergabe des Fahrzeugs an ihn ein Anriss der Ventilfeder vorgelegen und sich dann ausgedehnt habe. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: I. … 1. Zu Recht hat das Landgericht der Zahlungsklage Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw Porsche … stattgegeben. Der Kläger war gemäß § 437 Nr. 2 BGB berechtigt, vom Vertrag zurücktreten, weil das an ihn verkaufte Gebrauchtfahrzeug mangelhaft war und der Beklagte eine Nacherfüllung verweigert hat.
a) Nach den – mit der Berufung nicht in Zweifel gezogenen – Feststellungen des Sachverständigen S war für den während der Besitzzeit des Klägers eingetretenen Motorschaden ursächlich ein sogenannter Dauerbruch der Ventilfeder eines Zylinder, d. h., es ist irgendwann zu einem Anriss der Ventilfeder gekommen, der sich beim weiteren Betrieb des Fahrzeugs ausgedehnt und schließlich zum vollständigen Bruch der Feder geführt hat. Der Dauerbruch der Ventilfeder ist kein verschleißbedingter – und bei einem Fahrzeug des betreffenden Typs unter Berücksichtigung des Alters von zehneinhalb Jahren und der Laufleistung von rund 122.000 km zu erwartender – Defekt und damit als Sachmangel i. S. des § 434 BGB zu werten. Der Sachverständige S hat insoweit ausgeführt, dass ein Federbruch insbesondere auch bei Porsche-Fahrzeugen ganz untypisch sei und normalerweise nie eintrete. Auch soweit der Sachverständige erläutert hat, ein solcher sehr seltener Schaden komme je eher vor, je mehr ein Fahrzeug mit hoher Drehzahl gefahren werde, kann ein Sachmangel im Rechtsinne angenommen werden, da der Kläger – mangels entgegenstehenden Hinweises des Beklagten auf die Fahrweise(n) der Vorbesitzer – von normaler Fahrweise ausgehen durfte und daher nur mit normalem Verschleiß, nicht aber mit dem Vorliegen eines Federanbruchs rechnen musste.
b) Gemäß § 476 BGB n.F. wird vermutet, dass der Anriss der Ventilfeder, der für den nur einen Tag nach Übergabe – und nach nur rund 700 gefahrenen Kilometern – eingetretenen Motorschaden ursächlich war, bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat. Diese Vermutung hat der Beklagte nicht widerlegt.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen könnten zwischen dem Anreißen und dem kompletten Abbruch Stunden, Tage aber auch Wochen gelegen haben. Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Anriss bereits vor Übergabe vorhanden war. Die gesetzliche Vermutung des § 476 BGB n.F. gilt grundsätzlich auch für gebrauchte Sachen (Palandt/Putzo, BGB, 62. Aufl., § 476 Rn. 4), insbesondere auch für gebrauchte Kraftfahrzeuge (Reinking, DAR, 2002, 15 [23]). Eine Beschränkung auf neu hergestellte Sachen würde der umzusetzenden EU-Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf eindeutig widersprechen (Reinking, DAR, 2002, 15 [23]). Die Vermutung ist vorliegend auch nicht mit der Art der Sache unvereinbar. Eine solche Unvereinbarkeit kann vor allem gebrauchte Sachen betreffen, bei denen die von vorneherein anzunehmende unterschiedliche Abnutzung zu berücksichtigen ist (vgl. Palandt/Putzo, a. a. O., Rn. 10; generell viel enger Reinking, DAR, 2002, 15 [23], der beim Gebrauchtwagen einen Ausschluss der Vermutung erst dann annimmt, wenn sich aufgrund technischer Gründe eindeutig sagen lässt, dass der Mangel bei Gefahrübergang nicht vorhanden gewesen sein kann). Im vorliegenden Fall ist der – bereits einen Tag nach Übergabe eingetretene – Motorschaden indes nicht auf einen – bei einem Gebrauchtwagen grundsätzlich in Betracht zu ziehenden – verschleißbedingten Defekt zurückzuführen, sondern beruht auf einem normalerweise auch bei einem Gebrauchtwagen mit dieser Laufleistung untypischen Bruch der Ventilfeder. Ein derart seltener Schaden steht der Anwendung der gesetzlichen Vermutung des § 476 BGB n.F. nicht entgegen.
Der Beklagte trägt daher die Beweislast dafür, dass die Ventilfeder bei Übergabe des Fahrzeugs noch nicht angerissen war. Diesen Beweis hat er nicht geführt, sodass der Gewährleistungsanspruch des Klägers durchgreift …