- Die Nutzungsentschädigung, die ein Kfz-Käufer dem Verkäufer bei der – hier: nach Bereicherungsrecht vorzunehmenden – Rückabwicklung des Kaufvertrags schuldet, ist bis zur Rückgewähr des Fahrzeugs bzw., wenn der Verkäufer mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug ist, bis zur Zwangsvollstreckung aus dem vom Käufer erstrittenen Zug-um-Zug-Titel zu berechnen. Dem muss das Gericht bei der Tenorierung, wenn also die Höhe der Nutzungsentschädigung noch nicht feststeht, dadurch Rechnung tragen, dass es die Nutzungsentschädigung nicht exakt beziffert, sondern lediglich ihre Berechnung vorgibt.
- Bei einer – hier wegen der Bagatellisierung eines erheblichen Unfallschadens erfolgten – Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist es Sache des Anfechtungsgegners (hier: des Kfz-Verkäufers) darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass der Anfechtende (hier: der Kfz-Käufer) bereits länger als ein Jahr vor Zugang seiner Anfechtungserklärung Kenntnis von der arglistigen Täuschung hatte.
LG Berlin, Urteil vom 20.12.2005 – 3 O 52/05
(nachfolgend: KG, Urteil vom 18.12.2006 – 2 U 13/06)
Sachverhalt: Die Klägerin begehrt von der Beklagten, einer VW-Vertragshändlerin, die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen gebrauchten Pkw VW Golf IV.
Dieses Fahrzeug, das seinerzeit eine Laufleistung von 44.079 km aufwies, erwarb die Klägerin von der Beklagten auf der Grundlage einer verbindlichen Bestellung vom 15.10.2001 zum Preis von 9.663,42 € (brutto). Der Pkw – ein ehemaliges Leasingfahrzeug – hatte vor der Besitzzeit der Klägerin einen erheblichen Unfallschaden erlitten. In einem Leasing-Rückgabeprotokoll der Volkswagen Leasing GmbH, das der Beklagten vorlag, als sie den VW Golf IV an die Klägerin verkaufte, wird die Schadenshöhe mit 9.901 DM (netto) angegeben. Der Verkaufsmitarbeiter V der Beklagten wies die Klägerin, die von B begleitet wurde, im Verkaufsgespräch darauf hin, dass der Pkw einen reparierten Vorschaden aufweise. Dies wurde auch im Bestellformular vermerkt.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 04.11.2004 focht die Klägerin gegenüber der Beklagten den mit dieser geschlossenen Kaufvertrag an. Eine Rückabwicklung dieses Vertrags lehnte die Beklagte ab.
Die Klägerin behauptet, sie habe erst im September 2004 von ihrem jetzigen Lebensgefährten erfahren, dass das streitgegenständliche Fahrzeug bei einem Unfall einen erheblichen Schaden erlitten haben könnte. V habe im Verkaufsgespräch hinsichtlich des Vorschadens geäußert, bei der Reparatur des Pkw habe nur die Stoßfängerverkleidung ausgetauscht werden müssen. Tatsächlich hätten die Reparaturkosten indes 9.901 DM netto betragen; die durchgeführten Arbeiten seien aus einer als Anlage K 2 vorgelegten Rechnung eines Autohauses ersichtlich. Der Vorbesitzer des VW Golf IV, Dr. N, habe die Beklagte über den Umfang des Unfallschadens zutreffend informiert. Seit dem Kauf des Pkw habe sie, die Klägerin für Erhaltungsmaßnahmen insgesamt 1.041,76 € aufgewendet.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von 7.226,35 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgewähr des streitgegenständlichen Fahrzeugs, in Anspruch genommen. Außerdem hat sie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begehrt.
Die Beklagte behauptet, der genaue Umfang des streitgegenständlichen Vorschadens sei ihr nicht bekannt gewesen; die Klägerin habe davon jedoch bereits vor September 2004 erfahren. Die von der Klägerin als Anlage K 2 vorgelegte Rechnung sei fingiert. V habe die Klägerin im Verkaufsgespräch darauf hingewiesen, dass der VW Golf IV einen erheblichen Unfallschaden erlitten habe.
Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg. Das Gericht hat die Beklagte insbesondere verurteilt, an die Klägerin – Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung eines VW Golf IV – 10.705,18 € zuzüglich Zinsen in gesetzlicher Höhe aus 9.663,42 € vom 15.10.2001 bis zum 13.11.2004 und aus 10.106 € seit dem 14.11.2004 und abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von mindestens 3.478,83 € zu zahlen, die sich wie folgt errechne und vorrangig auf die 10.705,18 € anzurechnen sei:
$${\frac{\text{(Kilometerstand lt. Tacho bei Pkw-Rückgabe − 44.079 km)}\times\text{72,48 €}}{\text{1.000 km}}}.$$
Aus den Gründen: Die zulässige Klage ist mit der Maßgabe begründet, dass das von der Klägerin an die Beklagte zu entrichtende und mit der Klageforderung zu verrechnende kilometerabhängige Nutzungsentgelt für den VW Golf IV erst im Zeitpunkt der Vollstreckung abschließend ermittelt werden kann, was bei der Tenorierung zu berücksichtigen ist. Soweit der Antrag der Klägerin so gefasst ist, dass das mit der Klageforderung zu verrechnende Nutzungsentgelt nicht „nach oben offen“ ist, ist die Klage abzuweisen.
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 10.705,18 € abzüglich eines Entgelts für die Nutzung des von ihr gekauften VW Golf IV und Zug um Zug gegen seine Rückgabe und Rückübereignung.
1. Der Anspruch auf Rückzahlung des von der Klägerin an die Beklagte gezahlten Kaufpreises von 9.663,42 € ergibt sich aus § 812 I 1 Fall 1 BGB.
a) Die Klägerin hat diese Leistung ohne Rechtsgrund erbracht, denn sie hat den zugrunde liegenden Kaufvertrag mit der Beklagten vom 15.12.2001 wirksam mit anwaltlichem Schreiben vom 04.11.2004 angefochten (§ 142 I BGB).
aa) Der bei dem Verkaufsgespräch für die Beklagte aufgetretene Zeuge V hat die Klägerin arglistig getäuscht (§ 123 I Fall 1 BGB).
Der von der Klägerin gekaufte VW Golf IV hatte unstreitig noch während der Leasingzeit einen erheblichen Unfallschaden erlitten, was der Beklagten vor dem Weiterverkauf an die Klägerin auch bekannt war. Dies räumt der Beklagtenvertreter auf Seite 3 seines Schriftsatzes vom 02.03.2005 und auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 27.04.2005 ausdrücklich ein. An der zuletzt genannten Stelle räumt der Beklagtenvertreter außerdem ausdrücklich ein, dass der Beklagten durch das Rückgabeprotokoll der Volkswagen Leasing GmbH auch die Höhe der Nettoreparaturkosten von 9.901 DM mitgeteilt worden war.
Ob die von der Klägerin vorgelegte Rechnung des Autohauses G (Anlage K 2), die sich genau auf diesen Betrag beläuft, „fingiert“ ist, wie der Beklagtenvertreter behauptet, kann dahinstehen. Entscheidend ist, dass sich die Parteien jedenfalls darüber einig sind, dass der Vorschaden des VW Golf IV „erheblich“ war und dass der Beklagten dies bekannt war.
Denn die Beklagte hat die Klägerin beim Verkaufsgespräch nicht über diesen erheblichen Unfallschaden aufgeklärt. Der für die Beklagte aufgetretene Zeuge V hat auf die Frage nach Vorschäden des Wagens nur geäußert, er habe einen Unfall im Frontbereich erlitten, daraufhin habe aber lediglich die Stoßfängerverkleidung ausgewechselt werden müssen. In seinem Schriftsatz vom 02.03.2005 räumt der Beklagtenvertreter auf Seite 2 unten ausdrücklich ein, dass durch eine solche Reparatur lediglich Kosten von 250 bis 300 € entstehen, ein dadurch beseitigter Schaden also nicht „erheblich“ ist.
Zwar behauptet die Beklagte, der Zeuge V habe die Klägerin darüber aufgeklärt, dass der VW Golf IV einen erheblichen Schaden erlitten habe; nach Abschluss der Beweisaufnahme ist das Gericht aber von der Richtigkeit des anderslautenden klägerischen Vortrags überzeugt.
Der Zeuge B hat detailliert und nachvollziehbar angegeben, dass der für die Beklagte aufgetretene Verkäufer bei dem Verkaufsgespräch hinsichtlich des Frontschadens geäußert habe, dass nur der Frontspoiler, also die Stoßfängerverkleidung, habe ausgewechselt werden müssen. Die Nachfrage nach weiteren Reparaturen habe er verneint. Insgesamt sei der Eindruck entstanden, dass es sich bei dem Unfall um einen Bagatellschaden gehandelt habe. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen B zu zweifeln. Der Zeuge war bei seiner Vernehmung ersichtlich bemüht, nur das zu schildern, woran er sich noch tatsächlich erinnerte, und ließ auch keine Belastungstendenzen erkennen. Der Umstand allein, dass er ein Bekannter der Klägerin sein mag und es deshalb denkbar ist, dass er ein Interesse am Ausgang des Verfahrens hat, macht den Zeugen nicht unglaubwürdig. Ferner spricht es auch nicht gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen B, dass er zur Zeit des Verkaufsgesprächs eine Lehre als Kfz-Mechaniker absolvierte und den tatsächlichen Umfang des Vorschadens nicht erkannt haben will. Es ist nicht zwingend, dass ein Fachkundiger in der Lage gewesen wäre, den Vorschaden des VW Golf IV in seinem tatsächlichen Umfang zu erkennen. Es ist durchaus möglich, dass auch einem Kfz-Mechaniker ein solcher Schaden verborgen bleibt. Der Zeuge B gab nachvollziehbar an, dass er damals trotz seiner Lehre nicht habe erkennen können, dass an dem Wagen weitergehende Reparaturen durchgeführt worden seien, und dass er auch heute, nach dem Abschluss dieser Lehre, dazu möglicherweise nicht in der Lage wäre.
Die Aussage des Zeugen V war demgegenüber unergiebig und vermag die Angaben des Zeugen B nicht zu widerlegen. Der Zeuge V konnte sich an das streitgegenständliche Gespräch nicht mehr erinnern. Zwar hat der Zeuge V angegeben, dass er beim Verkauf eines Gebrauchtwagens einen ihm bekannten Vorschaden ordnungsgemäß angegeben und nicht bagatellisiert hätte; er war aber nicht mehr in der Lage, konkret zu schildern, was er gegenüber der Klägerin im Hinblick auf den streitgegenständlichen Vorschaden gesagt haben will. Jedenfalls nahm der Zeuge im Verlauf seiner Aussage die Einschränkung vor, dass er jedenfalls die Höhe der Reparaturkosten einem Kaufinteressenten nicht mitgeteilt hätte. Die auf die glaubhaften Angaben des Zeugen B gestützte Überzeugung des Gerichts wird durch die Aussage des Zeugen V mithin nicht erschüttert.
Die Beklagte war verpflichtet, die Klägerin über den ihr bekannten Vorschaden bei Vertragsschluss aufzuklären (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl. [2005], § 123 Rn. 7 m. w. Nachw.). Dazu gehört auch, dass die Beklagte einen solchen Vorschaden nicht bagatellisiert. Durch die zur Überzeugung des Gerichts erwiesene Angabe des Zeugen V, der Vorschaden sei durch Austausch der Stoßfängerverkleidung behoben worden, ist dies geschehen. Vor diesem Hintergrund vermag es die Beklagte auch nicht zu entlasten, dass in das Bestellformular für das Kfz „Rep.-Vorschaden“ eingetragen worden ist, denn aus Sicht der Klägerin ist diese Eintragung selbstverständlich vor dem Hintergrund der mündlichen Angaben des Zeugen V zu verstehen.
bb) Die Klägerin trägt unwidersprochen vor, dass sie den VW Golf IV nicht gekauft hätte, wenn sie über den tatsächlichen Umfang des Schadens informiert worden wäre.
cc) Die Anfechtung des Kaufvertrags durch die Klägerin ist auch fristgerecht erfolgt (§ 124 BGB). Die Klägerin gibt an, erst im September 2004 davon Kenntnis erlangt zu haben, dass ihr VW Golf IV möglicherweise einen erheblichen Vorschaden erlitten hatte. Die von ihr mit Schreiben vom 04.11.2004 erklärte Anfechtung wahrte daher die Jahresfrist gemäß § 124 I und II BGB. Wenn sich die Beklagte auf die Nichteinhaltung der Anfechtungsfrist gemäß § 124 BGB beruft, muss sie vortragen, wodurch die Klägerin bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von der Täuschung erlangt haben soll (vgl. Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 124 Rn. 4). Sie kann sich nicht darauf beschränken, den klägerischen Vortrag mit Nichtwissen zu bestreiten, worauf sie mit gerichtlichem Schreiben vom 22.03.2005 hingewiesen worden ist.
b) Die Beklagte hat der Klägerin den gezahlten Kaufpreis von 9.663,42 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des gekauften VW Golf IV zurückzugewähren (§ 812 I 1 Fall 1, § 818 I BGB).
Außerdem ist die Klägerin ihrerseits gemäß § 812 I 1 Fall 1, § 818 I BGB verpflichtet, der Beklagten die aus dem Kfz gezogenen Nutzungen zu ersetzen. Gemäß der sogenannten Saldotheorie ist dieser Anspruch der Beklagten auf Nutzungsersatz mit dem Bereicherungsanspruch der Klägerin auf Rückgewähr des Kaufpreises zu saldieren, sodass die Klageforderung nur in Höhe dieses Saldos begründet ist.
Die Höhe des von der Klägerin zu leistenden Nutzungsersatzes hängt davon ab, welche Laufleistung sie mit dem von ihr zurückzugewährenden VW Golf IV zurückgelegt hat. Der maßgebliche Zeitpunkt ist die Vollstreckung des Zahlungstitels, die noch aussteht. Bei der Tenorierung ist zu berücksichtigen, dass die genaue Höhe der Nutzungsentschädigung erst dann berechnet werden kann. Das Gericht ist bei der Ermittlung des Nutzungsersatzes von einer Entschädigung in Höhe von 0,75 % des Bruttokaufpreises pro von der Klägerin gefahrener 1.000 km ausgegangen (vgl. Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 346 Rn. 10 m. w. Nachw.). Es ergibt sich die aus dem Tenor ersichtliche Berechnung (0,75 % × 9.663,42 € = 72,48 €). Es ist ein Mindestabzug von 3.478,83 € vorzunehmen, da eine entsprechende Laufleistung unstreitig bereits jetzt erreicht ist. Dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des VW Golf IV in Annahmeverzug befindet, ist für ihren Anspruch auf Nutzungsersatz unerheblich, da mit diesem nur tatsächlich gefahrene Kilometer vergütet werden (§ 302 BGB). Sollte die Klägerin wegen des festgestellten Annahmeverzugs der Beklagten aus dem Titel vollstrecken, bevor der VW Golf IV an die Beklagte zurückgelangt, was möglich ist, wie sich aus § 756 I, § 765 Nr. 1 ZPO ergibt, könnte der Nutzungsersatzanspruch der Beklagten nur auf Grundlage des Kilometerstands im Zeitpunkt der Vollstreckung mit der Klageforderung saldiert werden.
2. Darüber hinaus steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Verwendungsersatz in Höhe von 1.041,76 € aus § 994 I BGB zu.
Da die Klägerin den Kaufvertrag mit der Beklagten mit Wirkung ex tunc wirksam angefochten hat, ist sie seit Vollzug des Kaufvertrags (gutgläubige) unberechtigte Besitzerin des VW Golf IV. Da sie, wie soeben unter 1 festgestellt, der Beklagten gemäß § 812 I 1 Fall 1, § 818 I BGB zum Nutzungsersatz verpflichtet ist, kann sie ihrerseits von der Beklagten den Ersatz ihrer notwendigen Verwendungen beanspruchen (§ 994 I BGB). Diese belaufen sich auf 1.041,76 €, wie die Klägerin auf Seite 5 f. der Klageschrift im Einzelnen dargelegt hat.
Die Klägerin hat diese Verwendungen auch bezahlt. Soweit der Beklagtenvertreter dies im Termin am 29.11.2005 erstmals bestritten hat, wird dieses Bestreiten gemäß §§ 296 II, 282 I ZPO als verspätet zurückgewiesen. Der klägerische Vortrag gilt daher nach wie vor als unstreitig.
Das Bestreiten des Beklagtenvertreters ist verspätet. Er ist gemäß § 282 I ZPO verpflichtet, sein Bestreiten so zeitig vorzubringen, wie es einer auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht. Diese Prozessförderungspflicht ist unter anderem daran auszurichten, dass ein Rechtsstreit durch das Gericht in der Regel in einem Termin erledigt werden soll (§ 272 I ZPO, vgl. Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl. [2004], § 282 Rn. 1). In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob dem Beklagtenvertreter eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt worden ist. Anders als bei § 296 I ZPO greift der Präklusionstatbestand des § 296 II ZPO gerade dann ein, wenn eine solche Frist nicht gesetzt wurde. Durch die Terminsverfügung des Gerichts vom 19.09.2005 war für die Parteien offensichtlich, dass das Gericht die Beweiserhebung nicht etwa in einem gesonderten Termin, sondern am Tag des anberaumten Verhandlungstermins plante. Da aufgrund des Bestreitens des Beklagtenvertreters auf einen dahin gehenden Beweisantritt der Klägerin diese Beweiserhebung auszuweiten gewesen wäre, hätte es der Beklagtenvertreter so zeitig vorbringen müssen, dass die Beweiserhebung über diese Frage im Termin durch Ladung der Zeugen hätte miterledigt werden können. Indem der Beklagtenvertreter erstmals im Termin bestritt, hat er dies verhindert und damit seine Prozessförderungspflicht verletzt.
Dies geschah auch durch grobe Nachlässigkeit (§ 296 II ZPO). Grob nachlässig handelt ein Prozessbevollmächtigter, wenn er dasjenige außer Acht lässt, was jedem Rechtskundigen, der einen Prozess führt, hätte einleuchten müssen (vgl. Zöller/Greger, a. a. O., § 296 Rn. 27 m. w. Nachw.). So verhält es sich hier hinsichtlich seines Bestreitens der notwendigen Verwendungen der Klägerin. Der Beklagten ist der entsprechende Vortrag der Klägerin nebst der dazugehörigen Anlagen bereits neun Monate vor dem Verhandlungstermin, nämlich im Rahmen des Pkh-Verfahrens, zugestellt worden. Seither hatte der Beklagtenvertreter die Möglichkeit zu bestreiten, dass die Klägerin diese Ausgaben tatsächlich getätigt hat. Hierzu hätte ein einziger Satz genügt, da die Beklagte den klägerischen Vortrag insoweit mit Nichtwissen bestreiten kann (§ 138 IV ZPO). Als Rechtsanwalt musste ihm klar sein, dass über diesen Vortrag der Klägerin nur dann Beweis erhoben wird, wenn er durch die Gegenseite bestritten wird, denn an unstreitigen Parteivortrag ist das Gericht im Zivilprozess gebunden.
Auf die Verspätungsrüge der Gegenseite im Termin hat der Beklagtenvertreter keine Entschuldigungsgründe für die Verspätung vorgebracht.
Die Zulassung des verspäteten Bestreitens würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögern. Denn es müssten dann die von der Klägerin benannten Zeugen K und H vernommen werden, wozu ein neuer Termin anberaumt werden müsste. Ansonsten ist der Rechtsstreit bereits jetzt entscheidungsreif (sog. absoluter Verzögerungsbegriff, vgl. Zöller/Greger, a. a. O., § 296 Rn. 20 m. w. Nachw.). Selbst wenn man entgegen der Rechtsprechung des BGH den sogenannten relativen Verzögerungsbegriff anwendete, läge eine solche Verzögerung vor. Insoweit ist maßgeblich, wie der Rechtsstreit abliefe, wenn der Beklagtenvertreter rechtzeitig bestritten hätte. Dann hätte das Gericht die von der Klägerin gegebenenfalls benannten Zeugen K und H zum Termin am 29.11.2005 geladen und dort vernommen, sodass auch dann kein weiterer Termin erforderlich gewesen wäre.
II. Der Zinsanspruch ergibt sich hinsichtlich der Verzinsung des zurückzugewährenden Kaufpreises aus §§ 819 I, 818 IV, 291, § 288 I 2 BGB, im Übrigen aus §§ 280 I, II, 286, 288 I BGB.
III. Auf den zulässigen Feststellungsantrag ist festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des VW Golf IV in Verzug befindet. Zwar ist fraglich, ob das Schreiben der Klägerin vom 04.11.2004 ein ausreichendes wörtliches Angebot (§ 295 BGB) darstellt, weil die Beklagte dort zur Abholung des VW Golf IV bei der Klägerin aufgefordert wird, einiges aber für eine Bringschuld der Klägerin spricht. Jedenfalls ist der Annahmeverzug der Beklagten aber nach der in dem Schreiben vom 25.11.2005 liegenden Verweigerung (Anlage K 4) durch das in der Klageschrift wiederholte wörtliche Angebot begründet (vgl. § 295 Satz 1 Fall 1 BGB). …
Hinweis: Die Berufung der Beklagten, die insbesondere eine arglistige Täuschung der Klägerin in Abrede gestellt hat, hatte zum Teil Erfolg. Das Kammergericht hat die Entscheidung des Landgerichts mit Urteil vom 18.12.2006 – 2 U 13/06 – dahin abgeändert, dass die Beklagte der Klägerin (nur) 9.078,24 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkw VW Golf IV, zahlen muss. Zur Begründung hat das Kammergericht ausgeführt:
„I. 1. Das vorliegende Berufungsverfahren ist durch das berufungsrechtliche Verschlechterungsverbot (§ 528 ZPO) und den Umstand einer Berufungseinlegung nur durch die Beklagte nicht etwa dahin beschränkt, dass lediglich eine Änderung des landgerichtlichen Tenors zum Nachteil der Klägerin möglich wäre. Das Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelklägers greift nicht, wenn das angegriffene Urteil – etwa gerade auch infolge einer im Wege der Teilabweisung vorgenommenen Beschränkung der Leistungspflicht – eine unbestimmte und nicht vollstreckbare Verurteilung ausspricht. Denn dann ist es nicht nur im Umfang der Verurteilung, sondern auch in seinem Gegenstück, nämlich hinsichtlich der Klageabweisung, völlig unbestimmt und kann insgesamt keine Rechtswirkungen erzeugen, was von Amts wegen zu beachten ist. Der falsche Tenor ist insgesamt zu korrigieren (s. BGH, Urt. v. 19.01.1996 – V ZR 298/94, NJW-RR 1996, 659).
So liegt es hier. Das landgerichtliche Urteil verpflichtet die Beklagte (der Sache nach) zur Zahlung von höchstens 7.226,35 € nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz1Gemeint ist hier wie auch im Urteil des Landgerichts „Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz“ (vgl. BGH, Beschl. v. 07.02.2013 – VII ZB 2/12, NJW-RR 2013, 511). aus 9.663,42 € seit dem 15.10.2001 und aus weiteren 442,58 € seit dem 14.11.2004. Die Höhe des Zahlbetrags soll davon abhängen, welcher Betrag für von der Klägerin gezogene Nutzungen im ungewissen Zeitpunkt der Rückabwicklung (‚laut Tacho bei Übergabe an die Beklagte‘) bei Ansatz von 78,48 € je 1.000 gefahrene Kilometer anzurechnen sei. Bereits diese Konstruktion, die das Landgericht im Wege der ‚Teilabweisung‘ vorgenommen hat, nimmt dem Tenor die erforderliche Bestimmtheit (§ 253 II Nr. 2 ZPO) und Vollstreckbarkeit. Diese setzt voraus, dass Inhalt und Umfang der Leistungspflicht aus dem Titel selbst zu entnehmen sind (vgl. BGH, Urt. v. 19.01.1996 – V ZR 298/94, NJW-RR 1996, 659; Urt. v. 28.01.1994 – V ZR 90/92, BGHZ 125, 41 = NJW 1994, 3221, 3222; Urt. v. 18.09.1992 – V ZR 86/91, NJW 1993, 324, 325). Daran fehlt es hier, da nur ein Maximalbetrag ausgewiesen ist und der exakte Umfang der Verpflichtung erst anhand von Umständen errechnet werden muss, die nicht im Urteil vorgegeben sind. Die Ermittlung der berechtigten Klageforderung kann nicht den Vollstreckungsorganen überlassen werden. Im Übrigen ist bereits im Ansatz nicht erkennbar, wer die entscheidende Feststellung des Tachostands treffen soll, wenn es – aufgrund der Feststellung des Annahmeverzugs im Tenor zu 2; § 756 I, § 765 Nr. 1 ZPO – eines tatsächlichen Angebots des Pkw gar nicht bedarf.
Die Unbestimmtheit betrifft auch den Zinsanspruch. Bereits der Klageantrag – der insoweit Eingang in den Tenor gefunden hat – war teilweise unbestimmt, da es für Zinsen, die auf einen die Hauptforderung von 7.226,35 € übersteigenden Betrag gefordert wurden, an einem Endzeitpunkt fehlte; dass mit Zahlung von 7.226,35 € auch der Zinslauf auf den höheren Betrag enden sollte, war dem Antrag nicht zu entnehmen. Nachdem das Landgericht den Tenor jedoch insgesamt und auch zur Hauptforderung unbestimmt gefasst hat, wird davon der gesamte Zinsanspruch betroffen. Denn es ist nun unklar, wie und für welchen Zeitraum die Zinsen berechnet werden sollen, wenn bei Rückabwicklung eine Hauptforderung nicht mehr besteht, da die Klägerin insoweit anzurechnende Nutzungen gezogen hat.
2. Ausgangspunkt der Prüfung in der Berufung ist somit der erstinstanzliche Klageantrag. Dieser ist, wie dargelegt, in Bezug auf einen Teil des Zinsanspruchs wegen des fehlenden Endzeitpunkts nicht hinreichend bestimmt i. S. von § 253 II Nr. 2 ZPO. Jedoch ist dies in der vorliegenden Situation unschädlich, da bei der vorzunehmenden Saldierung unter Einbeziehung der Zinsen (s. unten) die Bestimmtheit insoweit hergestellt ist.
II. Die Berufung hat nur insoweit Erfolg, als das Landgericht der Klägerin auch einen Verwendungsersatzanspruch in Höhe von 1.041,76 € zuerkannt hat und die Klägerin in ihrer Klageforderung anrechenbare Nutzungen lediglich in Höhe von 3.478,83 € (und nicht in Höhe von 3.902,83 €) berücksichtigt hat.
1. Das Landgericht hat ein Durchgreifen der Arglistanfechtung der Klägerin zutreffend festgestellt.
a) Entgegen der Ansicht der Beklagten setzt Arglist nicht voraus, dass der Verkäufer eigene Kenntnis von ‚Art und Umfang des Vorschadens‘ hat. Arglist liegt bereits vor, wenn der Verkäufer auf die Frage nach Unfallfreiheit des Pkw ohne tatsächliche Anhaltspunkte und damit ‚ins Blaue‘ eine unrichtige Antwort gibt, anstatt auf das Fehlen eigener Kenntnis hinzuweisen (vgl. BGH, Urt. v. 29.01.1975 – VIII ZR 101/73, BGHZ 63, 382 = NJW 1975, 642, 645; Urt. v. 18.03.1981 – VIII ZR 44/80, NJW 1981, 1441, 1442; Urt. v. 31.03.1982 – VIII ZR 65/81, NJW 1982, 1699; Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 = NJW 2006, 2839 Rn. 13). Arglist liegt auch bei einer (in Kauf genommenen) Bagatellisierung eines Unfallschadens vor.
So liegt es nach der vor dem Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme hier.
Die Äußerung des Verkäufers V auf die Frage nach Vorschäden, dass bei einer Reparatur im Frontbereich nur die Stoßfängerverkleidung ausgewechselt worden sei, ist dort bewiesen worden. Die Beweiswürdigung des Landgerichts (§ 286 ZPO) ist angesichts der klaren Aussage des Zeugen B und der Unergiebigkeit der Aussage des Zeugen V nicht zu beanstanden. Rechtsfehler zeigt auch die Berufung nicht auf, sodass diese Feststellung auch in zweiter Instanz zugrunde zu legen ist (§ 529 I Nr. 1 ZPO).
Der bloße Hinweis, dass ‚Nachforschungen‘ durch den Zeugen B (gemeint ist wohl: eine Besichtigung der Unfallstelle am Fahrzeug) der Lebenserfahrung entsprächen, lässt nicht erkennen, in welcher Hinsicht sich daraus eine Unrichtigkeit der Beweiswürdigung des Landgerichts ergeben soll, zumal der Zeuge angegeben hat, dass er die Frontschürze (offenbar ohne Hebebühne) angesehen, jedoch keine Auffälligkeiten entdeckt habe. Die in der Berufungsinstanz neu aufgestellte Behauptung, der Zeuge V habe sich nicht zu einem Frontschaden geäußert, sondern zu einem hinteren Stoßfänger, widerspricht dem Ergebnis der Beweisaufnahme.
Die Angabe des Verkäufers zum Umfang des Frontschadens entsprach jedoch nicht den Tatsachen und erfolgte ‚ins Blaue‘, da das Fahrzeug im Frontbereich einen erheblichen Unfallschaden erlitten hatte, der über eine Erneuerung der Stoßfängerverkleidung deutlich hinaus ging. Der Versuch der Beklagten, in der Berufungsinstanz das Vorliegen aufklärungspflichtiger Unfallschäden zu bestreiten, bleibt ohne Erfolg. Die Klägerin hatte erstinstanzlich vorgetragen, dass unfallbedingt der Kotflügel vorne rechts, die Windschutzscheibe, die Sicherheitsgurte und die Airbags ausgetauscht werden, das Radhaus vorne instandgesetzt und die Fahrzeugfront rückverformt werden mussten. Die Beklagte hatte dies erstinstanzlich nicht substanziiert bestritten, nämlich zunächst überhaupt nicht (in der Klageerwiderung vom 05.10.2005 war auf den Schriftsatz vom 02.03.2005 im Pkh-Verfahren verwiesen worden, wo ‚erhebliche Unfallschäden‘ ausdrücklich zugestanden und nur eine Bagatellisierung bestritten worden war), und sodann lediglich in den Schriftsätzen vom 27.10.2005 und (ohnehin nicht nachgelassen) vom 07.12.2005 von einer ‚fingierten‘ Reparaturrechnung und einem daher unklaren und unbelegten Schadensumfang gesprochen. Auf die nur zur Ergänzung des Klagevorbringens vorgelegte Reparaturrechnung kam es jedoch unmittelbar überhaupt nicht an, insbesondere nicht etwa darauf, ob Unfallschäden ordnungsgemäß von einem autorisierten Fachbetrieb oder sonst wie behoben worden waren. Ein substanziiertes Bestreiten der konkret vorgetragenen Unfallschäden selbst war in der Auseinandersetzung mit der Rechnung daher nicht zu erblicken, zumal die Beklagte den Widerspruch zu ihrem früheren Vortrag, der in einem Bestreiten jeglichen Unfallschadens (über eine Beschädigung der Stoßfängerverkleidung hinaus) gelegen hätte, nicht erklärte. Das Landgericht hat damit zu Recht davon abgesehen, den von der Klägerin benannten Vorbesitzer Dr. N zum Umfang des Unfalls zu vernehmen.
Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung (S. 9) nunmehr vorträgt, dass der der Rechnung angeblich zugrunde liegende Unfall ‚tatsächlich nie eingetreten‘ sei, stellt dies ein neues und (sofern überhaupt substanziiertes) jedenfalls nach § 531 II Nr. 3 ZPO in zweiter Instanz nicht mehr zuzulassendes Bestreiten dar. Der Beklagten stand es von Beginn des Prozesses an frei, das Vorliegen eines Unfalls zu bestreiten. Sie richtete ihre Rechtsverteidigung jedoch anders aus und stellte nur eine Bagatellisierung und ihre Arglist in Abrede. Ohne Widerspruch der Beklagten wurde noch im Termin am 29.11.2005 eine Beweiserhebung über die Behauptung der Beklagten angeordnet, ihr Verkäufer habe darauf hingewiesen, ‚dass es sich bei dem Vorschaden des VW Golf um einen erheblichen Unfallschaden gehandelt habe‘. Das Unterlassen eines konkreten Bestreitens des Unfallschadens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz beruhte auf Nachlässigkeit, da hierzu – bei entsprechendem Willen – hinreichend Anlass und Gelegenheit bestanden hätte. Das Bestreiten ist auch nicht nur infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden (§ 531 II Nr. 2 ZPO). Aus § 275 II, III ZPO folgt nicht, dass das Landgericht einen weiteren Termin unter Setzung einer Klageerwiderungsfrist anberaumen musste. Denn der Rechtsstreit war im frühen ersten Termin am 29.11.2005 entscheidungsreif und konnte damit ‚abgeschlossen‘ werden (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 275 Rn 5). Damit erübrigte sich auch die Frage einer weiteren Fristsetzung nach § 275 III ZPO. Das Unterlassen einer Fristsetzung bzw. Aufforderung nach § 275 I ZPO vor dem frühen ersten Termin war vorliegend unschädlich. Es erfolgte erkennbar vor dem Hintergrund der bereits im Pkh-Verfahren gewechselten Schriftsätze, und die Beklagte hat auf die Klage unter dem 05.10.2005 – durch Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Pkh-Verfahren- erwidert. Von einem Abschneiden der Verteidigungsmöglichkeit kann daher keine Rede sein.
b) Die Anfechtungserklärung vom 04.11.2004 war rechtzeitig. Die Jahresfrist nach § 124 BGB beginnt mit positiver Kenntnis von der Täuschung, vorliegend also vom Vorliegen eines erheblichen Unfallschadens. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Getäuschte bereits länger als ein Jahr vor seiner Anfechtungserklärung Kenntnis von der Täuschung hatte, trifft den Anfechtungsgegner (BGH, Urt. v. 11.03.1992 – VIII ZR 291/90, NJW 1992, 2346, 2348). Die Beklagte hat hierfür nichts vorgetragen. Auf die (nicht genutzte) Möglichkeit, sich Kenntnis durch Nachforschungen beim Vorbesitzer zu verschaffen, kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht an.
2. Folge der Anfechtung ist die Rückabwicklung des Kaufvertrags unter beiderseitiger Rückgewähr der empfangenen Leistungen nach § 812 I 1 Fall 1, § 818 I bis III BGB.
a) Dabei begründen die beiderseitigen Vermögensverschiebungen (grundsätzlich) keine eigenständigen Herausgabeansprüche. Es besteht vielmehr von vornherein nur ein einheitlicher Anspruch auf Herausgabe des Überschusses der Aktiv- über die Passivposten, der dem Teil zusteht, zu dessen Gunsten sich ein Saldo errechnet (BGH, Urt. v. 14.07.2000 – V ZR 82/99, BGHZ 145, 52 = NJW 2000, 3064 m. w. Nachw.). Eine Saldierung hat grundsätzlich auch stattzufinden, wenn eine Rückabwicklung nach Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erfolgt, es sei denn, die Interessen des Getäuschten stehen einer Saldierung entgegen (insbesondere bei Unvermögen der Rückgabe der Kaufsache, vgl. BGH, Urt. v. 14.07.2000 – V ZR 82/99, BGHZ 145, 52 = NJW 2000, 3064, 3065; ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor. Die Saldierung führt zu einer Verrechnung sämtlicher Zahlungsansprüche, und zwar unter Einbeziehung der beiderseits gezogenen Nutzungen (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.2000 – V ZR 82/99, BGHZ 145, 52 = NJW 2000, 3064, 3065; Urt. v. 11.11.1994 – V ZR 116/93, NJW 1995, 454, 454; Finkenauer, NJW 2004, 1704, 1705).
Eine Saldierung noch nicht abgeschlossener Vorgänge, wie der beiderseitigen Nutzungsziehung, kann freilich nur auf einen bestimmten Stichtag erfolgen. Der grundsätzlich maßgebliche und zugleich spätestmögliche Zeitpunkt für die Berechnung ist der Tag der letzten mündlichen Verhandlung (s. Wendehorst, in: Bamberger/Roth, BGB, 2003, § 818 Rn. 41, und zur gleich liegenden Frage einer Schadensberechnung BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 249/02, NJW 2004, 444, 445, und Urt. v. 12.07.1996 – V ZR 117/95, BGHZ 133, 246 = NJW 1996, 2652, 2654: letzte mündliche Verhandlung als prozessual spätestmöglicher Zeitpunkt).
Klageantrag und Tenor erster Instanz beachten das Erfordernis einer Saldierung nicht. Der Tenor des landgerichtlichen Urteils weist keinen Zahlungssaldo aus, sondern nur die Elemente einer Saldierung (Kaufpreisrückzahlung; Verwendungsersatz; Verzinsung des Kaufpreises einerseits und Nutzung des Pkw andererseits). Auch der Antrag der Klägerin unterlässt, die Verzinsung des Kaufpreises in die Saldierung einzubeziehen. Die nach dem Gesagten prozessual und materiell erforderliche Saldierung ist vom Senat, bezogen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 04.12.2006, nachzuholen.
Zu ihren Bestandteilen gilt:
b) Der Kaufpreis ist von der Beklagten auch ohne Nutzungsziehung (§ 818 I BGB) gemäß §§ 819 I, 818 IV, 142 II, 166 BGB i. V. mit §§ 291, 288 I 2 BGB ab Empfang mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen, da sie die Anfechtbarkeit des Vertrags kannte. Zu den allgemeinen Vorschriften zählt auch § 291 BGB (Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., § 818 Rn. 52). Für die Einbeziehung der Rechtshängigkeitszinsen in die Saldierung kann nichts anderes gelten als bei einem zinsförmigen Nutzungsherausgabeanspruch nach § 818 I BGB, zumal zwischen beiden Zinsen eine Anrechnung zu erfolgen hätte (vgl. BGH NJW 1998, 2529, 2531).
Aus § 347 I BGB, der den Wertersatz für nicht gezogene Nutzungen im Rücktrittsrecht regelt, ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten nichts gegen eine Zinspflicht nach §§ 819 I, 818 IV, 291 BGB.
Aufgrund der unstreitigen Kaufpreiszahlung am 18.10.2001 hat die Verzinsung ab dem 19.10.2001 zu erfolgen. Der in die Saldierung einzubeziehende Zinsbetrag beläuft sich danach bis zum 04.12.2006 auf 3.317,65 €.
c) Unbegründet ist die Klage auf Ersatz von Aufwendungen in Höhe von 1.041,76 €, die die Klägerin nach ihrer Behauptung im Zusammenhang mit der Nutzung des Fahrzeugs hatte. Ausweislich Seite 5 f. der Klageschrift handelt es sich um folgende Aufwendungen:
Rechnungsdatum Art Betrag 02.08.2002 Erneuerung Bremsbeläge 55,89 € 01.11.2002 Ein- und Ausbau Temperaturgeber 56,67 € 20.12.2002 Winterreifen inkl. Montage 200,87 € 12.04.2003 Zahnriemen, Kühlmittelpumpe 462,31 € 24.05.2003 Montage und Auswuchten Reifen 89,26 € 15.07.2003 AU-Service 35,29 € Hauptuntersuchung 40,99 € 01.12.2003 Ein- und Ausbau Stabilisatorlager 55,36 € 30.04.2004 Bremsklötze 40,92 € 07.05.2004 Ölfilter 4,20 € Gesamt 1.041,76 € aa) Der Auffassung des Landgerichts, dass sich ein Ersatzanspruch aus § 994 I BGB ergebe, kann nicht gefolgt werden. Selbst wenn es sich – was insbesondere bei den Winterreifen zweifelhaft ist – um notwendige Verwendungen handelt, fehlt es bereits an einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Auch wenn man annimmt, dass die Anfechtung des Kaufvertrags wegen ihrer Rückwirkung zum Fehlen des Besitzrechts der Klägerin führte, fehlt es jedenfalls an einer Anfechtung auch der Übereignung an sie (§ 929 BGB), weshalb es dabei bleibt, dass sie selbst im Zeitpunkt der Verwendungen Eigentümerin war. Eine Anfechtung auch der Übereignungserklärung ist vom Landgericht nicht festgestellt worden und auch nicht ersichtlich. Sofern etwa Reinking/Eggert (Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 1721) ausführen, dass die Arglistanfechtung ‚meist‘ auch das dingliche Geschäft erfasse, kann dem nicht zugestimmt werden. Aufgrund des Abstraktionsprinzips bleibt das dingliche Erfüllungsgeschäft bei Anfechtung des Kausalgeschäfts grundsätzlich unberührt (Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2003, § 142 Rn. 21). Anders ist es insbesondere, wenn der täuschungsbedingte Irrtum auch das Erfüllungsgeschäft erfasst und auch dessen Anfechtung nach § 123 BGB rechtfertigt (sog. Fehleridentität, vgl. Staudinger/Roth, a. a. O., § 142 Rn. 21; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., Überblick vor § 104 Rn. 23). Das ist in Bezug auf die Hingabe der Leistung des Getäuschten (Kaufpreiszahlung des getäuschten Käufers, s. BGH, Urt. v. 08.03.1972 – VIII ZR 40/71, BGHZ 58, 257 = NJW 1972, 872) anzunehmen. Es besteht jedoch kein Grund für die weitere Annahme, dass der Käufer auch die erhaltene Leistung, also das Eigentum am Fahrzeug, aufgeben und sich damit freiwillig zu einem Nichtberechtigten machen will, der mit der Sache nicht mehr nach Belieben verfahren (§ 903 Satz 1 BGB) darf.
bb) Eine Berücksichtigung der Aufwendungen als Aktivposten im Rahmen eines Bereicherungssaldos ist nicht möglich, da es sich (im Wesentlichen) um gewöhnliche Erhaltungskosten in Form von Reparaturen etc. handelt, die den Wert des Fahrzeugs nicht gesteigert haben, sodass ein Anspruch nach § 812 I 1 Fall 2 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 16.07.1999 – V ZR 56/98, NJW 1999, 2890, 2892) nicht besteht.
In Bezug auf die Winterreifen könnte zwar noch eine Werterhöhung bestehen, jedoch ist nicht erkennbar, dass Winterreifen Gegenstand des Kaufvertrags der Parteien waren. Das aus eigenen Stücken angeschaffte Zubehör ist in die Rückabwicklung daher nicht einzubeziehen. Die Klägerin kann es auch gesondert veräußern.
cc) Somit stellt sich die Frage, ob die Aufwendungen wegen einer entreichernden Wirkung (§ 818 III BGB) wenigstens als Passivposten zugunsten der Klägerin in die Saldierung einzubeziehen sind.
Teilweise wird angenommen, dass der Kraftfahrzeugkäufer gegenüber dem Nutzungsherausgabeanspruch des Verkäufers auch gewöhnliche Erhaltungskosten, die er vor Kenntnis des Anfechtungsgrundes aufgewendet hat, mindernd in Ansatz bringen könne (OLG Oldenburg, Urt. v. 27.10.1992 – 5 U 80/92, DAR 1993, 467, 468; Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1722, die dort in Bezug genommene Entscheidung BGH, Urt. v. 12.12.1997 – V ZR 81/97, BGHZ 137, 314 = NJW 1998, 989, 991, in der ‚Aufwendungen auf die Sache‘ mindernd berücksichtigt wurden, betraf jedoch einen Immobilienkauf).
Diese allein Kausalitätsgesichtspunkte berücksichtigende Sicht greift jedoch zu kurz. Bei dem Bereicherungsausgleich gilt der Grundsatz, dass der sich auf Entreicherung Berufende nicht besser stehen soll, als er ohne das rückabzuwickelnde Geschäft stünde (vgl. Wendehorst, in: Bamberger/Roth, a. a. O., § 818 Rn. 48 und 69). Wer eine bewegliche Sache – wie ein Kfz – kauft, trifft eine gänzlich andere Investitionsentscheidung als ein Mieter. Kommt es zur Rückabwicklung des Kaufvertrags, kann er daher hinsichtlich der Gebrauchsvorteile nicht so behandelt werden, als hätte er die Sache gemietet; vielmehr hat er nur den ‚Wertverzehr‘ herauszugeben, der durch seine Nutzung an der Sache entstanden ist und dessen Eintritt in seinem Vermögen er infolge der Rückabwicklung erspart hat (s. BGH, Urt. v. 31.03.2006 – V ZR 51/05, BGHZ 167, 108 = NJW 2006, 1582, 1583 m. w. Nachw.). Dem Käufer wird also – entgegen einer älteren Rechtsprechung – die Stellung eines Mieters durch Berechnung des Nutzungswerts nach dem grundsätzlich höheren üblichen Mietzins nicht ‚untergeschoben‘ (vgl. dazu MünchKomm-BGB/Lieb, 4. Aufl., § 818 Rn. 15). Wird die Investitionsentscheidung des Käufers aber im Rahmen der Rückabwicklung berücksichtigt, dann muss dies zur Vermeidung einer Besserstellung auch in Bezug auf die Lasten der Sache gelten. Es muss dann auch dabei bleiben, dass er als Eigentümer für die Dauer seiner Nutzung die gewöhnlichen Erhaltungskosten und Lasten zu tragen hat (in diese Richtung Staudinger/Lorenz, BGB, Neubearb. 1999, § 818 Rn. 37; s. nunmehr die Erwägungen in BGH, Urt. v. 31.03.2006 – V ZR 51/05, BGHZ 167, 108 = NJW 2006, 1582, 1585, die – allerdings für den Fall der schadensersatzrechtlichen Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrags – auf einen Gleichlauf von Investitionsentscheidung und Lastentragung hinauslaufen).
Hiernach kann die Klägerin die Kosten über 1.041,76 € nicht im Wege der Saldierung auf die Beklagte abwälzen. Es handelt sich um gewöhnliche Erhaltungskosten und Lasten, die ein Eigentümer für seine Nutzungsmöglichkeit (anders als ein Mieter nach § 536 BGB) aufzubringen hat. Auch soweit es sich nicht um ohnehin periodische Aufwendungen (Haupt- und Abgasuntersuchung; Montage von Winterreifen) handelt, also bei den Reparaturkosten, kommt eine Zurechnung zur Beklagten nicht in Betracht, da es sich der Art nach um jederzeit mögliche Schadensfälle handelt, deren Behebung zum laufenden Unterhalt des Fahrzeugs zu rechnen ist. Bei der Anschaffung der Winterreifen handelte es sich bereits um keine Aufwendung auf die Kaufsache (vgl. oben).
d) Zugunsten der Beklagten ist in den Saldo die von der Klägerin durch Gebrauch gezogene Nutzung (§ 818 I, II BGB) einzustellen, die nach dem sogenannten Wertverzehr zu berechnen ist (BGH, Urt. v. 25.10.1995 – VIII ZR 42/94, NJW 1996, 250, 252; Urt. v. 31.03.2006 – V ZR 51/05, BGHZ 167, 108 = NJW 2006, 1582, 1583) und sich bei Kraftfahrzeugen nach der Kilometerleistung bemisst (BGH, Urt. v. 17.05.1995 – VIII ZR 70/94, NJW 1995, 2159, 2161). Gegen die im Rahmen von § 287 ZPO vom Landgericht angewandte Formel (0,75 % des Kaufpreises je gefahrene 1.000 km) werden auch von der Beklagten keine Bedenken erhoben.
Je gefahrene 1.000 km sind somit 72,48 € anzusetzen. Bis zum 04.12.2006 ist von einer Nutzung durch die Klägerin von (97.926 km − 44.079 km =) 53.847 km auszugehen, sodass der Nutzungswert \(\left({\frac{\text{53.847 km}\times\text{72,48 €}}{\text{1.000 km}}} =\right)\) 3.902,83 € beträgt.
Zwar hat die Beklagte die Angabe des Kilometerstands der Klägerin mit 53.847 km per 04.12.2006 mit Nichtwissen bestritten. Das ist jedoch nicht hinreichend, da die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für eine weitergehende Nutzung trifft. Es besteht kein Anlass, dem Bereicherungsschuldner die Beweislast für eine von ihm geltend gemachte Minderung des Saldos abzunehmen (BGH, Urt. v. 10.02.1999 – VIII ZR 314/97, NJW 1999, 1181 f.).
e) Per 04.12.2006 ergibt sich danach folgender Zahlungssaldo zugunsten der Klägerin:
Kaufpreis 9.663,42 € Zinsen + 3.317,65 € Nutzungen − 3.902,83 € Saldo 9.078,24 € 3. Auf den sich ergebenden Saldo sind gemäß §§ 291, 288 I 2 BGB Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.12.2006 zu zahlen. Dies hält sich im Rahmen des Klageantrags (§ 308 I ZPO), mit dem Zinsen auf den Gesamtkaufpreis seit dem 15.10.2001 begehrt wurden. Auch stellt sich die Frage eines Doppelansatzes von Zinsen nicht, da der Saldo – bei Bildung eines Untersaldos der Zinsen mit den höheren Nutzungen – keinen Zins auf den Kaufpreis enthält.
4. Annahmeverzug der Beklagten in Bezug auf die Rücknahme des Fahrzeugs ist vom Landgericht zutreffend festgestellt worden. Die Berufung der Beklagten rügt insoweit auch nichts.
III. Mangels eines erstinstanzlichen Verfahrensmangels und wegen Entscheidungsreife des Rechtsstreits kam eine Zurückverweisung auf den Hilfsantrag der Beklagten (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO) nicht in Betracht. …
Revisionszulassungsgründe nach § 543 II 1 ZPO lagen nicht vor und konnten insbesondere von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch nicht dargetan werden. Allenfalls hinsichtlich der Abweisung in Höhe von 1.041,76 € (Verwendungen) konnte eine Revisionszulassung erwogen werden. Jedoch ergibt sich der Ausschluss der Anrechnung gewöhnlicher Erhaltungskosten bei Rückabwicklung des Kaufvertrags mit hinreichender Klarheit aus allgemeinen Grundsätzen des Bereicherungsrechts und höchstrichterlich (wenn auch in anderem Zusammenhang) anerkannten Erwägungen, sodass eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wegen einer klärungsbedürftigen Frage nicht anzuerkennen ist.