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Ein Unternehmer, der beim Abschluss eines Fernabsatzvertrags mit einem Verbraucher eine von der Musterwiderrufsbelehrung in Teilen abweichende Widerrufsbelehrung verwendet, muss dort nicht seine Telefaxnummer mitteilen, wenn er in der Widerrufsbelehrung als Kommunikationsmittel beispielhaft seine Postanschrift und die E-Mail-Adresse mitgeteilt hat, über die der Verbraucher schnell mit ihm in Kontakt treten und effizient kommunizieren kann (Fortführung von Senat, Beschl. v. 25.02.2025 – VIII ZR 143/24, NJW 2025, 1268 Rn. 6 ff., 16 ff. [zur Telefonnummer des Unternehmers]).
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Ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher würde von der rechtzeitigen Ausübung des Widerrufs selbst im Falle einer Unrichtigkeit oder Nichterreichbarkeit der im Impressum der Internetseite des Unternehmers angegebenen Telefaxnummer nicht abgehalten, wenn in der Widerrufsbelehrung beispielhaft sowohl die Postanschrift als auch die E-Mail-Adresse des Unternehmers mitgeteilt sind.
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Dem Anlaufen der Widerrufsfrist steht es jedenfalls im Anwendungsbereich der Verbraucherrechterichtlinie nicht entgegen, wenn die Widerrufsbelehrung das Bestehen eines Widerrufsrechts (abstrakt) an die Verbrauchereigenschaft des Käufers und die ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln knüpft. Der Unternehmer ist nicht gehalten, den Verbraucher konkret einzelfallbezogen über das Vorliegen der persönlichen und sachlichen Voraussetzungen eines Widerrufsrechts bei ihm zu belehren (Bestätigung von Senat, Beschl. v. 25.02.2025 – VIII ZR 143/24, NJW 2025, 1268 Rn. 29; im Anschluss an BGH, Urt. v. 09.11.2011 – I ZR 123/10, NJW 2012, 1814 Rn. 27).
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Es hindert das Anlaufen der Widerrufsfrist auch nicht, wenn der Unternehmer in der Widerrufsbelehrung dem Verbraucher zwar mitgeteilt hat, er habe die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Ware zu tragen, entgegen Art. 246a § 1 II 1 Nr. 2 Halbsatz 2 EGBGB jedoch keine zumindest schätzungsweise Angaben zu den Kosten der Rücksendung gemacht hat (Bestätigung von Senat, Beschl. v. 25.02.2025 – VIII ZR 143/24, NJW 2025, 1268 Rn. 28).
BGH, Beschluss vom 22.07.2025 – VIII ZR 5/25
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Der Wertverlust, den ein Neuwagen allein durch die Erstzulassung erleidet, beträgt circa 20 %.
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Für diesen Wertverlust hat der Käufer dem Verkäufer Wertersatz zu leisten, wenn es sich bei dem Kaufvertrag über das Fahrzeug um einen Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312c I BGB handelt, der Verbraucher seine auf den Abschluss dieses Vertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat und der Verkäufer den Käufer ordnungsgemäß über dessen fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht unterrichtet hat. Denn eine dauerhafte Zulassung des Fahrzeugs ist zur Prüfung seiner Beschaffenheit, seiner Eigenschaften und seiner Funktionsweise nicht erforderlich. Vielmehr kann eine Probefahrt auch auf einem Privatgelände oder – was näher liegt – unter Verwendung roter Kennzeichen erfolgen.
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 23.04.2025 – 16 O 5436/24
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Eine Frist von zwei Wochen zur Lieferung eines Neuwagens ist jedenfalls dann angemessen, wenn der Käufer den Verkäufer gemäß dessen Neuwagen-Verkaufsbedingungen (NWVB) erst sechs Wochen nach Überschreiten eines unverbindlichen Liefertermins oder einer unverbindlichen Lieferfrist zur Lieferung auffordern und ihn so in Verzug setzen kann und wenn ein Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag gemäß den Neuwagen-Verkaufsbedingungen des Verkäufers erst möglich ist, nachdem der Käufer dem Verkäufer nach dem erfolglosen Ablauf der Sechs-Wochen-Frist erfolglos eine angemessene Nachfrist gesetzt hat.
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Anfechtung und Rücktritt können gleichzeitig erklärt werden. Aufgrund der stärkeren, das Schuldverhältnis vernichtenden Wirkung der Anfechtung ist jedoch zunächst über deren Wirksamkeit zu entscheiden. Die Wirksamkeit der Rücktrittserklärung ist daher nur dann relevant, wenn die Anfechtung nicht durchdringt.
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Der Rücktritt vom Kaufvertrag kann auch hilfsweise für den Fall erklärt werden, dass die erklärte Anfechtung unwirksam ist. Zwar vertragen Gestaltungsrechte wie der Rücktritt keine Bedingung, doch wird die Ausübung des Rücktrittsrechts in einem solchen Fall nicht unter eine Bedingung im Sinne von § 158 BGB gestellt. Der Eintritt der Gestaltungswirkung des Rücktritts hängt vielmehr von einem objektiv bereits feststehenden, für den Erklärenden nur subjektiv ungewissen Ereignis – der Unwirksamkeit der Anfechtung – ab.
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Der Rücktritt vom Kaufvertrag kann nicht erst dann wirksam erklärt werden, wenn die Frist zur Leistung beziehungsweise zur Nacherfüllung, die der Käufer dem Verkäufer gemäß § 323 I BGB grundsätzlich setzen muss, erfolglos abgelaufen ist. Nichts spricht dagegen, dass der Käufer den Rücktritt bereits bei Fristsetzung für den Fall erklärt, dass die Frist fruchtlos abläuft (zulässige Potestativbedingung).
LG Hanau, Urteil vom 11.03.2025 – 1 O 1185/24
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Bei einem im Fernabsatz geschlossenen Neuwagenkaufvertrag führen weder die Möglichkeit, das Fahrzeug hinsichtlich der Motorisierung, der Farbe, der (Sonder-)Ausstattung etc. zu konfigurieren, noch die Erstzulassung des Fahrzeugs zu einem Ausschluss des Widerrufsrechts des Verbrauchers nach § 312g II Nr. 1 BGB.
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Eine Widerrufsbelehrung bei einem Fernabsatzvertrag entspricht nicht den Vorgaben des Art. 246a § 1 II 1 Nr. 1 EGBGB und ist daher nicht ordnungsgemäß, wenn sie dem Käufer überlässt zu beurteilen, ob die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für das Bestehen eines Widerrufsrechts im konkreten Fall erfüllt sind („Falls Sie ein Verbraucher sind und diesen Vertrag ausschließlich unter der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln [wie z. B. über das Internet oder per Telefon] geschlossen haben, können Sie … widerrufen.“).
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Dem Verbraucher muss beim Abschluss eines Fernabsatzvertrags in einer von der Musterwiderrufsbelehrung in Teilen abweichenden Widerrufsbelehrung die – auf der Internetseite des Unternehmers zugängliche – Telefonnummer des Unternehmers nicht mitgeteilt werden, wenn in der Widerrufsbelehrung die Postanschrift und die E-Mail-Adresse des Unternehmers als Kommunikationsmittel beispielhaft genannt werden (im Anschluss an BGH, Beschl. vom 25.02.2025 – VIII ZR 143/24, juris Rn. 5 ff.).
OLG Stuttgart, Urteil vom 11.03.2025 – 6 U 57/24
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Zur Frage, ob dem Verbraucher beim Abschluss eines Fernabsatzvertrags in einer von der Musterwiderrufsbelehrung in Teilen abweichenden Widerrufsbelehrung zusätzlich eine (hier auf der Internetseite des Unternehmers zugängliche) Telefonnummer des Unternehmers mitgeteilt werden muss, wenn in der Widerrufsbelehrung als Kommunikationsmittel beispielhaft dessen Postanschrift und E-Mail-Adresse genannt werden.
BGH, Beschluss vom 25.02.2025 – VIII ZR 143/24
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Ein in einem Fahrzeug implementiertes „Thermofenster“, das lediglich Verschmutzung und Verschleiß des Motors entgegenwirken soll, ist eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 (im Anschluss an EuGH, Urt. v. 14.07.2022 – C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 – GSMB Invest).
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Wenn sich der Käufer eines Neufahrzeugs, das mit einem „Thermofenster“ ausgestattet ist, den Vortrag des als Streithelfer aufseiten des Verkäufers beigetretenen Fahrzeugherstellers zum Einsatz eines „Thermofensters“ zu eigen macht, kann sich der Verkäufer zu diesem Vortrag jedenfalls dann nicht zulässigerweise mit Nichtwissen erklären (§ 138 IV ZPO), wenn er zuvor geltend gemacht hat, mangels eigener Kenntnisse auf Auskünfte des Herstellers angewiesen zu sein.
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Der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs – hier: eines Wohnmobils – kann das ihm nach § 439 I BGB zustehende Wahlrecht zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung im Rücktrittsschreiben ausüben (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 05.10.2022 – VIII ZR 88/21, juris Rn. 29).
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Ist zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung kein Softwareupdate verfügbar und ist auch nicht mit der zeitnahen Entwicklung eines solchen Updates zu rechnen, ist dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs eine Nachbesserung unzumutbar (im Anschluss an BGH, Urt. v. 09.11.2022 – VIII ZR 272/20, juris Rn. 49 ff.). Ein Nacherfüllungsverlangen ist dann nach § 440 Satz 1 Fall 3 BGB ausnahmsweise entbehrlich.
OLG Saarbrücken, Urteil vom 24.01.2025 – 3 U 124/22
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Durch die Vereinbarung eines unverbindlichen Liefertermins oder einer unverbindlichen Lieferfrist beim Neuwagenkauf wird zwar noch keine Leistungszeit bestimmt, bei deren Überschreitung der Verkäufer – wie etwa im Fall des § 286 II Nr. 1 BGB – ohne Weiteres in Verzug gerät. Ist aber – etwa in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verkäufers – vorgesehen, dass der Käufer den Verkäufer erst mahnen kann, wenn nach Ablauf der unverbindlichen Lieferfrist beziehungsweise nach Überschreitung des unverbindlichen Liefertermins eine (weitere) Frist (sog. unechte Nachfrist) verstrichen ist, so wird die vom Verkäufer geschuldete Leistung spätestens mit Ablauf dieser (weiteren) Frist fällig, sodass er nunmehr durch eine einfache Mahnung in Verzug gesetzt werden kann (im Anschluss an BGH, Urt. v. 27.09.2000 – VIII ZR 155/99, BGHZ 145, 203 = juris Rn. 46).
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Die Übermittlung einer Textnachricht per WhatsApp erfüllt die Voraussetzungen der gewillkürten Schriftform i. S. des § 127 II 1 BGB. Gleiches gilt für die Übermittlung eines Attachments in Form einer Textverarbeitungs- oder PDF-Datei oder eines hinreichend guten Fotos, nicht jedoch für eine WhatsApp-Sprachnachricht oder ein Attachment in Form einer Video- oder Audiodatei.
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Werden in einer Textnachricht Emojis verwendet, sind diese bei der Auslegung der Erklärung grundsätzlich zu berücksichtigen. Dabei ist – wie sonst auch – darauf abzustellen, wie ein verständiger Empfänger der Nachricht diese nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte (§§&nbbsp;133, 157 BGB). Zur Ermittlung des Bedeutungsgehalts von Emojis kann der Rechtsanwender Emoji-Lexika zurate ziehen; Anhaltspunkte für das Verständnis eines Emojis können sich auch aus dem Begleittext ergeben.
OLG München, Urteil vom 11.11.2024 – 19 U 200/24 e
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Einem Verbraucher, der von einem Unternehmer ein – hier neuwertiges – Kraftfahrzeug kauft, steht grundsätzlich ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht (§§ 312g I, 355 BGB) zu, wenn die Parteien für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel im Sinne des § 312c II BGB verwendet haben. Das gilt ausnahmsweise nur dann nicht, wenn der Kaufvertrag nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen wurde.
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Der Verkäufer hat zu beweisen, dass ein unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossener Kaufvertrag nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen wurde. Gegen das Bestehen eines solchen Systems spricht nicht, dass der Käufer das gekaufte Fahrzeuge bei dem Händler abholen muss. Denn ein nach Vertragsschluss stattfindender persönlicher Kontakt ist für die Frage, ob ein Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312c I BGB vorliegt, irrelevant.
LG Hamburg, Urteil vom 10.09.2024 – 314 O 10/24
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Der Verkäufer eines Elektrofahrzeugs muss dem Käufer nach dessen wirksamem Rücktritt vom Kaufvertrag auch dann den vollen Kaufpreis erstatten, wenn der Käufer nach der Zulassung des Fahrzeugs eine staatliche Förderung (Umweltbonus) beantragt und erhalten hat.
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Beim Umweltbonus handelt es sich nicht um vom Käufer gezogene Nutzungen im Sinne der §§ 346 I, 100 BGB, die der Käufer dem Verkäufer nach einem wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag herauszugeben oder durch ihren Wert zu ersetzen hat.
OLG Brandenburg, Urteil vom 03.09.2024 – 6 U 79/23
(vorangehend: LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 23.08.2023 – 13 O 73/23)
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Schließen ein Verbraucher und ein Unternehmer einen Kaufvertrag über einen Neuwagen unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln i. S. von § 312c II BGB, so steht dem Verbraucher grundsätzlich auch dann ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht (§§ 312c, 312g I, 355 BGB) zu, wenn er das Fahrzeug konfigurieren kann. Die in § 312g II Nr. 1 BGB vorgesehene Ausnahme ist nicht einschlägig, weil der Unternehmer ein Fahrzeug, das über eine gängige (Sonder-)Ausstattung verfügt, im Falle eines Widerrufs problemlos veräußern kann.
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Das Fehlen einer Telefonnummer des Unternehmers in der Belehrung des Verbrauchers über sein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht führt nicht zur Unwirksamkeit der Belehrung.
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Jedenfalls verstößt die Ausübung eines fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechts gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn ein geringfügiger Belehrungsfehler (hier: keine Angabe einer Telefonnummer) vorliegt, durch den dem Verbraucher nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerrufsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben.
LG Arnsberg, Urteil vom 22.02.2024 – 4 O 273/23
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