Ein ab­ge­se­hen von der Über­füh­rung nicht be­nutz­tes Fahr­zeug, das als Mo­dell wei­ter­hin un­ver­än­dert, das heißt oh­ne Än­de­run­gen in der Tech­nik oder Aus­stat­tung, her­ge­stellt wird und kei­ne durch die län­ge­re Stand­zeit be­ding­ten Män­gel auf­weist, darf als fa­brik­neu be­zeich­net wer­den.

BGH, Ur­teil vom 06.02.1980 – VI­II ZR 275/78

Die­se Ent­schei­dung ist zum „al­ten“ Schuld­recht und vor In­kraft­tre­ten der ZPO-Re­form 2002 er­gan­gen. Sie kann nicht oh­ne Wei­te­res auf das seit dem 01.01.2002 gel­ten­de Recht über­tra­gen wer­den (so ist z. B. an die Stel­le der Wan­de­lung der Rück­tritt vom Kauf­ver­trag ge­tre­ten). Die ge­nann­ten Vor­schrif­ten exis­tie­ren heu­te mög­li­cher­wei­se nicht mehr oder ha­ben ei­nen an­de­ren In­halt.

Sach­ver­halt: Der Klä­ger kauf­te von der Be­klag­ten am 08.05.1975 ei­nen Kraft­wa­gen, der sich als Aus­stel­lungs­wa­gen in der Nie­der­las­sung der Be­klag­ten be­fand. Der Lis­ten­preis für die­sen Wa­gen, der im Ju­ni/Ju­li 1974 her­ge­stellt wor­den war, be­trug 16.549 DM. Der Klä­ger hat­te je­doch nur 15.000 DM zu zah­len, weil er kein ge­brauch­tes Fahr­zeug in Zah­lung gab. Auf der Rück­sei­te des Kauf­ver­trags be­fan­den sich die Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Be­klag­ten, die ei­ne Ge­währ­leis­tung ein­schränk­ten und ei­nen An­spruch auf Wan­de­lung nur bei nicht ab­stell­ba­ren Män­geln vor­sa­hen. Der Wa­gen wur­de am 08.05.1975 mit ei­nem Ki­lo­me­ter­stand von 29 an den Klä­ger aus­ge­lie­fert.

Da das Fahr­zeug nach An­sicht des Klä­gers Män­gel auf­wies, hol­te er ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten über sei­nen Zu­stand ein. Nach Ein­gang des Gut­ach­tens stell­te er am 29.09.1975 das Kraft­fahr­zeug der Be­klag­ten Zug um Zug ge­gen Lie­fe­rung ei­nes neu­en Fahr­zeugs zur Ver­fü­gung, weil das ge­lie­fer­te Fahr­zeug Män­gel ha­be und weil es kein Neu­fahr­zeug sei. Vor­sorg­lich er­klär­te der Klä­ger Wan­de­lung. Die Be­klag­te mach­te am 22.10.1975 gel­tend, daß der Klä­ger ein fa­brik­neu­es Fahr­zeug er­hal­ten ha­be, bat ihn in­des­sen, auf das An­ge­bot ih­rer Haupt­händ­le­rin ein­zu­ge­hen und die zu­ta­ge ge­tre­te­nen Män­gel in de­ren Werk­statt be­he­ben zu las­sen. Dass der Wa­gen be­reits im Som­mer 1974 her­ge­stellt wor­den war, er­fuhr der Klä­ger durch Schrei­ben des Kraft­fahrt-Bun­des­amts vom 09.12.1975 und ein Schrei­ben des Her­stel­lers vom 12.02.1976.

Mit der Kla­ge ver­langt der Klä­ger die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur Zah­lung von 15.000 DM nebst Zin­sen Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Kraft­wa­gens. Das Land­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben; das Ober­lan­des­ge­richt hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten zu­rück­ge­wie­sen. De­ren Re­vi­si­on führ­te zur Auf­he­bung des Be­ru­fungs­ur­teils und zur Zu­rück­wei­sung der Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt.

Aus den Grün­den: I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat un­ter­stellt, dass das dem Klä­ger ge­lie­fer­te Kraft­fahr­zeug der neu­es­ten Bau­art die­ses Mo­dells ent­spro­chen ha­be. Es hat da­hin­ge­stellt ge­las­sen, ob die vom Klä­ger be­haup­te­ten Män­gel des Kraft­fahr­zeugs vor­han­den sei­en, ob der Klä­ger die­se Män­gel ge­kannt ha­be und ob ein auf die an­geb­li­chen Män­gel des Kraft­fahr­zeugs ge­stütz­ter Wan­de­lungs­an­spruch durch die Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Be­klag­ten aus­ge­schlos­sen sei. Das Be­ru­fungs­ge­richt geht da­von aus, dass die Be­klag­te die Fa­brik­neu­heit des Kraft­fahr­zeugs zu­ge­si­chert ha­be, dass in­des­sen die­se Ei­gen­schaft ge­fehlt ha­be, weil das Kraft­fahr­zeug et­wa zehn Mo­na­te vor dem Ver­kauf an den Klä­ger her­ge­stellt wor­den sei und aus der Vor­jah­res­se­rie stam­me. Der An­nah­me, dass die Fa­brik­neu­heit zu­ge­si­chert sei, ste­he die Hö­he des dem Klä­ger ge­währ­ten Ra­batts nicht ent­ge­gen, weil in der da­ma­li­gen Zeit Preis­nach­läs­se in die­ser Hö­he üb­lich ge­we­sen sei­en. Der Klä­ger kön­ne da­her wan­deln. Wie sich aus der Be­zug­nah­me auf das land­ge­richt­li­che Ur­teil er­gibt, hat das Be­ru­fungs­ge­richt wei­ter an­ge­nom­men, dass der mit die­ser Be­grün­dung gel­tend ge­mach­te Wan­de­lungs­an­spruch durch die Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Be­klag­ten nicht aus­ge­schlos­sen sei.

II. Die­se Aus­füh­run­gen sind von Rechts­irr­tum be­ein­flusst.

1. Die Re­vi­si­on wen­det sich nicht ge­gen die … Fest­stel­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, dass die Be­klag­te die Fa­brik­neu­heit des Kraft­wa­gens zu­ge­si­chert hat­te, und nicht ge­gen des­sen An­nah­me, dass der Klä­ger trotz der Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Be­klag­ten Wan­de­lung be­an­spru­chen kann, wenn der Wa­gen nicht fa­brik­neu war. In­so­weit lässt das Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts auch ei­nen Rechts­feh­ler nicht er­ken­nen.

2. Der Streit der Par­tei­en geht jetzt noch dar­um, ob der dem Klä­ger et­wa zehn Mo­na­te nach sei­ner Her­stel­lung ver­kauf­te Kraft­wa­gen fa­brik­neu war oder nicht.

a) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat nicht fest­ge­stellt, dass das Her­stel­ler­werk zwi­schen der Her­stel­lung des strei­ti­gen Kraft­fahr­zeugs und des­sen Ver­kauf Än­de­run­gen in Aus­stat­tung und Tech­nik des Mo­dells vor­ge­nom­men hat­te und dass das Kraft­fahr­zeug Män­gel auf­wies.

b) Ent­schei­dend ist hier mit­hin, ob ein, ab­ge­se­hen von der Über­füh­rung, nicht be­nutz­tes Kraft­fahr­zeug al­lein in­fol­ge Zeit­ab­laufs nicht mehr als fa­brik­neu an­zu­se­hen ist.

aa) Das Reichs­ge­richt hat ent­schie­den, dass ein Kraft­wa­gen, der in­fol­ge jah­re­lan­gen Ste­hens die Be­schaf­fen­heit sog. La­ger­wa­re an­ge­nom­men ha­be und mehr­fa­chen In­stand­set­zun­gen aus­ge­setzt ge­we­sen sei, nicht mehr als fa­brik­neu an­ge­se­hen wer­den kön­ne (DAR 1932, 279). Der er­ken­nen­de Se­nat hat die Fa­brik­neu­heit ei­nes Kraft­wa­gens ver­neint, weil er ei­ni­ge Mo­na­te auf La­ger ge­stan­den hat­te und da­bei Schä­den (Fle­cken, Krat­zer, an­ge­ros­te­te Schein­wer­fer) da­von­ge­tra­gen hat­te (BGH, Urt. v. 27.09.1967 – VI­II ZR 72/65, BB 1967, 1268).

bb) In der sons­ti­gen Recht­spre­chung und im Schrift­tum ist herr­schen­de Mei­nung, dass ein Kraft­fahr­zeug, das zehn bis zwölf Mo­na­te vor dem Ver­kauf her­ge­stellt wor­den und das, ab­ge­se­hen von der Über­füh­rungs­fahrt, nicht be­nutzt wor­den war, je­den­falls dann als fa­brik­neu be­zeich­net wer­den kann, wenn das Mo­dell die­ses Kraft­fahr­zeu­ges wei­ter­hin her­ge­stellt wird und wenn das Kraft­fahr­zeug kei­ne Män­gel auf­weist (so ins­be­son­de­re OLG Mün­chen, DAR 1965, 272; NJW 1967, 158; KG, NJW 1969, 2145; OLG Zwei­brü­cken, MDR 1970, 325; OLG Frank­furt, OLGZ 70, 409; NJW 1978, 273; OLG Düs­sel­dorf, NJW 1971, 622; OLG Cel­le, BB 1970, 9; OLGZ 71, 15; LG Ber­lin, NJW 1976, 151; LG Aa­chen, NJW 1978, 273; RGRK/Mez­ger, BGB, 12. Aufl., § 459 Rn. 14; Stau­din­ger/Hon­sell, BGB, 12. Aufl., § 459 Rn. 44; Pa­landt/Putzo, BGB, 38. Aufl., § 459 Anm. 5b; Thamm, BB 1971, 1543). Mehr­fach wird in die­sen Ent­schei­dun­gen dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es für die Fra­ge, ob ein Kraft­fahr­zeug fa­brik­neu sei, nicht auf das Bau­jahr an­kom­me. Denn das Bau­jahr ha­be auf die­se Ei­gen­schaft der Fa­brik­neu­heit schon des­halb kei­nen Ein­fluss, weil es nach dem Er­lass des Bun­des­mi­nis­ters für Ver­kehr vom 25.05.1963 (Vk­Bl 1963, 223) nicht mehr im Kraft­fahr­zeug­brief ein­ge­tra­gen wer­de (so z. B. OLG Zwei­brü­cken, MDR 1970, 325; LG Aa­chen, NJW 1978, 273).

cc) Von der herr­schen­den Mei­nung wei­chen, so­weit er­sicht­lich, le­dig­lich das OLG Braun­schweig (DAR 1975, 301) und E. Schnei­der (Jur­Bü­ro 1978, 74) ab. Das OLG Braun­schweig ist der Auf­fas­sung, dass ein et­wa neun Mo­na­te al­tes Kraft­fahr­zeug, das im Vor­jah­re vor den Werks­fe­ri­en her­ge­stellt wor­den sei, nach der Ver­kehrs­sit­te nicht als fa­brik­neu an­zu­se­hen sei. Das Bau­jahr sei näm­lich von Be­deu­tung, ob­gleich es nicht mehr im Kraft­fahr­zeug­brief ein­ge­tra­gen wer­de, weil nach dem sog. „Schwa­cke­be­richt“ der Händ­ler­ein­kaufs­preis für Ge­braucht­wa­gen nicht al­lein durch den Ki­lo­me­ter­stand, son­dern auch durch das Bau­jahr be­ein­flusst wer­de. Schnei­der (Jur­Bü­ro 1978, 74) wen­det sich zwar nicht grund­sätz­lich ge­gen die herr­schen­de Mei­nung, hält aber die von der all­ge­mei­nen An­sicht ge­bil­lig­te Zeit­span­ne von et­wa ei­nem Jahr zwi­schen Her­stel­lung und Ver­kauf für zu reich­lich be­mes­sen.

dd) Wie sich aus die­sen Aus­füh­run­gen er­gibt, be­ruft sich das Be­ru­fungs­ge­richt zu Un­recht auf die Ur­tei­le des OLG Düs­sel­dorf (NJW 1971, 622) und des LG Ber­lin (NJW 1976, 151) so­wie auf die An­mer­kung von We­ber (NJW 1970, 430). Die ge­nann­ten Ent­schei­dun­gen ha­ben die Neu­wa­gen­ei­gen­schaft ei­nes Kraft­fahr­zeugs des­we­gen ver­neint, weil das ver­kauf­te Kraft­fahr­zeug nicht mit den tech­ni­schen Neue­run­gen des be­tref­fen­den Mo­dells aus­ge­stat­tet war bzw. weil es Män­gel hat­te. We­ber lehnt in sei­ner An­mer­kung die Ent­schei­dung des Kam­mer­ge­richts (NJW 1969, 2145) des­halb ab, weil die­ses nicht be­rück­sich­ti­ge, dass der als fa­brik­neu ver­kauf­te Kraft­wa­gen nicht al­le tech­ni­schen Neue­run­gen des be­tref­fen­den Mo­dells auf­wies.

d) Der er­ken­nen­de Se­nat ist in Ein­klang mit sei­nem Ur­teil vom 27.09.1967 (BB 1967, 1268) und in Über­ein­stim­mung mit der herr­schen­den Mei­nung der An­sicht, dass ein, ab­ge­se­hen von der Über­füh­rung, nicht be­nutz­tes Kraft­fahr­zeug, das mit­hin noch nicht sei­nem be­stim­mungs­mä­ßi­gen Ge­brauch als Ver­kehrs­mit­tel zu­ge­führt wor­den war, grund­sätz­lich fa­brik­neu ist, wenn und so­lan­ge das Mo­dell des Kraft­fahr­zeugs un­ver­än­dert wei­ter­ge­baut wird, al­so kei­ner­lei Än­de­run­gen in der Tech­nik und der Aus­stat­tung auf­weist und durch das Ste­hen kei­ne Män­gel ent­stan­den sind. Das gilt un­ter Be­rück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen von Käu­fer und Ver­käu­fer auch dann, wenn das Kraft­fahr­zeug erst ei­ni­ge Zeit nach sei­ner Her­stel­lung ver­kauft wird.

e) Die Er­wä­gun­gen des OLG Braun­schweig (DAR 1975, 301) recht­fer­ti­gen kei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung.

aa) Das Bau­jahr ei­nes Kraft­fahr­zeugs, dem das OLG Braun­schweig maß­geb­li­che Be­deu­tung bei­misst, ist nicht mehr be­deut­sam, weil es nach dem er­wähn­ten Er­lass des Bun­des­mi­nis­ters für Ver­kehr nicht mehr im Kraft­fahr­zeug­brief ein­ge­tra­gen wird. Das Bau­jahr kann, wie der vor­lie­gen­de Fall zeigt, nur durch Rück­fra­ge bei dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt oder den Her­stel­ler­wer­ken er­mit­telt wer­den und spielt da­her prak­tisch kei­ne Rol­le mehr. Dem­ge­mäß legt auch der sog. „Schwa­cke­be­richt“ dem Schätz­wert für Ge­braucht­fahr­zeu­ge nicht das Bau­jahr, son­dern das Erst­zu­las­sungs­jahr zu­grun­de.

bb) So­weit das OLG Braun­schweig meint, ein Käu­fer kön­ne den Kauf­preis min­dern, weil ihm die sich aus dem „Schwa­cke­be­richt" er­ge­ben­de Wert­min­de­rung bei ei­nem Ver­kauf an ei­nen Ge­braucht­wa­gen­händ­ler ent­ge­gen­ge­hal­ten wür­de und da­mit auch ein An­halts­punkt für den beim Ver­kauf an ei­nen an­de­ren Hal­ter er­ziel­ba­ren Preis sei, kann ihm nicht ge­folgt wer­den. Denn, wie dar­ge­legt wur­de, kommt es auch bei ei­nem Wei­ter­ver­kauf des Kraft­wa­gens nicht auf das Bau­jahr, son­dern das Erst­zu­las­sungs­jahr an.

III. Das Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts kann dem­nach kei­nen Be­stand ha­ben. Ei­ne Ent­schei­dung in der Sa­che ist dem Se­nat nicht mög­lich, weil das Be­ru­fungs­ge­richt nicht fest­ge­stellt hat, ob das dem Klä­ger ge­lie­fer­te Kraft­fahr­zeug dem neu­es­ten Mo­dell die­ses Fahr­zeugs ent­sprach und ob es die vom Klä­ger be­haup­te­ten Män­gel hat­te. Da es so­mit wei­te­rer Fest­stel­lun­gen be­darf, war das Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts auf­zu­he­ben und die Sa­che zur an­der­wei­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen …

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