Ein als „EU-Neufahrzeug mit Tageszulassung“ verkauftes Fahrzeug muss fabrikneu sein. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn das Fahrzeug unbenutzt ist und keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweist, das Fahrzeugmodell unverändert weiter gebaut wird und zwischen der Herstellung des Fahrzeugs und dem Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen. Dabei steht die Tageszulassung der Fabrikneuheit nicht entgegen, da die Tageszulassung ein rein formaler Akt ist, der an der Beschaffenheit des Fahrzeugs nichts ändert. Eine geringfügige Überschreitung (hier: zwei Tage) der Standzeit von maximal zwölf Monaten ist unschädlich.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 03.08.2021 – 5 U 84/20

Sachverhalt: Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1 als Verkäuferin und die Beklagte zu 2 als Herstellerin im Zusammenhang mit dem Erwerb eines VW T6 California in Anspruch. Dieses von der Beklagten zu 2 am 12.08.2017 hergestellte Fahrzeug wurde zunächst an ein Autohaus in Österreich ausgeliefert. Dort erwarb es die auf den Reimport von Fahrzeugen spezialisierte X-KG und veräußerte es an die Beklagte zu 1.

Die Beklagte zu 1 bot das Fahrzeug am 11.08.2018 auf einer Internetplattform zum Kauf an. Dabei gab sie zutreffend an, dass das Fahrzeug im Juni 2018 erstzugelassen worden sei, und beschrieb das Fahrzeug als „Lagerfahrzeug/​sofort verfügbar/​EU-Neufahrzeug mit Tageszulassung“.

Nachdem die Klägerin im Internet auf den VW T6 California aufmerksam geworden war, unterzeichnete sie unter dem 14.08.2018 ein mit „Kaufvertrag/​Bestellung“ überschriebenes Formular. Der Kaufpreis für das Fahrzeug betrug 51.000 €. Die Beklagte zu 1 informierte die Klägerin nicht darüber, dass sie das Fahrzeug von der X-KG erworben hatte.

Der VW T6 California ist nicht mit einem Dieselmotor des Typs EA189, sondern mit einem Dieselmotor des Typs EA288 (Euro 6) ausgestattet. Er verfügt nicht über die von Fahrzeugen mit EA189-Motor bekannte „Umschaltlogik“, die das Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auf dem Prüfstand erkennt und in Abhängigkeit davon die Abgasrückführrate steuert. Die Steuerung der Abgasrückführrate erfolgt jedoch unter anderem in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur („Thermofenster“). Zudem hatte die Beklagte zu 2 die Motorsteuerung vor der Erstauslieferung des Fahrzeugs modifiziert.

Die Klägerin hat zunächst allein die Beklagte zu 1 in Anspruch genommen und behauptet, nach der Übergabe des Fahrzeugs an sie – die Klägerin – habe sich herausgestellt, dass das Fahrzeug vom „VW-Abgasskandal“ betroffen gewesen sei. Erst seit der Installation eines Softwareupdates sei auch im realen Fahrbetrieb ein Modus mit einer erhöhten Abgasrückführungsrate aktiv. Infolge des Softwareupdates habe sich der Kraftstoffverbrauch erhöht, die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs verringert und die Partikelemissionen erhöht. Das Fahrzeug weise einen Minderwert von mindestens 10 % des Kaufpreises auf.

Mit Schriftsatz vom 04.06.2019 hat die Klägerin dann geltend gemacht, das vorhandene „Thermofenster“ sei eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/20071Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge, ABl. 2007 L 171, 1.. Weiter hat sie behauptet, der Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs entspreche nicht den Angaben in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung und in dem Internetinserat der Beklagten zu 1.

Darüber hinaus habe die Beklagte zu 1 sie – die Klägerin – arglistig getäuscht, indem sie sie nicht darüber aufgeklärt habe, dass sie das Fahrzeug von einem Zwischenhändler erworben habe. Dies habe sie – die Klägerin – nur zufällig erfahren, weil das Serviceheft gefehlt habe und sie sich bei dem in den Fahrzeugpapieren als Ersthalter eingetragenen österreichischen Händler danach erkundigt habe. Schließlich sei sie nach dem Inhalt des Inserats der Beklagten zu 1 wie auch des Kaufvertrags davon ausgegangen, ein fabrikneues Fahrzeug zu erwerben. Diese Eigenschaft habe das Fahrzeug bei Abschluss des Kaufvertrags am 14.08.2018 aber nicht mehr aufgewiesen, weil seit seiner Herstellung bereits mehr als zwölf Monate vergangen gewesen seien.

Die Klägerin hat geltend gemacht, sie sei wegen der in der Klageschrift aufgeführten Mängel des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit anwaltlichem Schreiben vom 06.12.2018 wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten und habe ihre Vertragserklärung wegen arglistiger Täuschung durch die Beklagte zu 1 wirksam angefochten.

Die Beklagte zu 1 ist durch ihr am 25.06.2019 zugestelltes Versäumnisurteil zur Zahlung von 50.107,50 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verurteilt und es ist festgestellt worden, dass sich die Beklagte zu 1 in Annahmeverzug befindet. Gegen das Versäumnisurteil hat die Beklagte zu 1 am 26.06.2019 Einspruch eingelegt.

Mit Schriftsatz vom 21.10.2019 hat die Klägerin die Klage auf die Beklagte zu 2 erweitert und ergänzend vorgetragen, ihr Fahrzeug verfüge über eine „Aufwärmstrategie“, die dafür sorge, dass auf dem Prüfstand weniger Abgase ausgestoßen würden. Nur auf dem Prüfstand werde Harnstoff („AdBlue“) in ausreichender Menge eingesetzt, um die Emissionsgrenzwerte einzuhalten.

Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Die Beklagte zu 1 hat behauptet, der Verkauf eines fabrikneuen Fahrzeugs sei nicht vereinbart worden; vielmehr habe sie schon in ihrem Internetinserat darauf hingewiesen, dass es sich um ein Lagerfahrzeug mit Tageszulassung handele. Gleichwohl sei das Fahrzeug als fabrikneu im Rechtssinne anzusehen. Die vor der Auslieferung des Fahrzeugs vorgenommene Anpassung der Motorsteuersoftware sei aufgrund einer Konformitätsabweichung erforderlich geworden und habe nichts mit dem Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu tun. Der Softwarestand des Fahrzeugs habe bei der Erstauslieferung den vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigten Produktionsvorgaben entsprochen. Die Verwendung eines „Thermofensters“ habe dem allgemeinen Stand von Wissenschaft und Technik entsprochen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht das Versäumnisurteil insoweit aufrechterhalten, als die Beklagte zu 1 verurteilt worden ist, an die Klägerin 45.254,79 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Es hat ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte zu 1 einen Anspruch auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Kaufvertrags, weil das Fahrzeug entgegen der vereinbarten Beschaffenheit bei der Übergabe an die Klägerin kein Neufahrzeug gewesen sei (§§ 346 I BGB i. V. mit § 437 Nr. 2 Fall 1, § 323 II Nr. 1 BGB). Im Verkauf eines Neuwagens liege die Zusicherung, dass das Fahrzeug fabrikneu sei. Dies sei bei einem unbenutzten Kraftfahrzeug der Fall, solange das Modell noch unverändert weitergebaut werde, das Fahrzeug keine durch eine längere Standzeit bedingten Mängel aufweise und zwischen der Herstellung und dem Verkauf des Fahrzeugs nicht mehr als zwölf Monate lägen. Das streitgegenständliche Fahrzeug habe die Eigenschaft „fabrikneu“ mit Ablauf des 12.08.2018 und damit bereits vor Abschluss des Kaufvertrags verloren. Umstände, die ein Abweichen von den dargestellten Grundsätzen gebieten könnten, lägen auch unter Berücksichtigung der nur geringfügigen Überschreitung der Zwölf-Monats-Frist und der Bezeichnung als „Lagerfahrzeug“ nicht vor. Aus den vorgelegten Unterlagen ergäben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 1 das Fahrzeug als Gebrauchtwagen verkauft haben könnte. Zudem habe die Angabe des Garantiebeginns (12.06.2018) aus Sicht der Klägerin den Schluss zugelassen, dass das Fahrzeug nicht wesentlich vor diesem Zeitpunkt hergestellt worden sei. Da eine Nachbesserung unmöglich sei, sei es unerheblich, dass die Klägerin vor dem Rücktritt vom Kaufvertrag keine Nachbesserung verlangt habe. Die Klägerin müsse sich jedoch – ausgehend von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 350.000 km und einer Laufleistung von 35.454 km am 22.1.2020 – eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.745,21 € anrechnen lassen.

Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 habe die Klägerin nicht. Vertragliche Ansprüche Ansprüche schieden aus, weil die Beklagte nicht Verkäuferin des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei. Für eine unerlaubte Handlung der Beklagten zu 2 (Softwareupdate, „Thermofenster“, „Aufwärmstrategie“ Reduzierung der „AdBlue“-Einspritzung) sei nichts ersichtlich; jedenfalls fehle es an substanziiertem Vortrag der Klägerin zu einem etwaigen Vorsatz der Beklagten zu 2.

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte zu 1 beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Überschreitung der von der Rechtsprechung angenommenen Zwölf-Monats-Frist um wenige Tage sei nicht geeignet, einen Mangel des Fahrzeugs zu begründen. Zudem sei das Fahrzeug im Internet als Gebrauchtwagen inseriert gewesen; nur unter dieser Voraussetzung sei die Angabe eines Erstzulassungsdatum möglich gewesen. Auch seien einer E-Mail, die sie – die Beklagten zu 1 am 14.08.2018 an die Klägerin gerichtet habe, ihre Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen beigefügt gewesen. Bei einem Reimport-Fahrzeug lege sie ihre Einkaufsquelle (hier: die X-KG) regelmäßig nicht offen. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei auch nicht deshalb mangelhaft, weil es – wie die Klägerin zu Unrecht behaupte – vom „VW-Abgasskandal“ betroffen sei. Der Berechnung des ihr – der Beklagten – zustehenden Nutzungswertersatzes sei allenfalls eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km zugrunde zu legen.

Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Aus den Gründen: II. Die Berufung der Beklagten zu 1 … hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des Versäumnisurteils vom 05.06.2019 und zur Abweisung der Klage.

Der Klägerin steht der mit der Klage geltend gemachte Anspruch nicht zu. Sie ist nicht wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten und hat diesen nicht wirksam angefochten.

Aus Sicht des Berufungsgerichts hat das Landgericht zu Unrecht einen Anspruch aus § 346 I BGB i. V. mit § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 440, 323 I, II Nr. 1 BGB auf Rückabwicklung des Kaufvertrags über das von der Klägerin erworbene Fahrzeug mit der Begründung bejaht, dieses sei (zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs) mangelhaft gewesen, weil es unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegen der vereinbarten Beschaffenheit kein Neufahrzeug gewesen sei.

Ein Anspruch nach § 346 I BGB i. V. mit § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 440, 323 BGB ist nur dann gegeben, wenn zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs ein zum Rücktritt berechtigender Mangel vorgelegen hat. Eine Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat (§ 434 I 1 BGB). Ist eine Beschaffenheit nicht vereinbart, ist die Sache gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH liegt im Verkauf eines Neuwagens durch einen Kraftfahrzeughändler grundsätzlich die Zusicherung, dass das verkaufte Fahrzeug die Eigenschaft hat, „fabrikneu“ zu sein (vgl. nur BGH, Urt. v. 12.01.2005 – VIII ZR 109/04, juris Rn. 11). Zutreffend geht das Landgericht davon aus, der BGH habe mit Urteil vom 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, juris Rn. 11 ff. – seine Rechtsprechung dahin gehend präzisiert, dass ein unbenutztes Kraftfahrzeug regelmäßig noch „fabrikneu“ ist, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, wenn es keine durch längere Standzeit bedingte Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen.

Abweichendes gilt vorliegend nicht mit Blick darauf, dass das streitgegenständliche Fahrzeug – wie der Klägerin bekannt war – ein Reimport-Wagen ist: Auch für ein EU-Neufahrzeug gelten keine anderen Vorgaben zur noch zulässigen Lagerzeit des Fahrzeugs, wenn es sich bei der Verkäuferin nicht um einen Vertragshändler des Herstellers handelt (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.10.2005 – I-1 U 84/05, juris Rn. 54).

Soweit vorliegend bei Abschluss des Kaufvertrags am 14.08.2018 seit der Herstellung des Fahrzeugs (12.08.2017) ein Zeitraum von zwölf Monaten und zwei Tagen vergangen war, folgt daraus aber nicht, dass das Fahrzeug mit Ablauf des 12.08.2018 die Eigenschaft „fabrikneu“ verloren hat. Bei der vom BGH angegebenen Frist handelt es sich nach dem Verständnis des Berufungsgerichts nicht um eine taggenau einzuhaltende, starre Ausschlussfrist. Zwar führt der BGH in seinem Urteil aus, es bedürfe zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung der (höchstrichterlichen) Festlegung einer maximalen Standzeit, bis zu deren Ablauf ein Kraftfahrzeug im Regelfall noch als „fabrikneu“ angesehen werden kann, da in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte die Frage des Höchstalters „fabrikneuer“ Kraftfahrzeuge ganz unterschiedlich beantwortet werde, was dazu geführt habe, dass einerseits ein 8 Monate altes Fahrzeug als nicht mehr fabrikneu angesehen worden sei, während andererseits das Gegenteil noch für ein 16 Monate altes und sogar für ein 30 Monate altes Fahrzeug angenommen worden sei.

Im vom BGH zu entscheidenden Fall ging es um ein Fahrzeug, bei dem zwischen Herstellung und Verkauf ein Zeitraum von 19 Monaten lag. Für diesen Fall hat der BGH entschieden, dass dem Fahrzeug die zugesicherte Eigenschaft „fabrikneu“ bei Übergabe gefehlt hat. Zur Begründung hat der BGH ausgeführt, die Meinung, welche dem Verkäufer eine unbegrenzte Lagerhaltung zubillige, sofern keine Standschäden eingetreten seien oder das Modell sich verändert habe, verletze schützenswerte Interessen des Käufers, da nach der Verkehrsanschauung die Lagerdauer für die Wertschätzung eines Kraftfahrzeugs von wesentlicher Bedeutung und eine lange Standdauer daher für einen Neuwagenkäufer ein wertmindernder Faktor sei. Da jedes Kraftfahrzeug einem Alterungsprozess unterliege, der mit dem Verlassen des Herstellungsbetriebs einsetze, und sich der Zustand des Fahrzeugs durch Zeitablauf grundsätzlich aufgrund von Materialermüdung, Oxydation und anderen physikalischen Veränderungen verschlechtere, sei im Regelfall davon auszugehen, dass eine Lagerzeit „von mehr als zwölf Monaten“ die Fabrikneuheit eines Neuwagens beseitige (BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, juris Rn. 12).

Angesichts dieser Begründung überzeugt die Ansicht des Landgerichts nicht, die Beklagte zu 1 habe das Fahrzeug zwar am 11.08.2018 noch als Neuwagen inserieren, ihn aber am 14.08.2018 nicht mehr – jedenfalls nicht ohne einen Hinweis auf die längere Standzeit – als solchen verkaufen dürfen. Da die Alterungsprozesse schleichend ablaufen, ist nicht davon auszugehen, dass nach der Verkehrsanschauung in der Bewertung des Wertes des Fahrzeugs zwischen dem 11.08. und dem 14.08.2018 ein wesentlicher Unterschied zu machen ist. Die durch den BGH konkretisierte hinnehmbare Lagerzeit ist somit nicht im Sinne einer taggenau einzuhaltenden Frist zu verstehen, sondern als Angabe eines – in Monaten zu bemessenden – Zeitraums, sodass jedenfalls eine geringfügige Überschreitung der Lagerzeit nicht rechtserheblich ist (in diese Richtung auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.10.2005 – I-1 U 84/05, juris Rn. 54; gegen eine „Aufweichung“ der zeitlichen Grenze, aber bezogen auf den umgekehrten Fall einer knappen Unterschreitung der Frist unter dem Aspekt der Rechtssicherheit OLG Hamm, Urt. v. 16.08.2016 – I-1 U 140/15, juris Rn. 97).

Zudem ergibt sich, was auch das Landgericht gesehen hat, aus der Entscheidung des BGH, dass die dort angegebene Lagerzeit von mehr als zwölf Monaten lediglich „im Regelfall“ die Fabrikneuheit des Fahrzeugs beseitigt. Insofern hat die Beklagte zu 1 unwidersprochen vorgetragen, dass es sich bei dem Fahrzeugtyp T6 California Beach Edition um ein Modell mit hoher Nachfrage handelt, bei dem zudem von einer hohen Wertstabilität auszugehen ist. Bei einem solchen Fahrzeug wird sich eine nur ganz geringfügig längere Standzeit des Fahrzeugs nach der Verkehrsanschauung nicht negativ auf dessen Wert auswirken.

Dahinstehen kann, ob die Klägerin – wie die Beklagte zu 1 behauptet – das Fahrzeug nur deshalb auf der Plattform „…“ gefunden hat, weil sie (auch) Gebrauchtwagen in ihre Suche einbezogen hat, und ob – wie von der Beklagten zu 1 – behauptet, dem Vertrag ihre nunmehr zweitinstanzlich vorgelegten Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen beigefügt waren. Nach dem Inserat (Anlage K 7) sollte es sich bei dem Fahrzeug um ein „EU-Neufahrzeug mit Tageszulassung“ und einem Kilometerstand von 20 handeln, und abweichende Angaben sind im als Anlage K 1 vorgelegten Kaufvertrag nicht enthalten.

Dabei steht die Tageszulassung der Annahme eines Neufahrzeuges nicht entgegen. Der Kunde erwirbt auch in diesen Fällen ein fabrikneues Fahrzeug. Die kurzfristige Zulassung auf den Händler dient, anders als bei sogenannten Vorführwagen, nicht der Nutzung des Fahrzeugs. Tageszulassungen erfolgen im Absatzinteresse beider Seiten. Der Händler kommt durch die Steigerung der Abnahmemenge in den Genuss höherer Prämien, die er an den Endkunden weitergeben kann. Der Hersteller wird in die Lage versetzt, gezielt zu bestimmten Stichtagen mit höheren Zulassungszahlen zu werben. Der potenzielle Autokäufer weiß, dass eine Tageszulassung aus den genannten Gründen nur rein formal erfolgt, ohne dass sich die Beschaffenheit des Fahrzeugs als Neufahrzeug dadurch ändert, es also insbesondere nicht benutzt worden ist (BGH, Urt. v. 12.01.2005 – VIII ZR 109/04, juris Rn. 13).

Zu Unrecht meint die Klägerin auch, die Beklagte zu 1 habe ihr offenlegen müssen, dass sie das Fahrzeug über die X-KG erworben habe, da allein die Existenz des nicht als Halter in die Zulassungsbescheinigung eingetragenen Zwischenhändlers einen selbstständigen Mangel des Fahrzeugs darstelle. Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BGH (Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 38/09, juris) betrifft eine gänzlich andere Konstellation, nämlich den Erwerb eines Gebrauchtwagens mit hoher Laufleistung und mehreren Vorbesitzern, bei dem der Verkäufer nicht angegeben hatte, das Fahrzeug kurze Zeit vor dem Weiterverkauf selbst von einer Person unbekannter Identität erworben zu haben. In einer solchen Konstellation liegt, wie der BGH ausgeführt hat, der Verdacht nahe, dass es während der Besitzzeit des unbekannten Voreigentümers zu Manipulationen am Kilometerzähler oder einer sonstigen unsachgemäßen Behandlung des Fahrzeugs gekommen sein kann, und wird die Verlässlichkeit der Angaben des Verkäufers zum Fahrzeug grundlegend entwertet. Während in jenem Fall insbesondere der Kilometerstandsanzeige und den Aussagen zur „Gesamtfahrleistung nach Angabe des Vorbesitzers“ hinsichtlich der tatsächlichen Fahrleistung nahvollziehbar keine nennenswerte Bedeutung zukommen konnte (BGH, Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 38/09, juris Rn. 16), kann dies für ein mit einem Kilometerstand von 20 verkauftes, augenscheinlich nicht benutztes Fahrzeug nicht angenommen werden und wird es für den Käufer eines solchen Fahrzeugs regelmäßig ohne Belang sein, ob der Verkäufer das Fahrzeug selbst oder über einen dazwischengeschalteten Händler von dem im Fahrzeugbrief genannten EU-ausländischen Händler erworben hat.

Schließlich steht auch das – im Übergabeprotokoll dokumentierte – Vorhandensein eines Lackkratzers der Eigenschaft „fabrikneu“ nicht entgegen. Zum einen bedeutet „fabrikneu“ nicht „fehlerfrei“, und zum anderen hat die Klägerin ihren Rücktritt nicht auf das Vorhandensein des – ihr jedenfalls bei Übergabe des Fahrzeugs offenbarten – Kratzers gestützt.

Ist mit Blick auf die Eigenschaft als Neuwagen nicht von einem Mangel des Fahrzeugs auszugehen, scheidet auch eine auf eine Täuschung über das Fehlen dieser Eigenschaft gestützte Anfechtung des Vertrags aus.

Nicht begründet ist die Klage auch unter dem weiteren, vom Landgericht folgerichtig in Bezug auf die Beklagte zu 1 nicht behandelten Aspekt des Vorhandenseins eines sogenannten Thermofensters beziehungsweise eines anderweitigen Betroffenseins des Fahrzeugs von dem „Abgasskandal“, in den die Beklagte zu 2 als Fahrzeugherstellerin verwickelt ist.

Insoweit hat die Klägerin ihr Vorbringen im Verlauf des erstinstanzlichen Rechtsstreits mehrfach ergänzt und angepasst, nachdem sie zunächst mit der aus Fällen betreffend Fahrzeuge mit dem Motortyp EA189 bekannten Argumentation vom ursprünglichen Vorhandensein einer Prüfstanderkennungssoftware ausgegangen war, für das indes keine Anhaltspunkte dargelegt und ersichtlich sind.

Soweit die Klägerin darauf abstellt, es sei – was unstreitig ist – bei dem Fahrzeugtyp VW T6 California Beach Edition im Dezember 2017 vorübergehend zu einem Auslieferungsstop gekommen, und die Beklagte zu 2 habe auch am streitgegenständlichen Fahrzeug ein Softwareupdate durchführen müssen, haben die Beklagten dargelegt, dass die Nachbesserung an der Steuerungssoftware wegen einer Konformitätsabweichung erforderlich geworden sei, die dadurch im März 2018 und somit noch vor Auslieferung des Fahrzeugs behoben worden sei. Insofern ist davon auszugehen, dass der auf eine Konformitätsabweichung gestützte Rückrufbescheid keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das ursprüngliche Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung begründet (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 19.01.2021 – 16a U 196/19, juris Rn. 49). Das Kraftfahrt-Bundesamt hat den Rückruf bereits ausgelieferter Fahrzeuge des Modells T6 (Baujahre 2014 bis 2017) nicht wegen des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung angeordnet. Der Rückrufdatenbank des Amtes ist als Beschreibung zu entnehmen „Konformitätsabweichung führt zur Überschreitung des Euro-6-Grenzwertes für Stickoxide“ (KBA-Referenz-Nr. 7710; Hersteller-Code: 23Z7). Bemängelt wird damit nicht, dass die zur Erlangung der Typgenehmigung vorgestellten Fahrzeuge über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügt haben sollen, sondern, dass es nachträglich – sei es im Rahmen der Produktion oder des Alterungsprozesses des Fahrzeugs – zu Abweichungen gekommen ist, aufgrund derer die Grenzwerte nicht mehr eingehalten wurden. Am vorliegenden Fahrzeug wurde die Konformitätsabweichung bereits vor Erstauslieferung im Rahmen der Maßnahme 23Y7 behoben, sodass die Klägerin insofern zu keiner Zeit ein mangelhaftes Fahrzeug erhalten hat.

Soweit die Klägerin erstinstanzlich negative Folgen des Softwareupdates in Bezug auf die Langlebigkeit und den Wiederverkaufswert des Fahrzeugs behauptet hat, bestand ihr – in der Berufungsinstanz nicht wiederholtes – Vorbringen aus einer Übernahme der aus den Motortyp EA 189 betreffenden Fällen bekannten Argumentation (einschließlich des Verweises auf an solchen Fahrzeugen nach Aufspielen des Updates durchgeführten Tests) ohne konkreten Bezug zum streitgegenständlichen Motor- und Fahrzeugtyp oder gar zum Fahrzeug der Klägerin, sodass dem nicht weiter nachzugehen war. Dass die Überschreitung des für das Fahrzeug angegebenen Kraftstoffverbrauchs auf die Durchführung des Softwareupdates zurückzuführen ist, hat die Klägerin schon deshalb nicht dargelegt, weil sie keinen Vergleichswert für den Verbrauch ihres Fahrzeuges vor Durchführung des Updates angeben kann, da sie es erst danach erworben hat. Im Übrigen sind ihre – zudem abweichenden (vgl. Bl. 69 d. A. einerseits und Bl. 256 d. A. andererseits) – Angaben zum tatsächlichen Verbrauch nicht aussagekräftig, da nichts darüber mitgeteilt ist, wie die Klägerin das Fahrzeug nutzt.

Auch ist aus dem Vorbringen der Klägerin nicht deutlich geworden, was sie mit dem Hinweis auf das Vorhandensein einer „Aufwärmstrategie“ zum Ausdruck bringen wollte, das heißt, inwiefern sich daraus ein Mangel des Fahrzeugs ergeben soll.

Recht pauschal ist auch der Vortrag der Klägerin in Bezug auf das Vorhandensein eines sogenannten Thermofensters. Er geht insbesondere nicht auf die von der Beklagten zu 2 – sich auch insofern von der Beklagten zu 1 zu eigen gemacht – ausführlich behauptete technische Notwendigkeit einer solchen Steuerung der Abgasrückführung ein. Auch wenn man das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin, die technische Laiin ist, noch für ausreichend erachten wollte, kann offenbleiben, ob das Vorhandensein des Thermofensters als eine unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizieren und damit von einem Mangel des Fahrzeugs auszugehen ist. Denn jedenfalls ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht, dass sie der Beklagten zu 1 vor dem Rücktritt vom Vertrag Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben hätte, ohne dass davon ausgegangen werden kann, dass eine Fristsetzung mit Nacherfüllungsverlangen im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter zu 1 entbehrlich gewesen wäre (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 12.05.2021 – 4 U 34/20, juris Rn. 70; OLG Stuttgart, Urt. v. 11.12.2020 – 3 U 101/18, juris Rn. 57 ff. [Mercedes-Benz-Fahrzeug]).

Zwar hat die Klägerin – auch auf die dies thematisierenden Ausführungen des Landgerichts zum Verzugseintritt – die Rücktrittserklärung vom 06.12.2018 nicht vorgelegt (als Anlage K 8 vorgelegt ist ein anderes Schreiben vom 06.12.2018), allerdings wird aus ihrem Vorbringen deutlich, dass ohne vorhergehende Fristsetzung vom Vertrag zurückgetreten wurde, offenbar vor dem Hintergrund, dass sie ein Nacherfüllungsverlangen mit Blick auf das angenommene Fehlen der Neuwageneigenschaft für entbehrlich gehalten hat.

Dass die Beklagte zu 1 die Nachbesserung ernsthaft und endgültig verweigert hat mit der Folge der Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 440 Satz 1 Fall 1, § 281 II, § 323 II Nr. 1 BGB, wird von der Klägerin nicht dargetan. Eine solche ernsthafte und endgültige Verweigerung der Nachbesserung lässt sich nicht daraus herleiten, dass die Beklagte zu 1 den Sachmangel im vorliegenden Rechtsstreit bestritten hat. An das Vorliegen einer endgültigen Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen. Gemessen an diesem Maßstab lässt sich die im Rechtsstreit zur Verteidigung des Klageabweisungsbegehrens eingenommene Rechtsposition, das streitgegenständliche Fahrzeug weise keinen der behaupteten Sachmängel auf, nicht als das „letzte Wort“ der Beklagten zu 1 auffassen.

Eine Fristsetzung zur Nachbesserung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Nachbesserung wegen eines unbehebbaren Mangels unmöglich war (§ 275 I BGB).

Unmöglichkeit liegt nur vor, wenn die Leistung weder vom Schuldner noch von einem Dritten erbracht werden kann (BGH, Urt. v. 19.01.2007 – V ZR 211/06, BGHZ 174, 6 = juris Rn. 15). Unterstellt, die behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen führten zum Erlöschen der EG-Typgenehmigung und der Betriebserlaubnis, wozu sich dem Vortrag der Klägerin nichts Konkretes entnehmen lässt, lässt sich hieraus nicht (auch) der Schluss ziehen, die Nacherfüllung sei nicht möglich; es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die Typgenehmigung – ohne die Ausstattung des Fahrzeugs mit unzulässigen Abschalteinrichtungen – nicht hätte wiedererlangt werden können.

Die Aufforderung zur Nacherfüllung nebst Fristsetzung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil eine Nachbesserung unzumutbar war (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB). Weiß der Käufer nicht, wie der Verkäufer auf ein Mangelbeseitigungsverlangen reagieren wird, kann ihm eine Aufforderung zur Nacherfüllung innerhalb einer bestimmten Frist nicht unzumutbar sein. Soweit das OLG Hamm (Urt. v. 01.04.2020 – I-30 U 33/19, juris Rn. 91 ff.) von einer Unzumutbarkeit der Nacherfüllung ausgegangen ist, da die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung (Nachbesserung) infolge seines zerstörten Vertrauensverhältnisses zu der laut Verkäuferin einzig zur Nachbesserung fähigen Herstellerin des Fahrzeugs nicht zumutbar sei, bezog sich dies auf ein vom „Abgasskandal“ betroffenes Fahrzeug mit einem Motor vom Typ EA189, während vorliegend – nach dem insoweit rechtskräftigen Urteil des Landgerichts – gerade nicht davon auszugehen ist, dass die Beklagte zu 2 die Klägerin sittenwidrig vorsätzlich geschädigt hat.

Auch dafür, dass die Beklagte zu 1 die Klägerin hinsichtlich des Vorhandenseins eines Thermofensters getäuscht haben könnte, sind nach dem Vorbringen der Klägerin keine Anhaltspunkte gegeben, sodass eine wirksame Anfechtung des Vertrags ebenso ausscheidet, wie darauf gestützte deliktische Ansprüche nicht in Betracht kommen, zumal ein vorsätzliches tatbestandliches Handeln der Beklagten zu 1, die sich ein etwaig vorsätzliches Handeln der Beklagten zu 2 nicht zurechnen lassen muss (OLG Brandenburg, Urt. v. 12.05.2021 – 4 U 34/20, Rn. 54, juris; OLG Hamm, Urt. v. 01.04.2020 – I-30 U 33/19, juris Rn. 65 ff.), nicht schlüssig dargetan ist. Eine solche Beziehung zwischen Händler und Herstellerin, die aus Billigkeitsgründen eine Zurechnung des Verhaltens der Herstellerin gebieten würde, besteht bezüglich des vorliegend allein maßgeblichen Abschlusses des Kaufvertrags mit dem Kunden nicht (BGH, Beschl. v. 09.06.2020 – VIII ZR 315/19, juris Rn. 17).

Kann die Klägerin nach dem Vorgesagten eine Rückabwicklung des Vertrags nicht verlangen, hat ihre Klage auch weder hinsichtlich der Feststellung Erfolg, die Beklagte zu 1 befinde sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Verzug, noch hinsichtlich der geltend gemachten Nebenforderungen im vom Landgericht zugesprochenen Umfang.

III. …

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